Kapitel 22
Saskia stand bereits aufgeregt in der Küche und versuchte das Müsli hinunterzuwürgen. Es war noch viel zu früh, aber sie konnte einfach nicht mehr schlafen. Mittlerweile hatte sie schon das zweite Mal ihren Koffer kontrolliert, ob auch ja nichts fehlte. Sie hasste sich selbst dafür, manchmal alles doppelt und dreifach überprüfen zu müssen.
Ihr Blick war auch schon das gefühlt tausendste Mal an der Uhr haften geblieben, fast schien es so als ginge diese rückwärts! Am liebsten hätte sie sich jetzt selbst eine Ohrfeige gegeben für ihre übertriebene Nervosität. „Saskia, reiße dich jetzt zusammen! Du bist eine erwachsene Frau!", schimpfte sie mit sich selbst.
Aber ab wann wurde man eigentlich wirklich erwachsen oder woran machte man das fest? Der Versuch diese selbst gestellte Frage zu ergründen, lenkte sie kurz von ihrem innerlichen Chaos ab. Doch diese Ablenkung hielt nicht lange an.
Warum war sie eigentlich so nervös? Stellte sie sich selbst die nächste Frage, setzte sich auf den Küchenstuhl und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Saskia wollte es sich eigentlich nicht eingestehen, aber sich selbst dauerhaft zu belügen, brachte genauso wenig. Es lag alleine an ihren Chef Lord Lionel Shahbandar. Den sie unfassbar attraktiv und anziehend fand, seine neckischen Bemerkungen und seine ständige Aufmerksamkeit in ihre Richtung, zeigte bereits unerwünschte Wirkung bei ihr. Warum nur musste er sie immer so ansehen und behandeln, dass ihr automatisch die Knie weich wurden?
Sie war nicht dumm, auch wenn sie sich etwas in Lionel verguckt hatte, wusste sie dennoch, dass er sich sicher nur auf ihre Kosten amüsierte. Und seine Anspielungen rein Garnichts zu bedeuten hatten. Traurig und resigniert, brütete sie noch lange vor sich hin und vergrub sich in Selbstmitleid.
Als Saskia das nächste Mal auf die Uhr blickte, war doch einiges an Zeit vergangen und sie beschloss, langsam ihre Sachen zu nehmen und die letzte viertel Stunde vor dem Wohnkomplex auf Mihai zu warten.
Lionel hatte seine Hände hinter seinen Rücken gelegt und wanderte auf und ab. Immer wieder blickte er auf die Einfahrt hinaus, die er von seinem Standpunkt aus sehen konnte. Mihai war schon längst gefahren um Saskia abzuholen. Am Anfang wäre er fast mitgefahren, aber er wollte nicht zu aufdringlich wirken. Lionel wollte nicht, dass Saskia merkte, dass ihm mehr an ihr lag, als er bereit war zuzugeben. Unbewusst zog ihn ihre Anwesenheit an, er würde noch sehen, ob er es bereuen würde sie hierher geholt zu haben.
Saskia blickte auf die Straße, als sie auch schon die vornehme Limousine kommen sah. Mihai blieb vor ihr am Straßenrand stehen und stieg sofort aus, um ihr mit dem Koffer zu helfen. Sie zogen bereits unzählige Blicke der Passanten auf sich, was ihr mehr als unangenehm war. Natürlich waren die Leute neugierig wer mit so einem teuren Gefährt unterwegs war.
Mihai war ihr vom ersten Augenblick an sofort symphytisch gewesen, er war wahrscheinlich nicht viel jünger als sein Boss. Als alles verstaut war, hielt ihr dieser auch noch die Autotüre auf und Saskia setzte sich auf die geräumige Rückbank. Es war sehr ungewohnt alleine in dem edlen Wagen zu sitzen. Sie strich mit ihrer rechten Hand über den leeren Sitz, in dem normalerweise Lionel saß. Saskia fühlte das exquisite Leder und inhaliere den Duft davon tief ein.
Der Chauffeur hatte ihr sogar angeboten sich etwas aus dem Getränkefach zu nehmen, doch das wollte sie nicht in Anspruch nehmen. Gebannt sah sie in die Landschaft hinaus, je weiter sie sich von London entfernten, desto natürlicher wurde diese. Ein Stück fuhren sie denselben Weg, wie sie auch zu ihrem Cousin fuhr. Aber das letzte Stück ging es in eine andere Richtung und außerdem war es noch viel weiter zu ihrer Verwandtschaft.
Je näher sie dem Anwesen des Lords kamen, desto neugieriger wurde sie, aber auch umso nervöser, wieder einmal. Saskia hoffte inständig, dass sie dieses Problem baldigst in den Griff bekam, ansonsten würde die Zusammenarbeit das reinste Chaos werden, dessen war sie sich sicher.
Lionel Blicke auf seine Zufahrt und hielt in seiner Bewegung inne, er sah schon von weitem seinen Rolls-Royce kommen. Nun war es also soweit, die Dinge setzten sich in Gang. Es blieb zu Hoffen das seine Entscheidungen die richtigen waren.
Saskia schaute mit großen Augen auf das riesige und wunderschöne Anwesen Lionels. Mihai stieg bereits aus und öffnete ihr galant die Türe. Sie konnte den Blick gar nicht mehr abwenden, es sah so aus, wie es immer in den kitschigen Romanen beschrieben wurde. Aus der Ferne hörte man schon die Pfauen schreien. Sie liebte diese Tiere, da sie so wunderschöne Federn hatten.
Der Butler öffnete die Eingangstüre umgehend und trat ins Freie, um ihren Koffer von Mihai zu übernehmen. Etwas ratlos stand sie im Freien und beobachte leicht überfordert die Geschehnisse um ihr herum.
Lionel überblickte die Ankunft von Saskia von seinem Fenster aus, als sie leicht hilflos durch die Gegend sah, tat es ihm sofort leid, dass er sie nicht gebührend empfangen hatte.
Aber Mihai wäre nicht er, würde dieser sich nicht mit seiner freundlichen Art um Saskia kümmern, wie Lionel noch immer aus dem Fenster sehend feststellen konnte. Er trat von seiner Position am Fenster zurück und ging zu seinem Mahagonischreibtisch.
Er hatte seinem Butler angeordnet, Saskia in ihr Zimmer zu bringen und danach in sein Büro zu begleiten.
Gem hatte scheinbar seine innere Unruhe gespürt und lief nun ebenso nervös in dem Raum umher und maunzte untypisch für sie. Normalerweise saß sie entweder in ihrem Körbchen, das sie in seinem Büro hatte oder wenn sie frech war, wie eigentlich fast immer, saß sie einfach auf seinem Schreibtisch.
Lionel blickte auf den zweiten Bürosessel neben seinem, den er erst vor kurzem hierher bringen hatte lassen, damit Saskia auch hier sitzen konnte.
Völlig in Gedanken versunken, zog er immer wieder an dem Knoten seiner Krawatte. Heute schien sie ihn schon fast zu würgen, auch wenn er sie wie immer gebunden hatte.
Als er sich endlich in seinen Sessel setzte, beruhige sich auch Gem etwas und sprang auf das Fensterbrett um die vorbeifliegenden Vögel durch das Fenster zu beobachten.
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