42. Kapitel
"Hey, Min Yoongi!" Ich drehte mich fast automatisch um, als ich die Stimme nach Yoongi rufen hörte. Ein ganz in schwarz gekleideter Junge, nicht viel älter als wir, kam auf uns zugerannt. Seine Haare waren ebenfalls rabenschwarz. Seine Haut hingegen war so weiß, dass man meinen könnte er wäre krank. Die selbstsicheren und schweren Schritte, mit denen er sich auf uns zu bewegte, beweisten das Gegenteil. Ich hörte Yoongi leise fluchen und runzelte die Stirn. Er hatte sich ebenfalls umgedreht, als der Junge vor uns zum Stehen kam.
"Hab ich mir doch gedacht, dass ich dich gesehen hab.", sagte der Junge freundschaftlich, aber in Yoongi blieb regungslos. Er knirschte mit den Zähnen.
"Was willst du, Luca?", fragte er. Irgendetwas an seiner Stimme sagte mir, dass die beiden nicht gut befreundet waren. Oder, falls sie es einmal gewesen waren, im Schlechten auseinander gegangen waren. Der Junge fuhr sich unbeirrt durch seine dunklen Haare.
"Eins muss man dir lassen, du traust dich was, dich hier in der Gegend sehen zu lassen.", sagte er und ich wich automatisch einen Schritt nach hinten. Yoongi schüttelte den Kopf.
"Lass einfach gut sein. Wir wollen nur nach Hause.", sagte er und wandte sich zum Gehen, aber Luca stellte sich uns in den Weg. Seine Augen lagen für meinen Geschmack etwas zu lange auf mir.
"Aha, wie ich sehe, bist du in Begleitung. Wer ist sie? Deine Freundin?"
"Ich bin-"
"Niemand. Sie hat sich verlaufen. Ich bringe sie nach Hause.", unterbrach Yoongi mich und ich runzelte perplex die Stirn. Luca hob eine Augenbraue in die Höhe. Ein boshaftes Grinsen trat auf sein Gesicht und allein der Gedanke, was das zu bedeuten hatte, löste bei mir eine Gänsehaut aus.
"Es ist schon dunkel und wird noch kälter. Würdest du nicht lieber in einem schönen warmen Auto nach Hause gebracht werden?" Luca zeigte nach hinten auf einen dunklen Sportwagen. Seine Blicke fuhren über meinen ganzen Körper, was mich nur noch unbehaglicher fühlen ließ. Ich versuchte mich weiter hinter Yoongi zu verstecken.
"Die Gesellschaft ist sicher auch besser." Das bezweifle ich. Er trat einen Schritt an uns heran und ich wich zurück, bis eine Hauswand mich daran hinderte. Yoongi zog ich an seiner Jacke einfach mit mir. Als die Wand uns keinen Ausweg mehr ließ blieben wir stehen. Luca kam noch näher und beugte sich etwas über Yoongis Schulter, sodass er mir genau in die Augen schauen konnte. Er kam mir so nah, dass ich sogar seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte.
"Du wirst bald merken, das einige Menschen besser sind als andere.", sagte er leise, aber natürlich konnte Yoongi ihn ebenfallls hören. Luca war drauf und dran nach meiner Hand zu greifen und mit sich zu ziehen, aber Yoongi stieß ihm vor die Brust. Endlich trat er einen Schritt zurück.
"Lass sie in Ruhe und verschwinde.", presste Yoongi zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Luca grinste.
"Wie wärs, wenn wir die Kleine entscheiden lassen?", fragte er mit hochgezogener Augenbraue. Er zeigte auf sein Auto, aber ich versteckte mich hinter Yoongi. Ich hatte das Gefühl, dass er in den letzten Minuten ein Stück größer geworden war. Er baute sich vor mir auf wie eine Mauer, die mich vor allem Unheil beschützte.
"Da hast du ihre Antwort.", sagte er und Luca schmollte gespielt.
"Wie schade." Er setzte ein trauriges Gesicht auf und nickte Yoongi noch einmal zu.
"Man sieht sich immer mehrmals im Leben, Yoongi. Ich hoffe du weißt das." Seine Worte hörten sich in meinen Ohren an wie eine Drohung. In Yoongis offenbar auch. Er ballte die Hand zu einer Faust und als ich dachte, dass er seinem Gegenüber ins Gesicht schlagen würde, griff ich schnell nach seiner Hand.
"Lass uns gehen, bitte.", flüsterte ich ihm zu und Luca nickte.
"Hör lieber auf deine kleine Freundin. Sonst wird noch jemand verletzt. Das wollen wir doch nicht." Er lachte in sich hinein, als sein Blick auf Yoongis Faust fiel, die ich immer noch umschlossen hielt. Der Junge wandte sich zum Gehen.
"Man sieht sich.", sagte er ein letztes Mal und verschwand dann in der Dunkelheit. Mein Puls raste. Was war gerade geschehen? Mein Augen blieben an Yoongi hängen. Er hatte seinen Kiefer fest aufeinander gepresst und starrte weiter in die Dunkelheit, in der Luca verschwunden war.
"Komm." Er nahm mich bei der Hand und zog mich schnellen Schrittes mit sich. Ich stolperte hinterher.
"Was war das gerade?", fragte ich aufgebracht und Yoongi seufzte tief.
"Mach dir darüber keine Sorgen. Komm einfach weiter.", sagte er und ich riss mich aus seinem Griff los. Ich blieb stehen.
"Ich habe eine Erklärung verdient, Yoongi.", sagte ich und verschränkte die Arme. Yoongi nahm darauf keine Rücksicht. Er griff erneut nach meiner Hand und zog mich mit sich.
"Das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Und auch nicht der richtige Ort.", sagte er. Seine Augen suchten die Umgebung ab und erst jetzt begriff ich, dass das wirklich nicht die beste Umgebung war, um laut miteinander zu diskutieren. Es war stockfinster und man konnte nicht sagen, wer in dieser Finsternis sonst noch zuhörte. Vielleicht war Luca immer noch in der Nähe. Augenblicklich huschten meine Augen durch die Straßen. Die Büsche und Sträucher sahen auf einmal wie dunkle Gestalten aus, die mit ihren Händen nach uns greifen wollten und im Wind leise miteinander tuschelten.
"Los komm, bevor er wiederkommt und seine Freunde mitbringt. In dem Fall kannst du dich auf eine scheiß lange Nacht einstellen.", fuhr Yoongi fort. Seine plötzlich harschen Worte wunderten mich in diesem Moment wenig. Unsere Schritte schallten durch die leeren Straßen. Selbst der Himmel sah auf einmal bedrohlich aus. Dunkle Wolken hingen über Daegu und die vorher noch erfrischende Luft war auf einmal eisig kalt geworden. Irgendwann auf unserem Weg fing es an zu regnen. Nach unserem ruhigen Aufenthalt im Aufzug fingen meine Beine jetzt bei dieser Aufregung und Anstrengung allmählich an zu schmerzen. Ich kam dadurch nur wieder zu der Schlussfolgerung, dass ich mehr Sport machen sollte. Das Atmen fiel mir schwerer. Doch Yoongi zog mich einfach weiter, ohne auf meine Proteste oder meine Wünsche nach einer kurzen Pause wahrzunehmen. Wir liefen sogar einen längeren Weg, damit wir Yoongis 'Freunden' nicht noch einmal über den Weg liefen. An einer Gebäudeecke blieb Yoongi so abrupt stehen, sodass er mich an meiner Hand zurückziehen musste, sonst wäre ich direkt in das Licht einer Laterne gelaufen.
"Hey, was-", wollte ich portestieren, jedoch legte sich unvermittelt eine Hand auf meinen Mund. Ich atmete gedämpft und sah mich in seinen Augen, die nur Zentimeter von meinen eigenen entfernt waren, wieder. Yoongi bedeutete mir mit einem Finger an seinem Mund, dass ich ruhig sein sollte und ich nickte. Langsam senkte er seine Hand wieder und spähte um die Ecke. Er fluchte leise. Nicht weit entfernt waren Männerstimmen zu hören. Der Regen verschluckte ihre Worte beinahe, aber der Wind trug ihr Gespräch zu uns herüber.
"Ich hab ihn in die Richtung hier gehen sehen. Er müsste bald kommen.", hörte ich eine mir bekannte Stimme sagen. Luca. Ein Mann mit tiefer Stimme antwortete ihm leise.
"Wenn du das sagst."
"Wenn ich ihn erwische, kann er was erleben." Jemand schoss einen leere Plastikdose über den Boden. Sie knallte scheppernd an die Hauswand, nur wenige Meter von uns entfernt. Ich zuckte erschrocken zurück und zog den Jungen neben mir mit. Yoongi bat mich mit einer Handbewegung noch kurz zu warten. Das einzige was ich wollte, war so schnell es ging abzuhauen, aber Yoongi warf noch einen scheuen Blick um die Ecke. Mein Herz raste. Wenn sie uns jetzt sahen war es aus mit uns.
"Dieses Arschloch hat Prügel verdient bis er nicht mehr Gehen kann.", sagte nun eine dritte Stimme. Wie viele gab es von denen? Und warum hatten sie es auf Yoongi abgesehen?
"Warum hast du ihn nicht direkt mitgenommen? Haste Schiss bekommen Luca?"
Ein gedämpfter Schlag war zu hören. Gefolgt von einem schmerzvollen Stöhnen.
"Du bist besser ruhig, sonst verprügel ich dich auch." Lucas Stolz hatte anscheinend ein paar Risse bekommen. Er versuchte sich herauzureden.
"Ich wollte keinen Alleingang starten, obwohl ich es sicher gekonnt hatte." Der Mann, der sich bislang weitgehend aus dem Gespräch herausgehalten hatte, lachte leise. Luca schnalzte mit der Zunge.
"Außerdem war er in Begleitung von irgendeinem Mädchen. Weit kann er also nicht gekommen sein. So schnell sind sie nicht, selbst wenn sie gelaufen wären." Daraufhin meldete sich die Männerstimme.
"Was für ein Mädchen?" Die Stimme hörte sich auf einmal so interessiert an, dass sich mein ganzes Inneres unwohl zusammenzog. Yoongi, der meine Unruhe anscheinend bemerkte, drückte beruhigend meine Hand.
"Ein Mädchen halt. Ich glaube sie kannten sich. Seine Freundin, oder so."
"Als ob der eine Freundin findet. Eher finde ich eine.", lachte die dritte Stimme laut auf, aber niemand fiel in sein Lachen ein.
"Halt die Klappe, Joey.", zischte Luca. Langsam klang er richtig wütend.
"Ich schwöre, Boss, sie können noch nicht weit sein.", sagte er und der Mann schnalzte erneut mit der Zunge.
"Fahr mit dem Auto nachsehen, wo sie bleiben. Ich warte hier.", sagte der Mann, der ganz offensichtlich der Kopf der Bande war. Zustimmendes Gemurmel.
"Und nimm Joey mit. Er hat mir hier für meinen Geschmack viel zu viel Spaß."
Joey lachte. Zwei Autotüren knallten und Yoongi zog mich mit einer flinken Bewegung in eine schmale Gasse. Hier waren wir fürs Erste vor neugierigen Blicken geschützt. Und allen voran vor diesen Gangstern. Gleich darauf fuhr der schwarze Sportwagen an uns vorbei. In seinem Inneren konnte ich zwei Gestalten ausmachen.
Als das Auto mit aufbrausendem Motor um die Ecke verschwunden war, wagten wir uns wieder hervor. Es war still, aber wir wussten, dass der Mann immer noch nur wenige Schritte von uns entfernt stehen musste. Der Regen hatte aufgehört. In dieser Stille hätte man ein Blatt fallen hören. Ich wagte nicht mich zu bewegen.
Der Mann lachte.
"Willst du mir deinen Freundin nicht vorstellen, Yoongi?", fragte er und ich schnappte nach Luft. Wusste er, dass wir hier waren oder bluffte er bloß? Mein erster Gedanke war es, Yoongi an der Hand zu nehmen und durch die Gasse zu flüchten. Doch zu meiner Erleichterung fing Yoongi an zu grinsen. Er trat ins Licht und begrüßte den Mann.
"Schön, dich mal wieder zu sehen.", sagte der Mann und im Gegensatz den vergangenen Minuten hörte sich seine Stimme plötzlich belustigt an. Yoongi hatte mich einfach in den Schein der Laterne mitgezogen. Ich musste in dem grellen Licht ein paar Mal blinzeln.
Nachdem ich wieder sehen konnte, sah ich, wer vor uns stand. Es war ein etwas älterer Mann im Anzug. Trotz seines Alters schreite er geradezu nach Disziplin und Ordnung. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte der Mann auch Polizist oder Soldat sein können. Die nötige Ausstrahlung hatte er jedenfalls.
"Yun Seonsaengnim." Yoongi verbeugte sich tief und ich tat es ihm schnell nach.
Trotz der hitzig wirkenden Konversation, die wir verbotenerweise belauscht hatten, hatte das Gesicht des Mannes nichts Hartes an sich. Er lächelte sogar. Yoongi ebenfalls.
"Woher wussten Sie, dass wir hier sein würden?", fragte er und der Mann zeigte zu meinem Schrecken auf mich. Mein Herzschlag, der sich bei der entspannten Stimmung wieder etwas beruhigt hatte, schnellte erneut in die Höhe.
"Sie atmet so laut, ich hätte euch in totaler Dunkelheit finden können.", sagte er und ich biss die Zähne zusammen. Hatte ich dadurch Yoongi in Schwierigkeiten gebracht? Bei dem Gesichtsausdruck des Mannes hatte ich beinahe die Hoffnung, dass dem nicht so war.
"Sie haben Ihnen nichts von dem Geld erzählt, wie mir scheint.", sagte Yoongi nun und Herr Yun lachte laut auf. Ich zuckte zusammen.
"Luca und Joey erzählt man nichts, was mit Geld zu tun hat. Ihre Augen sehen dadurch weniger, als sie ohnehin schon tun. Ihnen geht es nur ums Geld."
"Ihnen nicht?", rutschte es Yoongi heraus und ich erwartete beinahe, dass der Mann wütend werden würde. Es blieb zum Glück ruhig. Er lächelte sogar sanft.
"Mein lieber Freund. So langsam solltest du wissen, dass Vertrauen mehr wiegt als Geld.", antwortete er und als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah, erklärte er.
"Von einem Haufen Geld kannst du dir viel kaufen, aber es ist am Ende bedeutungslos. Das Vertrauen eines Menschen zu gewinnen und zu behalten ist weitaus schwieriger als Geld zu machen. In den meisten Situationen bringt dich das Vertrauen weiter, als es Geld je könnte. Naja, Joey und Luca arbeiten besser, wenn sie wissen, dass viel Geld im Spiel ist. Da ich dieses Geld besitze, sind sie nur zu leicht zu beeinflussen."
Ich nickte langsam. Joey und Luca waren also Handlanger, nichts weiter. Der Mann wandte sich wieder an Yoongi. Und ich versuchte meine Atmung zu beruhigen. Wir waren noch nicht in Sicherheit, wurde mir in diesem Moment klar. Luca und Joey könnten jede Sekunde wiederkommen und uns sehen. Dann wäre es aus mit uns, auch wenn der Mann vor uns anscheinend auf unserer Seite stand.
"Du weißt, dass du dich so spät nicht mehr hier herumtreiben solltest. Vor allem nicht in Begleitung.", sagte Yun mit Seitenblick auf mich. Am liebsten hätte ich mich wieder hinter Yoongi versteckt, aber seine Hand, die meine hielt, verhinderte das.
"So war das nicht geplant. Wir saßen hier fest und konnten erst vor knapp einer halben Stunde gehen. Nachdem wir Luca begegnet sind mussten wir einen anderen Weg nehmen.", erklärte er und Yun Seonsaengnim nickte.
"Was werden Sie den beiden Schwachköpfen sagen?", fragte Yoongi und ich fragte mich unwillkürlich, ob Angriff hier die beste Strategie war. Unser Schicksal stand auf Messers Schneide. Yun lachte.
"Du hast nie einen großen Hehl daraus gemacht, dass du sie nicht leiden kannst. Das hat besonders Luca immer gestört." Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als er offenbar über Yoongis Frage nachdachte.
"Wir haben euch verloren.", erklärte er seinen Plan. "Ich werde sie dafür verantwortlich machen. Immerhin bin ich dafür extra rausgefahren. Dass ich dich noch einmal sehen wollte, konnten sie nicht wissen. Sie werden dich danach noch mehr hassen, als sie es ohnehin schon tun.", sagte er und Yoongi nickte nachdenklich. Dann lächelte er.
"Damit kann ich leben.", sagte er und der Mann nickte.
"Also dann. Pass auf dich auf. Und denk dran," Er machte eine Handbewegung in meine Richtung, "solltest du dich noch einmal hierhin verirren, besser nicht mehr in Begleitung. Du kennst Luca." Die bedrohliche Stimmung ließ auch nicht nach, nachdem der Mann längst von der Dunkelheit verschluckt wurde.
Yoongi nickte noch einmal höflich ins Nichts und zog mich dann an der Hand weiter. Wir rannten die Straßen praktisch entlang. Der Asphalt unter uns roch nach Regen und einige Male musste ich aufpassen, dass ich nicht in eine riesige Pfütze trat oder auf der glitschigen Straße ausrutschte. Schwer atmend machten wir schließlich Halt.
"Was- ist gerade- passiert?", brachte ich meine Frage zwischen schweren Atemzügen hervor.
Yoongi sah sich um.
"Ich glaube, wir sind sie los." , sagte er und Erleichterung spiegelte sich in seinem Blick. Er ging nicht auf meine Frage ein.
Ich atmete schwer und brachte es irgendwie zustande, dass Yoongi mich doch ansah.
"Wer sind die?"
Yoongi wusste ebenso gut wie ich, dass ich nicht locker lassen würde. Ich würde ihn mit meinen Fragen so oft nerven, bis ich eine zufriedenstellende Antwort erhalten würde. Seine Augen funkelten und er seufzte.
"Du bist eine Nervensäge, hat dir das schon einmal jemand gesagt?", fragte er.
"Ich habe einen kleinen Bruder. Das ist eine meiner leichtesten Übungen.", antwortete ich und Yoongi lachte. Dann wurde er wieder ernst.
"Du lässt nicht locker oder?" Ich schüttelte bestimmt den Kopf.
"Ich hab früher mit ihnen gearbeitet. Aber dann... naja, es wurde schwierig und wir hatten Streit."
"Worum ging es bei dem Streit?"
"Sie haben ein paar Lieder von mir gestohlen, veröffentlicht und damit Geld gemacht. Herausgefunden hab ich es nur per Zufall."
"Sie haben dich bestohlen?"
Yoongi nickte leichthin.
"Und das lässt du einfach so auf sich beruhen?"
"Anders als sie kann ich einfach einen neuen Song schreiben. Ich bin nicht so auf andere Leute angewiesen, wie sie es sind."
Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
"Ich hab es aber nicht auf sich beruhen lassen. Ich hab meine Musik weiterproduziert und gleichzeitig dafür gesorgt, dass sie schlecht dastehen. Sie haben wohl eine Menge Geld verloren." Yoongi zuckte mit den Schultern.
"Hat ihnen wohl nicht so gefallen." Yoongi lachte gedämpft.
"Und warum sind wir dann einfach so davongekommen?" Ich hatte die Szene, die Luca eben gemacht hat, noch nicht vergessen.
Yoongi grinste verschmitzt und zwinkerte mir zu.
"Was Joey und Luca nicht wissen ist, dass ich mich hinter ihrem Rücken mit Yun einigen konnte. Er hat die Songs behalten und verscherbelt sie weiter und ich bleibe dafür ruhig."
Ich runzelte die Stirn. "Aber es sind doch deine Songs?"
"Es sind Entwürfe, nichts weiter. Nichts was besonders wichtig wäre."
"Sag so etwas nicht. Deine Musik ist unglaublich gut."
"Sagst du."
"Sagt das Mädchen, dass weit mehr als zwei Monaten deine Songs rauf und runter hört."
Yoongi grinste.
"Stimmt."
"Ich bin schließlich dein Nummer-Eins-Fan. Wenn du so weit bist, will ich deine produzierten Songs als erste hören.", sagte ich, doch Yoongi wurde bei meinen Worten wieder ernst.
"Wenn es je dazu kommen wird." Warum hatte er immer wiede solche Bedenken? Ich drückte seine Hand.
"Du wirst es ganz sicher schaffen. Ich kenne niemanden, der so ehrgeizig ist wie du. Wenn es einer schafft dann du. Und bei dieser Company wirst du auch angenommen."
Ich stieß ihn mit der Schulter leicht an.
"Hab ein bisschen Vertrauen."
Yoongi war verdutzt.
"Danke." war das einzige, was er herausbrachte.
Ich lächelte ihn an.
"Keine Ursache."
Es blieb still zwischen uns, bis Yoongi schließlich stehen blieb. Ich schaute ihn verwundert an.
"Warum bleibst du stehen?", fragte ich. Yoongi grinste nur.
"Falls du es nicht bemerkt haben solltest. Wir sind da.", sagte er und zeigte hinter mich. Wir standen wenige Meter von meiner Haustür entfernt. Oben brannte Licht. Sie waren also noch wach. Ich schluckte schwer. Mir war gar nicht aufgefallen, dass wir in der Zwischenzeit so weit gekommen waren. Wir hatten fast zwei Bezirke durchquert und es hatte sich so angefühlt, als hätte ich bloß mit dem Finger geschnippst.
Ich strich meine Haare aus dem Gesicht.
"Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast."
Yoongi kratzte sich am Hinterkopf.
"Eigentlich muss ich mich bei dir entschuldigen. Dafür, dass ich dir solche Schwierigkeiten gemacht habe. Erst der Aufzug und dann die Sache mit Yun.", entgegnete er. Ich schüttelte energisch den Kopf.
"Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen. Es war nicht deine Schuld."
Er nickte nachdenklich. Dann zeigte er auf das Licht in unserer Wohnung.
"Besser du gehst rein. Dein Mutter wird stinksauer sein.", sagte Yoongi und ich atmete laut auf. Wohlmöglich hatte er recht. Ich war so gut wie verloren. Da machten auch die paar Sekunden mehr nichts mehr aus.
"Ich muss einfach ein oder zweimal erwähnen, dass du bei mir warst, dann schwärmt sie eine Weile von dir und sie hat bald vergessen, dass ich überhaupt weg war.", erklärte ich ihm meinen Masterplan und er lachte so laut auf, dass ich beinahe verfürchtete meine Mutter hätte ihn gehört und würde in der nächsten Sekunde vor uns stehen.
"Aber was ist mit dir? Du hast diesen Umweg gemacht und kommst dadurch nur noch später bei dir zuhause an als ich."
Yoongi winkte ab. "Meine Eltern arbeiten noch bis spät. Zuhause ist nur mein Bruder. Wahrscheinlich wird er gar nicht merken, dass ich wieder komme, geschweige denn, dass ich überhaupt weg war."
Ich nickte langsam.
Als ich ihn so neben mir stehen sah, den Blick nach oben zu meinem Zuhause gerichet, wie ein Fels in der Brandung, überkam mich eine ungeheure Dankbarkeit. Für die letzten Stunden, dafür, dass ich ihn kennengelernt hatte, dass er in diesem Moment bei mir war. Ich raffte all mein Selbstbewusstsein zusammen und küsste ihn flüchtig auf die Wange.
"Danke.", flüsterte ich und verschwand dann blitzschnell hinter der Eingangstür. Mein Herz raste. Ich musste einige Minuten lang im Treppenhaus warten, bis sich mein Herz wieder beruhigt hatte und ich in unsere Wohnung treten konnte ohne diese verdächtige Röte, die sich gerade auf meinen Wangen abzeichnete. Das dauerte eine Weile.
Meine Mutter war nicht begeistert als ich durch die Wohnungstür trat. Sie hatte mir an die zwanzig Nachrichten geschickt und mindestens doppelt so oft versucht mich anzurufen. Mein Akku war irgenwann leer gewesen, deswegen hatte sie es so oft versuchen können, wie sie wollte. Ohne Erfolg. Sie war sofort an die Mailbox weitergeleitet worden.
Fürs erste hatte sie sich mit der Erklärung, dass wir im Aufzug festsaßen, zufrieden gegeben. Ich hatte nebenbei bemerkt, dass nie eine Gefahr bestanden hätte, weil Yoongi bei mir gewesen war, was sie natürlich wieder zum Lächeln brachte. Mein müder Gesichtsausdruck hatte sie schließlich besänftigt und sie hatte mich ins Bett geschickt. Fürs erste war ich zwischen Plumeau und Matratze in der Wärme und Ruhe meines Zuhauses in Sicherheit.
In der Stille ließ mich jedoch ein Gedanke neben dem flüchtigen Kuss auf seine Wange nicht mehr los.
Er hatte meine Hand keine Sekunde lang losgelassen.
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