43. Kapitel
"Ich nehm die Bestellungen auf, kannst du die Sachen bitte zu den Tischen bringen?"
Im Café war heute viel los. Mehr als an anderen Tagen, was auch nicht weiter verwunderlich war. Das Wetter war heute besonders schön und viele Familien nutzten den freien Sonntag für einen Spaziergang im Park. Es fanden sich vor allem Paare in dem Café zusammen, was manchmal eine echte Zumutung sein konnte. Beispielsweise, wenn die Pärchen anfingen, sich gegenseitig zu füttern. Bei so viel Zuneigung musste ich mich gleich abwenden.
Mir wollte einfach nicht in den Sinn, was so schwer daran sein sollte, eine Gabel zu seinem eigenem Mund zu führen. Wenn man das als single jahrelang alleine konnte, konnte man es so schnell doch nicht wieder verlernen. Ich schüttelte den Kopf als genau so ein Paar das Café betrat. Ich seufzte leise. Sana holte mich aus meinen Gedanken zurück.
"Die Bestellung für Tisch 8 ist fertig." Ich nickte ihr kurz zu und schnappte mir die Bestellung, bestehend aus einem Kaffee und einer heißen Schokolade. An dem etwas abgelegenem Tisch in einer Nische saß nur ein Mädchen. Ich hatte sie schon öfter im Café gesehen, aber normalerweise war sie immer alleine. Sie war immer sehr freundlich und ließ alles um sie herum strahlen. Sie steckte jeden mit ihrer guten Laune an. Auch jetzt lächelte sie mich an, als ich ihrem Tisch immer näher kam.
"Hallo.", sagte sie und ihr Blick schweifte durch den Raum.
"Viel los heute was? Du hast bestimmt viel zu tun."
Ich lachte.
"Du hast recht. Mehr als an jedem anderen Tag. Muss an dem schönen Wetter liegen.", sagte ich und das Mädchen nickte.
"Ja, es ist wirklich schön draußen. Und endlich wieder wärmer. Beinahe hätte ich ein T-Shirt angezogen. Dafür war es dann aber doch ein wenig zu kalt." Sie lachte und ich fiel in ihr Lachen mit ein.
"Ich hätte beinahe den gleichen Fehler gemacht. Das wäre bestimmt kalt geworden."
Ich stellte das Tablett auf den Tisch.
"So, das wären einmal eine heiße Schokolade..." Sie griff bereits nach der Tasse und strahlte beim Anblick übers ganze Gesicht.
"... und ein Kaffee."
"Den nehm ich." Hinter mir tauchte plötzlich ein Junge auf. Er trug eine Kappe und einen Mundschutz, aber seine Augen waren schön. Ein warmes braun. Seine Augen strahlten als er das Mädchen erblickte und das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde noch breiter.
"Schön, dass du es geschafft hast.", sagte sie und griff nach seiner Hand.
"Für dich immer.", sagte er und glitt auf die Bank ihr gegenüber. Der Blick des Mädchens gefror und sie sah den Jungen tadelnd an.
"Hatte ich dir nicht gesagt, dass es doch nicht so warm ist?"
Ich grinste. Der Junge trug tatsächlich ein T-Shirt. Das Mädchen weiste auf mich.
"Wir haben gerade noch darüber gesprochen.", sagte sie.
"Stimmt." Ich nickte. "So warm ist es gar nicht. Man darf sich von der Sonne nicht täuschen lassen.", sagte ich und der Junge seufzte.
"Verbündet euch nur gegen mich.", sagte er gespielt beleidigt und wir lachten.
"Meldet euch, wenn ich euch noch etwas bringen kann.", sagte ich.
"Danke." Der Junge nickte mir einmal zu und wandte sich dann wieder seiner Freundin zu. Im Vergleich zu den anderen Paaren im Café verhielten sich diese beiden wenigstens wie normale Menschen und nicht wie verliebte Kleinkinder. Die beiden wurden mir von Sekunde zu Sekunde symphatischer.
"Warum ist gerade heute so viel los?" Sana verdrehte die Augen, als ich dreckige Teller hinter den Tresen und in den Küchenbereich stellte.
Ich grinste.
"Hast du schonmal nach draußen gesehen?", fragte ich sie und sie lachte freudlos.
"Wäre hier nicht so viel los, hätte ich das sicher gemacht.", antwortete sie.
"Weißt du es gibt so etwas wie Fenster.", bemerkte ich, als schon wieder neue Gäste durch die Eingangstür traten. Sana seufzte laut und starrte an die Decke.
"Warum hasst du mich so sehr?", fragte sie gen Himmel und ich kicherte.
Ich machte mich daran die Teller in der Spülmaschine zu stapeln und neues Geschirr bereit zu stellen. Nach zehn Minuten kam Sana mit neuen Tellern in die Küche. Sie ließ sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Ich lächelte sie mitfühlend an.
"Wenn dieser Tag vorbei ist, mach ich drei Kreuze in den Kalender.", sagte sie und ich stimmte ihr stumm bei. Heute war einer dieser Tage, die nie enden wollten.
"Achso, und Tisch 8 wollte noch etwas bestellen.", sagte Sana beiläufig. Ich atmete laut auf.
"Und das fällt dir jetzt erst ein? Konntest du die Bestellung nicht selbst aufnehmen?"
Sie hob abwehrend die Hände.
"Sie haben nach dir gefragt.", sagte sie und ich warf ihr das Geschirrtuch zu.
"Dann darfst du hier weiter machen." Ich grinste breit, während sie die Augen verdrehte.
"Na super."
Ich nahm meinen Notizblock und machte mich auf den Weg zu der kleinen Nische.
Das Mädchen und der Junge, der mittlerweile den Mundschutz abgenommen hatte, saßen sich immer noch gegenüber und schauten sich verliebt an. Da konnte man fast schon neidisch werden.
"Ihr wollt noch etwas bestellen?", fragte ich, als ich an den Tisch trat und das Mädchen ergriff das Wort.
"Ja, aber dieses Mal zum Mitnehmen, bitte."
Ich nickte.
"Na klar. Schießt los."
Das Mädchen fing an eine Liste herunterzurattern, sodass ich fast nicht mehr mitkam. Als sie fertig war, lächelte sie entschuldigend.
"Das war vielleicht ein wenig schnell."
"Und viel.", warf der Junge ein.
Das Mädchen stieß ihn unter dem Tisch leicht an.
"Hättest du den Jungs nicht gesagt, das wir hier sind, wäre das nicht passiert.", zischte sie und ich lächelte. Die zwei waren wirklich süß.
"Kein Problem. Ich hab alles notiert. Ich bereite alles vor und ihr könnt vorne bezahlen.", sagte ich.
Ich machte die Bestellung, immerhin sechs große Becher und zwei kleine, fertig und das Mädchen und der Junge kamen an den Tresen. Der Junge nahm, ganz der Gentleman, seine Kreditkarte hervor und bezahlte, während das Mädchen versuchte die zwei Becherhalter mit den 8 Bechern zu balancieren.
"Danke für euren Besuch.", sagte ich und das Mädchen zwinkerte mir zu. Ihr Blick glitt zu meinem Namensschild.
"Bis bald, Mihee. Wir werden uns sicher noch einmal wiedersehen."
-
"Ich frage mich wirklich warum du den Jungen noch nie mit hierher gebracht hast. Warum seid ihr noch nicht zusammen?"
"Mama!"
Vor Schreck war mir das Besteck aus den Händen gefallen und ich verschluckte mich. Das scharfe Essen führte dazu, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Unbeholfen hustete ich einige Sekunden vor mich hin, bis mir Minseok hilfsbereit auf den Rücken klopfte.
"Wie kannst du so etwas sagen?", sagte ich auf deutsch. Ich hob das Besteck vom Boden auf und versuchte unter dem Tisch die verdächtige Röte aus meinem Gesicht zu wischen.
Meine Mutter seufzte.
"Ach Schätzchen...", sagte sie und ich verdrehte die Augen. Ich hasste es, wenn sie mich so nannte. Als wäre ich ein kleines Kind.
"Lass gut sein." Sie würde nicht locker lassen, das war mir klar, aber ich wandte mich einfach wieder meinem Essen zu. Konnte man nicht einmal einen ruhigen Sonntag und ein ruhiges Mittagessen haben? Meine Laune sank mit jeder Sekunde.
"Ich frag ja nur. Ihr habt immer so viel Zeit miteinander verbracht und da dachte ich-"
"Mama! Lass es einfach gut sein."
Jitae kicherte.
"Mihee hat einen Freund. Mihee hat einen Freund.", sang er und ich versuchte ihn unter dem Tisch zu treten. Er wich leider geschickt aus.
"Jitae, hör auf.", sagte meine Mutter schließlich, obwohl auch sie leicht grinste. Verräterin.
Minseok hob die Hände.
"Leute, Leute. Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass wir am Tisch koreanisch reden? Ich versteh kein Wort!", beschwerte er sich gespielt empört.
"Tschuldigung.", kam es gleichzeitig aus unseren Mündern.
Ich lehnte mich nach vorne und sah meiner Mutter tief in die Augen.
"Kein Wort mehr darüber.", sagte ich und sie seufzte tief.
"Warum nicht? Ich verstehe es wirklich nicht. Er ist doch so ein netter Junge."
Ich wurde erneut feuerrot im Gesicht. Das scharfe Essen machte es wirklich nicht gerade besser.
"Du kennst ihn nicht einmal. Warum bist du so überzeugt von ihm.", murmelte ich. Ich erwartete keine Antwort. Ich stocherte lustlos in meinem Essen herum und legte das Besteck schließlich beiseite.
Minseok seufzte und erntete dafür einen strafenden Blick meiner Mutter. Gleich darauf hatte er schon abwehrend die Hände erhoben.
"Hab' nichts gesagt.", warf er schnell ein und machte sich in der nächsten Sekunde daran unsere Teller aufeinander zu stapeln und in die Küche zu bringen. Es war offensichtlich, dass er nur einen Ausweg gesucht hatte, um vor den brennenden Augen meiner Mutter zu flüchten. Ein nicht sehr schlauer Ausweg, da er jetzt den Abwasch machen musste, aber immerhin ein Ausweg. Ich kam nicht so leicht davon.
Meine Mutter griff über den Tisch nach meiner Hand. Sie ignorierte meine Schamesröte gekonnt.
"Ich meine es ernst. Magst du ihn denn überhaupt nicht?"
Das plötzliche Kreuzverhör machte mir zunehmend zu schaffen. Und es war mir mehr als alles andere peinlich, dass meine Mutter mich auch noch darauf ansprach während Minseok und mein Bruder im Raum waren. Minseok hatte wenigstens den Anstand und war aufgestanden, aber mit Anstand musste ich meinem Bruder gar nicht erst kommen. Er saß immer noch seelenruhig auf seinem Platz und beobachtete mich mit meinem roten Gesicht und meine Mutter mit den pinken Herzen in ihren Augen. Ihn belustigte diese ganze Situation mehr als alles andere. Kleine Brüder. Man musste sie einfach gernhaben.
"Ich kann ihn auch mögen, ohne gleich mit ihm zusammen sein zu wollen.", sagte ich genervt und zum Glück kam Minseok mir zur Hilfe.
"Dahee, deine Tochter will glaube ich nicht darüber reden.", sagte er und meine Mutter nickte ergeben.
"Von mir aus."
Ich lächelte Minseok an und formte ein 'Danke' mit meinen Lippen. Er zwinkerte lediglich und wandte sich wieder dem Abwasch zu.
Das kleine Abenteuer im Aufzug war nun zwei Tage her und meine Mutter hatte seitdem nicht mehr aufgehört von Yoongi zu reden. Mindestens einmal am Tag musste sie mir den Jungen und meine nicht existente Beziehung zu ihm unter die Nase reiben. Dabei war ich gerade auf einem guten Weg meine Gefühle für ihn hinter mich zu bringen.
Yoongi würde ich erst am nächsten Tag wieder sehen, aber wir hatten in der Zwischenzeit ein wenig miteinander geschrieben. Vor allem, weil Yoongi sich gefühlt jede Stunde noch einmal für die Aufzug-Gangster-Geschichte entschuldigen wollte. Ich versicherte ihm mehrmals, dass es nicht seine Schuld gewesen war, aber er entschuldigte sich trotzdem immer wieder. Er hatte mir sogar ein paar ältere 'Entwürfe' von ihm geschickt, die es natürlich sofort in die Playlist geschafft hatte, die ich rauf und runter hörte. Ich war mir sicher, dass Yoongi es mit seiner Musik weit schaffen würde.
Doch ich befürchtete leider, dass ich in den nächsten Wochen keine Zeit mehr haben würde, um mir stundenlang seine Musik anzuhören. Unsere Lehrer hatten uns Pläne über bevorstehende Klausuren geschickt und diese ließen einfach keine Freizeit zu. Jede Woche sollte eine neue Klausur geschrieben werden und der Stoff war bei jeder Klausur schwerer.
Ich würde wohl einige Stunden beim Lernen und in der Bibliothek verbringen müssen. Es gab vieles aufzuholen, gerade für mich. Aber damit würde ich mich erst in der nächsten Woche auseinandersetzen. Bis es soweit war konnte ich mich noch getrost in mein Bett legen und die Kopfhörer anziehen.
Musik an. Welt aus. So einfach konnte es manchmal sein.
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