Kapitel 19
Noch immer ungläubig über die ganzen Ereignisse des Tages schüttelte Saskia den Kopf. Müde, aber zu aufgeregt um zu schlafen, starrte sie schon minutenlang auf die Decke ihres winzigen Zimmers. Nein, dieses Loch würde sie vorerst sicher nicht vermissen. Sie war schon so neugierig wie ihr Chef so leben würde. Vom Hören sagen mehr als prunkvoll und übertrieben, doch nur die wenigsten hatten die Ehre jemals in das Anwesen zu gelangen.
Nervös dachte sie nach, was sie sich alles mitnehmen musste, immerhin wäre das wie ein kleiner Umzug, da das Buch mit Sicherheit nicht gleich erledigt wäre. Aber das Beunruhigendste war, dass es bereits in zwei Tagen soweit war!
Lionel hatte ihr angeboten, dass sie Mihai mit ihren Dingen abholen und gleich in das Anwesen fahren würde. Dankend hatte sie angenommen, immerhin wusste sie ja gar nicht, wie sie sonst zu ihm nach Hause kommen würde.
Saskia hatte es doch noch geschafft einzuschlafen, trotzdem war es viel zu wenig Schlaf gewesen. Dementsprechend sah sie auch aus. Da half nur noch eine lauwarme Dusche, deren sie sich unterzog, denn eine kalte Dusche würde sie nicht aushalten. Die hatte sie schon in der einen oder anderen Variante genügend oft erhalten.
Sie kämmte sich ihre noch nassen Haare und gab sich etwas Schaumfestiger hinein und föhnte sie auf voller Stufe über den Kopf. Als sie damit fertig war und in den Spiegel schaute, sah sie so aus als hätte sie in die Steckdose gegriffen, was nichts Neues für sie war.
Leicht genervt kämmte sie sich die Naturwellen aus und verteilte zum Festigen noch zusätzliches Haarspray darauf. Das Bad war so klein, dass man fast erstickte, wenn man sprühte, aber in den Gang wollte sie jetzt auch nicht hinausgehen und außerdem war das auch nicht wirklich besser. Saskia vollendete ihre Körperhygiene und zog sich ihre typische Bürobekleidung an.
Lionel stand in seinem riesigen Ankleidezimmer und sah durch die Reihen voller Anzüge. Manchmal hasste er es diese beengende Kleidung anzuziehen, doch nackt konnte er wohl kaum in die Firma fahren. Laut seufzend nahm er einen dunkelblauen Anzug von der Stange, die Unterwäsche und das hellblaue Hemd hatte er bereits an. Am Regal, wo die gesamten Krawatten hingen, nahm er sich eine ebenso dunkelblaue, die einen silbernen Löwen abgebildet hatte.
Wohlwollend betrachtete er sein Spiegelbild und strich sich noch einmal seine silbernen Haare zurecht. Rasch zog er sich noch ein glänzendes Paar Designerschuhe an und ging aus seinem Zimmer.
Mihai stand, wie immer, mit der Limousine vor den Haupteingang bereit und wartete auf ihn. Lionel sah in den Himmel, das Wetter dürfte heute eigentlich gar nicht so übel werden, befand er. Ohne sich noch länger aufzuhalten, öffnete er die Autotüre, stieg ein und lehnte sich in den weichen Sitz.
Er nahm wie eigentlich jeden Tag die aktuelle Zeitung und blätterte durch den Abschnitt in dem die Aktienkurse standen. Angespannt beäugte er die Börsenkurse, immerhin hatte er auch einen Teil seines Vermögens in diversen Fonds und Aktien angelegt. Doch es schien alles zu seiner Zufriedenheit zu laufen, stellte er mit einer gewissen Genugtuung fest. Seine Intuitionen verließen ihn doch noch nicht.
Lionel legte die Zeitung wieder beiseite und lehne sich zurück in das weiche Leder und schloss kurz die Augen. Verschiedene Bilder und Szenen wanderten vor seinem inneren Auge, unbewusst zog er seine Augenbrauen zusammen, da ihm nicht alles gefiel was er sah. Er öffnete wieder seine Augen und strich sich mit den Fingern der rechten Hand über sein glattrasiertes, gepflegtes Gesicht und dachte weiter nach.
Warum nur nervte ihn in letzter Zeit seine Exfrau wieder, eigentlich hatte er schon jahrelang seine Ruhe von ihr. Waren ihr etwa die Millionen ausgegangen, die er ihr gegeben hatte, nur damit sie so schnell wie möglich aus seinem damaligen Leben verschwand? Sie war zwar königlicher Abstammung, aber arm wie eine Kirchenmaus.
Er wiederum hatte Geld bis zum Umfallen, aber keinen Titel. Wahrscheinlich war im Nachhinein gesehen rein aus diesem Grund die Ehe entstanden. Lionel war gierig auf den Lordtitel, den er dadurch erhalten hatte und sie wollte nur sein Geld.
Hatten er und sein Anwalt irgendetwas im Scheidungsvertrag übersehen, was sie jetzt noch einfordern wollte? Er wusste es nicht, hatte er doch jegliche Anrufe von ihr abgeblockt. Er wollte diesen alten Besen nicht mehr sehen oder hören.
Lionel hatte so lange über die Angelegenheit sinniert, dass er mittlerweile vor seinem Firmengebäude angekommen war. Er sah gerade noch wie Saskia hinter dem Eingangsportal nach innen verschwand. Sofort hellte sich seine Stimmung auf, die in der letzten halben Stunde nur von negativen Gedanken dominiert gewesen war. Vielleicht würde es doch noch ein guter Tag werden überlegte er, während er ebenso in das Gebäude trat.
Oben angekommen, schritt er wie fast jeden Tag in Richtung seines Büros, als er abrupt innehielt. Vor dem Pult an dem Saskia bereits saß, stand der alte Besen, besser bekannt als seine Exfrau und schien auf ihn zu warten. Noch hatte sie ihn nicht gesehen. Der Tag würde doch keine positive Wendung mehr nehmen, dem war er sich jetzt sicher.
Lionel straffte sich und rückte seine Krawatte zurecht. Es half alles nichts, er würde sich jetzt mit ihr beschäftigen müssen, damit sie so schnell wie möglich wieder verschwand. Stramm wie ein Zinnsoldat ging er auf sie zu und sah sie finster an. „Was willst du?", fragte er ohne Umschweife oder Freundlichkeit.
„Da bist du ja Schätzchen!", rief sie voller falscher Freude wie er genau wusste und erkannte. Sofort entwich ihm ein dunkles Knurren während er versuchte sie mit seinen Blicken zu töten. Lionel war die Situation vor Saskia unglaublich unangenehm.
„Komm mit in mein Büro", murrte er dunkel und drückte seine Exfrau eher unsanft Richtung Glastüre, diese folgte ihm umgehend.
Als Saskia zu ihrem Arbeitsplatz kam, wartete bereits eine vornehm wirkende, ältere Dame vor ihrem Pult. Als Sia sie ansprach sagte diese aber nur das sie auf Lionel wartete.
Verstohlen beobachtete sie die Frau. Wahrscheinlich war das der Frauentyp ihres Chefs, schlank und teuer gekleidet. Eine leichte Enttäuschung machte sich im ihr breit und sie ärgerte sich über sich selbst. Was ging sie das überhaupt an? Es konnte ihr doch egal sein, was er für einen Frauentyp bevorzugte oder nicht und trotzdem ging das ungute Gefühl nicht weg. Sie versuchte sich lieber auf ihre Arbeit zu konzentrieren, als auch schon Lionel um die Ecke kam.
Verwundert beobachtete Saskia wie ihr Boss diese Frau unfreundlich behandelte, aber ehe sie noch mehr mitbekam, ging er schon mit dieser in sein Büro.
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