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Ein echtes Wunder, dass das hier im Kellerwald gerade noch so anders gesehen wurde.
Doch die dachten wohl, ein weiblicher Werwolf könnte gut auch noch die Mate von jemandem werden ... oder vielleicht hatte es auch jemand behauptet, dass sie es bereits sei, ... seine Mate.
Das zumindest würde erklären, warum Alpha Kator sie nicht endlich doch noch aussonderte und ständig versuchte, sie in sein Rudel zu zwingen, sie zum Reden zu bringen, zum Wandel, zum Walken, ... egal.
Naeli schluckte hart, schluckte und schluckte.
Denn ja ...
Sie hatte immer noch viel zu große Angst vor ihm.
Am schlimmsten war es, wenn er auf einmal unmittelbar vor ihr auftauchte und sie einfach irgendetwas fragte.
Sie antwortete ihm natürlich nie, doch ab und zu wollte sie ihn dann einfach nur erschrocken anbrüllen, sie gefälligst in Ruhe zu lassen.
Aber ... Nicken oder Kopfschütteln, ... mehr erlaubte sie sich nicht.
So wie seit Anbeginn ihrer Sklaverei. Denn so war und blieb sie nur ein unwichtiger Omega, den der mächtige junge Kellerwald-Alpha getrost ignorieren konnte.
Ja, ... er und auch sein Rudel. Und nichts anderes wünschte sie sich jetzt noch. Nur, dass das Monster sie schlicht in Ruhe ließ.
Denn er war wild, kämpferisch, hart und brutal, ... eben ein echter geborener Werwolf und damit allzu leicht aufbrausend.
In ihrem ersten Vierteljahr hatte er auf dem Schulhof nicht weniger als vier Werwölfe des eigenen Rudels getötet, weil sie nicht gut genug gewacht hatten und Naeli vier Mal an ihnen vorbei und entkommen war, und doch niemals aus dem inneren Ring heraus, denn ohne sich zu wandeln, war sie nur wie ein schwacher kleiner Mensch ... langsam ... schwerfällig ... leicht einzuholen und wieder zurückzuschleifen.
Doch Kator war es absolut gleichgültig gewesen, wie und warum sie entkommen war. Er duldete kein Versagen im inneren Ring.
Man tuschelte auch viel über ihn. Viel Grausiges und Hartes. Er hatte bereits im zarten Alter von 14 Jahren sechzehn ausgewachsene und starke Leader und Hauptmänner seines verstorbenen Babas im Alleingang getötet, weil diese ihn und auch seine Mahmen angegriffen hatten, um den Alpha-Zweig nun restlos auszumerzen, während sie selbst damals noch in dem Kellerloch angekettet gehockt und jeden Tag zusammengeprügelt worden war, nur damit sie ihren Herren zukünftig besser diente, still war, sich vollständig unterwarf und sich am besten auch gar nicht mehr verwandelte.
Oh ja ... Sie erinnerte sich noch immer sehr gut daran, wie sie dann Jahre später nackt und schmutzig und zitternd vor Angst vor ihm gekniet hatte, mit den schweren Ketten und dem eisernen Halsring, einzig bewaffnet mit einer mickrigen Rasierklinge, die er ihr aber nach einem ersten tiefkehligen Knurren blitzschnell entwunden hatte.
Sie hatte es damals nicht noch einmal gewagt, ihn anzusehen, egal, ob er es ihr nun befahl oder nicht. Denn seine Augen glühten, wie bei einem Rogue-Dämon, grellrot auf und auch heute hatte sie oft noch arge Probleme damit, ihm direkt ins Gesicht zu blicken, selbst wenn er das immerzu von ihr verlangte und auch nicht lockerließ, bis sie es wenigstens kurz tat.
Doch, wenn sie ihm dann in die Augen sah, stellten sich all ihre Nackenhaare auf und sie bekam fast schon Bauchschmerzen ... vor Abscheu.
Doch er war ja zum Glück sehr oft weg. In Rudelangelegenheiten ... oder neulich zur Unterstützung der Verbündeten in Bayern. Da hatten sie sogar außerhalb der Territorien agiert und gekämpft. Das war gut gewesen.
Er war viele Tage am Stück nicht da gewesen, ebenso wenig Beta Ronno und sie hatte noch einmal einen fast erfolgreichen Fluchtversuch starten können. Blöd nur, dass Gerald sie noch vor der Grenze ins Außerhalb erwischt und zurückgebracht hatte. Darum war dann auch er nun der Tic geworden und Benn wieder nur Leader. Er hatte nicht gut genug auf sie aufgepasst, hatte Kator grimmig gemeint und ihr dann wieder einen Vortrag darüber gehalten, dass sie als Werwolf unmöglich zurück zu den Menschen gehen konnte ... Wusste sie schon ... danke ... hatte sie auch nicht wirklich vorgehabt, sich noch längere Zeit dort aufzuhalten ...
Doch hatte der Tic sie danach so sehr im Auge behalten, dass jeder weitere Fluchtversuch schon im Keim ersticken musste. Und Kator schüttelte nur wieder über ihr Unverständnis den Kopf ... und sie fragte sich, warum dem Idioten nicht auffiel, dass er es mit einer geborenen Wölfin, statt mit einem popeligen Menschen zu tun hatte. Die hätten das alles niemals überlebt, was Oswald und seine Söhne ihr angetan hatten. Doch er sah es nicht, wollte nur immer mehr, dass sie sprach, walkte, ins Rudel kam ... und sie ... wollte ihm nur noch aus dem Weg gehen und ihre Ruhe vor ihm zurück. Auch deshalb hatten sich ihre Wege später, außerhalb der Schule, nur selten gekreuzt. Sie entwickelte allmählich einen sechsten Sinn dafür, ihm aus dem Weg zu bleiben, auszuweichen oder sich vorrübergehend unsichtbar zu machen.
Oh, ... und wie sehr sie jetzt schon darauf hoffte, dass die Menschen baldmöglichst wieder für Probleme sorgen würden, damit der Alpha sich dann erneut vorranging darum kümmern musste ...
Doch leider, leider schien die Menschenregierung nun gewechselt zu haben. Mal wieder. Die Neuen hielten sich wieder wesentlich zurück, kamen nicht in die Territorien, mischten sich nirgendwo ein ... Und deshalb war nun wieder vieles anders geworden. Ruhiger für das Rudel, frustrierender für sie. Es wurden kaum noch Grenzübertritte festgestellt. Und wenn, dann meistens nur von dummen Welpen, die sich irgendwie bei der Jagd verlaufen hatten, oder es waren wilde Rogue.
Der Alpha wurde kaum noch weggerufen. Eigentlich schade. Denn für Naeli war alles, was, egal welches Rudel, gegen den Kellerwald unternahm, eine innere Genugtuung. Würden sie sie doch nur komplett auslöschen und in einem Rudelkrieg überrennen ...
Doch dafür waren die hiesigen Wächter wohl zu gut ausgebildet.
Schnell atmete sie durch, um die abscheulichen Gedanken über Mord und Totschlag an ihren Feinden zu vertreiben und schloss die Badezimmertüre rasch hinter sich ab.
Die natürlich ebenfalls geborene Rudelhaushälterin Freya hatte ihr wie immer frische Kleidung auf den kleinen Schrank gelegt, ein frisches Handtuch und Waschsachen.
Sie gehorchte dem täglichen Ablauf, den man ihr, übrigens fast genauso fies und verächtlich wie ihre ehemaligen Herren, beigebracht hatte ... Zähneputzen, Haare kämmen, Zopf binden, Gesicht waschen, anziehen. Die Schuhe würde sie erst draußen im Freien anziehen dürfen. Doch was genau sie da jetzt am Leibe trug, was wie ein nasser Sack an ihr herunterhing, weil viel zu groß, war ihr im Grunde schnurzegal. Es hatte keinerlei Bedeutung mehr für sie, wie sie aussah, wie sie wirkte und ob sie jemandem gefiel.
Ein flüchtiger Blick in den Spiegel offenbarte dann auch nur ihr viel zu schmales, bleiches Gesicht.
Freya hatte ihr das zu lang gewachsene Haar inzwischen etwas abgeschnitten. Auch unter Zwang. Rono und der Alpha hatten sie dabei festgehalten und eigentlich hatte sie es ja ratzekurz scheren wollen, doch das hatte Kator dann doch nicht erlaubt. Nun reichte es ihr also bloß noch den halben Rücken hinunter und wellte sich sehr.
Na ja, ... war letztlich wohl besser so.
Wie oft hatte der alte Herr sie an den viel zu langen Haaren hinter sich her geschleift wie einen räudigen Köter? Wie oft hatte der Sohn des alten Herrn sie daran zurückgezerrt, sodass sie hart zu Boden gestürzt war? Unwillkürlich schluckte sie erneut und begann mal wieder zu zittern.
Da klopfte es plötzlich laut und energisch an die Tür.
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