VOR EINEM JAHR
ein jahr vorbei,
damals ein donnerstag,
ich weiß noch, wie wir an der schule in den bus stiegen, alle noch rumalbernd, klassenausflug halt.
wie nach wenigen minuten die gemeinschaftskunde-lehrerin eine kurze rede hielt, weltfrauentag und so, und dass dann alle frauen im bus einen lolli bekamen. hab mich damsls gefragt warum eigentlich, bin mir heute immer noch nicht so ganz im klaren.
ein paar stunden fahrt, begleitet von mucke aus handys und abgespielt über lautsprecher, über die die lehrerinnen großzügig hinwegsahen, und von einem wunderschönen sonnenaufgang. zu schönes wetter.
und dann irgendwann dachau.
das erstaunen darüber, wie die gedenkstätte eines ehemaligen kzs mitten in der stadt liegt. ich erinnere mich noch an den holzschredder gegenüber vom eingang und an unser lachen.
und mein bauch krampft sich wieder zusammen, wenn ich an unsere führung denke, durch eingangshallen mit vereinzelten touristen, zwischen den umrissen der baracken hindurch, grausam geometrisch angeordnet, wie der guide uns die häuser der nazis und selbst betroffenheit zeigte.
über die gepflasterten straßen, von denen wir uns mit immer größer werdendem schrecken vorstellten, wer bereits darüber gelaufen war, darüber gelrochen war, darüber gepeitscht war.
die verdammten öfen, gruben, in die menschen geworfen wurden, gaskammern, die nie benutzt wurden - der beisatz "zumindest nicht in diesem kz" machte das nicht besser -, die geschichte und geschichten, von denen uns erzählt wurden.
die bahnschienen und die geschichte von häftlingen, von erschießungen, vom todedeszug aus buchenwald.
wie es trotz der sonne immer kälter wurde, wir immer enger beieinander gingen, die abstände zwischen den umarmungen immer kürzer werden.
scheiß stacheldraht-zäune, viel zu kleine baracken, viel zu grausame bilder, abwenden, bauchweh, übelkeit.
später die kirche, suche nach antwort die ganze zeit über, suche nach dem warum, weil alle antworten nicht in den kopf gehen, um dann, aus der dunkelheit, wieder hinauszugehen in die helligkeit, die so brutal scheint angesichts dieses massengrabs, angesichts dieses massakers -
wir schlucken und suchen nähe, unfähig zu weinen,
setzen uns irgendwann wieder in den bus, unfähig zu verstehen.
keine musik, keine unterhaltung, ohne aufforderung, nur schweigen, irgendwann gedämpfte unterhaltungen, stumpfsinnige handyspiele,
wir fahren in den sonnenuntergang, der so unmöglich orange leuchtet,
es fühlt sich an, als würde die autobahn uns wieder in eine andere welt tragen, eine hoffentlich bessere -
abends dann, wieder zuhause, gedämpfte gespräche in der küche, endlich kommen die tränen, und auch mama weiß. keine. verdammte. antwort.
am morgen darauf, freitags, wieder schule, irgendwie unglaubwürdig, dass das leben so weitergeht. aufarbeitung, hoffnungslose stimmen sprechen im dunklen klassenzimmer, nur ein paar kerzenlichter leuchten, stimmen versagen, bis wir stumm drauflos schreiben, und dann, schon wieder, dieser verfluchte sonnenaufgang, pause, die nächste stunde -
nur wenige tage später, diesmal sonntags, diesmal im zug mit derselben lehrerin, wieder klassenausflug, alles wunderschön, dachau schon fast ins unterbewusstsein gedrängt -
der erste abend in kreisau, die unfassbar schöne zeit mit den polen -
ich weiß nicht mehr, ob es ein mittwoch war oder wieder ein donnerstag, aber wieder eine gedenkstätte eines ehemaligen kzs, gross-rosen, auf der hinfahrt wieder musik, tüten voll süßigkeiten zweier nationalitäten gehen durch die reihen, unterhaltungen in miesem englisch über die reihen hinweg und deutsch und polnisch innerhalb der reihen, und dann aussteigen und wieder diese stille, diesmal ein leeres gelände, zu kalt, zu ungeschützt, der wind pfeift selbst durch dicke winterjacken, wieder gepflasterte straßen, schreckliche bilder, erhaltene baracken, steinige küchen, die den namen nicht verdient haben und der verdammte steinbruch, die gedenkstätte mit gedenktafeln und kerzen, zwei von uns, eine von den polen, eine von den deutschen.
macht die trennung so wirklich bewusst, wir umarmen wieder, aber wärme dringt nicht durch, und wir frieren und der wind pfeift -
und nach den getrennten führungen ist es so schwierig, wieder auf die polen zu zugehen, es sind keine wirklichen schuldgefühle, aber trotzdem ist die last so groß,
sie kommen uns entgegen, irgendwie verstehen wir uns doch, ein großer gemeinsamer kreis, wieder die rede der gk-lehrerin, englisch mit deutschem akzent - wir sind die kinder, wir können nicht rückgängig machen, sondern versöhnen.
ein jahr später hab ich das alles fast erfolgreich ins unterbewusstsein gedrängt und von sigmund freud gelesen. und eigentlich ist es doch genau so - für mich, für deutschland, eigentlich für die ganze welt:
dass wir den holocaust, die shoa, nie ganz ins unterbewusstsein abdriften lassen dürfen, es immer, immer wieder ins bewusste bringen müssen, so schmerzhaft das auch ist, um niemals zu vergessen und immer, immer wieder den anfängen zu wehren.
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