82. Kapitel
Ich verbrachte den gesamten Tag bei Big Hit. Yoongi riet mir, mich in den nächsten Stunden, wenn nicht sogar Tagen von Social Media fernzuhalten und mir auch die neuen Berichte, die gefühlt im Minutentakt veröffentlicht wurden, erst einmal nicht durchzulesen. So gesehen war das für mich kein Problem. Ich hatte nicht viel mit Social Media am Hals und selbst die paar Seiten, bei denen ich angemeldet waren, rotteten nur so vor sich hin. Ich hatte allein mit der Uni schon genug zu tun, da hatte ich nun wirklich keine Zeit stundenlang im Internet zu surfen. Doch gerade jetzt juckte es mich natürlich nur so in den Fingern zu erfahren, was vor sich ging und vor allem was die Medien so alles berichteten. Da war sicher auch ganz schön viel falsches Zeug dabei. Vielleicht sogar ausschließlich.
"Vielleicht bleibst du erst einmal hier und wartest bis dich jemand abholt. Du solltest nicht alleine herumlaufen.", meinte Yoongi noch und wurde rot vor Verlegenheit. Ich verzog das Gesicht. Ich hatte die feindlichen Blicke, mit denen man mich auf meinem Weg betrachtet hatte, nicht vergessen. Sicher, dass sie mir gerade alle die Schuld für die Ereignisse gaben. Das war nur natürlich, schließlich gab ich mir auch die Schuld dafür.
Ich quittierte seinen Rat mit einem einfachen Nicken und beachtete ihn sonst nicht weiter. Er seufzte und ging wieder zu den Managern. Sein Verrat schmerzte mich. Mit drei Monaten hätte ich leben können, aber ein Jahr... Irgendwann musste auch einmal Schluss sein mit den ganzen Lügen. Ich konnte auch nicht immer geduckt und mit gesenktem Kopf durch die Stadt und zu ihm laufen, in der Hoffnung es würde niemandem auffallen und es würde niemanden misstrauisch machen.
Mit diesen Gedanken wurde ich allein im Besprechungsraum gelassen. Für mich gab es nichts Schlimmeres als allein gelassen zu werden. Und dann auch noch mit diesen furchtbaren Selbst fressenden Gedanken.
Es gab nur ein Fenster, das zum Innenhof zeigte, also gab es nicht wirklich viel für mich zu sehen. Bis auf ein paar Vögeln, die sich ab und zu auf dem Fensterbrett niederließen, tat sich nichts. Selbst die Wolken schienen an ihrem Platz festgefroren zu sein. Beinahe kam es mir so vor, als würden sie im nächsten Moment vom Himmel fallen, auf die Dächer klatschen und die Stadt in einen glitzernden Funkelregen tauchen. Das war eine schöne Vorstellung, aber leider nicht interessant genug, um mich für die nächsten Stunden zu beschäftigen. Ich hätte es nicht einmal fertig gebracht, mich auf die Couch zu legen und ein Nickerchen zu machen, auch wenn ich todmüde war. Bei jedem Geräusch vor der Tür schreckte ich auf und erwartete, dass die Klinke nach unten gedrückt wurde, Yoongi den Raum betrat und mir endlich sagte, dass alles wieder gut war und ich nun nichts mehr zu befürchten hatte. Drei Stunden tat sich überhaupt nichts und ich saß wie auf heißen Kohlen auf dem Sofa. Die Szenarien, die ich mir in der Zeit in meinem Kopf ausmalte waren alle nicht sehr prickelnd.
Die Jungs wurden von einer Besprechung zur nächsten beordert und auch Suji musste sich in dem allgemeinen Durcheinander um ihre Arbeit kümmern, die ja trotz allem noch weiterging. Ich schaffte es meine Schicht im Café abzusagen. Eine Kollegin sprang für mich ein und glücklicherweise hielt niemand mein Verhalten für eigenartig. Sie schoben es auf die Uni und den damit verbundenen Stress und ich war froh, dass sie es nicht mit dem Chaos bei den Wohnheimen in Zusammenhang brachten, wovon sie sicher schon gehört hatten. Man konnte es ja überall lesen. Es hing zwar nicht mit der Uni zusammen, aber Stress hatte ich allemal.
Suji hatte schließlich die undankbare Aufgabe mir zu beichten, dass die Presse meinen Namen herausgefunden hatte. Wie auch immer sie das geschafft hatten. Ab da war mein Tag oder besser gesagt meine ganze Woche vollends am Tiefpunkt angelangt.
"Wir haben versucht, so viel Zeit wie möglich für dich herauszuspielen, aber sie wussten bereits in welchem Wohnheim du untergebracht bist." Ich holte tief Luft. Die Reporter hatten ja gesehen aus welchem Gebäudekomplex ich herausgekommen war. Danach muss es für sie ein leichtes gewesen sein meinen Namen zu finden. Suji bestätigte meinen Gedanken.
"Sie mussten nur auf die Liste der Bewohner gucken und haben natürlich auch deinen Namen gefunden. Wahrscheinlich haben sie gesehen, dass du auf derselben Schule warst wie Yoongi und haben eins und eins miteinander kombiniert."
Ich vergrub mein Gesicht wieder in meinen Händen. Warum hätte unsere Beziehung nicht einfach geheim bleiben können? Was war so schwer daran unter dem Radar der Medien zu verschwinden? Es war das erste Mal, dass ich mir wünschte, Yoongi hätte doch keinen Erfolg mit seiner Musik gehabt, und wäre einfach nur ein normaler Junge geblieben. Im nächsten Moment schämte ich mich bereits abgrundtief. Wie konnte ich nur so selbstsüchtig sein?
"Was mach ich denn jetzt? Muss ich irgendetwas tun? Kann ich überhaupt irgendetwas tun?", fragte ich Suji, obwohl diese Situation genauso neu für sie war wie für mich. Ihre Situation war damals eine vollkommen andere gewesen. Sie zuckte mit den Schultern.
"Ich würde erst einmal abwarten. Vielleicht meldet sich die Uni noch bei dir. Sie hatten deinen Namen sicher weitaus schneller als die Medien. Immerhin hat der Wächter mich zu dir gelassen. Dass sie sich noch nicht gemeldet haben ist vielleicht ein gutes Zeichen. Allerdings können sie ja auch nicht einfach wieder zurück zum Alltag übergehen, solange der Campus noch gesperrt ist."
Suji hatte mal wieder recht. Ich konnte im Moment nichts ausrichten. Nicht für Yoongi, nicht für BTS und auch nicht für mich selbst. Abwarten und Tee trinken, hieß es doch so schön, aber beim Tee scheiterte es schon. Es gab nur einen kleinen Kaffeeautomaten, der behelfsmäßig in die einzig freie Ecke gequetscht worden war.
Suji warf einen schnellen Blick auf ihre Uhr und seufzte.
"Ich muss wieder los. Ich hab noch einen Termin.", sagte sie und hielt dann mitten in der Bewegung inne. Sie schaute mich mitleidig an.
"Es tut mir leid, dass ich nicht länger hierbleiben kann.", sagte sie und hatte die Hand schon an der Tür. Ich weiß nicht, ob ich in diesem Moment einfach furchtbar verloren und niedergeschlagen aussah, oder ob sie es spürte, dass ich dringend eine Umarmung nötig hatte, denn sie kam noch einmal auf mich zu und drückte mich fest an sich.
"Ich bin für dich da.", sagte sie tröstlich und obwohl mir die Umarmung unglaublich gut tat, wünschte ich mir Sana wäre hier. Sie hätte es verstanden wie kein anderer, wie ich mich fühlte und was in meinem Inneren vor sich ging. Ich brauchte einfach meine beste Freundin.
Yoongi war immer noch oder schon wieder in einer Besprechung mit den Managern und Geschäftsführern. Ich sah ihn erst gegen Nachmittag wieder, als meine Nerven vollkommen blank lagen, weil ich so lange nichts mehr von ihnen gehört hatte. Von keinem von ihnen. Ich hatte nicht eine Kleinigkeit gegessen, aber hungrig war ich auch nicht. Vielleicht konnte ich das Gefühl der Leere ganz gut in den Hintergrund verbannen. Vielleicht war es auch einfach die Vorahnung, die mich über alles Unwichtige hinwegsehen ließ. In dem Moment konnte ich es sogar ignorieren, dass er mich angelogen hatte, was den Zeitpunkt der Veröffentlichung unserer Beziehung anging.
"Yoongi!", rief ich und der Junge riss einen Augenblick erschrocken die Augen auf. Als ich dann jedoch auf ihn zu sprintete und ihn fest umarmte, entspannte er sich wieder. Er legte seine Arme um mich und strich mir beruhigend über den Rücken.
"Was ist passiert? Wie geht es dir? Was habt ihr besprochen? Gibt es Neuigkeiten? Kam vielleicht noch ein Artikel raus?", bombardierte ich ihn mit den Fragen, die mir als erstes durch den Kopf geschossen waren, kaum, dass ich ihn im Türrahmen ausgemacht hatte.
Er ließ seinen Kopf zunächst wortlos auf meinem Kopf ruhen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit löste er sich von mir und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte.
"Es läuft alles drunter und drüber." Seine Stimme war so gedämpft, dass ich ihn beinahe selbst kaum verstehen konnte. Ich seufzte. Hinter ihm konnte ich nun weitere Menschen erkennen. Jungkook, Namjoon, Hoseok, Jimin, Jin und Tae schlurften in den Raum und ließen sich stöhnend auf einen Platz fallen. Manager Sejin schloss die Tür und setzte sich in eine Ecke. Er beobachtete die Runde aufmerksam. Auf seinem Schoß lag ein Notizblock, in den er eifrig hineinkritzelte. Ich fragte mich, was darin wohl über mich verzeichnet war. Seine Begeisterung für mich hielt sich momentan sehr wahrscheinlich in Grenzen. Und dabei hatten wir uns eigentlich ganz gut verstanden. Was mein Image bei Big Hit anging, musste ich wahrscheinlich noch einmal von Null starten.
Gerade als wir uns auf die Couch setzen und sie mir erzählen wollten, was die Besprechungen so alles ergeben hatten und wie es nun weitergehen sollte, klingelte mein Handy lauthals los.
Trotz ihrer Warnung warf ich einen schnellen Blick darauf. Neben unwichtigen Nachrichten, sowohl auf Social Media als auch per SMS hatte ich eine einzige neue E-Mail, die mein Herz zum Stillstand brachte und das Blut in meinen Adern gefrieren ließ.
Mir stockte der Atem. Yoongi, der mich genaustens beobachtete, runzelte die Stirn.
"Was ist los?"
Meine Hände zitterten unkontrolliert, als ich die E-Mail durchlas. Einmal, zweimal, dreimal. Ich hatte die Worte auch nach dem dritten Mal durchlesen nicht richtig verstanden. Yoongi trat neben mich und griff nach meiner Hand, die leblos in der Luft hing. Die Wärme seiner Hand irritierte mich einen kurzen Augenblick. Meine Hände fühlten sich an wie Eisklumpen.
"Was ist los?", fragte Yoongi erneut. Dieses Mal nachdrücklicher.
"Das ist die Universitätsleitung.", erklärte ich stockend. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Dann traten mir Tränen in die Augen.
"Die wollen meinen Studienplatz streichen."
Yoongi griff nach meinem Smartphone und las sich die E-Mail ebenfalls durch, während ich kraftlos auf dem Sofa zurücksank.
"Das können die doch nicht so einfach machen.", sagte Namjoon und ich war unfähig zu sprechen. Der Schock stand mir in den Knochen. Suji nahm das Handy vorsichtig aus Yoongis Händen. Er presste den Kiefer zusammen.
"Sie schreiben, dass - sollten sich die Gerüchte als erwiesen herausstellen - Mihee den Studienplatz nur unter bestimmten Bedingungen behalten kann. Sie meinen die Universität könnte nicht mit BTS in Verbindung gebracht werden, weil BTS auch politisch handelt.", las Suji vor. Betretene Stille erfüllte den Raum. Selbst Sejin schien in seiner Bewegung innezuhalten und wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
"Was sollen das für Bedingungen sein?", fragte Hoseok endlich. Suji seufzte.
"Sie muss ihren Mietvertrag im Studentenwohnheim kündigen und darf an keinen Veranstaltungen der Uni teilnehmen. Sie darf auch nicht auf Social Media aktiv sein, weil sie wegen dieser ganzen Geschichte als Person des öffentlichen Lebens anerkannt werden würde und ihr Verhalten und ihre Posts so wieder auf die Uni übertragen werden könnten."
"Praktisch gesehen, soll sie also von einer Studentin zum Geist mutieren, der sich immer aus allem raus hält und nicht weiter auffällt?", brachte es Namjoon schließlich auf den Punkt.
"Aber, wenn wir 50% zur Wirtschaft beisteuern, ist wieder alles in Ordnung, oder was? So ein Bullshit!" Yoongi raste. Nicht einmal Jin sagte etwas gegen seine Flüche. Die traurige Erkenntnis brach plötzlich über mir zusammen.
"Ich kann mir keine Wohnung in Seoul leisten. Ich bin Studentin verdammt nochmal!" Nicht einmal das Wohnheim war billig und das war eine geteilte Ein-Zimmer Wohnung. Ich schnappte nach Luft und die Tränen liefen ungestört über meine Wangen und tropften auf den Boden, wie dicke Regentropfen auf den Asphalt. Mein Herz raste. Wäre es noch einen Tick schneller, stünde ich kurz vorm Herzkollaps. Ich würde meinen Studienplatz verlieren. Ich würde ohne Abschluss gnadenlos rausgeschmissen werden und auf der Straße landen.
Yoongi packte mich am Arm.
"Mach dir keine Sorgen.", sagte er mit fester Stimme, was mich unpassenderweise so stark zum Lachen brachte, dass ich mich an der Couch festhalten musste.
"Mach dir keine Sorgen! Dankeschön für deinen Rat, aber ich verliere hier alles! Nicht du!", fuhr ich ihn an. Ich verlor meinen Studienplatz und verlor damit alles. Meine ganze Zukunft hing von meinem Abschluss ab. Ein knappes Jahr dauerte mein Studium noch, dann würde ich anfangen in einem Büro zu arbeiten und würde Architektin werden. Ohne Abschluss konnte ich das vergessen. Yoongi würde ohne Frage einen Haufen an Geld verlieren, aber was machte das schon? Er war bereits Millionär und hatte nichts weiter zu befürchten. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Irgendjemand strich mir über den Rücken.
Das Gespräch zwischen den Bandmitgliedern wurde leise weitergeführt, während ich eine Existenzkrise durchlief. Ich würde zurück nach Daegu gehen. Wenn ich nicht mehr hier studierte, könnte ich keine zwei Wochen in Seoul überleben. Ohne Wohnung überlebte ich keinen Tag! Aber was wurde dann aus Yoongi und mir? Es würde auf eine Fernbeziehung hinaus laufen und das war wirklich das letzte, was ich wollte.
"Und wenn wir etwas spenden?" Taehyung machte vorsichtig einen Vorschlag, der direkt in seine Einzelteile zerschlagen wurde.
"Spinnst du? Damit man uns auch noch vorwirft, dass wir die Universität bestechen? Dann kannst du deine Karriere direkt an den Nagel hängen.", fuhr Yoongi ihn scharf an.
"Was sollen wir sonst machen? Dann mach du einen Vorschlag, wenn du was Besseres weißt." Taehyung schnaubte und ich holte tief Luft. Ich wollte nicht, dass sich die Jungs nun auch noch gegenseitig anfauchten. Meinetwegen.
"Ich versuche mein bestes, aber es ist nicht gerade einfach eine Lösung zu finden, die für alle passt, verdammt."
"Wir haben ja gesehen wie es funktioniert hat, als du eine Lösung für alle finden wolltest.", bemerkte Tae verbissen. Yoongi knirschte mit den Zähnen. Sein Kopf war bereits rot angelaufen. Jungkook schaute erschrocken auf die Szene.
"Streiten hilft doch jetzt nichts.", sagte er versöhnlich und mit wackeliger Stimme, aber sie ignorierten ihn.
"Jungkook." Namjoon schüttelte leicht den Kopf und Jin schluckte schwer.
"Lass sie ausreden.", sagte er, aber es fiel ihm sichtlich schwer die zwei Streitenden nicht voneinander zu trennen. Yoongi hatte mir von dieser unüblichen Taktik erzählt. Wenn es ein Problem gab, half es nichts all seine Gedanken in sich hinein zu fressen. Sie mussten darüber reden, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Nur so konnten sie als Einheit funktionieren. Yoongis Stimme wurde immer lauter, was selten genug passierte, selbst wenn er sich noch so sehr über etwas aufregte.
"Dich hätte ich gerne mal in der gleichen Situation gesehen. Du hättest es nicht einmal eine Woche geheim halten können.", fauchte er Taehyung an, welcher ihn aus schwarzen und bedrohlichen Augen anstarrte. Wir anderen beobachteten die beiden ehrfürchtig.
"Klar. Bei dir war es auch nur ein Monat.", entgegnete Taehyung und gerade als Yoongi zu einer Antwort ansetzen wollte, die es in sich hatte, packte ich ihn am Arm. Selbst, wenn es ihre Taktik war Schwierigkeiten so anzugehen, konnte ich nicht ruhig dabei zusehen, wie sie sich meinetwegen stritten und gegenseitig in der Luft zerfleischten.
Ich sorgte dafür, dass er mich ansah. Das braun seiner Augen, dass sonst so warm leuchtete war verschwunden. An ihren Platz waren schwarze Löcher getreten, die nur verdeutlichten, wie sehr wir alle in der Bredouille waren. Oder, um es weniger fein auszudrücken, wie sehr wir in der Scheiße saßen.
"Yoongi, lass gut sein. Er hat es gut gemeint. Er will nur zu helfen.", versuchte ich ihn ruhig zurückzuziehen.
Yoongi verdrehte die Augen.
"Mit solchen Ideen hilft er aber nicht.", murmelte er immer noch leicht verärgert.
"Wir reden später darüber, okay?", sagte Namjoon. Seine Stimme klang ein wenig zu kraftvoll. Ein wenig versuchte er sicherlich auch seinen Kummer und seinen Ärger hinter dieser Fassade zu unterdrücken.
"Ich sag einfach gar nichts mehr.", regte sich nun Taehyung wieder auf und ließ sich verdrießlich auf die Couch fallen. Suji trat in die Mitte. Sie war die einzige, die dieses Chaos augenscheinlich nicht an sich heranließ, sondern vernünftig an die Situation heranging. Sie hob beschwichtigend die Hände.
"Lasst uns alle erstmal wieder ruhiger werden. Dann setzen wir uns an den Tisch und denken gemeinsam darüber nach, was wir als nächstes tun werden. In Ordnung?" Ihre Augen schweiften über Taehyung zu Yoongi, der unter ihrem Blick tatsächlich einknickte.
"In Ordnung.", gab er nach. Ich griff nach seiner Hand und drückte sie leicht und er legte seine andere Hand auf meine. Seine Hände zitterten. Ob aus Wut oder Nervosität konnte ich nicht sagen.
Jimin und Hoseok, die bei dem lauten Gespräch zwischen Yoongi und Taehyung nur Zuschauer gewesen waren, nickten. Jimin setzte sich als erster abwartend an den Tisch. Suji setzte sich neben ihn und nach und nach kamen wir alle am Tisch zusammen. Taehyung hatte sich an dem entgegengesetzten Ende wie Yoongi niedergelassen. Er hatte die Arme verschränkt und würdigte Yoongi keines Blickes. Auch er schaute nicht eine Sekunde lang zu ihm.
"Lasst uns nochmal über alles nachdenken. Was sind unsere Optionen?", fragte Jimin.
"Also eines steht fest, Mihee darf auf keinen Fall ihren Studienplatz verlieren. Die Mieten in Seoul sind horrend." Suji lächelte mich aufmunternd an. Ein Blick der sagte, dass alles wieder gut werden würde. Oder es zumindest versuchte.
"Dann wird sie eben bei uns unterkommen. Der Dorm ist groß genug. Da bleibt für uns alle Platz genug.", meinte Yoongi, aber sein Vorschlag wurde sofort in Grund und Boden gestapft. Fast noch schärfer als Taehyungs Spendenaktion.
"Das kommt überhaupt nicht in Frage." Manager Sejin war von seinem Beobachtungsposten in der Ecke aufgesprungen und sah mich nun entschuldigend an. Er schlug einen sanfteren Ton an.
"Ich hab nichts gegen dich, Mihee, aber du verstehst hoffentlich, dass die Medien dadurch nur noch mehr Futter für ihre Theorien bekommen würden. Das ganze Gebiet steht genaustens unter Beobachtung. Deine Universität jetzt auch. Das gleiche gilt für Sujis Wohnung. Niemand geht dort ein oder aus ohne gesehen zu werden."
Ich warf Suji einen erschrockenen Blick zu und sie nickte traurig.
"Man gewöhnt sich irgendwie daran.", murmelte sie leise vor sich hin und Jimin griff vorsichtig nach ihrer Hand. Er lächelte sie verlegen an und Suji wurde rot. Ich wandte den Blick wieder ab und starrte auf die verschränkten Hände von Yoongi und mir. Ich zeichnete kleine Kreise auf seine Haut.
"Kannst du bei Freunden unterkommen? Wohnt irgendjemand in Seoul?", erkundigte sich Jungkook, aber ich musste den Kopf schütteln.
"Sie wohnen alle in Wohnheimen. Die erlauben keine Besucher, auch wenn es nur ein Tag oder einen Woche wäre. Da sind die Vermieter ziemlich streng."
Es war zum Mäusemelken.
"Wärst du bloß nicht so eifersüchtig gewesen.", bemerkte ich leise und hätte mir in der nächsten Sekunde am liebsten ins Gesicht geschlagen. Ohne darüber nachzudenken, hatte ich einen empfindlichen Nerv getroffen.
"Ist etwas daran auszusetzen, dass ich etwas Zeit mit meiner Freundin verbringen will?"
Yoongi entriss sich meiner Hand und ich schaute ihn empört an. Dass er mich so anherrschte, führte leider nicht dazu, dass ich mich beruhigte. Ganz im Gegenteil.
"Und dass die ganze Welt über uns Bescheid weiß? Das ist für dich nur eine Kleinigkeit? Für mich ist es das nicht. Daran ist definitiv etwas auszusetzen!"
Plötzlich brachen die letzten Stunden über mich ein wie ein unaufhaltsamer Tsunami, der ganze Städte mit sich riss und nichts als Zerstörung hinterließ. Mein Inneres sah mindestens so verwüstet aus, wie meine Haare, als ich mir zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag durch die Strähnen fuhr. Mein Leben war ein einziges Chaos.
"Wir sagen ihnen einfach, dass da nichts läuft. Wir sind nur Freunde aus der Schulzeit, die sich nach Jahren wieder getroffen haben. Was sollen sie schon machen?"
Sejin notierte die Idee eifrig, als wäre es wirklich denkbar die Sache so anzugehen, doch ich schnaubte.
"Ich hab es satt zu lügen. Meine Familie weiß noch nichts von diesem ganzen Schlamassel und wird sich sicher total freuen, wenn auf einmal Paparazzi vor der Tür stehen. Ich hab meine beste Freundin belogen und euch haben wir auch eine ganze Zeit lang etwas vorgespielt. Anscheinend ist jeder den ich irgendwie gern habe aus irgendeinem Grund sauer auf mich oder wird es nach dieser Sache sein und ich hab keine Ahnung wie ich das alles lösen soll. Und du willst einfach weiterlügen? Es ist doch klar, dass uns diese Lügen kein bisschen weitergebracht haben. Ganz im Gegenteil, sie haben alles nur noch schlimmer gemacht!"
Ich hatte noch nichts von meiner Mutter oder meinem Bruder oder gar von Minseok gehört, aber wenn sie die Neuigkeiten erreichen würden - und das hatten sie bestimmt schon längst - würden sie meinen Namen groß und fett geschrieben auf der Titelseite eines Klatschmagazins finden. Dann würden die Reporter es auch zustande bringen mein Zuhause in Daegu zu finden und es zu belagern. Es war ein nie enden wollender Albtraum. Wir bewegten uns auf einem Pfad, der uns nicht mehr freigeben wollte, wie ein Komet, der an seine Umlaufbahn gebunden war und seinen Weg immer und immer wieder von neuem beginnen musste, weil es ihm unmöglich war neue Wege zu entdecken und auszukundschaften. Wir drehten uns im Kreis.
Einen Augenblick schloss ich die Augen und schluckte schwer.
"So kann es einfach nicht weitergehen."
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