Kapitel 16 - Vorwürfe
Am nächsten Morgen saß ich mit einem Lächeln am Ravenclawtisch.
Der gestrige Abend ging mir nicht mehr aus dem Kopf, unser Spaziergang zum See, wie wir am Ufer gesessen hatten und redeten, und schließlich das Abendessen in der Küche.
Viel zu lange hatten wir dort, dafür das es unter der Woche war, gesessen. Unterhalten hatten wir uns nur über unverfängliche Dinge. Tom hatte alle Themen gemieden, bei denen er wohl befürchtete, ich könne erneut in Tränen ausbrechen.
Trotz dass ich heute, durch das lange aufbleiben, ziemlich müde war, hatte ich sehr gute Laune.
Tom und ich konnten miteinander sprechen, auch wenn wir uns noch lange nicht über alles was relevant war unterhalten hatten, hatten wir dennoch einen Anfang gewagt.
Eine zusammengerollte Zeitschrift, die -wohl von einer Eule, die über mir kreiste, abgeworfen worden war- landete laut vor mir auf dem Tisch und ließ mich zusammenzucken.
Mit einem Seufzen griff ich nach dem Tagespropheten und hob meinen Blick, um nach Mariannes dunkel gefiederter, riesigen Eule Ausschau zu halten. Nach ihrem letzten Brief, der mich ziemlich nachdenklich gestimmt hatte, war nichts mehr gekommen und ich fragte mich, was noch alles in ihrem Kopf vor sich ging.
Kopfschüttelnd rollte ich die Zeitung schließlich auseinander und ließ meinen Blick über die vielen Artikel schweifen.
Es hatte einen Angriff in London gegeben. Eine Gruppe von Zauberern hatte fünfzehn Muggel getötet, und noch viel mehr waren verletzt worden.
Mein Magen zog sich vor Unbehagen zusammen.
Viel war nicht darüber bekannt, die Zauberer, die dies getan hatten, waren allesamt entkommen, weshalb man mit weiteren Angriffen rechnete.
Dieser krankhafte Hass auf Muggel war einfach etwas, was ich absolut nicht nachvollziehen konnte.
Auch nicht in dem Wissen, dass es auch unter den Nichtmagischen Menschen gab, deren Vorstellungen einfach absurd waren, sowie die derer, die meine Tante ermordet hatten.
Dennoch, niemals würde ich darauf kommen, durch die Stadt zu gehen und wahllos unschuldige Menschen zu töten.
Fest presste ich meine Lippen zusammen und legte den Propheten heftiger zur Seite, als ich es eigentlich vorgehabt hatte.
Marie, welche neben mir saß, blickte mich durch ihre nussbraunen Augen fragend an.
Als Antwort schob ich ihr die Zeitung zu und stieß einen leisen Seufzer aus.
Meine Augen brannten, doch noch immer konnte ich es nicht bereuen, so spät zu Bett gegangen zu sein. Auch wenn die Müdigkeit mit einem bleiernen Gefühl auf meinen Gliedern lag und alles dadurch anstrengender zu werden schien.
Wie von selbst glitt mein Blick durch die große Halle zum Slytherintisch.
Tom schien auf etwas, das Dimitri und Adrian besprachen, konzentriert zu sein und bemerkte mich somit nicht.
Dafür begegnete ich einem anderen Augenpaar, einem blauen, das mich ziemlich verärgert musterte.
Es war Elisa und ihre Abscheu, die wohl mir zu gelten schien, war nicht zu übersehen.
Zuerst Lea, die mich durch meine Beziehung zu Tom abgrundtief hasste, und nun auch noch dieses Mädchen. Dabei reichte es mir eigentlich schon, eine Slytherin als meine Feindin bezeichnen zu können.
Skeptisch erwiderte ich für einen Moment ihren Blick, und hob meine Augenbrauen, was den Ausdruck in ihrem Blick nur noch giftiger werden ließ.
Da ich nicht das Bedürfnis hatte, mich auf dieses sonderbare Blickduell einzulassen, sah ich einfach wieder von ihr weg, geradewegs zu Charlotte, welche mir gegenüber saß. "Wer ist denn die?", erkundigte die Rothaarige sich und machte mir so deutlich, dass sie unseren Blickwechsel bemerkt hatte.
Kaum merklich schüttelte ich meinen Kopf, um die Gedanken daran, wie sie mit Tom in Verbindung stand, loszuwerden. "Später.", erwiderte ich nur und musste ein Gähnen unterdrücken.
Jetzt mit Lotte auszudiskutieren, wer diese Schlange war, wollte ich nun wirklich nicht. Schon gar nicht wenn so viele zusätzlich Ohren anwesend waren.
Der Vormittag -bestehend aus Arithmantik und Zauberkunst- verging rasch, genauso wie die darauf folgende Mittagspause.
Schließlich machte ich mich zur Bibliothek auf, um dort meine Freistunde zu verbringen, in der ich schon einmal die Hausaufgaben machen wollte, die Flitwick uns für nächste Woche aufgegeben hatte.
Als ich sah, wer gerade vor mir um die nächste Ecke bog, spürte ich wie meine Glieder sich für wenige Sekunden anspannten, bevor ich meinen Schritt beschleunigte.
Als ich mit Amanda auf gleicher Höhe war, schlang ich meine Finger um ihren Ellbogen, um sie am Weitergehen zu hindern.
Sie zuckte zusammen, und sah mich für einen Moment mit geweiteten Augen an, bevor sich ihr Blick verengte. "Was?", fragte sie patzig und entzog sich meinem Griff.
Ärger wallte in mir auf, doch mit einem tiefen Atemzug drängte ich ihn zurück. "Ich verstehe, dass du sauer bist, doch nicht mit mir zu reden, ändert rein gar nichts.", entgegnete ich und sah sie bittend an.
Die Blonde presste ihre Lippen aufeinander und musterte mich. "Nein, du verstehst es eben nicht, Kate.", erwiderte sie und klang dabei bitter.
Ablehnend schüttelte ich meinen Kopf "Ich hätte dich nicht anlügen sollen, ich weiß, es tut mir wirklich leid.", versuchte ich ihr begreiflich zu machen.
Schnaubend trat sie einen Schritt zurück "Natürlich tut es das.", zischte sie "Du hast doch gar keine Ahnung. Es geht immer nur um dich! Die Hälfte unseres Jahrgangs ist interessiert an dir, jeder fühlt sich zu dir hingezogen, zu der tollen Katharina, die immer alles richtig macht!", fuhr sie mich an.
Verwirrt und überrumpelt hielt ich inne und starrte sie an "Das ist doch gar nicht wahr.", versuchte ich mich zu verteidigen und spürte wie ihre Worte mich trafen.
Ihre blauen Augen schienen Funken zu sprühen "Es ist wahr. Und du weißt es nicht mal. Die süße, kleine Kate.", ätzte sie "Dabei bist du nicht mal besonders schön oder irgendwie anders auffällig, und trotzdem bist es immer du.", schnaubte sie und schüttelte ihren Kopf.
Ohne dass ich es meinem Körper bewusst befahl, wich ich zurück und fühlte mich, als hätte sie mir eine Ohrfeige verpasst. Ich sah zu ihr auf und war mir sicher, dass der Schmerz den ihre Worte in mir ausgelöst hatte, deutlich in meinen Augen zu sehen war.
Amandas Augen weiteten sich, als ihr bewusst wurde, was sie soeben gesagt hatte "Ich...", sie stockte, schien nach Worten zu suchen, die beschreiben würden, was in ihr vor sich ging.
Doch ich wollte nichts davon hören. Eilig drehte ich mich um und stürmte den Flur entlang, spürte wie meine Augen mit jedem Schritt begannen mehr zu brennen. Erst als ich durch die große Flügeltür nach draußen trat, bemerkte ich, wo ich war und hielt inne.
Das Letzte, was ich wollte, war irgendwem über den Weg zu laufen. Seit langen verspürte ich wieder den Wunsch, mich in meine Animagusgestalt zu verwandeln und all das, was viel zu schnell durch meinen Kopf jagte, einfach auszuschalten. Nur würde die Freistunde nicht ewig dauern, und egal wie wenig mir auch gerade danach war, in den Unterricht zu gehen, konnte ich nicht einfach schwänzen.
Mit zittrigen Atem lehnte ich mich an die raue Schlossmauer neben der Tür und rieb mir schniefend mit dem Handrücken über meine nassen Wangen.
Also war Amanda nicht sauer, weil ich sie bezüglich des Gesprächs angelogen hatte, sondern weil Mike mich und nicht sie mochte.
"Alles in Ordnung.", hörte ich eine zögerliche Stimme.
Eilig schaute ich auf und blickte mich eilig um, es war Abraxas mit einem besorgten Ausdruck in seinen blauen Augen an.
Wieso war er hier? Es war mir unheimlich unangenehm, dass er mich so völlig aufgelöst sah. "Ja, geh bitte.", flüsterte ich mit belegter Stimme.
Seine Hand erschien in meinem Sichtfeld, zwischen seinen Fingern hielt er ein Taschentuch. "Nichts für ungut, aber wenn ich dich in diesem Zustand allein lasse, macht Tom mich einen Kopf kürzer.", entgegnete er mir scherzhaft.
Dabei war uns beiden die Wahrheit seiner Worte klar. Ein heiseres Schmunzeln entkam meinen bebenden Lippen "Danke.", murmelte ich und griff nach dem Tuch, womit ich mir geräuschvoll die Nase putzte. "Wieso bist du hier?", erkundigte ich mich dann und wischte meine Tränen weg, die langsam aufhörten, aus meinen brennenden Augen zu fließen.
Als ich wieder aufblickte, sah ich wie er mit den Schultern zuckte "Ich habe dich durch den Korridor rennen sehen.", erklärte er mir und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.
Das Taschentuch verstaute ich in meiner Manteltasche, da ich bezweifelte, dass er es in diesem Zustand wieder haben wollte "Tut mir Leid.", flüsterte ich und starrte wieder zu Boden. Wieso musste ich alles falsch machen, ich wollte nicht, dass Amanda so schlecht von mir dachte. Wie lange hatte sie bloß schon so ein negatives Bild von mir?
Mein Gegenüber schnaubte "Weil du weinst? Ist schon gut.", er machte sich über mich lustig, das entnahm ich seinem Ton sofort, doch es war mir egal.
Mit noch immer wässrigen Augen blickte ich ihn wieder an "Ich hasse es zu weinen.", teilte ich ihm ausdruckslos mit.
Der Blonde zuckte mit den Schultern "Dann tu es nicht.", entgegnete er mir ebenso trocken.
Seine Worte ließen mich auflachen, so etwas konnte auch wirklich nur ein Mann sagen. "Den Tipp werde ich mir merken.", erwiderte ich voller Ironie.
Mit zuckenden Mundwinkeln schüttelte er seinen Kopf "Willst du mir sagen, was passiert ist? Wenn du magst, kann ich den jenigen eine Lektion erteilen.", nun sah er wieder vollkommen ernst aus.
Leicht lächelte ich ihn an "Nimm es mir nicht böse, doch mein Bedürfnis, mit dir darüber zu sprechen, hält sich in Grenzen.", meinte ich und erwiderte seinen Blick entschuldigend. Kaum zu glauben, dass dies der selbe Junge war, den ich im dritten Schuljahr Kopfüber in der Luft hatte baumeln lassen, weil er Antony beim Quidditch vom Besen gestoßen hatte.
Meine Worte schien er mir nicht böse zu nehmen, stattdessen lachte er auf "Würde ich nie.", behauptete er und ich glaubte Erleichterung in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Sich mit den Problemen von weinenden Mädchen herumzuschlagen schien jetzt nicht auf der Liste von dem zu stehen, was er sich für den Tag vorgenommen hatte.
Seufzend legte ich meinen Kopf nach hinten gegen die Mauer und schloss meine Augen. Ich fühlte mich wirklich elendig. Vor allem wusste ich nicht, was ich über Amandas Vorwürfe denken sollte. Sie war meine Freundin, und das sie so etwas zu mir sagte, tat weh, es tat sehr weh.
Obwohl ich zuvor eigentlich nur allein hatte sein wollen, tat es auf eine eigenartige Art und Weise gut, dass jemand hier war.
Mein gestriger Überfall auf Tom, bei dem auch Abraxas anwesend gewesen war, kam mir wieder in den Sinn. Was der Blonde wohl über mich dachte?
Eine ganze Weile standen wir da, und ich rechnete es Abraxas wirklich hoch an, dass er hier bei mir blieb. Irgendwie tat es gut, nicht ganz allein zu sein, auch wenn ich ihm nun wirklich nicht mitteilen wollte, was in mir vor sich ging.
Gedankenverloren holte ich meinen Zauberstab hervor und informierte mich nach der Uhrzeit. "Ich muss los.", seufzte ich.
Überarbeitet
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