62. Kapitel
Er ist in dich verliebt. Damals und heute.
Ich drehte mich von einer Seite auf die andere. Sujis Worte wollten mir wirklich nicht mehr aus dem Kopf. Es war beinahe so als liefen ihre Worte auf Dauerschleife in meinem Kopf ab, gerade so, als hätte die Schallplatte, die ihre Worte aufgenommen hatte, einen Sprung.
Er ist in dich verliebt. Damals und heute.
Er ist in dich verliebt. Damals und heute.
Er ist in dich ver...
Ich schlug mir gegen den Kopf. Stopp. Stopp. Stopp. Warum konnte ich mein Gehirn nicht einfach abstellen? Und wenn wir schon dabei waren, mein Herz gleich mit. Es war ja nicht auszuhalten mit all diesen Gedanken, die in meinem Kopf herumschwirrten und die das Einschlafen zu einer einzigen Tortur machten.
Mein sonst so weiches Bett war überhaupt nicht mehr weich. Die Federn drückten sich in meinen Rücken und je mehr ich versuchte eine bequeme Position zu finden, desto mehr schmerzte es. Meine Augen suchten nach der Uhr. 2:34 Uhr leuchtete es auf dem Display auf und ich war weit davon entfernt müde zu sein. Selbst Sana schlief schon tief und fest, dabei war sonst sie diejenige, die bis in die Puppen wachblieb. Ich hörte sie leise schnarchen. Ich seufzte. Ich schob die Decke von mir und stand mit langsamen Bewegungen auf. Es half sowieso nichts. Dann konnte ich auch direkt aufstehen.
Ich ging in die Küche und machte mir einen Tee. Der Lärm der Kaffemaschine hätte mein Glück nur noch mehr herausgefordert und Sana wäre letztendlich doch aufgewacht. Dann musste ich ihr erklären warum ich in dieser Nacht nicht schlafen konnte und welche Gedanken mich wach hielten. Sicherlich wäre sie ausgeflippt, hätte ich ihr erzählt, was Suji mir gesagt hatte. So wusste sie nur, dass ich mich mit ihr in einem Café getroffen hatte und wir ein wenig geplaudert hatten. Das war mittlerweile keine Seltenheit und Sana konnte darüber nicht einmal mehr verwundert die Augenbrauen hochziehen. Leider war sie selbst noch zu keinem dieser Treffen mitgekommen. Sie würde sich super mit Suji verstehen, so viel war sicher. Und sie würden sich beide gegen mich verbünden, das war mir auch klar. Vielleicht war es also gar nicht so schlecht, dass dieses Zusammentreffen noch nicht stattgefunden hatte.
Als der Tee fertig war, setzte ich mich an den kleinen Küchentisch und scrollte durch Social Media. Dort gab es ja bekanntlich keine Ruhezeit. Man konnte sich sicher sein, dass immer etwas neues in den Schlagzeilen stand. Als jedoch auch dort nichts neues oder wichtiges stand öffnete ich LINE. Ich hatte tatsächlich ein paar neue Nachrichten, die mir entgangen waren. Eine war von meiner Mutter, die sich erkundigte, wann ich das nächste Mal nach Daegu kommen wollte. Wir hatten nur noch wenige Projekte, die wir im Laufe des nächsten Monats abzugeben hatten. In der nächsten Woche hatte ich dadurch ein paar Tage frei. Mit dem Wochenende hatte ich so fünf Tage zur freien Verfügung. Ein perfekter Zeitpunkt also um noch einmal nach Daegu zu fahren und meine Familie zu besuchen. Jitae war bestimmt schon wieder zwei Zentimeter gewachsen. Ich antwortete meiner Mutter, wohl wissend, dass sie sich Sorgen machen würde, sobald sie die Uhrzeit sah.
"Ist das Studium wirklich das richtige für dich?" hatte sie mich schon öfter gefragt, aber am Studium lag es nicht. Auch wenn die Arbeit mich tatsächlich ein paar Nächte in Folge wach hielt. Es machte Spaß und das war die Hauptsache. Da konnte ich auch über diese Nachtschichten hinwegsehen. Außerdem war mein Studium in diesem Fall auch nicht der Grund für mein spätes Wachsein.
Er ist in dich verliebt.
Sujis Worte wiederholten sich mittlerweile wie ein Mantra, nur dass es mich nicht so beflügelte, wie es das eigentlich tun sollte. Es erdrückte mich eher und ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Suji kannte Yoongi besser als ich, auch wenn ich ihn länger kannte. Trotzdem mussten ihre Worte dadurch nicht wahr sein. Sie konnte ihn auch einfach missverstanden haben. Warum also bekam ich so ein komisches Gefühl in meiner Magengegend, sobald ich esnur in Erwägung zog, dass sie vielleicht doch recht hatte?
War ich in Yoongi verliebt? Oder hing ich nur der alten Zeit hinterher? Ich konnte nicht leugnen, dass es mir immer besser ging, wenn ich ihn sah und wenn ich Zeit mit ihm verbrachte. Ich verstand mich selbst mal wieder überhaupt nicht. Wieso war ich so? Wieso konnte ich mir meine Gefühle einfach nicht eingestehen? Damals in der Schule schien es mir jedenfalls leichter gefallen zu sein als heute. Es wurde also nicht immer leichter je älter man wurde. Manche Sachen wurden auch einfach komplizierter.
Ohne es wirklich zu bemerken schwebten meine Finger über dem Chat mit Yoongi. Er hatte mir geschrieben, aber ich hatte noch nicht den Mut aufgebracht seine Nachricht zu lesen. Nach dem Gespräch mit Suji wusste ich nicht, wie ich ihm gegenübertreten sollte. Ich wusste gar nichts mehr. Nicht einmal, was meine eigenen Gefühle anging. Da war etwas in mir, dass immer dann zum Vorschein kam, wenn ich den Jungen sah oder mit ihm sprach, aber ob das Gefühl ein gutes oder ein schlechtes war, konnte ich nicht einordnen. Sana würde sagen es ist Liebe, aber woher sollte ich wissen wie sich Liebe wirklich anfühlte?
Ich seufzte leise und tippte schließlich auf unseren Chat. Seine Nachricht wunderte mich dann doch.
Ruf mich bitte an, wenn du Zeit hast stand dort geschrieben und ich runzelte die Stirn. Keine Erklärung. Nur diese Worte.
Ich kann ihn schlecht um diese Uhrzeit anrufen, dachte ich noch, als es unter seinem Namen plötzlich aufblinkte.
Online.
Warum zur Hölle war der Junge mitten in der Nacht wach? Ich schüttelte den Kopf. Brauchte er denn überhaupt keinen Schlaf?
Ohne viel darüber nachzudenken, hatte ich auch schon seine Nummer in das Tastenfeld eingetippt. Es piepte nur zweimal, als er schon dran ging.
"Mihee.", sagte er nur. Ich wartete einige Sekunden aber als er nichts weiter sagte räusperte ich mich.
"Ja, ich bins. Was gibt's? Und warum bist du noch wach?", sprach ich leise. Immerhin lag Sana immer noch tief und fest schlummernd auf der anderen Seite des Zimmers. Ich wollte sie auf keinen Fall wecken, obwohl ich schon befürchtete dies mit meinem ständigen Hin-und Hergewälze geschafft zu haben.
Yoongi lachte leise.
"Genau dasselbe könnte ich dich fragen.", antwortete er genauso leise wie ich zuvor.
Ich seufzte.
"Ich konnte nicht schlafen. Was ist deine Ausrede?"
"Ich bin noch im Studio.", antwortete er gelassen und ich fuhr mir mit der Hand über das übermüdete Gesicht.
"Meine Güte, geh schlafen. Du musst doch tot umfallen, wenn du so lange wach bleibst.", bemerkte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme lauter wurde. Ich senkte sie sofort wieder. Die Räume im Studentenwohnheim waren alle sehr hellhörig.
"Du weißt, dass ich immer an meiner Musik arbeite.", sagte er lachend. Ich schüttelte den Kopf, was er natürlich nicht sah.
"Du warst schon immer unverbesserlich."
Auf diese Diskussion ging er gar nicht erst ein.
"Was war eigentlich los?", fragte ich stattdessen.
Eine kurze Pause entstand und einen flüchtigen Augenblick lang dachte ich, dass die Verbindung unterbrochen war.
"Was meinst du?"
"Du wolltest, dass ich dich anrufe.", erinnerte ich ihn.
"Stimmt.", sagte er nur.
"Und?"
"Wollen wir reden?"
Ich lachte.
"Was tun wir denn gerade?"
"Nein, ich meine, ob du dich mit mir treffen willst?"
"Was jetzt?", fragte ich perplex. Meine Füße tippten auf einmal nervös über den Boden und ich biss mir auf die Lippe.
Ein einfaches "Ja klar." war seine Antwort.
"Warte ich schicke einfach Seokmin. Er holt dich bei deiner Wohnung ab.", sagte er dann.
"Nein!", warf ich ein. "Lass den armen Mann schlafen. Er ist auch froh, wenn er einmal seine Ruhe hat."
"Er steht gerade neben mir."
Ich seufzte tief. Glaubten alle Mitarbeiter und Künstler bei Bighit, dass sie unsterblich und unverwundbar waren, sodass sie so etwas Niederes wie Schlaf gar nicht benötigten?
"Er fährt jetzt los und ist in zehn Minuten da." Für Yoongi stand es bereits fest, dass ich zu ihm kommen würde, doch ich war mit dieser Situation einfach nur überfordert.
"Aber wie- wo-", stammelte ich.
"Stell dich einfach nach draußen. Seokmin weiß ja wo du wohnst. Er wird dich finden. Und zieh dir was Warmes an. Es ist kalt draußen."
Ich nickte, was er natürlich nicht sehen konnte.
"Bis gleich.", sagte er noch, dann hatte er aufgelegt.
Ich starrte das Handy in meinen Händen ungläubig an. Was war gerade passiert? Seit ich Yoongi wiederbegegnet war, geriet mein Leben mehr und mehr aus den Fugen. Ich hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, nachts um drei Uhr noch eimal das Zimmer zu verlassen und doch raffte ich gerade Geldbörse und Schlüssel zusammen, zog mir so leise es nur ging meine Schuhe und Jacke an und schlüpfte durch die Tür auf den kalten, unbelebten Gang. Niemand außer mir war noch unterwegs. Hinter den Türen war es ruhig und als ich nach draußen trat empfing mich der kalte schneidende Wind. Es war erst September und doch war es nachts schon so kalt, dass ich einen Pullover hätte anziehen können.
Es dauerte nicht lange bis Seokmin mit einem schwarzen Wagen vorfuhr. Er stieg bereits hilfsbereit aus um mir die Tür aufzuhalten und ich lief zu ihm.
"Es tut mir leid, dass du so spät noch fahren musst.", entschuldigte ich mich, aber Seokmin machte eine wegwerfende Bewegung.
"Mach dir keine Sorgen, Mihee. Ich war sowieso wach. Wenn man bei BigHit arbeitet, ist das schon normal.", sagte er leichthin. Ich biss mir auf die Lippe. Ich hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen.
Seokmin hielt mir die Tür zur Rückbank auf und ich schlüpfte schnell hinein. Je eher wir fahren konnten, desto eher würde er Feierabend haben.
Der Mann schaltete den Motor an und fuhr die Trennwand zwischen uns hinunter, bevor er losfuhr.
"Seoul bei Nacht ist immer spektakulär.", sagte er. Er musste sich zwar auf die Straße konzentrieren, aber ich konnte sehen, dass seine Augen immer mal wieder zum Himmel hinauf und zu den entfernten Lichtern der Stadt glitten. Ich lachte leise.
"Bist du oft nachts unterwegs?" Ich war neugierig. Seokmin nickte.
"Durch die Konzerte ja. Und dann spiel ich immer mal wieder Chauffeur für Suji, wenn sie abends noch zu ihrer Mutter fährt." Er zuckte mit den Schultern.
"Dafür habe ich auch bis mittags immer frei, es sei denn es steht etwas an."
Ich atmete laut aus.
"Ich könnte nicht immer so lange wach bleiben.", gab ich zu. Seokmin lachte leise.
"Es ist nicht jedermanns Sache, aber ich mache es gern. Es wird nie langweilig."
Ich lächelte. Die Fahrt dauerte nur 10 Minuten, aber ich merkte schon nach kurzer Zeit, dass ich langsam müde wurde. Das ruhige Fahren tat offensichtlich seinen Anteil daran.
Wir blieben vor dem BigHit Gebäude stehen und Seokmin drehte sich zu mir.
"Yoongi ist auf dem Dach.", sagte er und beinahe hätte ich laut losgelacht. Wo auch sonst.
"Danke.", sagte ich lächelnd und sprang aus dem Auto.
"Warte nicht auf mich. Du kannst ruhig Feierabend machen. Immerhin haben wir schon halb vier.", sagte ich. Ich war ein wenig geschockt, dass es doch schon so spät war. Seokmin nickte, aber ich war mir nicht sicher, ob er auch auf mich hören würde. Wahrscheinlich nicht.
So machte ich mich auf den Weg in das Gebäude. Zum Dach nahm ich die Treppe. Ich hatte Angst, dass ich im Aufzug einschlafen würde und vielleicht würde ich durch das Treppensteigen wieder wach werden. Meine Beine taten bereits weh als ich oben angelangt war. Das Gebäude war doch nicht so klein wie es von außen den Anschein machte.
Ich drückte die schwere Tür auf und die kalte Herbstluft fing augenblicklich an zu vibrieren.
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