Bilder
Mein Atem ist keuchend, mein Körper verlangt nach einer Pause, doch ich renne weiter. Stolpernd durch den Wald, meine Sicht ist verschwommen, flackernd, ich sehe die Bäume nicht einzeln, nur eine Mischung aus grau, braun und grün. Dennoch gelingt es mir irgendwie, nicht hinzufallen, nicht anzustoßen. Einfach weiter. Mein Kopf ist wie leer, ich kann mich auf nichts wirkich konzentrieren, nur dieser eine Gedanke, pochend. Ich muss sie finden. Nur weiß ich überhaupt nicht, in welche Richtung ich wirklich muss. Aber irgendwo hier muss sie einfach sein.
Es geht nicht mehr anders. Ich komme langsam zum Stehen, stütze die Hände in die Hüfte. Ich kann einfach nicht mehr. Tief sauge ich die Luft ein, lasse sie in meine Lungen strömen. Die ganze Umgebung schwankt leicht. Ich will nicht aufhören, nicht aufgeben, doch ich schaffe es nicht mehr, weiter zu rennen. Wenn ich irgendwann einfach zusammen breche, ohne sie gefunden zu haben, ist ihr auch nicht geholfen. So schwer es mir auch fällt, nicht weiter kopflos loszustürmen, ich muss zur Ruhe kommen, mich sammeln, nachdenken. Also gehe ich in Schrittempo weiter, den Blick auf den Boden gerichtet, um mögliche Spuren nicht zu übersehen.
Da liegt etwas weißes auf dem Boden. Ich gehe in die Hocke, um es besser betrachten zu können. Ein Foto. Sie. Ihre blauen, stechenden Augen schauen mich an. Es ist ein Passbild, sie sieht seltsam darauf aus, künstlich, die Haare fallen glatt und gerade, als wären sie festgeklebt. Sie sieht nicht aus, wie sie eigentlich aussieht, ihre natürliche Art kommt nicht rüber, so, wie es immer bei biometrischen Bildern der Fall ist. Nur ihre Augen strahlen wie immer und das lässt mich fühlen, als wäre sie direkt bei mir. Eine Erinnerung blitzt in meinem Kopf auf.
Die warme Sonne strahlt in mein Gesicht, die Grashalme pieksen mich von unten in den Rücken. Sanft berührt mich eine Hand an der Schläfe, streicht eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Ich drehe meinen Kopf und schaue in ihre Augen, in denen ich mein eigenes Spiegelbild sehen kann. Ihre Wimpern schieben sich darüber, als sie blinzelt. Die Stimmung ist so schön, dass ich einfach lächeln muss. Auch sie fängt an zu Schmunzeln und auf einmal lachen wir beide einfach nur noch.
Vorsichtig hebe ich das Bild auf, umschließe es fest mit meiner Hand und richte mich wieder auf. Bestärkt setzte ich meinen Weg fort, es muss einfach die richtige Richtung sein. Wieso sollte hier auch sonst ein Bild von ihr liegen? Ich werde sie finden und wieder mit ihr zusammen einfach aus Freude am Leben lachen. Ein paar Meter weiter vorne sehe ich noch ein Bild liegen. Es ist das gleiche Foto, ihr Portrait, etwas verzogen durch die unnatürliche Situation. Dennoch löst es erneut tausende Emotionen in mir aus.
Ihre Augen sind gerötet und sie hat tiefe Augenringe. Ich sehe wahrscheinlich nicht besser aus, immernoch laufen mir heiße Tränen über das Gesicht. Ich kann das alles so momentan einfach nicht ertragen, es schmerzt, am liebsten würde ich einfach weglaufen. Doch sie einfach zurück zu lassen würde noch viel mehr weh tun. Ihre Augen werden wieder glänzend, so gleichen sie noch mehr dem Ozean, doch sie atmet einmal tief durch und fängt dann, anfangs noch mit sehr zittriger Stimme, an zu erzählen, erläutert ihre Sichtweise. Ruhig höre ich zu, ich will einfach nur, dass alles wieder gut wird, dann spreche auch ich meine Gedanken aus. Als endlich alles gesagt ist, breitet sie ihre Arme aus und ihre Lippen formen ein Lächeln, welches endlich auch wieder ihre Augen erreicht. Erleichtert schließe ich sie fest in meine Arme. Es ist egal, was alle anderen sagen, zusammen schaffen wir das schon.
Hoffentlich werde ich sie bald wieder umarmen können, fern von all dem Schrecken. Auch dieses Bild nehme ich mit. Langsam setzt die Dämmerung ein, bisher hatten nur die Bäume selbst die Sonne verdeckt, sodass nicht viel Licht hierher gelangte, doch jetzt verschwindet die Sonne bald hinter dem Berg, die Schatten werden schon länger, dann wird es entgültig dunkel sein. Ich weiß nicht, ob ich so noch eine Chance haben werde. Doch ich werde nicht aufgeben, nicht wenn ich sie noch nicht gefunden habe. Diesmal trete ich fast auf das Foto drauf, ein Blatt verdeckt es teilweise doch glücklicherweise habe ich es trotzdem entdeckt. Ich hebe es auf und entferne vorsichtig den Dreck. Auch jetzt wieder blitzen mich ihre Augen an, katapultieren mich zu einem schon vergangenen Ereignis zurück.
Unsere Nasenspitzen berühren sich ganz leicht, ihre Lippen fühlen sich warm und weich auf meinen an, passen einfach perfekt. Ihre eine Hand liegt in meiner, die andere streicht langsam über meinen Rücken. Es ist alles so voller Sanftheit, Liebe. Ihre Augen hat sie geschlossen, doch meine sind offen. Ich schaue auf ihre Lieder, die ein kleines bisschen zittern, auf ihre fein geschwungenen Wimpern. Ich seufzte in den Kuss hinein, ich fühle mich einfach nur gut, glücklich. Sie ist da, hier bei mir, wir fest verschlungen.
Ich muss schlucken. Ich wünschte, wir wären wieder beieinander. Ich wünschte, sie wäre hier. Glücklich. Gerade sind die Bilder, die Fotos in meiner Hand und die Erinnerungen in meinem Kopf, das einzige, was ich von ihr habe. Ich muss mich an beides klammern, darf auf keinen Fall etwas verlieren, zu viel Wichtigkeit steckt darin. Vorallem aber muss ich sie einfach finden. Also heißt es weiter gehen, immer und immer weiter. Irgendwie entdecke ich das nächste Foto auch trotz der mittlerweile fast alles verschlingenden Dunkelheit. Kaum noch kann ich sie auf dem Bild erkennen, durch das wenige Licht sehe ich nur Graustufen. Und das Blau ihrer Augen.
Blitze aus Zorn scheinen aus ihren Augen zu kommen. Treffen direkt mich. Unbändige Wut. Wie gerne würde ich ihr alles erklären, doch das kann ich nicht. Außerdem wäre es auch nicht hilfreich. Sie hat gutes Recht dazu mich zu hassen. Es ist klar, dass sie mich nicht versteht. Vorallem allerdings auch, da ich nur hier stehe ohne ein Wort zu sagen. Ich kann mich nicht rechtfertigen, will es nicht, schließlich bin ich wirklich Schuld, das ist nur gerecht. Sie steht nur knapp einen Meter von mir entfernt, doch der Streit steht wie eine unüberwindbare Mauer zwischen uns. Nochmal schaut sie mir direkt in die Augen, einerseits brodelnd vor Wut, doch andererseits auch flehentlich, zutiefst verletzt. Dann dreht sie sich um geht zur Tür raus und knallt diese hinter sich zu.
Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich angefangen habe zu weinen. Jetzt wische ich die lästigen Tränen nur schnell weg, nehme das neue Foto zu den anderen drei, laufe weiter. Ich muss es ihr sagen, alles erklären. Vielleicht verzeit sie mir ja doch. So halte ich das nicht aus. Doch ich sollte nicht so egoistisch sein, schließlich geht es hier um sie. Wo ist sie? Geht es ihr gut? Der Ruf einer Eule, die wahrscheinlich gerade wach geworden ist, ertönt, laut hallt er zwischen den Bäumen wieder. Ich zucke zusammen und übersehe vor Schreck einen Ast, falle hin. Zumindest verletzt ich mich nicht wirklich, nur kurz durchzuckt mich Schmerz. Doch ich rappel mich direkt wieder auf, nehme mir nicht die Zeit, das Laub aus meinen Haaren zu zupfen, sondern schaue nur, ob die Bilder noch heil sind um dann weiter zu gehen.
Da sehe ich einen Körper zwischen den Zweigen liegen. Schnell renne ich hin. Sie wirkt wie eine Puppe, nicht wirklich echt. Die Haare zu ordentlich für den Wald, die Pose unnatürlich, wie drapiert. Auf ihrer Stirn ist eine blutige Kruste, auch an ihrem Mund ist Blut, eine Spur, die ihr über das Kinn gelaufen ist, mittlerweile schon getrocknet. Überall Blut, tiefe Wunden. Keine normalen Verletzungen wie durch einen Sturz. Nein, künstlich, absichtlich erzeugt. Ihre Augen starren mich glanzlos an, leer.
~22.03.21
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Heyyy!
Ich habe es mal wieder nur sehr knapp noch geschafft, aber ich habe es geschafft. Zudem ist die Geschichte sogar noch zumindest für meine Verhältnisse relativ lang. Ja, ich bin zufrieden. Eigentlich sollte der Fokus nicht so auf den Augen liegen, ich weiß auch nicht, wieso sich das so entwickelt hat, naja... Ich kann auf jeden Fall noch eine kurze Story erzählen, wie ich auf die Idee der Geschichte gekommen bin. Das ist schon ein paar Wochen her, aber da war ich spazieren, allerdings nicht im Wald, sondern in einer Wohngegend, jedenfalls lag auf dem Weg ein Passbild von einer Frau. Da hab ich mich schon bisschen gewundert und dann lag vielleicht so um die 100m weiter noch eines, die selbe Person. Den restlichen Spaziergang habe ich in meinem Kopf an der Idee gearbeitet, allerdings habe ich danach dummerweise nur wenig davon aufgeschrieben, deswegen ist wahrscheinlich vieles anders, als eigentlich gedacht. Okay, die Story war jetzt irgendwie ziemlich langweilig...
Aber darum geht es ja auch nicht, was haltet ihr denn von der richtigen Geschichte? UwU
Danke fürs Lesen!♡
Stxrndrxchx ┗(•ˇ_ˇ•)―
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