~2~
Ich richtete den Rock meines Tageskleides. Es war hellblau und fiel perfekt bis über meine Knie. Ich hatte den Unterrock weggelassen, damit es etwas einfacher aussah, aber allein der Fakt, dass ich die Kronprinzessin war, würde alle Blicke auf mich lenken. Ich betrat alleine den Großen Saal. Der Rest meiner Familie, einschließlich Kia, war schon da und saß an der großen Tafel am Fenster zusammen mit den Familien Leger und Woodwork. Zumindest mit ihren anwesenden Mitgliedern. Wie auch schon beim Abendessen war es ziemlich ruhig in dem großen Raum. An der langen Tafel in der Mitte des Raumes saßen junge Männer und Frauen. Die meisten von ihnen aßen schweigend, nur hier und da hörte ich ein Tuscheln. Auch die Gespräche an unserem Tisch waren nur gedämpft. Es war, als würde eine Schallschutzhülle über dem Raum liegen und alles fände nur ganz leise statt.
Ich ließ mich elegant auf meinen Stuhl zwischen meiner Mutter und meiner kleinen Schwester Jada nieder. Meine Mutter unterbrach ihr Gespräch mit meinem Vater und lächelte mich an. „Guten Morgen, Engelchen!" „Morgen, Mum" Dad lächelte sein Dadlächeln. „Morgen, Prinzessin!" Dann lachte er. Er fand es unglaublich witzig, mich so zu nennen. Andere Väter benutzen Prinzessin als Kosenamen für ihre Tochter. Bei mir war es die Realität. Und Dad hatte einen Dadjoke daraus gemacht. Ich verdrehte lächelnd die Augen. Auch, wenn es mich nervte, ich machte mit. Es machte Dad glücklich und was wollte ich mehr? „Einen wunderschönen guten Morgen, eure Hoheit!", gab ich zurück. Mum schüttelte den Kopf und widmete sich dann wieder ihrem Frühstück. Dad tat es ihr nach und auch ich fiel über die Pfannkuchen her, die einer der Diener mir gebracht hatte. Pfannkuchen mit extra Ahornsirup. Danach war ich süchtig, seit wir in Yukon gewesen waren. „Die sind so gut, ich könnte sie heiraten", murmelte ich und schlang gierig jeden einzelnen Bissen herunter. Jada neben mir kicherte. „Na dann ist dein Casting beendet. Du heiratest die Pfannkuchen, schickst die ganzen gut heißen Typen nach Hause und regierst dann mit König Pfannkuchen von Ahornsirup das Land" Ich stieß ihr meinen Ellenbogen in die Rippen, was ihr ein gespieltes Stöhnen entlockte.
„Kronprinzessin erschlägt Schwester beim Frühstück", sagte Ezra mir gegenüber grinsend. „Sei still. Ich würde ja Pfannkuchen nach dir werfen, aber die sind zu lecker" „Und, viel wichtiger, das gehört sich für die zukünftige Königin nicht", machte Ezra den näselnden Ton unserer Benimmlehrerin Miss Berglund nach. Ich kicherte. Ezra und Jada stimmten mit ein. Ich spürte die Blicke aller Anwesenden auf uns aber ich konnte einfach nicht aufhören. Meine Geschwister auch nicht. Erst als Dad auf den Tisch schlug und uns streng ansah schafften wir es, uns zu beherrschen.
2 Stunden später saß ich neben meiner Mutter im Damensalon und beobachtete die 15 Mädchen meines Bruders. Ich hatte sie eingeladen, uns jeden Tag Gesellschaft zu leisten und den Damensalon so oft sie wollten zu benutzen. Und vermutlich aus Höflichkeit und Neugier hatten alle 15 die Einladung bereits am ersten Tag angenommen. Sie saßen in kleinen Gruppen im Raum verteilt zusammen und die Luft im Raum sirrte von ihren Stimmen. Eine Gruppe von Mädchen stand am offenen Fenster und sah Adam und Ben Woodwork beim Fechten im Garten zu. Es machte den beiden sichtlich Spaß so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Vor allem Ben sonnte sich in den Blicken der hübschen Mädchen.
Aber ich beachtete die Gruppe nicht weiter und lief stattdessen durch den Salon. Auf einem Sofa in der Ecke saßen zwei Mädchen, die interessiert in einer Modezeitschrift blätterten. Ich sah ihnen einen Moment lang zu. Ezra hätte dieses Motiv gefallen. Er liebte es zu fotografieren. Eine Leidenschaft, die er von Dad geerbt hatte. Ich nahm mir vor an einem der nächsten Tage einen seiner Fotoapparate mit zu nehmen und das Treiben einzufangen. Dann bemerkten mich die beiden Mädchen und neigten respektvoll den Kopf. „Oh, Guten Tag, eure Hoheit!", sagte die Brünette. Ihre Freundin neben ihr warf ihre blonden Locken zurück und lächelte mich an. „Setzt euch doch zu uns" Da hatte aber jemand beim Benimmcrashcurs am gestrigen Nachmittag sehr gut aufgepasst. Ich lächelte freundlich und ließ mich elegant auf das weiche Sofa sinken.
„Was seht ihr euch da an?", fragte ich neugierig und regte meinen Hals ein wenig, damit ich einen Blick auf das Magazin erhaschen konnte. „Ach, nur eine Fotoreihe, für die ich vor der Kamera stand", sagte die Blonde und wurde etwas rot. „Ali Dee. Der aufsteigende Stern am Modehimmel", las ich die Überschrift. Und ich staunte nicht schlecht, als die beiden mir die Zeitschrift zu schoben und ich die Bilder bewundern konnte. Sie sah großartig aus. „Wow", entfuhr es mir. „Du bist also Ali?" „Eigentlich Alison. Ali ist mein Künstlername" Alison wurde ein wenig rot. „Ach und das ist Aria. Wir kommen aus Nachbarprovinzen. Und haben früher einmal im gleichen Ort gewohnt, bevor ich umziehen musste. Dem Job wegen. Ich modle schon seit ich ein Kind war" Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Aria schenkte mir ein strahlendes Lächeln.
„Also ich hätte dieses Bild anders gemacht", sagte sie und legte ihren Finger auf ein Bild, auf dem Alison auf einem Pferd sitzend zu sehen war. „Nimm es mir nicht übel, A, aber der Winkel ist wirklich komisch. Ich wäre direkt neben dem Pferd hergefahren oder geritten, damit man einen besseren Fokus auf dich und nicht nur auf das Pferd hat." Ich blickte sie erstaunt an. „Ich studiere Fotografie", murmelte Aria erklärend und wurde ein wenig rot. „Oh, na dann werden Ezra und Sie viel zu reden haben. Er hat eine riesige Fotoapparaten Sammlung." Doch bevor Aria etwas sagen konnte, antwortete Alison. „Na, dann kennt er sich ja mit Models aus und wird es sicher zu schätzen wissen, ein so gutes einmal vor seine Linse zu bekommen. Oder auf seine Hochzeitsfotos."
Innerlich verdrehte ich die Augen. Ezra würde sich bestimmt nicht für eine solche Oberflächliche Ziege entschieden. Wenn sie auf den Hochzeitsfotos sein würde, dann als Gast. Aber scheinbar verschwendete sie keinen Gedanken daran nicht als Siegerin aus dem Casting hervorzugehen, da sie nun anfing ihr Hochzeitskleid im Detail zu beschriebe. Zum Glück kam in diesem Moment Kia und den Damensalon. „Meine Damen, wenn Sie mich entschuldigen würden? Die Pflicht ruft", sagte ich mit einem entschuldigenden Lächeln und stand auf. Während ich ging, warf ich noch einmal einen Blick zurück. Alison redete immer noch und langsam sah Aria etwas genervt aus. Die Arme! Wenn man eine solche Freundin hatte, brauchte man keine Feinde.
Freudestrahlend ging ich auf Kia zu. „Willkommen im Damensalon!" Kia grinste. „Danke! Aber ich hatte gehofft, dass wir vielleicht etwas mehr Testosteron ins Spiel bringen könnten. Ich würde mich auch gerne mal mit den jungen Herren unterhalten" Ich nickte. Dann musste ich kichern. Kia sah mich verständnislos an. „Stell dir vor du triffst jetzt unter den Kandidaten die Liebe deines Lebens und ich entschiede mich auch für ihn. Das wäre wie in einem dieser vorhersehbaren Filme" Kia begann ebenfalls zu kichern und wir verließen Seite an Seite den Damensalon. Ich winkte nach einem Diener. „Lassen Sie bitte meine Kandidaten in den großen Pavillon in den Garten rufen und decken Sie die Tische für das Mittagessen dort. Und informieren Sie meinen Vater darüber, dass Prinzessin Kia, ich und die Herren im Garten essen" Der Diener neigte kurz den Kopf und verschwand dann.
Trotz eines Stopps in meinem Kleiderschrak kamen wir noch vor den Kandidaten am Pavillon an. Ich ließ mich auf einem der Stühle nieder, die um die kleinen runden Tische verteilt waren. Kia umrundete einmal die Konstellation und ließ sich dann an einem Tisch am anderen Ende des Pavillons nieder. An jedem der Tische konnten vier oder fünf Personen sitzen und ich war gespannt, welche Sitzordnung entstehen würde.
Nach und nach kamen die Kandidaten nun ebenfalls am Pavillon an. Zögernd verteilten sie sich an die Tische. Der erste, der sich zu mir an den Tisch traute war ein muskulöser blonder Mann. Schlecht sah er schon mal nicht aus. Ich lächelte ihn an. „Kaden, richtig?" Er verzog seinen Mund zu einem schiefen Grinsen. „Richtig, eure königliche Schönheit" Innerlich verdrehte ich die Augen. Was war das denn für ein Schleimer? Äußerlich allerdings lächelte ich höflich, während er sich auf den Stuhl mir gegenüber nieder ließ. Während Kaden etwas über das Schlosseigene Fitnessstudio erzählte, beobachtete ich die beiden letzten Ankömmlinge. Felix und Hayden, falls ich mich nicht irrte. Ewas nervös stellten die beiden fest, dass die letzten freien Plätze sich an meinem Tisch befanden, sahen sich an und kamen dann überraschend selbstbewusst auf Kaden und mich zu.
„Guten Tag, eure Hoheit!", sagte Felix mit einem kleinen Lächeln, während er sich auf meiner rechten Seite nieder ließ. Hayden vollführte einen kleinen Knicks und ließ sich elegant zwischen Kaden und mir nieder. „Kaden, du langweilst die Dame ja", sagte er trocken und musterte Kaden von oben bis unten skeptisch. Vermutlich dachte er dasselbe wie ich: Wer hatte ihm nur erlaubt eine rosa Fliege zu einem grünen Hemd zu tragen? Kaden zog eine Augenbraue hoch, war aber nun endlich still. Seine Gesellschaft war eindeutig alles andere als angenehm. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der so von sich überzeugt war, wie dieser Mann. Ich wollte gerade ansetzen Kaden zu fragen, ob sein Buttler seine Garderobe ausgewählt hatte, da wurde das Essen serviert.
Das Essen war gut. Wie immer. Und auch die Gespräche waren sehr gut. Allein Kaden störte die gute Stimmung am Tisch. Ich fürchtete schon, dass ich ihn auch nach dem Essen noch etwas ertragen müsste, aber zur allgemeinen Freude entschuldigte er sich praktisch sofort, nachdem er den letzten Bissen hinunter geschluckt hatte und verschwand im Schloss. Hayden verdrehte erleichtert und genervt die Augen. Nach und nach standen auch alle anderen auf und als Felix und Hayden schließlich anboten mich zu meinem Zimmer zu bringen, saßen nur noch Kia und Lukas an einem der Tische. Die beiden waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie nichts um sich herum mit bekamen.
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