Kapitel 12
Lionel wollte die Situation nun abbrechen, zumal er wirklich nicht mehr länger hinter der Ecke stehen wollte, wie ein lauschender Lausbube. Für so etwas war er einfach schon zu alt.
„Deane!", rief er laut und stürmte um die Ecke, „haben sie nichts Besseres zu tun, oder warum halten sie meine Assistentin mit ihren lächerlichen Anschuldigungen auf!" Er blieb vor ihm stehen und sah ihn vernichtend an.
Harry schluckte hart. Saskia war seine neue Assistentin? Schoss es durch sein Gehirn. Das war nicht gut, gar nicht gut! Er sagte kein Wort und ging einfach schnell in sein Büro nebenan.
Shahbandar sah ihm mit seinem stechenden Blick nach, der alles Mögliche bedeuten konnte. Doch er wandte sich von Harry ab und sah zu Saskia. Diese verharrte noch immer wie eine Säule vor ihrem leeren Schreibtisch, perplex von dem eben Gehörten. Sie starrte ihren Boss an und nahm seine Anwesenheit und seinen Blick in sich auf.
Dieser stand im teuren Designeranzug vor ihr und seine ergrauten Haare standen ihm leicht in allen Richtungen ab. Seine braunen Augen blickten ihr intensiv, aber nicht unfreundlich entgegen. „Komm, wir haben einiges zu besprechen", sprach er und holte Saskia somit zurück in die Realität.
Saskia nickte nur, hob schnell ihre Tasche vom Boden auf und folgte ihm sofort in sein Büro. Sie wurde immer nervöser, hatte er sie eben geduzt, oder war das ein Fehler seinerseits? Und vor allem was hatte das bitte alles zu bedeuten? Seine Assistentin? Saskia war noch immer neben der Spur, als sie bereits in sein Büro traten.
„Setz dich auf das Sofa, das ist gemütlicher als die Stühle", sagte er und bedeutete mit einer ausholenden Geste zur besagten Sitzgelegenheit.
Sie ließ sich unverzüglich darauf nieder und stellte ihre Tasche seitlich am Sofa ab und blickte ihren Chef gespannt, aber mit einem mulmigen Gefühl an. Dieser nahm den bereitstehenden Wasserkrug und schenkte zwei Gläser Wasser ein. Als er damit fertig war, sah er wieder auf.
„Kommen wir gleich zur Sache", sprach Lionel und sah seiner Assistentin in die Augen, „ich habe Evi, diese unfähige Kreatur, gekündigt und habe beschlossen es mit dir zu versuchen, da du ja bis jetzt immer die Berichte im Verborgenen gemacht hast."
Saskia staunte nicht schlecht, Mister Shahbandar war scheinbar über alles informiert und komplett im Bilde, nur sie sah dumm aus der Wäsche. Sie hatte mit allem gerechnet, aber sicherlich nicht mit einer Beförderung! Sie nahm sich das von ihrem Chef eingeschenkte Glas Wasser und trank ein paar Schlucke davon. Dieser beobachtete sie weiterhin die ganze Zeit und lächelte sogar leicht. Dann beschloss Saskia aber endlich etwas zu sagen, nicht dass er noch glaubte sie wäre genauso dämlich wie Evi.
„Ja, bis jetzt hatte ich immer die Berichte für Evi gemacht. Gerne nehme ich die Aufgabe an Mister Shahbandar und werde versuchen sie in allen Bereichen zufrieden zu stellen", gab sie zur Antwort und frage sich ernsthaft was sie gerade für einen Schwachsinn gesprochen hatte. In allen Bereichen zufriedenstellen?!?! Das hörte sich doch mehr als zweideutig an und Saskia spürte schon wie ihre Wangen ganz heiß wurden.
Lionel reagierte aber nicht auf ihre Aussage, zumindest machte er keine peinliche Bemerkung. „Lionel. Mein Name ist Lionel. Da in nächster Zeit jede Menge Arbeit auf uns wartet, würde ich es bevorzugen, dass wir etwas ungezwungener mit der Ansprache umgehen, sonst wird es noch komplizierter", entgegnete er.
„Geht in Ordnung Mister Shah.. Lionel. Ich muss mich erst daran gewöhnen, Verzeihung", sprach Saskia schnell und wurde noch röter im Gesicht.
Diese Reaktion kostete Lionel lediglich ein schiefes Grinsen. Er liebte es Leute aus dem Konzept zu bringen, er hatte jetzt schon gefallen daran gefunden seine Assistentin zu necken. Das könnte ja lustig werden, dachte er sich. Noch dazu als sie so schöne rote Wangen bekam. Erwarte das Unerwartete! Die nächsten Tage würden zeigen, ob sie letztendlich ihrer jetzigen Position gerecht wurde. Lionel entkam ein unabsichtlicher Seufzer als er sie weiterhin betrachtete, er sollte sich lieber wieder auf das Wesentliche konzentrieren und nicht ihre geröteten Wangen anstarren.
„Gut. Dann hätten wir das geklärt. Wir haben morgen ein gemeinsames Abendessen mit einem Kunstkurator, der vielleicht ein neuer Mitarbeiter wird. Ich wünsche, dass du ebenso dabei bist und dir Notizen machst, falls es notwendig ist. Das Essen zählt für dich übrigens zur Arbeitszeit", begann er weiter zu sprechen und Saskia somit aufzuklären. „Ach ja und die üblichen Berichte bekomme ich natürlich auch jeden Tag pünktlich auf meinen Tisch, du weißt sowieso schon welche", fügte Lionel noch an.
Das Gespräch wurde noch etwas fortgeführt bis Lionel Saskia entließ und diese nun vor dem riesigen Pult vor seinem Büro Platz nahm.
Endlich war sie etwas für sich, Saskia atmete einmal tief durch. Noch immer konnte sie nicht glauben was bereits an dem kurzen Vormittag alles passiert war. Aber am meisten irritierte sie das Mister Shahbandar wollte, dass sie per Du waren. Irgendwie gefiel ihr das nicht, sie konnte aber noch nicht ergründen warum.
Als sich Saskia etwas beruhigt hatte, schaltete sie nun endlich ihren Computer an und tippte ihre Passwörter ein. Routiniert erstellte sie die üblichen Berichte und fügte die fehlenden Zahlen ein. Als sie das Ganze ausdrucken wollte, stellte sie fest, dass sie keinen Drucker mehr hatte. Etwas ratlos sah sie sich um, konnte aber keinen entdecken. Sie würde es einfach riskieren und es trotzdem ausdrucken, irgendjemand würde sich schon melden, wenn der Bericht aus irgendeinem Drucker kam.
Hinter dem Milchglas sah sie ihren Chef schemenhaft durch. Teilweise war das Glas aber nicht mattiert und man konnte in das Büro sehen. Sie beobachtete wie sich Lionel bewegte und aufstand. Er ging zur Türe und öffnete diese.
„Praktisch nicht?", sprach er zu ihr und wedelte mit ihrem Bericht, „das habe ich dir vergessen zu sagen. Du musst leider in mein Büro kommen, wenn du die Ausdrucke brauchst, ansonsten kann ich sie mir selber nehmen."
Saskia nickte nur und sah in das schelmisch grinsende Gesicht ihres Chefs. Was sollte das?! Sie musste jetzt jedes Mal zu ihm in sein Büro kriechen, wenn sie ihre Ausdrucke holen wollte? Mit gemischten Gefühlen setzte sie ihre Arbeit fort, kaum war er aus ihrem Sichtfeld verschwunden.
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