21. Kapitel
Ich bin nicht gut genug. Ich bin nicht gut genug. Ich bin einfach nicht genug. Yoongi hatte Nari seine Liebe gestanden. Sie hatte seine Liebe mittlerweile bestimmt erwiedert. Und ich lag hier. Müde in meinem Bett und heulte mir die Augen aus dem Kopf vor Kummer. Meine Augen waren so rot angelaufen, dass ich erst gar nicht versuchte irgendetwas davon zu überschminken. Wahrscheinlich würde ich es dadurch nur noch schlimmer machen. Ich dachte zurück an den flüchtigen Augenblick in dem seine Lippen auf meinen gelegen hatten. Dachte zurück an die Zeit in der ich dachte, das alles gut werden würde, dass Yoongi und ich eine Zukunft zusammen hatten. Das alles war nur Wunschdenken gewesen.
Mein Handy lag neben mir. Ein paar Mal ertönte mein Klingelton, aber da ich mir schon denken konnte, wer am anderen Ende sein würde und worum es ging, machte ich mir nicht einmal die Mühe darauf zu schauen, sondern stellte es aus. Ich wollte nicht hören, wie Nari mir erzählte, was passiert war. Ich wollte auch nicht hören, wie erleichtert Yoongi klingen würde, nachdem sein Geständnis erwiedert wurde. Ich wollte gar nichts mehr hören. Nicht einmal mehr meine Musik.
Und trotz allem musste ich an diesem Tag noch eine Sache über mich ergehen lassen.
Meine Mutter klopfte an die Tür und steckte einen Kopf durch den Spalt. "Mihee, Schätzchen, komm bitte in die Küche.", sagte sie und lächelte mich an. Als sie meine roten Augen sah, verlor sich ihr Lächeln jedoch allmählich.
"Ist alles gut? Mihee, was ist los? Hast du dich bei Jitae angesteckt?" Sie machte Anstalten sich zu mir aufs Bett zu setzen und mir beruhigend über die Haare zu streichen, aber ich winkte schnell ab. Beinahe fing ich sogar an zu lachen, weil sie dachte ich hätte mich mit Jitaes imaginärer Krankheit angesteckt.
"Es ist gar nichts, Mama. Nur eine miese Allergie. Das ist alles." Die Erleichterung war meiner Mutter geradezu ins Gesicht geschrieben.
"Na dann ist ja alles gut." Ich nickte und rang um ein Lächeln, von dem ich hoffte, dass es sie überzeugen würde. Normalerweise würde es das nicht, aber aus einem Grund, den ich nur zehn Minuten später erfahren sollte, bemerkte sie mein falsches Lächeln nicht. Sie war zu angespannt, was mir in diesem Moment aber ebenso wenig auffiel.
"Kommst du bitte in die Küche? Wir wollen mit euch reden." Jitae war anscheinend auch schon in der Küche, denn er lachte, zwar nicht so laut schallend wie sonst, da er die Lüge um seine erfundene Krankheit aufrecht erhalten musste, aber immer noch laut genug.
Ich nickte ergeben. Meine Mutter lächelte mich noch einmal aufmunternd an und verschwand dann.
Ich seuftze. Was um alles in der Welt konnte so wichtig sein, dass meine Mutter Jitae und mich in die Küche bestellte? Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber meine Gedanken waren sowieso bei etwas ganz anderem.
Ich rappelte mich auf und begab mich langsam schlurfend in die Küche. Minseok lächelte, als er mich sah und ich ließ mich auf den Platz ihm Gegenüber fallen.
"Hallo Mihee", sagte er und ich nickte ihm stumm zu. Jitae saß, wie bereits vermutet, am Tisch und schaute neugierig zu unserer Mom und Minseok.
Unsere Mutter stellte uns beiden eine Tasse heiße Schokolade vor die Nase und ich runzelte augenblicklich die Stirn. Irgendwas ging hier vor sich. Meine Mutter würde nicht im Traum daran denken heiße Schokolade zu machen, weil es ihr 'zu viel Aufwand' war. Mit dieser Methode konnte sie mich höchstens mit sechs überzeugen, nicht mit 15. Natürlich griff Jitae überzeugt nach seiner Tasse. Dieser Junge hatte wirklich kein natürliches Misstrauen. Er war so vertrauenswürdig, dass ich mich schon fragen musste, ob wir wirklich miteinander verwandt waren oder ob bei der Verteilung der menschlichen Verstandes ich alles abbekommen hatte.
Unsere Mutter setzte sich neben Minseok und griff nach seiner Hand. Er lächelte sie sanft an.
"Wir müssen mit euch reden, Kinder." Ich hasste es, wenn sie uns beide mit 'Kinder' ansprach. Als wären wir beide in demselben Alter. Sah sie nicht, dass ich viel älter war als Jitae und damit auch viel reifer? Mich konnte man nicht einfach mit einer Tasse heißer Schokolade überzeugen. Ich stellte die Tasse absichtlich weiter von mir weg. Die Mundwinkel meiner Mutter zuckten kurz, aber sie hielt ihr Lächeln aufrecht.
"Es ist so. Ihr wisst ja, dass eure Mutter und ich schon etwas länger zusammen sind, richtig?" Minseok sah uns beinahe genauso erwartungsvoll an wie unsere Mutter, wenn auch nicht mit derselben Nervosität.
Ich zuckte mit den Schultern. "Ja, wissen wir. War das alles?" Ich stand auf, um wieder in mein Zimmer zu gehen und mich selbst zu bemitleiden, aber meine Mutter machte mir einen Strich durch die Rechnung, indem sie über den Tisch nach meiner Hand griff und mich zurück auf meinen Stuhl zog.
"Genau darüber wollen wir mit euch reden." Ich sah sie aus schmalen Augen an, als sie meine Hand losließ und wieder nach Minseok griff.
"Worüber genau wollt ihr mit uns reden?" Im Nachhinein bereute ich es, diese Frage gestellt zu haben, denn das was danach kam wollte ich auf alle Fälle nicht hören. An jedem anderen Tag wäre es mir zwar nicht egal gewesen, aber es hätte mir nicht noch den letzten Nerv geraubt, so wie an diesem Tag.
"Du hast ein so großes Zimmer, Mihee. Fast schon zu groß für eine Person." Nein... Nein, das kann einfach nicht wahr sein... Bitte, lass es nicht wahr sein. Ich wollte schon zu protestieren anfangen, aber meine Mutter redete einfach weiter. "Das Zimmer, in dem ich schlafe ist zwar nicht so groß, aber das können wir trotzdem schön einrichten." In meinem Kopf konnte ich die Zahnräder arbeiten hören.
Ich sollte mein Zimmer hergeben, weil es für eine Person zu groß war. Ich sollte das Zimmer meiner Mutter bekommen. Meine Mutter zog in mein Zimmer. Daraus schlussfolgerte ich nur eins.
"Ihr wollt zusammenziehen?!" Ich hatte unbewusst die Luft angehalten. Jetzt kam alles mit einem Mal heraus. Mein Herzschlag überschlug sich fast vor Aufregung. Im negativen Sinne. "Das kann nicht eure Ernst sein!"
Minseok griff versöhnlich nach meiner Hand, aber ich zog sie so schnell weg, als hätte ich mich verbrannt. Ich funkelte ihn wütend an und langsam sammelten sich Tränen in meinen Augenwinkeln. Das war wirklich der schlimmste Tag in meinem Leben. Mein Herz schmerzte einmal mehr.
"Es ist nicht so, dass sich irgendetwas verändern würde. Ich fahre euch immer noch jeden Tag in die Schule. Ihr werdet gar nicht bemerken, dass eine Person mehr hier wohnt.", versuchte Minseok zu erklären. Meine Mutter steuerte ihm bei.
"Genau! Nichts wird sich für euch ändern.", sagte sie.
"Außer, dass ich aus meinem Zimmer herausgeschmissen werde und ihr mein ganzes Leben zerstört!"
Ich stürmte aus der Küche und schlug die Tür hinter mir zu. Ich hörte noch wie meiner Mutter sagte "Ich hab dir doch gesagt, dass sie so reagieren wird.", was mich nur noch aggressiver machte.
Ich schnappte meine Jacke, meine Schlüssel und stürmte nach draußen an die frische Luft. Ich lief los ohne genau zu wissen wohin ich überhaupt lief, bis ich schließlich vor einem großen Park stand. Mir war in diesem Moment alles egal. Mir war egal, dass meine Mutter wahrscheinlich durchdrehte vor Sorge, dass sie mich mehrmals versuchte anzurufen und ich wahrscheinlich einen riesen Ärger bekommen würde, sobald ich meinen Fuß über die Türschwelle setzte. Was mir nicht egal war war, dass sie mein Leben einmal mehr auf den Kopf stellte und ich absolut nichts dagegen unternehmen konnte.
Ich hörte Stimmen weiter im Inneren des Parks und kam an einen Basketballplatz. Einige Jungen hatten sich dort getroffen und nutzten das Wetter aus um ein letztes Spiel zu spielen. Sie spielten lediglich im Schein der Laternen, die um den Platz herum angebracht waren. Die Blätter um uns herum raschelte leise, als der Wind durch sie pfiff. Die Jungs waren nur ein paar Jahre älter als ich. 17 oder 18 vielleicht, aber dafür um einiges größer. Ihre Gesichter sah ich nur flüchtig, wenn sie gerade im Licht der Laternen standen. Ich schaute ihnen bei ihrem Spiel zu bis ein Junge aus der Gruppe mich bemerkte, sein Spiel unterbrach, um seine Gruppe zu verlassen und langsam auf mich zu schlenderte.
"Hey, Kleine. Was machst du denn hier? Es wird bald dunkel." Er zeigte gen Himmel, der sich bereits dunkel einfärbte und den baldigen Sonnenuntergang prophezeite.
"Es ist nicht gut für kleine Mädchen so spät noch draußen zu sein." Er baute sich vor mir auf und verschränkte die Arme. Ich tat es ihm gleich.
"Ich kann für mich selbst entscheiden, wann es für mich zu spät ist oder nicht.", sagte ich trotzig. Der Junge vor mir schnaubte.
"Eine kleine Kratzbürste, was?"
Nun hatte auch der Rest seiner Freunde mit ihrem Spiel aufgehört und kamen auf mich zu. Mit jedem Schritt, den sie taten wurden sie größer und ich immer kleiner. Argwöhnisch sahen sie mich an. Ich schluckte. Mein Herz schlug plötzlich schneller.
"Na, wen haben wir denn da?" Ein großer, blonder Junge, der anscheinend so etwas wie der Anführer der Gruppe war, trat nach vorne und grinste mich an. Ich machte einen Schritt zurück und wollte mich gerade zum gehen umdrehen, als noch ein Junge aus der letzten Reihe hervor und in das Licht der Laterne trat.
"Mihee? Was machst du hier?"
"Soomin?"
Soomin trat einen Schritt näher zu mir und reichte mir seine Sportjacke.
"Zieh das an. Du frierst ja.", sagte er. Außer ihm, war nicht einmal mir aufgefallen, dass ich zitterte. Ich nahm seine Jacke zögernd entgegen und schlang sie mir um die Schultern. Der warme Stoff schmiegte sich um meine Schultern.
"Kennst du die Kleine etwa?", fragte einer seiner Freunde, der goße blonde Junge, und Soomin erklärte ihm und dem Rest, dass ich auf seine Schule ging.
"Was machst du hier?" Soomin sah mich neugierig, aber auch etwas besorgt an. Ich atmete tief ein und aus, bevor ich ihn erschöpft ansah.
"Ich weiß es nicht." Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und Soomin seufzte.
"Komm. Ich bring dich nach hause." Ich nickte stumm, obwohl es das genaue Gegenteil von dem war, was ich wollte und ließ mich von ihm wegführen.
Er fragte nicht, warum ich so war, warum ich mich so komisch verhielt. Er ging einfach ruhig neben mir her und führte mich durch den menschenleeren Park bis zur belebteren Straße. Ich sagte ebenfalls kein Wort. In meinem Kopf drehte sich alles. Meine Gedanken waren ein einiziges Durcheinander. Sie sprangen willkürlich von Nari zu meiner Mutter und Minseok bis hin zu Yoongi und wieder zurück in die Gegenwart, in der Soomin beruhigend meine Hand nahm, um mich weiter zu führen und um zu verhindern, dass ich, gedankenverloren wie ich war, vor das nächstbeste Auto rannte.
Nach zehn Minuten laufen in vollkommener Stille meldete sich Soomin zu Wort.
"Wo wohnst du eigentlich?" Ich nannte ihm meine Adresse und er pfiff anerkennend durch die Zähne.
"Wie lange bist du denn gelaufen?" Seine Neugierde konnte er nun also doch nicht mehr zurück halten. Ich zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht." Danach wurde es wieder still. Jetzt da die Sonne immer früher unterging, konnte ich ohne mein Handy, das ich passenderweise ausgeschaltet hatte, nicht einmal sagen, wie viel Uhr wir überhaupt hatten. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich überhaupt draußen gewesen war.
Es dauerte noch eine halbe Stunde bis wir wieder in einer Gegend ankamen, die mir bekannt vor kam. Soomin ersparte mir einige Umwege.
Als wir vor meiner Haustür ankamen, drehte ich mich langsam um. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, wir hatten den ganzen Weg über nicht geredet, was mir ehrlich gesagt auch lieber war, denn sonst hätte ich ihm erklären müssen, was in meinem Leben gerade vor sich ging. Das wäre nicht ohne einen Gefühlsausbruch gegangen und den wollte ich nicht unbedingt an einer Person auslassen, die ich nicht einmal richtig kannte.
Ich reichte ihm seine Jacke und spürte sofort wie sich eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitete.
"Danke...", sagte ich leise und Soomin lächelte sanft.
"Kein Problem."
Ich hätte gerne noch etwas gesagt, um ihm die Situation zu erklären, aber ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Deshalb blieb ich stumm.
Meine Entscheidung ihm alles zu erklären wurde mir sowieso keine Sekunde später mit der sich öffnenden Tür abgenommen. Meine Mutter sah mich aufgebracht an.
"Wo warst du?!" Sie zerrte mich in das Innere der Wohnung, ohne auf Soomin einzugehen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie ihn überhaupt bemerkt hatte. Ich sah ihn noch entschuldigend an, bevor sich die Tür hinter mir schloss und ich den wutschäumenden Worten meiner Mutter zuhören musste.
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