Ehrlichkeit
Ich hatte mir so überlegt, weil dort alle rauchen, ob ich ihn beim nächsten Mal einfach frage: Hey, kommst du mit raus, eine rauchen? Und dann würden wir draußen stehen und ich würde so sagen: sorry, ich rauche nicht.
Und vielleicht würde er dann lachen und es wäre ein guter Spruch gewesen und ein toller Moment. Und ich mein: Rauchen oder reden, ist doch egal, wir meinen doch eh das Selbe.
Mir ist aufgefallen, dass ich viel zu viele Sachen sagen will, die viel zu sehr Nähe suchen oder aufbauen. Und ich habe auch sehr wohl bemerkt, dass ich, als er kurz aufstand und was holen ging, seine Jacke viel zu liebevoll zu einem Knäuel geformt und auf meinem Schoß gehalten habe, als nötig gewesen wäre. Und ich weiß auch ganz genau, dass es ein Fehler sein wird, ihm eine Uhr zu schenken.
Es fällt einem immer wieder auf, wie kleinteilig die Liebe doch sein kann. Sie ist in jeder Handlung. Du kannst den ganzen Tag ihre Sprache(n) sprechen, wenn du das willst. Sie kann überall sein, du kannst die überall hin bringen.
Das ist auch ein Grund, warum ich monotheistische Religionen nicht so feiere. Gott ist, wenn Gott überhaupt ist, dann überall, mann. Oder nirgendwo bzw. irgendnirgendwo, wo wir nicht hinkommen solange wir hier sind. Über all solchen Kram haben er und ich uns auch unterhalten und über den Tod und seine Geschwister und ich weiß Vielzuviel über ihn und denke dann immer, ich hab ein genaues Bild von ihm im Kopf.
Was mich daran überrascht: ich mag Menschen eigentlich umsomehr, je weniger ich sie verstehen kann und je mehr sie mich dabei faszinieren.
Und jetzt das Ding: Ich glaub ich hab ihn verstanden. Es fühlt sich an, als gäbe es da gar keinen Haken. Und das wird ja wohl sehr wohl nicht so sein. Mannmannmann.
Und mir ist letztens aufgefallen: Was auch immer wir Menschen sind und wonach wir streben, irgendwo wollen wir doch einfach Grenzerfahrungen machen. Und dann macht man Bodybuilding und das bis zur absoluten Dekonstruktion. Oder man hat tausend Haustiere. Oder man lernt 12 Sprachen. Ich hab mir dann so überlegt, in welchem Bereich ich denn übertreiben könnte. Oder es vielleicht schon tue. Und dann ist mir im Bad beim Händewaschen eingefallen: Ich glaub, ich will besonders freundlich sein. Ich drehte mich zum Handtuch um und trocknete mir die Hände ab. Und besonders ehrlich. Dann überlegte ich, ob das nicht oft ein Widerspruch ist. Und dass ich diesen Widerspruch gerade total auslebe und mein Ideal sehr schlecht umsetze, indem ich meiner Liebe nichts von meiner Verliebtheit erzähle.
Aber dann dachte ich an meine Kolleginnen und Kollegen auf Arbeit und an all meine Freunde und Familie, und was ich alles schon geschafft hatte, denen ins Gesicht zu sagen. Und da viel mir auf: Freundlichkeit und Ehrlichkeit muss sich überhaupt nicht ausschließen, an keiner einzigen Stelle, um genau zu sein. Man muss es einfach wirklich nur richtig richtig gut machen. Und ständig üben und noch einmal mehr sich dazu durchringen. Das ist wie Mathematik und Kunst. Für viele sind das Gegensätze. Aber dann gibts Architekten und so. Haha, krass ne? Schon ziemlich cool.
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