Kapitel 3
"Wie bitte was?", fragte ich. "Habt ihr das gerade auch gehört oder bin ich einfach paranoid?", wollte ich wissen. "Dein Name wurde gerade wirklich aufgerufen und da ist auch dein Bild", Alva zeigt auf den Bildschirm, der gerade noch das Bild anzeigte, das wir drei ausgesucht hatten. "Ich dachte du wolltest, gar nicht mitmachen", beschwerte Leana sich. "Wollte ich auch nicht", verteidigte ich mich "ich habe keine Ahnung wieso da gerade mein Name aufgerufen wurde. Linnea, Alva, wart ihr das etwa?", ich schaute die beiden mit zusammen gekniffenen Augen an, aber beide hoben unschuldig die Hände. "Wir haben nichts damit zu tun", bestätigten sie noch einmal. "Aber wie kann das denn dann sein?", fragte ich etwas verzweifelt.
Krampfhaft überlegte ich, wie das passiert sein konnte, bis bei mir der Groschen fiel: Der Brief. Ich musste die beiden Blätter vertauscht haben. Oh nein! Meine Collegebewerbung!
"Ich habe den Zettel mit der Collegebewerbung und der Anmeldung hier für vertauscht", klärte ich auf und ärgerte mich tierisch über mich selbst. "Oh du arme", meinte Clara, die wusste, dass ich auf keinen Fall mitmachen wollte und nahm mich in den Arm. Auch Linnea und Alva sahen mich mitleidig an. "Kann man die Anmeldung denn irgendwie rückgängig machen?", fragte ich hoffnungsvoll. "Kannst du natürlich schon, aber du würdest damit dich und deine Familie blamieren und das Königshaus beleidigen", erklärte Jacob mir. "Na toll. Und was soll ich jetzt machen?" "Wie wäre es mit mitmachen?", schlug Alva sachlich und dennoch aufgeregt vor. "Aber das geht doch nicht", brachte ich ein "und wieso nicht?", fragte Linnea. Wegen meiner Familie... schoss es mir durch den Kopf, aber das würde ich keinem von ihnen sagen können. "Weil...weil..." "Jetzt hast du Keith nicht mehr und die Bewerbung kannst du ja immer noch abschicken", argumentierte Alva und ich strafte sie mit einem bösen Blick. "Du hast sowieso keine andere Wahl", stellte Leana noch einmal fest und ich musste wohl einsehen, dass sie Recht hatte. "Ich glaube ich fahre mal nach Hause... ich muss nachdenken...", sagte ich und stand auf. "Macht euch noch einen schönen Abend", wünschte ich ihnen und erntete dafür mitleidige Blicke, die ich wirklich nicht haben wollte. Ich lächelte meine Freunde an und verließ die Wohnung.
Endlich war ich allein und setzte mich auf die Treppenstufen, die zur Haustür führten. Dort blieb ich ein paar Minuten sitzten, bis mir zu kalt wurde, stand dann auf und ging zur U-Bahn.
Mein Handy hatte ich ausgestellt. Ich wusste nicht wie meine Mutter reagieren würde, entweder sie fände es super oder sie würde mich töten wollen und darauf wollte ich es nicht anlegen. Ob ich sie vor meiner Abreise überhaupt noch einmal sehen würde? Schon morgen würden die ausgewählten Mädchen abgeholt werden. Sollte ich vielleicht doch mal bei meinem alten Zuhause vorbeifahren?
Ich entschied mich dafür und ging zu einem anderen Bahnsteig. Vierzig Minuten später stieg ich wieder aus und war in einem der reichsten Viertel der Stadt angekommen. Überall waren riesige Villen mit noch größeren Gärten, Überwachungskameras und teilweise sogar kleine Hütten mit Wachleuten darin.
Mein altes Haus, stand etwa 500 Meter von der Bahnstation entfernt, sodass ich schnell dort war. Per Spracherkennung konnte ich das Tor öffnen. Überall brannte noch Licht. Vermutlich guckte meine kleine 5-jährige Schwester Chloe noch die Sendungen über das Königshaus und die weiteren Informationen, die nach der Bekanntgabung immer noch ausgestrahlt wurden. Und tatsächlich: Kurz nachdem ich geklingelt hatte, wurde mir von einem kleinen blonden Mädchen die Tür geöffnet, das ein lila Prinzessinnenkleid und eine Krone, mit wahrscheinlich echten Edelsteinen trug. "Hallo hallo", rief sie aufgeregt mit ihrer kindlichen Stimme und umarmte mich. "Hallo Chloe", erwiederte ich Gruß und Umarmung. "Du hast gewonnen! Du machst wirklich mit!" Chloe sprang aufgekratzt auf dem Sofa herum. "Ja..", meinte ich und versuchte mich wirklich zu freuen. "Sag mal ist Mum da?", fragte ich meine Schwester. "Sie ist im Arbeitszimmer glaube ich", antwortete sie und ich bedankte mich. "Bin gleich wieder da", sagte ich noch schnell und ging dann die Mamortreppe hinauf. Kurz überlegte ich, ob ich anklopfen sollte, ließ es dann aber und machte mich schnell noch mental auf das bereit was ich gleich sehen würde. Vielleicht liest sich ja auch nur etwas versuchte ich es optimistisch, aber es gelang mir nicht wirklich gut.
Leise öffnete ich die Tür und wie nicht anders erwartet, saß sie in gekrümmter Haltung am Fenster. "Oh hallo", sagte sie zittrig und versuchte auf zu stehen, was ihr aber nicht gelang. Ihre Haare waren kaputt und aus der Frisur gefallen, die vorher perfekt manikürten Fingernägel abgekaut, die Haut eingefallen und faltig und neben ihr eine Packung Tabletten. Hinter ihr hing ein Bild von ihr und meinem Vater auf dem beide voller Stolz und Anmut guckten. Davon war bei meiner Mum nichts mehr übrig geblieben. Seit meiner Vater sie vor 3 Jahren wegen einer anderen verlassen hatte, konsumierte sie fast alles was es an Tabletten und Medikamenten gab. Von Psychopharmaka, Antidepressiva und Zeug dessen Namen ich nicht mal aussprechen konnte. Sie war erst 36 und sah aus wie 59. Jeden Morgen stand sie frohen Mutes und voller Hoffnung auf, machte sich Haare und Make-Up und jeden Tag wurde sie von ihrer Sucht wieder heimgeholt. Ben hatte es längst aufgegeben sie von ihrer Sucht abzubringen und versuchte nur noch für Chloe zu sorgen.
"Wie geht es dir meine Liebe?", fragte sie "Ganz gut und dir?" Am liebsten wäre ich ihr mit voller Kälte begegnet, aber ich schaffte es einfach nicht. Ich wollte ihr an allem die Schuld geben, ich wollte, dass sie für Chloe sorgte, aber noch viel mehr wollte ich meine Mum zurück, die mich Disziplin gelehrt und mir Manieren beigebracht hatte, die nachts an meinem Bett saß, wenn ich von schwarten Feen geträumt hatte, die alle verhexten und die immer großherzig und dennoch bestimmt gewesen war. Und obwohl ich so unglaublich wütend auf sie war, hatte ich sie auch unfassbar lieb. "Mir geht es auch ganz gut", kam die brüchige Antwort. "Chloe meinte, du hättest beim Casting teilgenommen und würdest dabei sein?", sie lächelte beim Reden. "Ja, das stimmt. Morgen werde ich abgeholt" "Ich bin ja so stolz auf dich", meinte sie, doch es bedeutete mir nichts. Früher hätte ich alles getan, damit sie das mal sagte, aber jetzt klang es nur noch leer. Ich nickte. "Eigentlich wollte ich mich nur von dir verabschieden", sagte ich "Natürlich, natürlich", ihre Hände zitterten. "Also dann", äußerte ich mich "bis irgendwann" "bis bald mein Schatz", meinte sie noch, dann wandte sie sich wieder dem Fenster zu. Ich verließ das Zimmer und während ich den Flur entlang ging, lief mir leise eine Träne die Wange hinunter.
Bevor ich wieder unten war wischte ich sie schnell weg, Chloe sollte nichts mitbekommen, sie sollte weiterhin denken, dass unsere Mum die war, für die sie sie hielt.
"Kannst du heute nacht hier bleiben?", bettelte meine Schwester, als ich wieder im Wohnzimmer war. "Nur bis ich eingeschlafen bin" Flehend sah sie mich an. So lange war ich nicht mehr hier gewesen und ich konnte ihr den Gefallen einfach nicht abschlagen. "Natürlich Prinzessin", antwortete ich und lächelte. Gemeinsam setzten wir uns auf Sofa und schauten Interviews der Königsfamilie und Berichte an.
Gegen 2 Uhr nachts war Chloe eingeschlafen und ich trug sie hoch in ihr Zimmer. Es war so wunderschön und wie für eine kleine Prinzessin gemacht. Von ihrem rosanen Himmelbett konnten die meisten nur träumen und ich wünschte mir, dass ich jetzt nicht noch nach Hause fahren müsste.
Als ich am Zimmer meines Bruders vorbeikam, in dem noch das Licht brannte, überlegte ich kurz, ob ich mich auch von ihm verabschieden sollte, ließ es dann aber bleiben. Ich war immer noch unglaublich sauer.
Müde bestellte ich mir ein Taxi und fuhr nach Hause, wusch mir noch schnell die Haare und putzte die Zähne, nur um danach total kaputt ins Bett zu fallen.
In dieser Nacht schlief ich sehr schlecht und ich erwachte schon bevor die es sechs Uhr war. Schlaftrunken ging ich in die Küche wo ich Sitas Napf auffüllte und danach ins Bad um mich fertig zu machen. Wenn ich in 2 Stunden abgeholt werden würde, wollte ich schließlich nicht total schrecklich aussehen.
Schnell flocht ich meine taillenlangen Haare zu einem Seitenzopf und beabeitete meine Haut mit mehreren Masken, Crèmes und Peelings, sodass sie danach seidig glatt war. Zum Glück hatte ich sowieso schon eine recht reine Haut und musste mir so keine großen Sorgen darum machen.
Schnell trug ich noch Mascara und Lippgloss auf um dann noch schnell Zeit zu haben um mir eine dunkelblaue Jeans, ein schwarzes Empiretop mit weißer Schleife, passende Ohrringe und schwarze Stiefel anzuziehen.
Ich schickte Clara eine Nachricht zum Abschied und bat sie auf Sita auf zu passen, solange ich weg sein würde, entschuldigte mich nochmal bei ihr, dass ich sie am Donnerstag grundlos angemeckert hatte und sagte ihr wo mein Zweitschlüssel lag. Um 6:56 Uhr schrieb ich noch kurz mit Leana und wir unterhielten uns darüber wie aufgeregt wir seien und auch froh, dass wir zusammen waren.
Dann um Punkt 7 Uhr klingelte es an der Tür und davor stand ein Bediensteter des Königshause. Zum Abschied streichelte ich Sita noch einmal und schloss dann die Tür hinter mir ab.
Unten angekommen war da schon ein ganzes Kamerateam und eine Limousine. Noch nie war ich so froh wie jetzt, dass ich jeden Tag, oft durchgehend, ganz leicht lächelte um über den Tag zu kommen und weil ich gehört hatte, dass auch grundloses Lächeln glücklich machte, denn jetzt konnte ich es problemlos aufsetzten. Und wenn ich ehrlich war, war das Lächeln nicht nur gespielt, denn ich war wirklich gespannt, was mich im Palast erwarten würde.
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