~10~
Der große Saal wirkte beim Frühstück wie ein Bienenhaus. Die Luft surrte grade so vor Gesprächen und überall waren geschäftige Diener am Werk. Ich hatte die letzten Tage in meinem Zimmer gegessen, weswegen diese Energie für mich neu war. Der einzige, der an diesem Morgen still war, war mein kleiner Bruder Adam. Er hatte sich gestern Abend noch eine Standpauke anhören müssen, da er nicht beim Bericht gewesen war und stattdessen ohne Genehmigung mit seinem Leibwächter am Strand. Er wusste genau, dass so etwas verboten war, aber er tat es trotzdem immer wieder. Die Presse nannte ihn Scherzhaft den „Problem-Prinzen" und so langsam war das auch meine Meinung. Ich sah zu ihm hinüber und verwuschelte ihm schwesterlich seine rot-braunen Locken.
Dann entschuldigte ich mich und verschwand im Arbeitszimmer. Ich hatte noch einige aktuelle Haushaltsaufstellungen durch zu arbeiten und zu genehmigen. Seit Dad etwas kürzer trat, waren vor allem Haushalt und Steuer meine Aufgabe geworden. Nachdem ich einige Zeit alleine im Büro meines Vaters gesessen hatte, beschloss ich wieder im Damensalon zu arbeiten. Ich nahm meine Mappe und schob mir meine Brille in die Haare. Erst überlegte ich kurz sie hier zu lassen, beschloss dann aber sie doch mit zu nehmen. Damit konnte ich einfach angenehmer lesen.
Ich setzte mich in einen Sessel zwischen den Mädchen. Still zählte ich sie durch. Drei fehlten. Ich schob mir die Brille wieder auf die Nase. Vermutlich waren sie auf ihren Zimmern oder mit Ezra unterwegs. Ich konzentrierte mich auf meine Zahlen. Eine ganze Weile klappte das auch, aber dann wurde ich von Aria gestört. Sie stand vor mir uns räusperte sich leise. „Eure Hoheit" „Oh, Hallo, Aria! Wie geht es Ihnen? Und wo ist Alison?" Aria setzte sich in den Sessel mir gegenüber. „Ganz gut... Ali ist mit Ihrem Bruder reiten. Heute früh war er schon mit Emely und Lola joggen. Er verbringt momentan viel Zeit mit uns" Ich musste grinsen. Ezra wollte seine Elite finden. „Wissen Sie was, Aria? Kommen Sie doch heute Mittag mit meinen Freundinnen und mir im Pavillon Tee trinken. Und bringen sie Ali mit oder wen auch immer sie hier noch mögen. Ich würde Sie gerne näher kennen lernen. Ich hole Sie dann ab und wir treffen die anderen um halb vier draußen?" Aria nickte überrascht und mich freute meine spontane Idee nur umso mehr. Dann packte ich meine Sachen zusammen. „Dann sehen wir uns später, Aria"
Ich verließ den Salon und machte mich auf den Weg zurück ins Büro. Unterwegs rannte ich fast in meinen Vater. Er hatte einen Picknickkorb in der Hand und wirkte aufgeregt wie ein kleines Kind. „Oh, Celeste, mein Schatz! Schon fertig mit deinen Zahlen? Gut, gut. Ich hoffe ihr braucht uns heute Nachmittag nicht. Deine Mutter und ich gehen im Garten Picknicken. Zur Feier des Tages, du weißt schon. Falls doch etwas sein sollte, Officer Leger weiß wo man uns finden kann. Richte das auch deinem Bruder aus" Und bevor ich überhaupt antworten konnte, war er auch schon verschwunden. So viel und schnell auf einmal hatte ich ihn ewig nicht mehr reden gehört. Er war wirklich aufgeregt. Heute vor 20 Jahren hatte er meine Mum kennen gelernt. Nicht ganz offiziell nachts im Garten. Aber er hatte schon damals gewusst, dass sie die Richtige war.
Ich legte die Mappe wieder an ihren Platz und meine Brille in ihr Etui in einer der Schubladen. Dann setzte ich mich für einen kurzen Moment in den großen Schreibtischstuhl aus Leder. Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus. An manchen Tagen war es mir einfach zu viel und ich wünschte, ich könnte einfach weg von hier. Aber das konnte ich meiner Familie nicht antun. Ich könnte sie niemals einfach so im Stich lassen. Dads Büro beruhigte mich. Schon als Kind hatte ich mich hier wohl gefühlt. Es roch nach ihm und nach dem alten Leder des Stuhles und nach Papier und Tinte. Ich liebte diese Geruchsmischung. Ich würde sie vermissen, wenn dies einmal mein Büro war und er es nur noch selten oder nie mehr betreten würde.
Nach einigen Minuten stand ich auf und ging langsam in mein Zimmer. Ella und Kathy begrüßten mich mit Essen. Ella war stehts darauf bedacht, dass ich nach dem Arbeiten etwas aß. Sie hatten Lachs kommen lassen. Ich liebte Lachs. Ansonsten schmeckte mir Fisch nur in Form von Sushi. Ich aß schweigend, während Kathy damit fortfuhr meinen Kleiderschrank aufzuräumen. Ich hörte ihre leisen Flüche aus dem Schrank. Ella, die mir gegenübersaß und den Saum eines neuen Kleides umnähte, sah mich mit mütterlicher Strenge an. „Hoheit, ihr dürft nicht immer so ein Chaos veranstalten. Kathy ist seit einer Stunde damit beschäftigt ihren Schrank auf zu räumen" „Hupps?", sagte ich und Ella schüttelte lachend ihren Kopf, wobei sich eine ihrer Strähnen aus dem geflochtenen Kranz auf ihrem Kopf löste und ihr ins Gesicht fiel. Achtlos schob Ella sie hinter ihr Ohr und widmete sich wieder dem Kleid auf ihren Knien.
Nachdem ich aufgegessen hatte, wagte ich mich in den Kleiderschrank. Kathy sitzt in einer Ecke auf dem Boden und sortiert meine Schuhe. „Hoheit, ziehen sie die überhaupt noch alle an?", fragte sie, als sie mich kommen hörte. „Ich befürchte nicht. Falls du etwas haben möchtest, nimm es dir ruhig mit. Auch bei den Kleidern. Ich bekomme ständig neue Sachen geschneidert oder von Designern zu geschickt. Und du siehst ja, was hier passiert" Kathy sprang auf und fiel mir um den Hals. Dann fasste sie sich wieder. „Danke, Hoheit. Vielen Dank" Ich winkte ab und griff mir ein Paar Sandalen und ein helles, knielanges Sommerkleid mit Blümchenmuster. Ich zog mich im Bad um und ließ mir dann von Ella meine Haare zu zwei Zöpfen flechten. Dann schnappte ich mir eine Sonnenbrille und ging zu Arias Zimmer. Es lag im Stockwerk unter unseren Räumen.
Ich klopfte an die große Holztür. Eine Zofe öffnete mir die Tür. „Oh, Hoheit! Sie sehen fabelhaft aus" Ich lächelte. „Danke. Aber ohne meine Zofen wäre das nicht möglich. Sie leisten alle wundervolle Arbeit" Das junge Mädchen wurde ein wenig rot und strich sich verlegen eine ihrer blonden Strähnen hinter das Ohr. Aria stand mitten im Zimmer und betrachtete sich in einem leichten roten Sommerkleid mit skeptischem Blick im Spiegel. „Amy, ich weiß nicht..." „Doch, doch, Lady Aria! Und jetzt mache ich Ihnen die Haare und die Prinzessin muss kurz warten" „Die Prinzessin...Oh" Aria sah mich an und ihre Wangen wurden ein wenig rosa. „Hallo, Hoheit", sie knickste etwas wackelig, während ihre Zofe sie zum Schminktisch schob.
Während ihre Zofe Aria ihre wunderschönen dunklen Haare bürstete, sah ich mich im Zimmer um. Es war hell gestrichen und durch das offene Fenster strich die warme Frühlingsluft herein. Überall hingen Bilder. Aria hatte sie geschickt überall an den Wänden verteilt. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Die Bilder waren wirklich gut. Sie zeigten Landschaften und Menschen. Einige der Bilder hatte sie vermutlich zu Hause gemacht. Auf einem Bild saß sie mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß an einem Tisch. Andere Bilder hatte sie hier aufgenommen. Sie zeigten die Schlossbewohner und die Castingteilnehmer. Eines über ihrem Bett fiel mir besonders auf. Es war im Schlossgarten aufgenommen worden und zeigte Ezra und sie im Gras sitzend. Die beiden unterhielten sich scheinbar. Diese Fotografie strahlte so viel Liebe und Vertrautheit aus. Ich musste lächeln.
„Ihre Bilder sind wundervoll, Aria", sagte ich. „Oh, danke" Wieder wurden ihre Wangen rot. Sie war hinter mich getreten und strich sich eine Locke aus dem Gesicht. „Lassen Sie uns Ali und Charlotte abholen. Ich dachte es wäre nett, wenn Sie Charlott kennen lernen würden." Ich nickte. Charlotte war mir bisher noch nicht wirklich aufgefallen. Ich kannte das rothaarige Mädchen bisher nur von ihrem Foto.
Wir traten in den Flur und Aria klopfte an der gegenüberliegenden Tür. Ali öffnete. Ihre goldenen Locken fielen perfekt um ihr Gesicht und ihr Kleid schmiegte sich makellos an ihren Körper. Sie sah wunderschön aus. Aber eben nicht echt schön. Modelmäßig schön. „Hoheit" Sie knickste vor mir. „Vielen Dank für die Einladung" Ich nickte kurz. Wir gingen ein Stück den Flur entlang und Aria klopfte an die nächste Tür. Charlotte trat heraus und auch sie knickste elegant, als sie mich sah. „Eure Hoheit. Sie sehen wundervoll aus" Sie lächelte mich schüchtern an. Sie trug ein grünes Kleid, das perfekt zu ihren Augen passte. Ich lächelte sie ebenfalls an. „Sie auch, Charlotte" Ich sah die drei Mädchen an. „Dann lasst uns in den Garten gehen"
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