Kapitel 7
„Also, Mr. Bucur, Miss Dines berichtete mir von Ihrer Methode zur Erhöhung der Informationssicherheit." Moretti hatte seine korpulente Form in den Korbstuhl neben Moore gezwängt, ihr während seines Satzes ein wohlwollendes Lächeln zuwerfend. Seine hellen braunen Augen blickten dabei aber stumpf, und die kurzen Wimpern flatterten im Sekundentakt nieder. Als der Italiener seinen Kopf mit den gefärbten Haaren, die natürlicherweise wohl bereits völlig ergraut waren und wie Stroh über seiner zerfurchten Stirn klebten, Alexander zuwandte, zitterte die grüne Fliege um seinen dicken Hals ein wenig.
Der Journalist hielt seine leicht gehobenen Mundwinkel aufrecht, obwohl ihm bereits die Wangen schmerzten. Mit dieser Ausgesetztheit wurde er regelmäßig konfrontiert, aber normalerweise war er besser auf die Situationen vorbereitet. Moore hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er dem Italiener einen Deal präsentieren sollte.
„Selbstverständlich hat sie das", neigte Alexander seinen Kopf mit einem leicht amüsierten Unterton, als er einen Seitenblick auf seine Personenschützerin warf. Moore hatte sich entspannt zurückgelehnt, ein Weinglas zwischen den schlanken Fingern. Mit einem Augenzwinkern nippte sie an der dunkelroten Flüssigkeit, und der Adamsapfel an ihrem hellen Hals zuckte deutlich, als sie schluckte. Seine Augen verengten sich nur um Millimeter, bevor seine Maske wieder makellos wurde und er innerlich die richtigen Sätze für Moretti heraussuchte. „Firewalls und Sandkästen entwickeln sich genauso schnell wie die Methoden von Hackern", begann er vorerst langsam, tastete sich auf diesem unbekannten Gebiet vorsichtig vor. Der Italiener schräg rechts von ihm tippte seine fleischigen Finger unruhig auf das helle Holz der Tischplatte, bevor er nachlässig seine Hand wedelte. „IT- und ITK-Systeme haben wir genug, ja." Er beugte sich leicht vor, wie ein Raubtier, das auf seine Beute lauerte – nur wäre er dafür viel zu behäbig. Seine Augen funkelten, als er wie manisch nach Alexanders Antwort hungerte: „Geben Sie mir etwas Neues, Bucur, etwas, was keiner meiner... Kollegen vorweisen kann."
Alexanders affektiertes Lächeln wurde zu einem wölfischen Grinsen, als sein Mund sich so weit verzog, dass seine weißen Zähne aufblitzten. „Es hat sich oft erwiesen, dass Computer zuverlässiger sind als Menschen. Von einem einzigen Mann können sie vollkommen kontrolliert werden, sein willenloses Werkzeug sein. Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg, der vom Ziel abkommen könnte." An der pochenden Ader an Morettis Schläfe erkannte Alexander, dass der Mafioso ungeduldig war, förmlich an seinen Lippen hing, gierig, wie er war.
„Gefährliches Halbwissen." Plötzlich war jegliche Freude aus seinem Ton verschwunden, und der Journalist lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. „Menschen sind Sicherheitslücken, ja. Aber, Mr. Moretti, warum ein Loch stopfen, wenn man das gesamte Teil einfach vom Schiff abbauen könnte?" Der Italiener nickte ungeduldig, und wegen seines kurzen Halses sah er aus wie eine Wackelfigur. Alexander spiegelte die Bewegung für einen Moment, wesentlich langsamer, bevor den Kopf schüttelte. Aus dem Augenwinkel sah er, wie ein leichtes Schmunzeln sich auf Moores Gesicht legte, und innerlich triumphierte er schon jetzt.
„So denken auch Ihre Kollegen, Mr. Moretti", tadelte Alexander sein Gegenüber leicht, und der zog seine buschigen Augenbrauen hoch. „Warum sollten Sie ein Teil des Schiffes abbauen, wenn es eine nützliche Ergänzung ist? Sicher kann das Schiff auch schwimmen, wenn es nicht jene Zusatzteile hat. Aber wenn jene Teile es befähigen, zusätzlich zu fliegen, könnten Sie eine der fortschrittlichsten Maschinen der Neuzeit entwickeln."
Ein Hauch der Zufriedenheit blitzte in ihm auf, als er das Funkeln in Morettis Augen sah. Hätte der Italiener sich auch nur einen Deut weniger unter Kontrolle gehabt, würde er jetzt wohl sabbern. „Wir sind ein Luftfahrtkonzern", formulierte er bemüht langsam, „Ich würde es begrüßen, wenn meine Maschinen fliegen könnten."
Natürlich würde er das.
Alexander ließ ein Halblächeln auf seinen Lippen erscheinen, als er innerlich diesen Triumph genoss. Moretti hing an seinen Worten wie ein Fisch an der Angel... Doch jegliches Amüsement verschwand aus ihm, als sein Blick auf Moore fiel, die ihr Weinglas jetzt mit einer grazilen Vorwärtsbewegung auf der schwarzen Tischdecke platzierte. „Dann können Sie ja den Deal abschließen, damit du endlich unsere Flitterwochen bezahlen kannst, Alec."
Seine Augen wandten sich in derselben Sekunde von ihr ab, in der Moretti die seinen zu ihr schnellen ließ. Wie hypnotisiert legte sich seine Aufmerksamkeit auf das Weinglas, in dem die Flüssigkeit noch sanft nachschwang. Was war ihr Ziel? Warum teilte Moore keine Informationen mit ihm, setzte ihre Tarnung derart aufs Spiel?
Ruckartig fuhr Alexanders Kopf wieder hoch, unterbrach den Italiener, dessen rauchige Stimme nur dumpf an seine Ohren gedrungen war. „Komm schon, V... Ich habe dir schon dutzende Male gesagt, dass ich es einfach nicht einsehe, mein Geld derart aus dem Fenster zu werfen. Es gibt wichtigere Dinge, in die ich investieren muss."
In ihren Augen blitze es, aber noch bevor sie eine Antwort geben konnte, lachte Moretti rumpelnd. „Wichtiger als eine so schöne Frau? Sie wissen nicht, was Ihnen entgeht, Mr. Bucur..." Doch er zwinkerte Alexander zu, wie um sein Verständnis auszudrücken – als könnte er genau nachvollziehen, dass in ihrem gemeinsamen Business jeder Cent genau berechnet werden musste.
„Abschlagen kann ich ihr natürlich nichts", wandte Alexander sich bewusst nur an Moretti, beinahe, als wäre Moore nicht anwesend. Das sollte zumindest ihre Rolle als Anhängsel unterstützen, das nur mitgekommen war, um schön auszusehen. Zumindest das meisterte sie mit Bravour. „Wenn Sie mich zu meinem Wagen begleiten würden, könnte ich Ihnen meinen Entwurf zur Sensibilisierung des Personals gleich vorlegen. Sie verstehen sicher, wenn ich ihn nicht unbedingt an unsichere Orte mitnehmen will." Irgendwo in seinem Handschuhfach müsste er noch den Handyvertrag seiner Mutter liegen haben, der auf Rumänisch geschrieben war. Wenn er Moretti ein paar fingierte Zahlen zur Verteilung von Rumänen in der Stadt präsentierte, würde der ihm die Sicherheitsmaßnahme wohl abkaufen.
Alexanders Kiefer spannte sich unmerklich an, als der Italiener breit grinsend einen Kuss auf Moores Handrücken presste. Allein vom leisen Schmatzen wurde ihm beinahe schlecht, sodass er froh war, dass der Kellner vorhin sofort die Richtung gewechselt hatte, sobald sein Blick auf Moretti gefallen war. Dieser drehte sich jetzt auch um und winkte einem breitschultrigen Mann zu, der mit dem Rücken an die Bar gelehnt stand und seine Augen nicht von den Geschehnissen zwischen den verschiedenen Geschäftspartnern gewandt hatte. Diese winzige Handbewegung strotzte nur so vor Machtbewusstsein, aber auf Alexander wirkte sie dennoch seltsam unbeholfen. Als hätte Moretti nie gelernt, sich selbst zu kontrollieren, weil Grenzen für ihn schlicht nicht existierten.
In dem einen Moment, in dem die sich spannende Rückseite des Jacketts Morettis ihm zugewandt war, fing Alexander Moores Blick auf. Aus ihren Augen war ein Teil der aufgesetzten Trägheit verschwunden, und als ihre Brauen sich leicht hoben und das Blitzen ihrer Seelenspiegel nicht mehr verschleiert war, fühlte er sich wie in Eiswasser getaucht. Diese Frau hatte einen Einfluss auf ihn, der Seinesgleichen suchte – und dafür verwendete sie nicht einmal Worte. Das brauchte sie nicht.
Mit dem Scharren von Morettis Stuhlbeinen über den Boden wurde Alexander wieder in die Realität gerissen. Wesentlich schneller und eleganter als der Italiener, der sich mit leisem Schnaufen aus dem Sitzen erhob, glitt er in einer fließenden Bewegung hinter dem Tisch hervor. Wie selbstverständlich zog er Moores Stuhl zurück und winkelte seinen Arm leicht an, während seine Augen sein Gegenüber nicht für eine Sekunde verließen.
Moretti führte sie über den Mittelgang zwischen der langen Tafel und den kleineren Sitzgruppen auf die Tür zu, sein watschelnder Gang dabei erstaunlich flink. Alexander spürte die Aufmerksamkeit einiger Männer deutlich auf sich liegen, das waren wohl diejenigen, die als Bodyguards hier waren. Auch vor der Garderobe hatten sich drei Schränke aufgebaut, von denen einer vortrat, sobald Moretti ihn passiert hatte. Er schien das Paar hinter sich zu ignorieren, aber Alexander war nur zu klar, dass der zweite Personenschützer des Italieners ihnen direkt folgte. Fußtritte hörte er nicht, aber es war anzunehmen, dass der Fremde seine Schrittweite an die des Journalisten angepasst hatte, damit die Geräusche sich überlagerten.
Nachdem sie den kurzen Vorflur binnen Sekunden passiert hatten und Moretti ohne viel Tamtam in die kühle Abendluft herausgetreten war, spürte Alexander, wie der Druck auf seinen Brustkorb etwas nachließ. Er hatte nicht einmal gespürt, wie beklemmt er geatmet hatte, aber als die leichte Brise seine Lungen mit frischem Sauerstoff füllte, erwachten seine Lebensgeister. Eine leichte Gänsehaut breitete sich auf seinem Unterarm aus, als er spürte, wie Moores Fingerkuppen kurz in seine Haut drückten. Vielleicht war diese Bewegung sogar unbewusst gewesen, aber sie gab ihm Sicherheit, und seine Haltung war aufrecht, als er die Führung übernahm.
Mit rhythmischen, langen Schritten drehte er sich nach rechts in Richtung der Seitengasse, in dem sein Audi stand. Moores Hand um seinen Unterarm wurde etwas schwerer, als sie mit ihren kürzeren Beinen Schwierigkeiten hatte, mit ihm mitzuhalten, aber sie passte sich ihm dennoch ohne sichtbare Anstrengungen an.
Als sie von der hellerleuchteten Hauptstraße, wo die Straßenlaternen schon brannten, in die Parkstraße abbogen, heftete sich Alexanders Blick sofort auf seinen mattgrauen Audi. Er liebte sein Auto, auch wenn es hinter einer schwarzen Limousine beinahe unterging. Trotzdem richtete sich auch Morettis Aufmerksamkeit auf den Wagen, als die Lichter kurz aufblinkten, nachdem der Journalist den Audi entriegelt hatte.
Als der Italiener plötzlich stehenblieb, schöpfte Alexander noch keinen Verdacht. Er war bereits einige Meter von ihm entfernt, als Moore ihm mit leisem Singsang zuzischte: „Nummernschild..."
Und sein Herz setzte einen Schlag aus. Er wusste nicht, wie, hatte sicher keinen Fehler gemacht, aber sie schienen seine Daten zu haben. Auch die seines Autos.
„Woher haben Sie diesen Wagen?", durchschnitt Morettis Stimme die klare Luft, die plötzlich um mehrere Grad kälter schien als zuvor.
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