Kapitel 30
Lucinda
Seine Finger schmiegten sich warm in die Meinen. Es war gefühlt das erste Mal, dass wir Hand und Hand gemütlich unserem Tag ausklingen ließen. Dafür kannten wir uns einfach noch nicht lange genug, beziehungweise waren wir noch nicht wirklich lange zusammen.
Umso schöner war es auch.
»Erzähl mir was«, forderte ich und zerbrach damit die zarte Stille zwischen uns.
Álvaro seufzte. »Was soll ich dir denn erzählen?«
War das nicht immer die Standardantwort auf solche Fragen?
»Hm«, machte ich ich. »Vielleicht etwas aus deiner Kindheit.«
»Lass mich mal überlegen.« Mein Freund dachte nach, während wir durch die Straßen in Richtung Strand streiften. »Ich könnte dir von meinem ersten Mal Trinken erzählen. Also direkt von der Vene.« Unsicher lachte er. »Oder wäre das zu komisch?«
Ich sah ihn an und grinste. »Nö, klingt spannend.«
Natürlich wusste ich das bereits. Es war schon ziemlich armselig, wie ich den Vampir belog. Aber mir war bewusst, dass ich ihm nicht die Wahrheit sagen konnte. Er würde mich hassen.
Und das zurecht.
Doch eben weil ich ihn so sehr liebte und auch selbstsüchtig war, konnte ich nicht riskieren, es Álvaro zu sagen. Dafür war er mir einfach viel zu wichtig.
»Also, ich denke, dir ist bewusst, dass wir im Kleinkindalter noch nicht beißen, um an Blut zu kommen«, begann der Vampir.
Ich nickte. »Ergibt Sinn.«
»Zumal wir keine Fänge besitzen, solange wie noch Milchzähne haben«, fuhr er fort. »Im Alter von fünf bis sechs Jahren fallen sie uns erst aus und unsere richtigen Zähne wachsen. Sobald wir diese haben und die Eckzähne auch nadelspitze Fänge sind, dürfen und können wir auch erst beißen.«
Ich tat, als würde ich überlegen. »Aber wie kommt ihr davor an Blut? Ich meine, ihr braucht es ja teilweise täglich.«
»Gute Frage, simple Antwort.« Álvaro lächelte mich von der Seite an. »Zunächst brauchen wir in dem jungen Alter nicht ganz so viel Blut. Das kommt meist erst später. In der Zeit davor bekommen wir das Blut tatsächlich im Glas. Meist wird es den Menschen vom Handgelenk abgezapft. Mit einem Messer einen raschen Schnitt in die zarte Haut und das Blut wird aufgefangen. Wenn es genügend ist, lecken wir meist drüber, um die Wundheilung zu beschleunigen. Sprich, anfangs haben wir das Blut noch aus dem Glas bekommen.«
»Okay.« Ich strich federleicht mit meinem Daumen über seine Hand, wohlwissend, was ich damit anrichten konnte.
Knurrend bedachte Álvaro mich mit hungrigen Blicken. Hungrig in zweierlei Hinsicht. Er begehrte sowohl mein Blut als auch meinen ganzen Körper.
Und es war unglaublich, was mein Freund, bezüglich letzterem, für eine Selbstkontrolle besaß. Zwar war es letztem Freitag heiß her gegangen, dennoch hatten wir nicht miteinander geschlafen. Anfangs hatte ich mich zurückgewiesen gefühlt, als er meine Hände sanft gepackt und mir gesagt hatte, dass wir nichts überstürzen sollten. Doch dann war mir klar geworden, dass Álvaro es von Zuhause gewohnt war, theoretisch erst nach den sechs Monaten Eingewöhnungszeit mit jemandem Sex zu haben.
Zwar traf das nicht ganz auf Lorenzo und ihn zu, doch das war etwas Anderes gewesen - ich selbst sollte dies am besten wissen, schließlich hatte ich es geschrieben. Jedoch glaubte ich, dass auch die beiden ein paar Monate gewartet hatten.
Denn auch wenn ich Álvaro gefühlt ewig kannte, muss ich mir eingestehen, dass das andersherum nicht der Fall war. Für ihn war ich vermutlich fast noch eine Fremde, die er erst seit Kurzem kannte und auch erst kennenlernen musste. Dazu hatte mein Freund alles Recht der Welt.
»Das erste Mal richtig wie ein echter Vampir Blut zu trinken, ist etwas ganz Besonderes«, riss Álvaro mich aus meinen Gedanken und blickte wieder nach Vorn. »Es ist eine Art Ritual. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Der ganze Flur zur Blutkammer war mit Kerzen hell erleuchtet. Mein Vater hat mich dann bist zur Tür gebracht. Anschließend wurden mir die Augen verbunden und ich durfte in den Raum und das erste Mal trinken. Richtig trinken. Irgendwie, ich weiß nicht, das Blut hat besser geschmeckt, zumal ich genau die richtige Temperatur hatte, und ...« Plötzlich hielt er verlegen inne. »Und ja. Naja. Mehr gibt's dazu eigentlich nicht zu sagen.«
»Bist du sicher?« Ich legte den Kopf schief.
Wieder begann Álvaro zu grinsen. »Defintiv. Außerdem will ich lieber das machen.« Er blieb unvermittelt stehen und drängte mich an die Hauswand.
Die Sonne ging langsam hinter den Häusern unter und die letzten Strahlen tauchten unsere kleine Stadt in warme Töne. Hier und da flackerte auch schon die ein oder andere Straßenlaterne auf. Ich wusste nicht, wieso, aber dies war meine Lieblingszeit des Tages. Dieses Lichterspiel war jedes Mal aufs Neue faszinierend und ich liebte es, wie diese Farben dann wieder verblassten und der Himmel das tiefe Schwarz einnahm. Es war, als würde er sich jede Nacht reinwaschen. Die Farben zu einer mischen, sie mit Tintenschwarz vereinheitlichen und am morgen wieder den leuchtenden Tönen übergeben, die dann in ein tiefes Blau abdrifteten.
Nun ja, spätestens jetzt wäre auch klar, welch Schwäche ich für Farben hatte.
Álvaro hob seine Hand und strich mir damit mein graues Haar aus dem Gesicht, als ich sanft zwischen ihm und der Mauer stand - unsere Körper nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
»Und was wäre das?« Regelrecht herausfordernd blickte ich ihn von Unten an.
Anstatt einer Antwort küsste er mich. Zärtlich fanden seine Lippen die meinen. Sie waren so unglaublich weich. Und schmeckten so verführerisch. Jedoch hielt der Moment nur kurz an. »Ich liebe dich, Mireyna.«
Ich schmiegte mich an ihn. Wie oft hatte ich im Bett gelegen, über die nächsten Stunden in meinem Buch nachgedacht und mir vorgestellt, dass er genau diese Worte zu mir sagen würde? »Yo también amo?«, fragte ich schüchtern, hoffend, dass es richtig war.
Seine Lippen verzogen sich zu einem strahlenden Grinsen. »Fast. Es heißt yo también te amo.«
Na immerhin. »Darf ich etwas fragen?«
»Immer, Mireyna.« Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
Unsicher blickte ich ihn an. »Was habe ich, das Rosana nicht hatte? Ich meine, eigentlich stehst du auf Männer, so wie ich es verstanden habe und hast Lorenzo«, Gott, dieser Name tat weh, »ihr eindeutig vorgezogen. Und ich bin nun einmal kein Mann, und ...« Irgendwie geriet ich ins stottern und spürte, wie mir das Blut in das Gesicht schoss.
»Schhh, alles gut.« Er zog mich an seine Brust. »Ich weiß es selbst nicht genau. Anscheinend bin ich doch mehr bisexuell, als ich dachte. Und zu Rosana, sie ...« Jäh erstarrte Álvaro. Sein Griff an meiner Taille wurde eisern.
»Was ist los?« Verwirrt löste ich mich von ihm und blickte ihn an.
»Ich habe dir gegenüber nie Lorenzos Namen erwähnt«, knurrte der Vampir und betonte jede Silbe. »Den von Rosana habe ich hier noch nie verwendet. Nicht ein einziges Mal. Also stellt sich die Frage, woher du diese Namen kennst.«
Schlagartig wich mir alles Blut aus dem Gesicht und mein gesamtes Inneres krampfte sich schmerzhaft vor Panik zusammen. »Ich ...« Zwar suchte ich hektisch nach einer Lüge, doch ich fand keine.
Toll, Lucinda. Wirklich raffiniert.
Das war das Problem, wenn man nicht die Wahrheit sagte. Es kam immer raus. Zwar manchmal nicht sofort, aber man kam damit nie durch.
Ich hätte es wissen müssen.
»Ich sagte. Woher kennst du diese Namen?!«, fauchte er jetzt und presste mich plötzlich hart gegen die Mauer.
»Du hast sie genannt, als du uns von deiner Schwester erzählt hast«, log ich verzweifelt. »Du hast gesagt, dass sie sechs Monate Zeit hat, Lorenzo kennenzulernen und dass das bei dir und Rosana ebenso der Fall wäre, du sie aber nicht willst, weil sie eine Waise ist.«
Seine dunklen Augen glühten vor Wut. »Das habe ich nicht. Ich weiß, was ich wann sage und ich habe mir geschworen, diesen Namen nicht mehr zu nennen.«
Er, dessen Namen nicht genannt werden darf, hehe. Mensch, Lucinda, reiß dich gefälligst zusammen, du hast weiß Gott andere Probleme. Denn Álvaro glaubte mir nicht. Aber wer sollte es ihm verdenken?
Meine Schultern schmerzten. So fest drückte mich der Vampir gegen den Stein hinter mir. »Du tust mir weh«, jammerte ich; nie hätte ich gedacht, dass ich einmal Angst vor ihm haben würde.
Er ignorierte es. »Ich frage dich also noch ein einziges Mal. WOHER HAST DU DIESE NAMEN?!«
Tränen stiegen mir in die Augen. »Ich weiß es, weil ich dich geschrieben habe«, gestand ich wimmernd. Die Wahrheit war vermutlich das Einzige, was jetzt helfen würde.
Tatsächlich lockerte Álvaro seinen Griff etwas. »Wie meinst du das?«
»Ich habe ein Buch geschrieben. Über dich. Und aus irgendwelchen Gründen bist du jetzt hier. Ich weiß auch nicht wie das geht, ich ...«
»Du lügst«, fuhr er mich an. »Woher weißt du diese Namen?!«
»Ich habe dich geschrieben«, widersprach ich flehend. »Woher sollte ich sonst wissen, dass du Lorenzo wolltest, seit du ihn das erste Mal gesehen hast? Dass du deshalb Rosana verschmäht hast.«
»Das ist das einzig Logische«, knurrte er. »Das beweist rein gar nichts, du kleines Miststück.«
Dieses eine Wort tat mehr weh, als seine Finger, die sich jetzt in meine Schultern krallten, um mich wieder gegen die Wand zu pressen. »Du warst klein. Du hast im Wald nach Kohle und Kreide gesucht, bis du genügend zusammen hattest, um damit den Innenhof des Schlosses zu bemalen, du ...«
»DAS BEWEIST NICHT, DASS DU MICH GESCHRIEBEN HAST, SONDERN NUR, DASS DU MICH AUSSPIONIERT HAST.«
Er schlug mich. Ich sah seinen Faust nicht kommen. Allein die Tatsache, dass mein Kopf jäh gegen die Mauer knallte und ich Sternchen sah, ließ darauf hindeuten. Nur wenige Sekunden später setzte der Schmerz ein und etwas Warmes benetzte meine linke Wange.
»Der Ring an deiner Kette. Du wolltest ihn Lorenzo geben, als ihr im Wald ward. Bevor er gestorben ist. Du wolltest nie, dass das so endet.« Eine Träne löste sich aus meinem Auge und mischte sich mit dem Blut. »Ich weiß, wie sehr du es geliebt hast, wenn seine Augen orange wurden, und wie vernarrt du in das Gefühl warst, mit ihm Blut zu teilen. Ich weiß, dass du deinen Vater hasst, weil er dir nie die Anerkennung gegeben hat, die du verdienst. Ich weiß, dass du nie der Herrscher werden wolltest, wie Aquila es sich vorgestellt hat. Ich weiß, dass du deine Runen am Anfang loswerden wolltest. Ich weiß, dass du immer ein Kleidungsstück von Lorenzo in deinem Zimmer hattest, weil du seinen Geruch nach Honig so sehr liebst. Und ich weiß, dass du dich nie geschämt hast, Lorenzo zu lieben. Niemals. In deinen Augen war das nie falsch. Ich glaube, Avelina hätte es dir nicht übel genommen. Ich weiß, dass du sie geliebt hast. Ich weiß, dass du die Rune an deiner anderen Kette als Andenken an Lorenzo ansiehst. Ebenso wie den Ring. Das ist auch der Grund, warum du beides fast nie abnimmst.« Ich schluckte, die Tränen rannen mir inzwischen in Strömen über die Wangen. »Ich weiß es, weil ich dich geschrieben habe. Weil ich deine Geschichte erzählt habe.«
Álvaro war wie erstarrt. »Du wusstest von Anfang an, wer ich war.« Erstaunlicherweise schien er mir zu glauben. Immerhin.
»Ja«, schluchzte ich.
»Deshalb hast du mir von deinem Blut gegeben, als ich da in der Gasse lag. Du wusstest, dass ich ein Vampir bin.«
»Ich wollte nicht, dass du stirbst.« Jetzt weinte ich richtig. Das Schluchzen hallte in der Gasse wieder.
»Wenn du sagst, du hast das Buch geschrieben, heißt das dann auch, dass du entschieden hast, was passiert?«, fragte Álvaro. Seine Stimme zitterte vor Wut. Vermutlich ahnte er, was der springende Punkt war.
Eisern schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter. »Ja.«
»Dann hast du Lorenzo getötet.« Grob packte er mich und stieß mich heftig zu Boden. »Du Miststück. Wie konntest du mir das antun?!«
»Ich wollte das nicht«, weinte ich. Wieso hatte ich ausgerechnet heute ein Top und eine kurze Hose angezogen? Durch den Sturz hatte ich mir sowohl die Hände als auch die Knie aufgeschürft. Die Wunden begannen sofort zu brennen und zu bluten.
Mit wenigen Schritten war er bei mir. »Und doch hast du dich schuldig gefühlt und mir mein dein Blut gegeben.« Er riss mich hoch und biss mich heftig in den Hals. »BLUTSSCHLAMPE!«
Das tat weh.
Blutsschlampen waren Menschen, die süchtig danach waren, Vampiren ihr Blut zu geben. Eine verdammt harte Beleidigung.
Ich schrie auf.
Nur Sekunden später hatte ich seine Hand vor dem Mund. »Wenn du mich geschrieben hast, weißt du hoffentlich auch, dass ich dich nur mochte, weil ich dich beim Trinken gesehen habe. Keines meiner Gefühle für dich ist echt.«
Ein Gedanke, der mir bis jetzt nicht gekommen war. Umso mehr traf mich die Erkenntnis. Beinahe tat diese Gewissheit mehr weh als meine Verletzungen.
Es wäre auch zu schön gewesen.
»Lass mich los«, wimmerte ich zwischen seinen starken Finger hervor.
Statt einer Antwort biss er mich erneut. In die andere Seite des Halses, in die Schulter und in den Oberarm. Es tat höllisch weh. Und es verstärkte meine Panik, weil ich es sowieso schon hasste, wenn etwas meine Haut durchbrach. Doch da der Vampir nicht trank, brauche er meine Einverständnis nicht.
Ich war machtlos.
Heftig stieß Álvaro mich zu Boden. »Du wirst dafür büßen. Lorenzo hatte das nicht verdient.«
Ich rappelte mich so gut es ging auf und versuchte, von ihm weg zu krabbeln, doch es war zwecklos. Der Vampir war selbst ohne den Vollmond stärker als ich. Nur wenige Sekunden nach meiner schmerzhaften Bekanntschaft mit dem Boden, wo ich mir zusätzlich den Ellenbogen aufschlug, packte er mich am Oberarm und schubste mich gegen die Wand. Hart knallte ich dagegen und blieb benommen am Boden liegen.
»Wie konntest du?«, stieß Álvaro gequält hervor, als er bei mir war. Zwischen seinen Fingern glänzte eine Glasscherben. Vermutlich hatte er sie in der Gasse hier gefunden, Scherben waren hier nicht selten. »Sag mir einfach, warum du ihn hast sterben lassen.« Der Vampir hob das Glas zu meiner Kehle. In seinen Augen flackerten Wut und Hass, doch sie verloren gegen die Tränen, die auch ihm in den Augen standen, ihre Wirkung. Langsam schnitt er mit der scharfen Kante von meinem Schlüsselbein bis zu meiner Brust. Als ich schrie, hielt er mir den Mund zu. »Hast du eigentlich eine Vorstellung, wie sehr mir das wehgetan hat? Was ich mir deswegen alles angetan habe? Ich kann noch immer nicht schlafen, ohne diesen einen, verdammten Moment vor mir zu sehen.« Damit rammte er mir die Scherbe in den Oberarm.
Es tat höllisch weh. Ich schluchzte auf. Mir wurde klar, dass ich keine Chance gegen ihn hatte. Álvaro war ein Vampir. Alleine schon durch seine Männlichkeit hatte er mehr Kraft, doch durch seine Übernatürlichkleit verringerte es meine Möglichkeiten zusätzlich.
Seine Übernatürlichkeit.
Jäh kam mir ein Gedanke. Mit meinen blutverschmierten Fingern malte ich fahrig die Rune für Schutz auf meinen Oberschenkel. Anschließend die Namensrune der de Pregonas und die Rune für Erbe.
Und als letztes die Runen für Schatten und Macht.
Schlagartig erloschen alle Lichter in der Gasse. »Was ist hier los?« Der Vampir zuckte zurück und ließ von mir ab.
Doch ich gab ihn keine Zeit, herauszufinden, was hier los war. Dass ein Mensch eine vampiristische Rune verwendet hatte und sie wirkte. Hastig rappelte ich mich auf und rannte, die Schmerzen ignorierend. Einfach weg.
Als ich um die Ecke bog, wurde es heller und ich zog mein Handy aus der Hosentasche. Es grenzte stark an ein Wunder, dass ich es einerseits noch hatte und es andererseits noch funktionierte. Schließlich hatte mich Álvaro mehr als nur einfach hart zu Boden gestoßen.
Ich wählte Logans Nummer, meine Finger hinterließen blutige Abdrücke auf dem Display. Bitte bitte, geh ran.
»Luz?«
Erleichtert stieß ich die Luft aus, als ich seine Stimme hörte. »Logan«, schluchzte ich, immer noch durch die Straßen hastend.
»Oh mein Gott, ist alles okay?« Seine Stimme klang panisch, als ihm klar wurde, dass ich heulte.
»Du musst kommen. Ich bin auf dem Weg zu mir nach Hause. Bitte«, weinte ich hilflos.
»Was ist denn passiert?«, fragte er.
Doch hinter mir hörte ich Schritte. »Ich kann nicht reden«, stieß ich erstickt hervor und legte auf. Hastig stopfte ich mein Handy in meine Hosentasche und bog ab.
Wieder hörte ich Schritte. »Ich weiß, dass du hier bist.« Seine Stimme zitterte vor Wut.
Ich presste mich an die Mauer. Zum Glück brannten in dieser Gasse kaum Laternen. Der Schatten verschluckte mich beinahe.
Trotzdem malte ich auch hier an die Mauer mit Blut die Runen für Schatten, Macht, Schutz, Erbe und de Pregonas. Zwar war ich nicht sicher, ob es wirklich etwas bringen würde, doch ein Versuch war es definitiv wert. Schließlich hatte es auch vorhin geholfen. Auch wenn es mir ein Rätsel war, wieso. Zwar wusste ich genau, wie die Runen aussahen und was sie bedeuten, aber nur Vampire konnten sie benutzen. Eben weil sie übernatürlich waren.
Ich jedoch war nur ein Mensch. Ein Mensch mit blühender Fantasie.
Die Schritte kamen näher. Ich wagte nicht, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen oder gar zu atmen. Zu groß war meine Angst, dass er mich wieder erwischen könnte.
Dann sah ich ihn. Álvaro erschien an der Ecke und warf einen Blick in die Gasse. Wachsam glitten seinen Augen an den Mauern entlang und überprüften eindringlich gefühlt jeden Stein. Ich hätte schwören können, dass er mich ansah. Doch dann löste er erstaunlicherweise seinen Blick von der Straße und ging weiter. Seine leisen Schritte entfernten sich. Anscheinend wirkten die Runen.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Noch immer rannen die Tränen über meine Wangen und mischten sich an meinem Hals mit dem Blut. Als ich ganz sicher war, dass er weg war, lief ich los. Zum Glück war ich nicht allzuweit von meiner Wohnung entfernt. Tatsächlich brauchte ich nur wenige Minuten.
Dafür rannte ich aber auch wirklich schnell. Und das, obwohl mir alles weh tat. Ein paar Mal stolperte ich, fing mich immer gerade so; ein einziges Mal hielt ich an, und das auch nur, um mir diese hässliche Glasscherbe aus dem Oberarm zu ziehen.
Es war ein Wunder, dass ich nicht wegklappte. Schließlich blutete ich aus mehreren Wunden, zwei davon waren an meinem Hals. Doch Álvaro schien meine Hauptschlagader nicht erwischt haben.
Ich war froh, dass es dunkel genug war und ich keiner Menschenseele begegnete. Jeder hätte den Krankenwagen gerufen. Jedoch hätte ich nie ehrlich erklären können, was mir zugestoßen war.
Und dann, endlich, bog ich in die Straße ein, wo ich wohnte. Kurz darauf kam ich bei meiner Haustür an. Eine Gestalt saß davor; erst, als er Aufstand, erkannte ich Logan.
Seine Augen wurde groß, als er mich sah, das Gesicht tränenverschmiert und blutüberströmt. »Mein Gott, Luz, was ist mit dir passiert?«
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