Kapitel 5
"Ok, also die kleine Schraube muss da hinten ran. Dann einen Salutempus wirken, dann das kleine Rädchen um 90° drehen, nein in die andere Richtung. Genau, jetzt einen In Reditu."
Vorsichtig drehte Stibbons das winzige Zahnrad ein kleines Stück und murmelte einen Zauberspruch. Als er fertig war, wischte er sich einige Schweißperlen von der Stirn und richtete sich auf.
"Es wäre so viel einfacher, wenn du das machen könntest.", seufzte er und betrachtete das lächerlich kleine Gerät, was sie aus den Einzelteilen eines Zeitumkehrers gebastelt hatten. Hermine betrachtete es prüfend.
"Ja, aber blöderweise habe ich keinen funktionierenden Zauberstab und würde mit ziemlicher Sicherheit etwas kaputtmachen.", antwortete sie, ohne die Augen von den feingliedrigen Verbindungen zu nehmen. Sie sahen gut aus. Erleichtert atmete sie auf und drehte sich zu Stibbons um. "Glaub mir, mir wäre es auch lieber."
"Weil ich so unfähig bin?" Stibbons grinste, als er sich noch eine Tasse Kaffee einschenkte. Hermine verdrehte die Augen.
"Du schlägst dich tatsächlich ziemlich gut.", sagte sie und fuhr sich durch die Haare. Sie hasste diese Haarlänge - so lang, dass sie nervten, aber nicht lang genug, um sie effektiv zusammen zu binden. Sie hatte große Lust, sie einfach abzuschneiden. Andererseits hoffte sie, dass ihr Gegenstück mit ihrem Körper nichts Drastisches anstellte, also war es nur fair, den Gefallen zu erwidern. "Aber diese Fummelei wird definitiv leichter, wenn man es ein paarmal gemacht hat."
Sie griff nach ihrer eigenen Tasse (Himbeertee) und für einige Momente standen sie nebeneinander und betrachteten ihr Werk. Eine Woche war vergangen, seit sie Stibbons aufgesucht hatte und seitdem hatte sie ihn sehr grob in ihre Forschung eingewiesen, von der sie mittlerweile zumindest etwa die Hälfte rekonstruiert hatte. Es reichte, um einen kleinen intertemporalen Kommunikator zu bauen - nun, zumindest theoretisch.
"Also damit kannst du Kontakt zu deiner Welt aufnehmen?", fragte er und deutete auf das Gebilde, was etwa so groß war, wie eine Pflaume. Hermine musste lachen.
"Nein. Das ist ein Gerät, an dessen Baupläne ich mich Bruchstückhaft erinnere, dessen restlichen Aufbau ich blind geraten habe und mit dem ich, wenn es funktionieren würde, in einem Universum durch die Zeit kommunizieren könnte.", erklärte sie. "Aber es funktioniert nicht, sonst würde es schweben und deshalb ist es effektiv nur ein Haufen Bauteile." Sie nahm noch einen Schluck von ihrem Tee.
"Großartig, zu wissen, dass eine Woche Arbeit nicht völlig nutzlos war.", kommentierte Stibbons das ganze trocken. Hermine seufzte.
"Ich hoffe, dass ich es irgendwie dazu bringen kann, zu funktionieren, indem wir einfach ein bisschen was damit ausprobieren, bis was passiert. Sehr wissenschaftlich, ich weiß."
Stibbons lachte leise und zuckte mit den Schultern.
"Also mich stört es nicht. Ich fand eh früher immer, dass du viel zu pingelig bist.", sagte er. "Ausprobieren ist genau meins. Und ich habe jetzt schon mehr gelernt, als in den letzten sechs Jahren, obwohl ich nicht einmal die Hälfte von dem verstehe, was du tust, also nur zu, mach weiter."
Hermine musste lächeln, denn das war so Stibbons von ihm und für einige Momente vergaß sie, dass es nicht ihr bester Freund war, der da neben ihr stand. Dann sah sie auf die Uhr.
"Ich sollte wohl nach Hause gehen, bevor Draco von der Arbeit kommt.", erklärte sie. Stibbons nickte.
"Wenn es anfängt zu schweben, sag ich bescheid." Er zwinkerte, denn ihnen war beiden klar, dass dieses Gerät in dem Zustand, in dem es war, definitiv nicht anfangen würde, zu schweben, wenn man es keinem Wingardium unterzog.
Hermine apparierte zurück ins Haus der Malfoys. Wenn sie nicht gerade mit Stibbons an ihrer Rückkehr arbeitete, las sie viel und probierte Dinge aus. Das führte dazu, dass sie mittlerweile wusste, dass alle Zauber, die ihr so einfielen, hier das gleiche bewirkten, wie daheim. Und obwohl sie sich nicht an die filigranen Zauber wagte, die bei den Zeitumkehrern nötig waren, traute sie sich immerhin wieder an die alltäglichen Dinge, die ihr zwar nicht einwandfrei gelangen, aber gut genug. Sie war jedoch nie so froh gewesen, mit zwanzig gelernt zu haben, ohne Zauberstab zu apparieren.
Das Apparieren war für sie dringend nötig, denn anderweitig wäre es ihr gar nicht möglich gewesen, jeden Tag das Haus zu verlassen, ohne Fragen von den Nachbarn, insbesondere Story, aufzuwerfen. Zum Glück hatte Malfoy strikte Arbeitszeiten und so war es völlig ok, wenn Hermine ging, nachdem er weg war und zurückkehrte, eine halbe Stunde bevor er nach Hause kam. Sie wusste nicht so recht, was er dachte, womit sie den Tag verbrachte, aber da er sie nachmittags immer lesend auffand und Hermine Granger in jedem Universum ein Bücherwurm war, nahm sie an, dass er davon ausging, dass sie das die ganze Zeit tat.
Noch immer versuchte er, ihr Gedächtnis zurückzuholen, indem er ihr viele Fotos zeigte und Anekdoten erzählte. Hermine fand es interessant, zu erfahren, wie "sie" und Draco Malfoy sich ineinander verliebt hatten, etwas, was sie für ganz und gar unmöglich gehalten hatte. Das Lustige war, dass er gleichzeitig völlig anders war, als der Malfoy, an den sie sich erinnerte, und doch exakt gleich. Er war schlagfertig und intelligent, hatte eine eiskalte Fassade, wenn sie in der Stadt unterwegs waren und er wirkte immer ein klein wenig überheblich. Aber er war eben auch witzig, nett, konnte nicht kochen, was ihn nicht davon abhielt, es doch wieder jeden Tag zu versuchen. Und er war so offensichtlich in seine Frau verliebt, dass es beinahe lächerlich war. Gleichzeitig respektierte er aber auch, dass er für sie ein Fremder war. Er war ein Gentleman und Hermine musste zugeben, dass sie das alles nicht kalt ließ. Sie mochte ihn, sie mochte ihn wirklich gern.
Der Abend verlief wie immer. Er kam nach Hause, sie unterhielten sich eine Weile, er kochte, sie aßen und sie lasen noch etwas, bevor sie schlafen gingen. Hermine lag in ihrem Bett und ihr Kopf war voll von Gedanken.
Irgendetwas fehlte, ein wichtiges Puzzlestück, damit der temporale Kommunikator funktionierte. Sie wusste, dass sie es wusste. Sie hatte diese Pläne hundertmal gesehen - aber sie hatte seit Jahren keinen mehr gebaut, denn Stibbons, ihr Stibbons hatte ihn perfektioniert und er hatte seinen Dienst getan. Sie hatte die Kommunikatoren in den letzten Jahren täglich benutzt, aber das hieß ja nicht, dass sie jedes Detail über seinen Aufbau wusste.
Frustriert wälzte sie sich hin und her. Falls, nein wenn sie zurückkehrte, würde sie für alle Mitarbeiter einen Kurs organisieren. Jeder von ihnen müsste doch einen Kommunikator bauen können, oder? Wieso war nicht schon viel früher jemand auf die Idee gekommen? Ach ja, weil der einzige von ihnen, der bisher in einem Experiment verloren gegangen war, Stibbons selbst gewesen war!
Hermine knipste ihre Nachttischlampe wieder an. Sie konnte ohnehin nicht schlafen, da konnte sie auch die Skizzen noch einmal anschauen und hoffen, dass ihr noch etwas einfiel, ein kleines Detail oder irgendetwas, was sie und Stibbons morgen weiterbringen würde.
Sie griff unter ihre Matratze, wo sie ihr Notizbuch aufbewahrte. Es war nicht da. Sie stand auf und hob sie hoch, schüttelte die Bettdecke, aber es blieb verschwunden. In einem Moment der Panik dachte sie, sie hätte es verloren, müsste wieder von vorn beginnen. Dann erinnerte sie sich, dass sie heute recht knapp vor Draco nach Hause gekommen war und das Buch noch in ihrer Handtasche war, die sie unten im Wohnzimmer hatte liegen lassen.
Kurz überlegte sie, es einfach dort zu lassen, das Licht zu löschen und schlafen zu gehen, aber sie war hellwach und wurde das Gefühl nicht los, einen Durchbruch zu schaffen, wenn sie jetzt noch einmal durch das Buch blätterte.
Also stand sie auf, schlüpfte in Hermine Malfoys fürchterliche (aber sehr kuschelige) rosa Plüschhausschuhe und wickelte sich in den dünnen Morgenmantel, den sie im Bad gefunden hatte (und den sie in einem Laden höchstens fotografiert hätte, um sich später mit Ginny über den Modegeschmack anderer Leute lustig zu machen). Möglichst leise schlich sie über den Flur und die Treppen nach unten. Im Schlafzimmer war es dunkel und still, Draco schlief also vermutlich schon.
Sie erreichte das dunkle Wohnzimmer problemlos und fand ihre Tasche mit dem Notizbuch. Eilig schlug sie es auf und blätterte darin, bevor sie auf dem chaotischen Couchtisch nach einem Bleistift tastete, von dem sie wusste, dass er dort irgendwo lag und hektische Ergänzungen in die Skizzen eintrug.
Ein leises "Ha!" entfuhr ihr und sie versank völlig in ihren Korrekturen. Die Handtasche sank zu Boden und sie auf das Sofa, wo eine Idee zur nächsten führte und die Vorstellung eines funktionierenden Kommunikators immer realistischer wurde.
Hermine erwachte von dem Geruch von Kaffee und einem sanften Rütteln an ihrer Schulter. Sie blinzelte und sah direkt in Dracos besorgtes Gesicht.
"Guten Morgen.", murmelte sie und sah sich um. Sie war im Wohnzimmer. Verdammt, sie war noch immer im Wohnzimmer, was bedeutete, dass sie über ihrer Arbeit eingeschlafen war, was bedeutete... Sie richtete sich abrupt auf und tastete um sich, nach dem Notizbuch suchend.
"Suchst du das hier?", fragte Draco und griff nach dem Heft, das geschlossen auf dem Wohnzimmertisch gelegen hatte. Eine Welle der Panik überrollte Hermine. Er hatte die Notizen gesehen! "Du hast darauf gelegen, ich habe es zur Seite genommen."
Hermine nahm die Teetasse an, die er ihr entgegenhielt, bevor er sich mit seiner eigenen Kaffeetasse in einen Sessel setzte und sie prüfend ansah.
"Ist alles in Ordnung?", fragte er. Hermine rappelte sich auf und trank einen Schluck Tee. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass es das erste Mal war, dass sie ihm in Schlafklamotten begegnete. Obwohl er "sie" natürlich schon sicher hundertmal in dieser oder ähnlicher Aufmachung gesehen hatte, schoss ihr das Blut in die Wangen.
"Ja.", antwortete sie. Er sah sie neugierig und ein bisschen beunruhigt an. Hermine wusste, dass sie ihn nicht am langen Arm verhungern lassen konnte, sie musste ihm irgendetwas sagen, irgendeine Art Erklärung dafür, dass sie im Wohnzimmer eingeschlafen war über einem Notizbuch voll von etwas, was für ihn überhaupt keinen Sinn ergab. Kurz überlegte sie, ihm einfach die Wahrheit zu sagen.
"Es ist nur...", redete er weiter, als sie nichts sagte. "Ich mache mir ein bisschen Sorgen um dich. Die Sache ist zwei Wochen her und du erinnerst dich immer noch an nichts, was nach unserem Schulabschluss passiert ist. Und du bist...anders als vorher. Und du machst dir offensichtlich Notizen, die keinen Sinn ergeben, ich meine, ich habe eben kurz einen Blick darauf geworfen." Er seufzte und sein Tonfall wurde mitfühlend. "Hermine, einige von den Zaubersprüchen, die du da aufgeschrieben hast, gibt es nicht. Ich...ich habe einfach Angst, dass du..." Er zögerte. "Vielleicht sollten wir doch noch einmal einen Heiler aufsuchen."
Hermine starrte ihn erschrocken an. So war das nicht geplant gewesen. Sie war nicht blöd, sie konnte sehr wohl zwischen den Zeilen lesen. Er dachte, sie war verrückt. Und er wollte sie wieder ins Krankenhaus stecken - im schlimmsten Fall vielleicht sogar dauerhaft. Und Hermine hatte keine Ahnung, wie sich Zauber, die ihre Erinnerungen "wieder herstellen" sollten, auf ihre tatsächlichen Erinnerungen auswirken würden. Zumal sie ja auch im St. Mungo's keine Chance hätte, weiter an ihrer Rückkehr zu arbeiten. Es wäre ein Teufelskreis, aus dem sie nicht mehr herauskommen würde - das durfte auf keinen Fall passieren!
Irgendwas sagte ihr, dass es seine Meinung über ihren Geisteszustand nicht verbessern würde, wenn sie ihm jetzt erzählen würde, dass sie gar nicht seine Hermine war.
Sie rutschte auf dem Sofa ein Stück in seine Richtung und legte eine Hand auf seine.
"Draco.", murmelte sie sanft. Er sah sie an und in seinen Augen lag so viel Verletzung, dass es Hermine körperlich wehtat, als sie weiter sprach. "Es tut mir leid, dass ich mich nicht mehr erinnere. Ich gebe mir alle Mühe, dass sich das ändert. Es ist für mich genauso frustrierend, wie für dich und ich wünschte, es wäre anders. Aber so ist es eben und wir müssen uns damit abfinden, dass es so lange dauert, wie es dauert." Sie griff nach dem Notizbuch und schlug es auf. "Erinnerst du dich daran, dass ich, bevor ich im Ministerium angefangen habe, mit Zeitumkehrern forschen wollte?"
Er nickte und betrachtete einige ihrer Zeichnungen und Skizzen.
"Aber du hast damit aufgehört.", erinnerte er sie. "Schon vor sieben Jahren." Er blätterte durch die Seiten mit verständnislosem Blick. Hermine lächelte, glücklich über die perfekte Ausrede, die ihr gerade eingefallen war.
"Tja, aber genau da hören meine Erinnerungen auf.", sagte sie leise. "Also...ist es für mich, als hätte ich diese Forschung nie aufgegeben."
In seinen Augen begann etwas zu leuchten, als er verstand.
"Also versuchst du, darüber einen Weg zu finden, deine Erinnerungen wieder zu bekommen?", fragte er. Hermine sah ihn kurz irritiert an. Ihr Plan war eigentlich gewesen, ihm zu erzählen, dass sie dir Forschung einfach nicht aus ihrem Kopf bekam und sie deshalb aufschreiben wollte. Aber wenn er ihr schon so eine Vorlage gab, dann konnte sie die ja auch nutzen, oder?
"Ja.", sagte sie also. "Ich weiß, du vertraust den Heilern nicht, seit...dieser Sache, die passiert ist." Ein undefinierbarer Gesichtsausdruck huschte über Dracos Züge. "Und ich weiß, du versuchst alles, um mir zu helfen, mich wieder zu erinnern. Das hier ist mein Weg, zu versuchen, dass alles wieder so wird, wie immer." Und das war ja nicht einmal gelogen.
Draco sah sie an, sah ihr direkt in die Augen und Hermine versuchte mit aller Kraft nicht daran zu denken, wie atemberaubend seine waren. Er lehnte sich nach vorn und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Wange. Hermines Herz flatterte, dann setzte es kurz aus. Sie warf alle Vorsicht über Bord und ließ sich von ihm umarmen, verdrängte, dass er verheiratet war und zwar technisch gesehen nicht mit ihr.
Aber er war warm und er roch gut und er brauchte die Umarmung ebenso wie sie.
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