11. Kapitel
"Ich kann euch heute nicht zur Schule begleiten. Ich habe später noch einen Termin und muss deshalb nicht zur Arbeit." Ich war gerade dabei meine Tasche zu packen und aus der Tür zu treten, als mich dieser Satz zum Innehalten brachte.
"Das heißt wir müssen den Bus nehmen?", hakte ich nach, in Gedanken schon dabei herauszufinden, welchen Bus wir nehmen mussten, wo wir aus oder umsteigen mussten, aber Mom schüttelte den Kopf.
"Nein, Minseok bringt euch, wie immer. Er wartet schon draußen.", sagte sie und ich seufzte leise. Meine Mutter sah mich erwartungsvoll an.
"Sei bitte nett zu ihm. Du machst keinen guten Eindruck, wenn du dich immer so abweisend ihm gegenüber verhältst." Ja, wie kam es wohl dazu, dass ich mich so abweisend verhielt? Ich war einfach nicht so schnell zu überzeugen wie Jitae. Dieser warf sich noch einmal unserer Mutter in die Arme und schnellte in der nächsten Sekunde nach draußen.
"Komm schon, Mihee!", rief er mir zu und hetzte die Treppenstufen hinunter. Dieses Kind. Er war so motiviert wie kein anderer, und das so früh am Morgen. Es war mir wirklich unbegreiflich, wie der Junge mit mir verwandt sein konnte.
Ich schlurfte hinterher. Am liebsten wäre ich wieder umgedreht, sobald ich den Mann hinter der Windschutzscheibe zu mir lächeln sah. Ein Seitenblick nach oben zu unserer Wohnung sagte mir allerdings, dass meine Mutter mich aufmerksam beobachtete. Ich bemühte mich also um ein Lächeln und ließ mich auf die Rückbank sinken. Jitae hatte sich bereits mit einem hämischen Grinsen auf dem Beifahrersitz niedergelassen. Normalerweise hätte ich mich darüber aufgeregt und hätte ihm so etwas nicht durchgehen lassen, aber in diesem Fall war ich ihm überaus dankbar.
"Guten Morgen, Mihee.", begrüßte der Mann mich und ich wünschte ihm ebenfalls einen guten Morgen, wenn auch nicht ganz so überzeugt. Ich musste immerhin in die Schule, das war nichts worauf ich mich besonders freute.
Der Rest der Fahrt verlief überraschenderweise zeimlich schnell und ich hatte keine Chance, darüber nachzudenken, wie ich Minseoks Annäherungsversuche abweisen konnte. Jitae trug dazu einen großen Teil zu. Er belagerte Minseok quasi seitdem er das Auto betreten hatte.
Minseok hielt vor dem Schulgebäude, vor dem bereits reger Betrieb herrschte, an und ich wollte einfach nur schnell herausspringen, als der Mann mich aufhielt.
"Warte noch, ich habe noch etwas für dich.", sagte er und ich hielt inne. Ich runzelte die Stirn, als er in den Fußraum hinter Jitae griff und mir eine Schachtel entgegen hielt. Ich nahm es an. Es war so schwer, dass es mir beinahe wieder aus den Händen fiel. Was war denn da drinnen? Ich sah ihn immer noch verständnislos an.
"Dein Laptop. Den brauchst du doch so dringend.", sagte er zwinkernd und mein Mund klappte auf.
"D-danke, aber- aber meine Mom-"
"Mit deiner Mutter ist alles abgesprochen. Ich habe ihn nur besorgt und alles eingestellt. Also keine große Sache." Er lächelte mich noch einmal an, dann meldete sich Jitae zu Wort. Er fing an hibbelig zu werden.
"Können wir weiterfahren?", quengelte er und Minseol lachte herzlich.
"Natürlich.", sagte er. "Hab einen schönen Tag in der Schule, Mihee.", sagte er an mich gewandt und ich sprang schnell auf die Straße, das schwere Packet mit dem Laptop in den Händen. "Wiedersehen... und danke... wirklich.", sagte ich schnell und schlug die Tür hinter mir zu, bevor der Mann noch etwas hätte erwiedern können.
Ich drehte mich einfach um und ging mit schnellen Schritten auf das graue Gebäude zu. In meiner freien Hand hielt ich bereits den Stundenplan. Musik. Schon wieder. Aber immerhin wusste ich jetzt wo ich hingehen musste. Ich ging zielstrebig auf die Räume zu, wurde aber plötzlich am Arm aufgehalten. Ein blonder Junge blickte mir entgegen.
"Hey.", sagte er nur und ich hob die Augenbrauen in die Höhe.
"Hey?", sagte ich etwas verunsichert und der Junge lachte leise.
"Brauchst du wieder Hilfe mit deinem Stundenplan?", fragte er und ich erkannte ihn wieder als den Jungen, der mir am Vortag den Weg zu den Musikräumen gezeigt hatte.
Ich lächelte ihn dankbar an.
"Danke, aber ich kenne den Weg mittlerweile.", sagte ich und der Junge zwinkerte kurz. Er klopfte mir auf die Schulter, und bei der Berührung zuckte ich kurz zusammen. Der Junge hatte Kraft.
"Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid. Man sieht sich, Mihee." Er winkte mir noch einmal zu und ich ging, ohne weiter darüber nachzudenken, woher er meinen Namen kannte und wie er überhaupt hieß weiter. Auf meinem Weg sah ich ein paar Schüler, die mich anstarrten und ich runzelte die Stirn. Mein Blick glitt verunsichert an meiner Kleidung hinunter. Hatte ich irgendetwas mit der Schuluniform falsch gemacht? Oder prangte irgendwo ein fetter Fleck auf meiner Bluse? Ich konnte zumindest nichts feststellen. Warum starrten mich alle so an?
Die Blicke verfolgten mich auch noch bis zu den Musikräumen. Einmal aufgefallen, konnte ich sie einfach nicht mehr ignorieren und so wurde ich mit jedem Schritt unsicherer.
Der Musikraum war geradezu meine Rettung. Ich betrat den Raum und fing bereits an zu grinsen. Yoongi saß wie erwartet auf seinem Platz in der letzten Reihe und ich ließ mich wie selbstverständlich auf den Platz neben ihn sinken. Er zuckte nicht einmal zusammen.
Ich begrüßte ihn kurz, worauf er allerdings auch nicht viel erwiederte. Er war voll und ganz auf die Noten vor ihm konzentriert. Seine Unachtsamkeit nutzte ich dazu aus meine Kleidung von oben bis unten zu begutachten. Auch nach eingehendem Betrachten konnte ich keinen Grund feststellen, warum mich alle Schüler angestarrt hatten. Meine Kleidung saß perfekt und auf keinem Millimeter konnte ich einen Fleck finden. Alles war gut. Auch meine Frisur saß tadellos. Ich seufzte.
Yoongi hatte sich immer noch nicht bewegt. Seine Augen lagen ausschließlich auf seinem Laptop. Ich beobachtete ihn interessiert dabei und schüttelte dann lachend den Kopf. Das Packet mit meinem Laptop hielt ich immer noch in den Händen und ich machte mich daran es aufzumachen. Wenn ich jetzt einen Laptop hatte, konnte ich ihn ja auch jetzt schon benutzen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass es viel länger dauern würde, bis ich einen eigenen Laptop haben würde. Meine Mutter war in dieser Frage ja bekanntlich sehr streng. Aber Minseok hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich fragte mich, wie sie wohl auf diesem Betrug reagieren würde. Die Reaktion würde wohl bis heute Abend warten müssen. Ich konnte davon ausgehen, dass Minseok auch an diesem Abend wieder mit uns essen würde.
Ich nahm den silbernen Laptop vorsichtig aus seiner Tasche und stellte ihn auf den Tisch. Erst da zeigte sich eine erste Reaktion seitens Yoongi. Sein Mund klappte auf.
"Woher hast du den denn?", fragte er und hatte schon in der nächsten Sekunde den Laptop zwischen den Fingern. Ich konnte noch nicht einmal protestieren. Yoongi konnte den Blick noch nicht einmal abwenden, als ich mit meiner Hand vor seinem Gesicht wedelte. Seine Augen waren vollkommen auf den Laptop, meinen Laptop fixiert.
Ich schnappte ihn mir wieder zurück. "Das ist mein Laptop, wie sieht's denn sonst aus?", fragte ich sarkastisch. Yoongi schnaubte und nahm den Laptop einfach wieder aus meinen Händen. Dieses Mal ließ ich es zu. Er würde soweiso keine Ruhe geben, bevor er es sich nicht genau angeschaut hatte, da konnte ich es ihm auch direkt erlauben. "Das seh ich, aber woher hast du so ein Teil?", fragte er und ich schüttelte belustigt den Kopf. "Gekauft, wie sonst?", sagte ich und schnalzte dann ergebend mit der Zunge. "Das heißt, ich hab ihn mir nicht selbst gekauft, dazu hab ich kein Geld, aber der Freund meiner Mutter hat das Ding besorgt." Es war beinahe schon erschrecken, wie unnormal natürlich mir diese Worte über die Lippen kamen. Der Freund meiner Mutter. Der fiese Nachgeschmack ließ immerhin nicht lange auf sich warten.
Yoongi sah mich derweil verständnislos an. "Das Ding? Du weißt gar nicht, was du da vor dir hast, stimmt's?", sagte er, plötzlich verstehend und ich veschränkte die Arme. "Das ist ein Laptop, Dummerchen." Yoongi fing beinahe hysterisch an zu Lachen. "Das ist nicht nur ein Laptop. Das ist der Laptop schlechthin. Das beste Modell. Ganz neu auf dem Markt und ich kann dir versichern, dass du dafür ganz sicher kein Geld gehabt hättest." Ich hob die Augenbrauen und betrachtete mein neues Eigentum eingehender. Ich konnte wirklich nicht feststellen, was an dem Teil besonders sein sollte oder warum Yoongi ein so großes Interesse daran zeigte. Es hatte einen Bildschirm und eine Tastatur wie jeder andere Laptop auf dieser Erde auch. Wenn ich ihm glauben konnte, war es allerdings teuer genug, um mir die Haare zu Berge stehen zu lassen. Minseok hatte sich ohne jeden Zweifel selbst übertroffen. Und Mom würde alles andere als begeistert sein... Wenn sie es herausfand.
Wenn ich ihr sagen würde, das Minseok wahrscheinlich sehr viel Geld dafür ausgegeben hatte, wäre ich den Laptop schneller los, als ich ihn gehabt hatte und das wollte ich nun wirklich nicht riskieren.
Ich seufzte und schaltete das Gerät an. Währenddessen wurde ich genaustens beobachtet und zwar von keinem anderen als meinem Sitznachbarn. Ich verdrehte die Augen.
"Willst du jetzt sicher gehen, dass ich alles richtig mache? Keine Sorge, ich weiß wie man mit einem Laptop umgeht.", sagte ich, wahrscheinlich etwas bissiger als beabsichtigt und Yoongi runzelte prompt die Stirn, sagte aber nichts. Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu, zumindest sollte ich das denken, denn aus den Augenwinkeln konnte ich immer noch spüren, dass seine Augen auf mir lagen.
Ich atmete tief ein und stieß die Luft geräuschvoll wieder aus, als Mr. Song verspätet den Raum betrat. Er ließ sich wie üblich entspannt auf seinem Platz nieder und ließ uns Schüler in Ruhe arbeiten. Anscheinend stimmte es wirklich, was Yoongi gesagt hatte. Offensichtlich ließ er uns wirklich bis zu den Abgabeterminen frei arbeiten ohne uns unnötigen Stress zu machen. Das sollte mir nur Recht sein.
Es verging bestimmt eine halbe Stunde in der wir so ruhig auf unseren Plätzen saßen und arbeiteten. Bei mir ging es nur langsam voran, weil ich mich immer noch an die Sprache gewöhnen musste. Mr. Song ging ab und zu durch die Reihen und spähte über unsere Schultern. Er warf auch einen Blick auf meinen Bildschirm und nickte anerkennend. Er lächelte mir aufmuntend zu. Das fasste ich dann mal als gutes Zeichen. Plötzlich sprang eine Anzeige auf den Laptop und ich fluchte leise. Minseok hatte das System natürlich nur auf koreanisch eingestellt. Sprechen konnte ich koreanisch auch ganz gut, aber wenn es dann ums Lesen oder gar ums Schreiben ging, sah die ganze Sache schon wieder etwas anders aus. Schließlich hatte ich mein ganzes Leben bis jetzt in Deutschland verbracht, praktisch gesehen hatte ich also keine Ahnung.
Ich schielte verstohlen zu Yoongi, aber nun war er anscheinend wirklich in seine Arbeit vertieft. Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe. Zu meinem Glück, oder Pech, wie man es eben nimmt, merkte Yoongi, dass ich aufgehört hatte und blickte von seinem Bildschirm auf. Er zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Sein Blick fiel auf meinen Bildschirm und die Anzeige und ein schiefes Grinsen trat auf sein Gesicht.
Er lachte leise. "So viel zum Thema 'Ich kann das schon'", sagte er belustigt und ich wurde rot. Er griff über mich hinweg zu der Maus, klickte ein paar Mal und ließ die Anzeige verschwinden. "Danke.", sagte ich kleinlaut und der Junge grinste von einem Ohr zum anderen. "Hab ich gerne gemacht.", sagte er augenzwinkernd. Dann wendete er sich wieder seiner Arbeit zu, ohne dass das Grinsen auch nur eine Sekunde von seinem Gesicht wich. Nicht eine einzige Sekunde. Ich atmete tief ein.
Das Schuljahr hatte gerade erst angefangen.
Tut mir leid für das etwas langweilige Kapitel, ich hoffe ihr hattet trotzdem Spaß beim lesen!
Eure hope_ful
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