27. Kapitel
Soomin stand wie vereinbart um vier Uhr am Tag des Basketballspiels vor der Haustür. Ich musste mir lediglich meine Jacke schnappen, dann konnte es auch schon losgehen. Wir nahmen den Bus und kamen nach zehn Minuten Fahrt bei unserer Schule an. Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele Schüler an diesem Sonntagnachmittag in die Schule ziehen würde. Auch die sonst nur wenig besuchte Sporthalle sprang heute aus allen Nähten. Gut möglich, dass wir nicht einmal mehr gute Plätze finden würden.
"Jetzt aber schnell. Sonst sind alle guten Plätze weg.", sagte auch Soomin. In der nächsten Sekunde hatte er mich auch schon an der Hand gepackt und zog mich zu der Sporthalle hinüber. Um uns herum unterhielten sich und lachten unsere Mitschüler. Nur wenige schienen uns überhaupt zu beachten und runzelten beim Anblick unsere verschränkten Hände die Stirn. Ich kniff meine Lippen zusammen. Bevor ich mir allerdings weitere Sorgen darüber machen konnte, wie was gerade in den Augen der andern aussah, wurde ich auch schon an den Rand des Geschehens gezogen. Nicht von Soomin, der mich bis dahin noch an der Hand festgehalten hatte und uns jetzt etwas irritiert anschaute, sondern von einer ganz anderen Person.
"Du und Soomin? Ich glaub es nicht!"
"Um Himmels Willen!"
Ich fasste mir an mein Herz, das vor Schreck heftig gegen meinen Brustkorb schlug. Nari hatte mich an den Rand gezogen und beäugte mich nun kritisch. Soomin wartete geduldig. Ich sah in entschuldigend an. Er konnte sich bestimmt schon denken, aus welchen Gründen Nari mich so hektisch zu sich gezogen hatte. Dass ich Recht hatte, zeichnete sich beinahe überdeutlich in seinem breiten Grinsen ab.
"Ich wusste gar nicht, dass du hier sein würdest.", stellte ich an Nari gewandt fest und sie verschränkte die Arme.
"Lenk nicht von meiner Frage ab."
Ich rollte mit den Augen und sah stattdessen dabei zu wie immer mehr Menschen in die Halle strömten. Die guten Plätze waren mittlerweile bestimmt schon besetzt.
"Also?" Die Anwesenheit meiner Freundin riss mich wieder in die Gegenwart zurück.
Nari sah mich erwartungsvoll an und ließ ihre Schultern enttäuscht sinken, als ich mit dem Kopf schüttelte.
"Da ist nichts zwischen Soomin und mir. Ehrlich nicht. Und da wird auch nie etwas sein." Nari war nicht wirklich überzeugt.
"Bist du sicher? Ich habe euch in den letzten Wochen schon ziemlich oft zusammen gesehen..."
"Das bildest du dir nur ein. Wir sind nur Freunde."
"Ganz ehrlich?" Sie zog eine Augenbraue in die Höhe und ich stieß sie lachend leicht mit der Schulter an.
"Ganz ehrlich. So etwas würde ich dir doch sagen."
Nari atmete laut auf.
"Ich muss sagen, ich beneide dich auch ganz und gar nicht. Diese feindlichen Blicke von jedem zweiten Mädchen in der Schule könnte ich einfach nicht ertragen.", gab sie zu und ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Jetzt wo sie es sagte, ich konnte mit so viel Feindseligkeit genauso wenig umgehen. Unbehaglich scharrte ich mit den Füßen.
"Mach dir deswegen aber keine Sorgen. Das geht vorbei. Erst recht, wenn sie erfahren, dass zwischen euch nichts läuft. Auch, wenn ich nicht weiß, ob Soomin das genauso sieht.", zweifelte Nari erneut und ich lächelte leicht. Wenn sie die Wahrheit kennen würden, müsste sich kein Mädchen an dieser Schule Gedanken oder gar Sorgen über jedes dahergeglaufene Mädchen machen, das nur mit Soomin sprach oder mit ihm befreundet war. Ich kam nicht umher zu denken, dass Soomin ein Auge auf Jinho geworfen hatte. Dieser Gedanke setzte sich immer mehr in meinem Kopf fest, je besser ich sowohl Jinho, als auch Soomin kennenlernte und ich musste zugeben, dass die beiden ein süßes Pärchen abgeben würden. In diesem Moment lagen meine Gedanken jedoch ausschließlich auf den Blicken der Mädchen um uns herum und Naris Zuspruch, dass alles gut werden würde.
"Wollen wir es hoffen. Ich glaube nicht, dass ich diese feindeligen Blicke noch länger ertragen kann." Es fühlte sich beinahe so an, als würde mich von allen Seiten mindestens ein Mädchen mit ihren messerscharfen Augen erstechen wollen, dabei stand ich nicht einmal mehr in der Nähe des Jungen.
"Kopf hoch, Mihee. Ich weiß du kannst alles schaffen." Nari zwinkerte und lächelte über das ganze Gesicht.
"Also dann wir sehen uns später!" Nari umarmte mich überschwänglich und suchte dann unerwartet das Weite. Ich konnte mich über sie manchmal echt wundern.
Mit einem Kopfschütteln, aber einem Lächeln auf den Lippen ging ich wieder zurück zu Soomin, der bis dahin brav auf mich gewartet hatte.
"Tut mir leid... es war einfach..."
"Nari", sagten wir beide gleichzeitig und brachen gleich darauf in Gelächter aus.
"Du hast es erfassst."
"Und lass mich raten: Sie wollte wissen, ob zwischen dir und mir etwas läuft.", sagte er und ich nickte lachend. Er fuhr sich durch die Haare.
"Du bist das also schon gewohnt."
Er schnaubte belustigt auf. "So richtig gewöhnen tut man sich daran nie. Es ist nur erstaunlich wie schnell sich doch Gerüchte herumsprechen. Gerade an dieser Schule."
"Ich wusste auch gar nicht, dass Nari heute hier sein würde. Gesagt hat sie zumindest nichts." Gleichzeitig fragte sich ein anderer kleiner Teil tief in mir, ob Yoongi auch hier war. Mit ihr.
"Du hast ihr doch auch nicht erzählt, dass du heute hier sein würdest, oder?", sagte Soomin ich musste klein beigeben.
"Stimmt schon..."
Da sich an diesem Tag nahezu die ganze Schule in der kleinen Sporthalle versammelt hatte, mussten wir uns nun unerwarteterweise auf fast aussichtslose Platzsuche begeben. Wir fanden schließlich zwei Plätze nebeneinander in der vorletzten Reihe der Tribüne. Es war zwar nicht so nah am Geschehen, dafür sah man trotzdem über alles hinweg. Und die Mädchen konnten keinen Blick auf uns werfen. Das wäre sonst sehr auffällig gewesen.
"Ich freue mich schon. Das ist mein erstes Basketballspiel.", beichtete ich dann und Soomin lachte leise.
"Kennst du die Regeln?", fragte er und ich nickte.
"Mehr oder weniger."
"Wenn du Fragen hast, frag ruhig." Soomin war hilfsbereit wie immer. Ich verschränkte meine Hände und sah auf das Spielfeld hinab. Ich war gespannt auf das Spiel. Wir jubelten laut, als die Mannschaften auf das Spielfeld liefen. Doch dann wurde um uns das Geflüster plötzlich lauter.
"Ich dachte er spielt nicht mehr?"
"Warum ist er plötzlich wieder im Team? Hat er nicht aufgehört?"
"Ich wusste gar nicht, dass er noch spielt."
Soomin verkrampfte sich und sah mich entschuldigend an.
"Mihee, ich hatte keine Ahnung."
Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde stehen bleiben, als ich Yoongi unter den Spielern ausmachte.
"Ich wusste nicht, dass er heute spielen wird. Ich dachte er wäre aus der Schulmannschaft letztes Semester ausgetreten."
Ich schluckte schwer und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen. Immerhin konnte Soomin nichts dafür.
"Ist schon in Ordnung. Ich bin drüber hinweg.", versicherte ich ihm deswegen mit gesenkter Stimme und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Spielfeld, wo sich die beiden Mannschaftskapitäne freundschaftlich die Hand gaben. Ich spürte wie Soomin nach meiner Hand griff und sie kurz aber beschwichtigend drückte. Ich wagte nicht mich zu ihm umzudrehen und in sein Gesicht zu schauen. Denn in dem Fall konnte er wohlmöglich meine aufkeimenden Tränen sehen. Dieser Verletzlichkeit wollte ich mich auf gar keinen Fall aussetzen.
Yoongi stach geradezu aus der Menge hervor. Es war beinahe so, als würde ich ihn als einzigen scharf sehen, während ich die anderen Spieler nur verschwommen wahrnehmen konnte. Das Spiel begann, Bälle wurden hin und her gepasst, mehrere Körbe wurden unter Jubel geworfen. Nur ich konnte nicht in die Jubelgesänge meiner Mitschüler miteinstimmen, als unserer Mannschaft dem Sieg immer näher kam. Nicht wenige Körbe wurden von Yoongi gemacht, wie ich feststellen musste. Er war wirklich gut.
"Wenn du gehen willst, verstehe ich das. Du musst dir keine Sorgen machen.", sagte Soomin auf einmal mit gedämpfter Stimme. Meine Gefühle konnte ich nicht so einfach verbergen. Offensichtlich.
Ich schüttelte trotzdem tapfer den Kopf. Ich konnte das schaffen. Was war ich denn, wenn ich nicht eimal ein normales Basketballspiel durchstehen konnte? Nari würde es sicher auffallen, auch wenn sie aus der ersten Reihe keinen Blick auf Soomin und mich hatte. Spätestens, wenn das Spiel vorbei sein würde, würde sie mich suchen und sich fragen wo ich war. Ich glaubte nicht, dass sie sich so einfach mit einer Ausrede zufrieden geben würde. So viel Feingefühl hatte sie, auch wenn es nicht so weit reichte, dass sie meine Gefühle für ihren Freund bemerkte.
Die Halbzeit brach an und Soomin zog mich unvermittelt nach draußen an die frische Luft. Er zog mich hinter die Sporthalle, dorthin, wo sich sonst immer die Rebellen der Schule zum Rauchen verzogen. An diesem Tag war die Ecke jedoch leer. Niemand der Raucher würde sich freiwillig an einem Sonntag in die Schule wagen. Nicht einmal für ein Basketballspiel.
Soomin sah mir scharf in die Augen.
"Geht es dir gut?", fragte er und ich brachte ein Lächeln zustande, das selbst für die glücklichste Person auf der Welt zu aufgesetzt wirken würde.
"Ja klar, geht es mir gut. Lass uns wieder rein gehen. Es wird kalt.", sagte ich und versuchte unter seinem Arm hindurchzuschlüpfen. Er hielt mich fest.
"Du brauchst mir nichts vorzuspielen. Ich weiß, wie du dich fühlst."
Ich konnte Soomin nicht länger ansehen, sondern schmiss mich ihm stattdessen in die Arme. Meine heißen Tränen tropften schon auf den Boden, da hatte er seine Arme noch nicht einmal halb um mich geschlungen. Meine Finger krallten sich in den Stoff seines Pullovers und ich ließ meinen Tränen zum ersten Mal in Anwesenheit einer anderen Person freien Lauf.
"Es tut mir leid.", schluchzte ich hilflos und Soomin strich mir beruhigend über den Rücken.
"Es wird alles gut.", sagte er. Wir standen eine kleine Ewigkeit so draußen, bis ich mich langsam von ihm löste. Meine Augen waren zu hundert Prozent rot unterlaufen. So konnte ich jedenfalls nicht zurück in die Halle, wo sowieso die Aufmerksamkeit zahlreicher Mädchen auf mir oder besser gesagt Soomin und mir lag.
"Oh... 'tschuldigung." Unvermittelt war ein Junge hinter Soomin aufgetaucht. Dieser Tag war eindeutig nicht mein Glückstag. Das Unglück schien ich jedenfalls anzuziehen wie das Licht die Motten. Yoongis Blick wich zwischen Soomin und mir hin und her und blieb bei meinem tränenüberströmten Gesicht hängen.
"Mihee, was ist los?" Er machte einen Schritt auf mich zu, aber Soomin stellte sich beschützend vor mich.
"Es ist alles in Ordnung, Yoongi. Mihee geht es gut." , sagte er bestimmt und ich krallte micht von hinten erneut in seinen Pullover.
"Sie kann sehr gut für sich selbst sprechen." Yoongis Stimme hatte auf einmal etwas Bedrohliches an sich. Er schaute Soomin finster an. "Mihee?" Sein Blick richtete sich wieder auf mich, die halb durch Soomin verdeckt wurde. Irgendwie schaffte er es trotzdem meine Augen zu finden. "Sag etwas."
Ich schluckte schwer und blieb stumm. Yoongi wurde lauter. Seine Augen schienen Soomin beinahe erwürgen zu wollen.
"Was hast du mit ihr gemacht? Hast du sie zum Weinen gebracht?", fragte er aufgebracht.
"Y-Yoon-"
"Du glaubst, ich habe sie zum Weinen gebracht? Was denkst du von mir?" Auch Soomin wurde lauter. Seine Griff um meinen Arm wurde fester. Yoongi schaffte es nach meinem anderen Arm zu greifen und mich in seine Richtung zu ziehen.
"Komm Mihee, ich bringe dich weg von hier.", sagte er und machte Anstalten mich mit sich zu ziehen, aber Soomins Griff war wie festgeschraubt.
"Ich glaube, ich kann besser für meine Freundin sorgen.", sagte er und ich hielt geschockt den Atem an. Man konnte buchstäblich sehen wie es in Yoongis Kopf ratterte und wäre die Situation eine andere gewesen, hätte ich sicherlich darüber gelacht.
"Deine... Mihee?" Yoongi sah mich einerseits geschockt andererseits fragend an. Ich blickte auf den Boden. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte oder wie wir beide, Soomin und ich uns aus dieser Situation herausreden sollten. Meine Augen schweiften zwischen beiden hin und her. Mein Herz raste.
"Mihee, sag etwas. Bitte." In seinen Augen lag so viel Verletzlichkeit, dass es mich beinahe wieder zum Weinen brachte.
"Yoongi... bitte geh.", brachte ich leise hervor und sein Gesichtsausdruck wurde hart. Seine Hand löste sich abrupt um meinen Arm. Ich konnte trotzdem kurz erhaschen, wie seine Finger zitterten. Ich zitterte ebenfalls.
Wortlos drehte er sich um und ging in zurück zu der Sporthalle. Und obwohl es genau das war, worum ich ihn gebeten hatte, konnte ich nicht anders, als mich erneut an Soomins Brust zu lehnen und zum zweiten Mal an diesem Tag meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.
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