Kapitel 8
Ich starrte auf das Display und hielt es im ersten Moment für einen Scherz. Aber das würde Ben nicht tun, so gut kannte ich ihn dann doch. Mehrmals begann ich einen Satz zu schreiben, löschte diesen dann aber wieder. Fünf Minuten hielt ich mein Handy in den Händen bevor ichwas..?schreiben konnte, nur um dann genervt fest zu stellen, dass die Nachricht nicht ankam. Ich schickte ihm auch mehrere SMSen und rief ihn ein paar mal aber, aber es kam keine Antwort. Viel zu viele Gedanken schossen mir gleichzeitig durch den Kopf, sodass ich Kopfschmerzen bekam. Was war denn so schlimm, dass mein Bruder, der mich hasste, mich brauchte? War irgendwas mit mum?, fragte ich mich sofort, aber darüber hätte man mich bestimmt informiert. Und wenn nicht? Ich raufte mir durch die Haare und packte ein Kissen auf mein Gesicht. Als ich dadurch zu schwer Luft bekam legte ich es wieder beiseite und überlegte krampfhaft was geschehen sein konnte. Und wenn was mit Chloe war? Aber wieso schrieb er das dann nicht einfach oder sagte mir, dass ich nach Hause müsste, weil einfach etwas passiert war, aber nicht, weil er ich zu irgendetwas brauchte.So würde ich ganz bestimmt nich schlafen können.Mit einem dumpfen Ruck stand ich auf und zog mir den mintgrünen Morgenmantel über, der am dritten Tag in meinem nun ziemlich gefüllten Kleiderschrank stand. Leise öffnete ich die Tür und trat etwas wackelig auf den Beinen nach draußen auf den Flur und war froh, dass niemand zu sehen war. Als ich am Gemeinschaftsraum vorbei kam, überlegte ich kurz, ob ich mich zu meinen Freunden setzten sollte, wollte aber doch lieber allein sein und ging nach draußen. Obwohl ich schon eine Woche hier war, kannte ich gerade mal einen winzigen Teil des Palastgeländes. Zuerst überlegte ich in den Garten zu gehen, entschied mich auf halbem Weg aber dagegen, weil der Garten mich immer an Leana und Maxon erinnert. Ich merkte wie etwas in mir kalt wurde und mein Brustkorb sich zusammen zog. Da ich trotzdem nicht drinnen bleiben und Gefahr laufen wollte Leana zu begegnen, ging ich in den Hof. Zu dieser Uhrzeit waren alle Wägen in den Garagen geparkt und alle 3 Meter waren alte verschnörkelte Straßenlaternen, die Licht spendeten. Müde und erschöpft und vollkommen verwirrt setzte ich mich auf einen großen Stein und starrte einfach auf das Tor, das nach draußen führte. Sollte ich nicht vielleicht jetzt einfach gehen? Könnte es nicht irgendwo einen kleinen Durchgang geben? Ich würde einfach verschwinden ohne, dass ich etwas erklären müsste – jedenfalls fürs erste. Ich stützte mein Gesicht auf meine Hände und drückte fest zu, in der Hoffnung, dass meine Kopfschmerzen dadurch besser werden würden. Es führte leider nur zu einem roten Handabruck. "Hallo", erschreckte mich eine Stimme und ich zuckte zusammen. "Darf ich mich setzten?", fragte Maxon "Ich kann Sie nicht dran hindern", antwortete ich und bereute im selben Moment, dass ich so schroff gesprochen hatte. Eigentlich sollte ich mich doch für ihn freuen, dass er seine große Liebe gefunden zu haben schien. "Alles ok?", fragte er vorsichtig und ich nickte und lächelte ihn an. Nachdem er sich neben mich gesetzt hatte guckte er noch etwa eine Sekunde mit mir schweigend in den Himmel und da ich die Stille nicht mehr ertragen konnte, fragte ich: "Und wie läuft es mit Leana?", ich versuchte beiläufig zu klingen und hoffte, dass es mir auch gelang. Einen Moment sah er mich an, als müsste er sich erst erinnern, dann sagte er: "Gut... Es läuft wirklich gut" Kurz überlegte ich, ob ich ihm erzählen sollte, was ich wusste, ließ es dann aber lieber, er sollte nicht denken, dass ich ihn stalken würde. "Sie ist wirklich toll", schwärmte Maxon weiter. "Klug, intelligent und witzig" Ich hätte mich am liebsten übergeben, überspielte dies aber mit einem Lächeln. "Das... ist doch toll...", meinte ich und der Prinz nickte. "Ich mag sie wirklich gern" "Ich dachte, Sie lieben sie" im selbem Moment hätte ich mir meine Hand vor den Mund hauen und sie nie wieder wegnehmen können. Verdammt, wieso hatte ich das nur gesagt?Verdutzt schaute er mich an. "Was..?", wollte er wissen. Jetzt musste ich es ihm wohl doch erzählen und ich erklärte, wie ich sie im Garten gesehen hatte. "oh...", war das einzige, das er herausbrachte. "Ja... das stimmt schon – irgendwie" "Aber wenn du sie liebst, wieso beendest du den Wettbewerb dann nicht einfach?", hakte ich nach. Er wendete den Blick von mir ab und schaute wieder zu den Sternen. "Ich meinte, dass ich sie irgendwie liebe und der Wettbewerb wäre dann doch viel zu schnell zu ende" Für ein paar Sekunden fand in mir ein innerer Kampf statt, sollte ich meine Eifersucht gewinnen lassen oder versuchen meiner Freundin zu helfen. Letzteres, auf jeden Fall. "Ist es nicht völlig egal, wie lange das Casting dauert, wenn Sie sie lieben? Auch wenn es nur irgendwie ist" "Vielleicht. Und wenn sie es doch nicht ist?" "Glauben Sie nicht, dass jemand, der Sie innerhalb von einer Woche dazu bringen kann, dass Sie ihn irgendwie lieben, schon sehr der Richtigen ähnelt oder wenigstens das Potenzial dazu hat?" Es verstrichen ein paar Sekunden, bis er mir antwortete "doch... natürlich. Aber wenn ich sie wähle und ich später feststelle, dass ich nicht lieber jemand anderen genommen hätte?" "Das ist das Risikio, aber das brauchen Sie anscheinend nicht einzugehen, trotzdem. Wenn Sie sie lieben, dann entscheiden Sie sich für sich, Sie wird nicht allzu lange warten" Obwohl ich für Leana sprach, fühlte ich mich unglaublich schlecht. Aber ich hatte doch das Richtige getan."Ich mag Sie", wechselte der Prinz das Thema "Ach ja?", fragte ich neutral. "Sie faszinieren mich irgendwie mit ihrer Art" Leicht verwirrt schaute ich ihn an. "Sie haben ein Geheimnis" es lief mir eiskalt den Rücken hinunter, er hatte zwar Macht und Geld, aber er konnte doch nicht alles über uns wissen. Trotzdem versuchte ich locker zu bleiben. "Und ich werde den Wettbewerb erst beenden wenn ich es herausgefunden habe" Mit diesen Worten stand er auf. "Kommen Sie mit. Ich möchte Ihnen etwas zeigen"Er lächelte mich an und reichte mir die Hand. Etwas wiederwillig stand ich auf. Meine Knie zitterten leicht. Er durfte mein Geheimnis nicht erfahren. Geheimnisse waren dazu da, dass sie niemand erfuhr. Eigentlich wollte ich meine Hand zurückziehen, als ich merkte, dass er es aber nicht vor hatte, ließ ich sie eingebettet in seiner. Noch nie hatte ich so weiche Hände bei einem Jungen berührt. Meine Sorgen und Kopfschmerzen und die Müdigkeit waren wie weggeblasen.Ich schaute zu ihm herauf und bemerkte zum ersten Mal wie groß er war. Mindestens fünfzehn Zentimeter größer als ich und ich war schon 1,74 Meter. In dem schwachen, gelben Licht der Laternen sah er wirklich gut aus. Schnell schaute ich wieder auf meine Füße. Hoffentlich hatte er nichts mit bekommen. Zum Glück konnte er nicht sehen wie rot ich wurde.Da wurde mir bewusst was ich gerade tat oder dabei war zu tun und ich riss mich wieder zusammen. Ich würde mich nicht in den Prinzen verlieben. Er gehörte Leana und außerdem gehörte ich nicht zu den Mädchen, die sich in einen Prinzen verliebten, weil er ein Prinz war und einen anderen Grund konnte es nicht geben, wir hatten schließlich erst drei mal was zusammen gemacht, falls man das hier zählen konne. Nein nein, ich bildete mir hier nur was ein. Wir nahmen einen kleinen Seiteneingang, der in den Keller führte. Es war stockduster und ich war wirklich froh, dass ich immer noch Maxons Hand hielt. "Können Sie denn kein Licht anmachen?", fragte ich ganz leicht schnippisch. "Wir sind schon gleich da", beruhigte er mich und ich hoffte, dass er Recht behalten möge. Und das tat er auch. Nachdem mir schon schwindelig war von dem ständigen Abbiegen und ich die Frage, wie er sich das alles merken konnte, beiseite gelegt hatte, war ich schon etwas aufgeregt zu wissen, was sich hinter dieser Tür befand. "Wenn Sie bitte die Augen zumachen würden", wies Maxon mich an, aber ich hörte ein Lächeln in seiner Stimme. Ich tat wie mir geheißen und hörte, wie er die Klinke hinunter drückte. Jetzt nahm er auch noch meine andere Hand und trat langsam einen Schritt nach vorne. Ich folgte ihm langsam und hatte das Gefühl, dass ich auf nassem Stein stand. "Warten Sie bitte kurz", meinte Maxon, dann glaubte ich mit zu kriegen, wie irgendwo Licht anging. "Jetzt aufmachen"Ich tat wie mir geheißen und bereute es nicht eine Sekunde mehr, mitgekommen zu sein. Wir waren in einer kleinen Tropfsteinhöhle und in der Mitte war ein Wasserbecken aus Stein. Die Wände funkelten leicht und ein paar der Pflanzen leuchteten, sie gehörten vermutlich zu einer Lichterkette. Neben dem Wasserbecken war auch eine Bank neben der eine Blumenranke runterreichte. Es war so unglaublich schön. "Aber...", stotterte ich. "Wie..." "Die Höhle ist künstlich", erklärte Maxon und eigentlich hätte das dem Ort die Magie nehmen sollen, aber das tat es nicht. Bis auf die leuchtenden Pflanzen, die die Höhle in ein blaugrünes helles Licht tauchte, wirkte die Höhle komplett echt. "Können wir schwimmen gehen?", bat ich von kindlicher Neugier gepackt, wie es wohl wäre, in einer Höhle zu schwimmen. "Öhh..." "okay danke", meinte ich fröhlich bevor Maxon antworten konnte. Mittlerweile hatte ich den Dreh raus, wie man die Kleider auszog und ich war froh, dass ich normale schlichte, schwarze Unterwäsche trug. Mit einem lauten Platscher sprang ich in das erwärmte Wasser. "Kommen Sie Maxon", versuchte ich ihn zu motivieren. "Mhhh.....na gut", entschied er sich und wenige Minuten später war auch er im Wasser. "Hier ist es so unbeschreiblich schön", rief ich fast aus und tauchte kurz unter. "Lach mich nicht aus", meinte ich, als ich bemerkte, wie der Prinz genau das tat, obwohl es eher eins dieser Grinslachen war. Natürlich lachte er nur noch mehr. Ich musste an meiner Autorität arbeiten. Es wurde mir zu bunt und ich spritze ihn mit einer geballten Ladung Wasser ab. Er unterbrach sein Gegrinse und nachdem er ein paar Sekunden gebraucht hatte um zu realisieren was passiert war, hatte ich keine Chance mehr weg zu schwimmen. Aber ich war ja sowieso schon nass. Ich habe keine Ahnung wie lange wir im Wasser waren, ob 20 Minuten, eine Stunde oder zwei. Es machte einfach so viel Spaß. Als wir beide allerdings leicht müde wurden setzen wir uns auf einen Vorsprung im Wasser, der vermutlich dafür gemacht worden war. Es dauerte noch weitere zehn Minuten bis wir – vor allem ich – wieder runterkamen und es wieder halbwegs positiv ernst war. "Sind Sie oft hier?", fragte ich leicht hibbelig "Und wie lange gibt es den schon und wieso haben Sie mir nicht früher davon erzählt?" "Langsam langsam", er grinste wieder "Früher war ich sehr oft hier, aber mittlerweile nur noch selten um meine Gedanken zu sammeln. Allein macht es hier einfach nicht so viel Spaß. Und die Höhle gab es schon bevor ich geboren wurde, mein Vater hat sie für mein Mutter anlegen lassen" "Was für ein schönes Geschenk", staunte ich und konnte nicht anders als zu lächeln. "Zu ihrem 10. Hochzeitstag", erzählte Maxon. "Ihre Eltern lieben sichwirklich sehr oder?" "Das tun sie. Ich bin wirklich froh darüber, immer wenn ich früher Angst vor dem Casting hatte, konnte ich mir sie beide anschauen und es ging mir gleich besser" Mein Lächeln verschwand. Aber nicht, weil ich nicht mehr glücklich wurde, sondern einfach, weil ich an dem Punkt angelangt war, andem man noch glücklicher war als glücklich und ein Lächeln das einfach nicht mehr ausdrücken konnte, sondern meine Augen einfach nur noch strahlten und als ich in seinem Gesicht das Gleiche sah, nur auf seine Weise, stieg mein Glücksgefühl nur noch mehr an."Sie hätten schon von Anfang an keine Angst haben müssen. Sie haben ja sehr schnell Leana gefunden" "Ich möchte jetzt nicht über Leana reden, wenn es Ihnen Recht ist..." Ich spürte wie sein Gesicht sich immer mehr meinem näherte und jetzt wusste ich auch, wass die Mädchen in Büchern immer meinten, wenn sie schrieben, dass sie hofften, dass der Junge nicht mitbekommt, wie laut ihr Herz pocht, denn genauso war es jetzt. Ich dachte nicht an Leana, nicht an meinen Bruder und nicht an meine Mutter und nicht was die Folgen wären. Ich konnte nur sehen, dass Maxons Lippen nur noch wenige Zentimeter von meinen entfernt waren und sie sich weiter näherten.
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