Kampfunterricht
Der nächste Unterrichtstag begann mit einer Stunde bei unserer Kampflehrerin. Bis jetzt hatten wir in Menschengestalt gekämpft, wodurch ich um das Verwandeln drum herumgekommen war. Doch anscheinend wollte Ms. White das ausgerechnet jetzt ändern.
„Wir üben heute in Zweitgestalt“, kündigte sie gleich zu Unterrichtsbeginn an.
Ich unterdrückte ein Aufstöhnen. Dass würde bestimmt nicht dabei helfen, meinen Mitschülern die Angst zu nehmen.
Langsam folgte ich den Anderen in die Lagune.
„Jetzt bitte verwandeln“, ertönte Ms. Whites strenge Stimme.
Finny warf mir noch einen mitfühlenden Blick zu, dann war sie auch schon zum Rochen geworden. Ich blickte ihr hinterher, wie sie elegant durchs Wasser glitt.
Hatte es einen Sinn sich zu weigern? Ich seufzte. Wahrscheinlich eher weniger.
Also schloss ich die Augen und ließ das altbekannte Kribbeln in meinem Körper entstehen. Mein Körper verformte sich und schließlich schwamm ich als weißer Hai in der Lagune. Die Schüler um mich herum stoben davon und hinterließen bei mir ein Gefühl von Einsamkeit. Ich begann vorsichtig im Kreis zu schwimmen, damit Wasser durch meine Kiemen floss. Platz hatte ich dafür genug.
Ms. White blickte mich skeptisch an: „Du trainierst heute mit Ella“
Ich starrte sie ungläubig an. Meinte sie das ernst? Ella war um einiges kleiner als ich.
Ms. White, Ava ist viel zu gefährlich, das geht nicht!, empörte sich Ella, Das ist ja noch schlimmer als Tiago! Das geht einfach nicht.
Ms. White blickte die Tigerpython unbeeindruckt an. „Ava wird vorsichtig sein und du musst auch mal mit anderen als Toco und Barry kämpfen.“
Die Diskussion der beiden ging noch etwas weiter, aber ich hielt mich lieber raus. Leider zog Ella den kürzeren und kam missmutig auf mich zugeschwommen. Ich beobachtete sie, während Ms. White die restlichen Schüler zuteilte genau.
Dann meinte Ms. White, dass sie noch kurz etwas aus dem Schulgebäude holen müsste, wir sollten inzwischen schon mal anfangen. Unsicher blickte ich auf Ella. Wir hatten wohl beide nicht sonderlich viel Lust auf den Kampf. Vorsichtig begann ich die Phyton zu umkreisen und schoss ein paar mal zum Schein nach vorne. Interessierte Ella nur leider nicht. Sie zuckte nicht mal mit der Wimper. Ich hielt inne. Konnten Phytons mit der Wimper zucken?
Plötzlich fühlte ich einen unangenehmen Druck auf meinen Kiemen. Erschrocken schoss ich nach vorne und verbog meinen Körper, bis ich schemenhaft das Problem sehen konnte, dass da auf meinen Kiemen lag. Ella hatte wohl meine Gedankenpause genutzt, um sich an meine Kiemen zu schmiegen. Ich warf den Kopf hin und her in der Hoffnung sie abschütteln zu können. Das funktionierte nicht.
Hihi, bei Tiago hat das auch wunderbar geklappt!, freute sich Ella derweile.
Ich bekomme keine Luft, lass los, forderte ich sie auf.
Keine Reaktion. Langsam wurde ich panisch. Kurz überlegte ich Tiago um Hilfe zu bitten, aber der war nach gestern nicht gut auf mich zu sprechen. Außerdem war er, wie die Anderen, mit seinem Partner Ralf beschäftigt.
La-ss-l-o-s, stieß ich hervor, und warf mich dabei immer panischer im Wasser herum.
Schemenhaft bekam ich mit, dass Chris eine elegante Pirouette drehte, um mir zu entkommen. Jemand schimpfte über mich. Kein Wunder, ich wirbelte wahrscheinlich gerade die ganze Lagune durch, aber ich erstickte hier. Der Druck auf meine Kiemen ließ einfach nicht nach. Jetzt viel mir nur noch eine Möglichkeit ein. Ich konzentrierte mich auf meine Menschengestalt und beschwor das Kribbeln herauf. Die Verwandlung kam mir schrecklich langsam vor, doch schließlich schlüpfte ich als Mensch aus Ellas Umklammerung und schwamm an die Oberfläche. Dort holte ich erstmal tief Luft. Irgendwo unter mir beschwerte sich Ella, das verwandeln nicht erlaubt war. Ms.White kam in ihrem schwarzen Anzug auf uns zu. Momentmal Anzug?! Siedend heiß viel mir ein, dass ich wahrscheinlich gerade nackt vor der Klasse stand. Mein Gesicht färbte sie rot und ich sah mich panisch um. Zum Glück hatten meine Klassenkameraden die Verwandlung wohl mitbekommen und sich weggedreht.
Hier, Finny hielt mir meinen Badeanzug auf ihrem Rücken entgegen.
„Danke“, flüsterte ich und schlüpfte eilig in den Stoff.
Ms. White war inzwischen bei mir angekommen und blickte abwechselnd mich und Ella streng an. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Musste es eigentlich immer ein Drama geben, wenn es um meine Zweite Gestalt im Unterricht ging?
„Nun?“, Ms. Whites Stimme klang kalt und fordern.
Unsicher sah ich sie an. Was wollte sie jetzt von mir?
Ava hat sich einfach verwandelt!, berichtete Ella.
Ms. Whites strenger Blick richtete sie auf mich.
„Ich… ich…“, unsicher versuchte ich Ms. Whites Blick auszuweichen, sah aber nur in die ängstlichen Augen meiner Klassenkameraden. Das war auch nicht besser.
„Ich hab keine Luft mehr gekriegt. Ella hat ihren Körper über meine Kiemen gelegt und ich hab sie nicht abschütteln können. Mir viel dann keine andere Lösung mehr ein.“, erklärte ich mit zitternder Stimme.
Man hat Ava bis zu mir schreien hören, dass Ella sie loslassen soll.
Ich hörte die Stimme in meinem Kopf und sah mich um, wer da für mich Partei ergriff. Der kleine gelbe Falterfisch da drüben?
Ich hab sie auch gehört, ich auch…, murmelten nun mehrere Stimmen durcheinander.
Ich starrte wieder die Wasseroberfläche an. Es war mir einfach so peinlich. Wie laut hatte ich den bitte geschrien?
Ms. White hielt uns noch einen Vortrag darüber, nach welchen Regeln wir in Zukunft besser Kämpfen sollten: Fair, ohne richtig zuzubeißen, und wenn der andere sich ergab aufhören. Ella bekam einen Aufsatz zu dem Thema aufgebrummt. Dann war diese Stunde endlich vorbei. Erleichtert watete ich aus dem Wasser und wartete, bis Finny und Izzy sich verwandelt und umgezogen hatten. Dann liefen wir zusammen los zu Mathe, unserem nächsten Fach.
„Das war krass, man hat dich so laut schreien hören“, sagte Finny.
Izzy nickte zustimmend: „Und wie du dich gedreht hast! Deine Haigestalt sieht
schon beim ruhigen Schwimmen beeindruckend aus, aber das war mega. Das aufgewirbelte Wasser hat mich einmal quer durch die Lagune geschleudert.“
Erschrocken blickte ich Izzy an. „Das wollte ich nicht, tut mir leid!“
Meine Freundin winkte nur ab, „Ach das war nicht so schlimm, und wie du dich bewegen kannst. Und du hast gar nicht zugebissen“, schwärmte Izzy weiter.
Ich nickte. Tatsächlich war ich selbst sehr erleichtert, dass mein Maul zugeblieben war. Ansonsten konnte ich der Situation aber weniger tolles abgewinnen. Izzy und Finny dagegen unterhielten sich angeregt über den Kampfunterricht. Ich beschränkte mich lieber auf weiteres Nicken und ein etwas verkrampftes Lächeln. Wenn meine Freundinnen schon so aufgeregt waren, wollte ich gar nicht erst wissen, was Daphne so alles rumerzählen würde. Im Klassenraum ließ ich meinen Kopf auf den Tisch sinken. Das würde ein langer Tag werden.
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