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Kapitel 1

Lucinda

»Bewegte Objekte scheinen deshalb nicht nur kürzer sondern, sind messbar verkürzt«, verkündete Mr Schroeder fasziniert und malte neben sein langes Raumschiff noch ein kürzeres an die Tafel. Er war ungefähr Ende dreißig und seine kurzen, schwarzen Haare standen strubbelig von seinem Kopf ab. Leuchtend grün lächelten uns seine freundlichen Augen an und die helle Haut bildete einen scharfen Kontrast zu seiner Haarfarbe. Mit seinen eins dreiundneuzig war er ziemlich groß, dennoch fand er für seinen schlanken, katzenartigen Körper immer wieder aufs Neue irgendwelche T-Shirt mit Physikwitzen. Heute war ein dunkles Shirt mit der Aufschrift ›Ein Physiker ist jemand, der jeden technischen Defekt erklären, aber nicht reparieren kann‹ am Start.

»Wenn ihr also in der Rakete sitzt«, er malte dem Raumschiff ein Fenster und in das Fenster ein winkendes Strichmännchen, »ist für euch das Raumschiff länger als für das Marsmännchen, an dem ihr mit hoher Geschwindigkeit vorbeifliegt.« Mr Schroeder ergänzte einen grünen Haufen auf unserem Alibiplaneten unter dem Raumschiff.

Stumm zeichnete ich das Raumschiff ab. Es wirkte irgendwie verkrüppelt. Ich fragte mich, warum mein Physiklehrer eigentlich kein Kunst unterrichtete. Allein das Tafelbild war bunter und die Bildchen dazu realistischer als Vieles, was ich im Kunstunterricht fabrizierte. Allerdings würde das auch zwangsläufig bedeuten, dass wir einen anderen Lehrer in Physik bekommen würden und das wäre mein sicheres Ende. Denn Mr Schroeder hatte außerdem die geniale Fähigkeit, uns Physik so zu erklären, dass man gar nicht anders konnte, als es zu verstehen. Sogar als Physik-Noob erschien Einem hier alles logisch.

Und das will was heißen.

»Kann ich mir deinen grünen Fineliner ausleihen? Ich habe nur noch Lila und ich will kein lila Marsmännchen.«

Ich blickte nach rechts zu Ash, der mich charmant anlächelte. Asher Gray, der beste Freund meines besten Freundes und mein Ex. Seit zwei Monaten.

Gegen meinen Willen verfiel ich in dummes Starren. Zu meiner Verteidigung, Ash ist einer der Typen, denen man als Mädchen einfach nicht widerstehen kann: zirka zehn Zentimeter lange, schwarze Haare, an den Seiten kürzer, die immer so verführerisch zerstrubbelt waren, dass man das strikte Verlangen verspürte, mit den Fingern durchzuwuscheln. Dazu kamen schmale, von dunkeln Wimpern umrahmte Augen, die im Sonnenlicht wie Silbermünzen glitzerten. Die kleine, blasse Narbe, die über sein Kinn verlief und sein markanter, gerader Kiefer verliehen ihm etwas Gefährliches. Wenn er sich dann mit seinen knapp zwei Metern und seinem schlanken, zart muskulös definierten Körper vor Einem aufbaute und, wie jetzt im Sommer, solche Shirts trug, die seinen Körper mehr als positiv betonten - nun, ich glaube, ich muss nichts mehr dazu sagen. Von seinem charmanten Lächeln will ich jetzt erst gar nicht anfangen.

Allerdings hatten wir beide nach ein paar Monaten gemerkt, dass wir irgendwie nicht zusammen passten. Wir hatten uns getrennt, kamen aber immer noch gut miteinander klar.

Dementsprechend freundlich reichte ich ihm meinen hellgrünen Fineliner. Er bedankte sich.

Mr Schroeder erzählte munter weiter und erklärte die Längenkontraktion mit solch einer Begeisterung, dass ich gar nicht anders konnte, als zuzuhören. Einstein selbst hätte es nicht besser machen können. Leider wurde er mitten im Satz vom Pausenklingeln unterbrochen.

Und da Schüler nun einmal die Angewohnheit hatten, grundsätzlich nicht den Lehrer die Stunde beenden zu lassen, machte sich Mr Schroeder auch gar nicht die Mühe. Er ließ seinen armen, angefangen Satz einfach im Raum stehen, während meine Mitschüler in Gespräche verfielen und ihre Sachen in die Schultasche quetschten.

Auch ich tat das, einfach aus dem Grund, weil alle es taten. Wie eine Mitläuferin. Ein Schatten, der nicht gesehen werden möchte.

Ich war so eine Person, die es vermied, im Mittelpunkt zu stehen. Es reichte schon, dass ich aufgrund irgendeiner Pigmentstörung graue Haare hatte. Richtig, grau. Nicht schön weißblond. Grau. Damit fiel ich auf wie ein bunter Hund - man beachte das Wortspiel. Mein bester Freund bestand zwar darauf, dass meine Strähnen silbern waren, doch ich sah da kein Unterschied. Grau war grau.

Claire ebenfalls nicht.

Claire Shirley McEvans. Schon der Name ließ mich die Augen rollen. Ich meine, wer nennt sein Kind so? Allerdings passt er ausgezeichnet zu ihrem arroganten Verhalten. Eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war es, andere fertig zu machen. Besonders gern mobbte sie Menschen, die anders waren. Graue Haare waren da will gefundenes Fressen. Aber auch zu verschiedene Augenfarben fand sie fiese Sprüche, Ernährungsweisen kritisierte sie ebenfalls für ihr Leben gern.

Seufzend raffte ich mein restliches Zeug zusammen und folgte Asher aus dem Raum. Ohne ein Wort zu sagen liefen wir nebeneinander her, ich versuchte, leicht hinter ihm zu gehen, um nicht mit entgegenkommenden Schülern zu kollidieren. Tatsächlich erwies mein Kumpel sich als ausgezeichneter Schild.

Kaum hatten wir die Kantine erreicht, war Ash plötzlich einfach weg. Ich konnte nicht sagen, wieso. Er hatte einfach diese Angewohnheit, immer zu verschwinden; auch als wir noch zusammen gewesen waren, hatte mich dieses Verhalten oft verwirrt. Doch war es dieses Geheimnisvolle gewesen, die mich immer wieder aufs Neue an ihn fasziniert hatte.

Jedoch bekam ich gar nicht erst die Zeit, mich weiter zu wundern oder nach Ash zu suchen, denn genau in dem Moment, als ich mich umdrehen wollte, sprang mich jemand von hinten an - wortwörtlich. Ich hatte sichtlich Mühe, auf den Beinen zu bleiben und strauchelte ungelenk den Gang entlang.

»Hab dich.«

Ein Kichern kroch in mir hoch, als ich ihn erkannte und versuchte, mich aus seinem spielerischen Griff zu befreien.

»Warum hast du mich eigentlich nicht gewarnt, dass Ms Elliott so unglaublich langweilig ist? Wieso hast du mich nicht davon abgehalten, Wirtschaft zu wählen?« Logan Kjell Andersson. Mein bester Freund.

Ich lachte und kämpfte immer noch erfolglos gegen seine Umklammerung an. Eigentlich war es unfair. Er mit seinen knapp eins neunzig war fast fünfzehn Zentimeter größer als ich und hatte etwa den Körperbau von Ash. Kein Wunder, wenn die beiden mehrfach die Woche trainieren gingen. Außerdem konnte ich seine definierten Brustmuskeln an meinen Rücken spüren.

»Ich habe dich gewarnt«, erinnerte ich ihn. »Und ich habe dir auch gesagt, dass du in Physik viel mehr verstehst als in Wirtschaft.« Endlich ließ Logan mich los und ich drehte mich zu ihm um.

»Hast du nicht«, grinste er.

Ich zog eine Augenbraue hoch.

»Okay, okay, du hast mich gewarnt«, gab mein bester Freund zu. »Aber ...«

»Pass auf, Logan! Nicht, dass du dich ansteckst und morgen auch die ersten grauen Haare hast, es wäre eine Schande bei deinen schönen Augen«, unterbrach Claire ihn und rauschte mit ihren beiden Freundinnen an uns vorbei zur Essensausgabe.

»Wie sehr habe ich die blöde Kuh die letzten beiden Stunden vermisst«, murmelte ich. Die Sommerferien waren so schön ohne die Schlampe gewesen. Tun und lassen, was ich wollte, ohne einen dummen Kommentar gedrückt zu bekommen. Mein Gott, selbst wenn ich mich keinen Millimeter bewegen würde, hätte die Schlampe einen bescheierten Spruch parat.

Logan schnaubte. »Die glaubt auch, dass sie die Allerbeste ist, und das nur, weil Daddy ein reicher Anwalt ist und eine eigene Kanzlei hat.« Auch bei ihm war das Lachen von seinen geschwungenen, blassrosanen Lippen verschwunden. Die Muskeln seines geraden Kiefers verhärteten sich, seine Augen wurden schmal und es erschien diese kleine Falte auf seiner Stirn.

Die Sache war, dass mein bester Freund eigentlich, wenn man es ganz genau sah, ziemlich attraktiv war. Besonders seine himmelblauen Augen, von dunklen Wimpern umrahmt, ließen die Mädchenherzen höher schlagen. Zart spiegelte sich das Licht der Lampen in der Kantine in seinem Augen und ließen sie funkeln wie geschliffenes, tiefblaues Gletschereis. Er trug einen Undercut und die oberen Haare waren glänzend glatt, aber trotzdem so zerwuschelt, dass es auch mir hier in den Fingern juckte. Besonders, da ihm eine seiner dunklen Strähnen ins Gesicht gefallen waren.

Doch Logan und ich kannten uns schon, seit wir gerade einmal laufen konnten. Er konnte damals als Erster Fahrrad fahren, dafür fiel mir das Lesen in der ersten Klasse bedeutend leichter. Und wenn mal irgendwo Mist gemacht wurde, Logan und ich waren fast immer dabei. Zumindest so lange, bis ich mit sieben Jahren Claire als meine Mitschülerin bekam und sie mich seitdem beleidigte. Mein Selbstbewusstsein hatte sich wie Schneeflocken zwischen meinen Fingern aufgelöst. Auch, wenn Logan mein Selbstwertgefühl ständig aufzubessern versuchte.

Damals, in der vierten Klasse, hatte mich der Junge, in den ich damals verliebt gewesen war, so hart gekorbt, dass ich so sehr geweint hatte, dass ich nicht einmal mehr essen wollte. Logan hatte dem Typen danach deutlich verstehen zu geben, dass er einen großen Fehler gemacht hatte: keine zwei Tage später war der Typ mit blauem Auge und aufgeschrammtem Kinn bei mir gewesen und hatte sich für die Art und Weise entschuldigt, wie er mit mir geredet hatte.

Ich konnte mir ein Leben ohne ihn niemals vorstellen. Logan war mir wichtiger als ein Bruder. Ich liebte ihn, allerdings nur auf eine familiäre Art. Und das wusste er auch.

Grummelnd schob er mich zur Essensausgabe und stellte sich hinter mir an. »Auch ein Punkt, wieso Wirtschaft überhaupt kein Spaß macht: Claire hat sich heute ihre eklig langen Fingernägel im Unterricht lackiert. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr das gestunken hat. Und Ms Elliott hat das nicht einmal im Ansatz gejuckt.«

»Welche Farbe?«, fragte ich beiläufig, wohlwissend, dass ich ihn damit provozierte.

Logan schnaubte und strich sich endlich die freche Strähne aus dem Gesicht, die ihm über die Stirn gefallen war. »Frauen. Keine Ahnung, ich glaube, es war Pink oder so.«

»Stimmt, was auch sonst.«

Die Schlange rückte nach vorn und nach ein paar Minuten bekamen wir unser Essen. Allerdings wusste ich nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Die Pommes wirkten mehr als pappig und das Fleisch unter der dunklen, dicken Soße war wie ein Stück Gummi. Der Blick, den Logan mir zuwarf, zeigte deutlich, dass er gerade genau dasselbe dachte.

Stumm suchten wir uns einen Tisch und rutschten gegenüber auf die Bank.

»Sicher, dass man das essen kann?« Skeptisch stocherte Logan auf seinem Stück Fleisch herum.

»Definitiv nicht.« Ash knallte sein Tablett neben mich auf den Tisch und ließ sich nieder. »Aber ich habe verdammt Hunger.«

Ich verkniffen mir die Frage, wo er denn gewesen wäre. Wahrscheinlich würde ich eh keine richtige Antwort bekommen. »Wo ist eigentlich Gael?«, fragte ich in die Runde. »Heute morgen in Sport war er doch noch da.«

»Sorry Leute. Ich habe unterwegs mein Zeug über den Boden verteilt. Oder besser gesagt, Claire hat mein Zeug über den Boden verteilt. Im dem sie mir ein Bein gestellt hat. Wirklich nett von ihr. Zumal meine Federmappe noch offen war.« Gael pflanzte sich neben Logan. »Ich hasse sie.«

»Du findest sie heiß«, korrigierte Ash ihn neben mir mit vollem Mund trocken. »Du willst es nur nicht zugeben.«

Ich musste grinsen, als ich Gaels entsetztes Gesicht sah. »Nein, was, ich ... nein, spinnst du?«, stotterte er.

Logan traute sich an seine pappigen Pommes. »Alles gut, es muss dir ja nicht peinlich sein, solange du sie nicht flachlegen willst, weil das wäre echt widerlich. Da musst du ja aufpassen, dass du ihr nicht aus Versehen das Gesicht wegwischst.«

Da hatte er verdammt recht. Claire war eigentlich nur durch ihre ganze Schminke so hübsch. Dadurch betonte sie stark ihre kalten, blaugrauen Augen, die gerade, unauffällige Nase und die großen, vollen, dunkelrot bemalten Lippen. Ihr helles, makelloses und schmales Gesicht wurde von goldenen Haaren umrahmt, die sich zart bis zu ihrer Hüfte wellten und welche sie sich andauernd betont auffällig nach hinten warf. Da Daddy viel Geld hatte, trug sie eigentlich ausschließlich teure Markenklamotten und Handtäschchen und zwischen ihren Schlüsselbeinen lag ein kleines Goldkettchen.

Ihr Äußeres mochte man vielleicht unter Umständen (und mit dem Hirn im Schritt statt im Kopf) als attraktiv bezeichnen können, aber ihr Charakter war so eklig arrogant, überheblich und einfach nur widerlich, dass sie einfach nicht hübsch war. Es ging nicht.

Claire Shirley McEvans war in etwas so etwas wie eine weibliche Version eines Fuckboys und es gab leider genug Typen, die sich auf sie einließen. Und sie machte keinen Hehl aus ihrem Schlampendasein. Selbst schuld. Obwohl sie wahrscheinlich schon so viele Kerle im Bett hatte, dass sie genügend Erfahrung besaß, um andere Jungs zu überzeugen.

Gael, der gerade etwas von seiner Limo trank, verschluckte sich heftig. Ich mochte ihn. Er war ein gutes Stück kleiner als Logan, hatte Gael Lane aber auch bedeutend weniger Muskeln als die beiden anderen.  Claire hatte ihn mehr als nur einmal als Spargeltarzan bezeichnet. Und er konnte sich einfach nicht wehren. Auch seine kupferfarbenen, zerwuschelten Haare nahm sie oft als Anlass, ihn zu beleidigen, obwohl ich persönlich fand, dass sie sehr schön zu seinen hellgrünen Augen passten.

Aber auch ich musste zugeben, dass er nicht ganz so hübsch war wie Logan und Ash. Seine Augen waren eher rundlicher, genau wie sein Gesicht, dessen Kinn ein paar jämmerliche Bartfusseln zierten. Dennoch war Gael einfach Bestandteil dieser Clique und wie hatten ihn einfach gern, selbst wenn er verdammt tollpatschig war.

Dafür musste ich aber sagen, dass Gael verdammt loyal war und einfach jedes Versprechen halten konnte, welches er gab. Dass er dazu noch ziemlich schlau war, machte ihn mir nicht unsympathischer. Auch, wenn er sehr verpeilt und trottelig sein konnte.

»Bleibt es eigentlich bei heute Abend?«, wollte ich beläufig wissen, um etwas von Gael abzulenken, dessen Gesicht immer noch dunkelrot gefärbt war, während er nach Luft rang. Dazu gabelte ich zwei Pommes auf, ditschte sie in die dunkle Soße und ließ alles in meinem Mund verschwinden. Kurz darauf bereute ich es. Sie waren komplett versalzen.

»Denke schon, meine Mom will nur, dass ich Luca mitnehme. Ich hoffe, das ist okay.« Logan hatte schon die Hälfte seiner Pommes weggespachtelt und traute sich jetzt an das Gummifleisch.

»Klar, kein Problem, er ist eh immer ganz lieb«, freute sich Gael.

»Aber ich hole diesmal nicht den Ball aus dem Wasser, wenn dein Golden Retriever kein Bock mehr drauf hat«, murmelte Ash. »Isst du deine Pommes noch?« Er blickte mich an.

Erstaunt sah ich auf seinen leeren Teller. Wie zum Teufel hatte er das so schnell runter bekommen? Ich schüttelte verneinend den Kopf.

Logan musste lachen. »Wenn du den auch so weit raus schmeißt. Außerdem hast du das doch dann auch nur gemacht, weil du Lucinda imponieren wolltest.«

Jetzt wurde ich rot. Ich konnte mich daran erinnern. Genau wie an die Tatsache, dass ich Ash damals bestimmt mehr als nur auffällig angestarrt hatte, als er sein Shirt ausgezogen hatte, um den Ball aus dem Wasser zu holen. Er hatte aber auch einen verboten guten Oberkörper.

Mein Ex klaute sich eine Pommes von mir und zuckte ungerührt mit den Schultern. »Hat aber anscheinend geklappt, oder Lucinda?«

»Jap, sieht so aus«, antwortete ich und schenkte dem Fleisch, von dem ich gerade ein Stück abschnitt, deutlich mehr Aufmerksamkeit als nötig. »Wie war Spanisch so?«

Die erste Stunde Sport hatten eigentlich alle zusammen. Anschließend folgte eine Stunde Sprache: entweder Deutsch, Spanisch oder Französisch. Danach hatten wir Physik oder Wirtschaft.

Ich belegte Deutsch. Eine verdammt schwere Sprache. Aber sie war lustig. Wenn man wollte, konnte man etliche Substantive aneinanderreihen, um ein bestimmtes Wort zu beschreiben. Und manche Dinge hießen so, wie die Tätigkeit, die sie ausführten, Staubsauger zum Beispiel, oder Fernbedienung.

Logan und Ash hatten Spanisch gewählt, Gael kotzte bei der Aussprache von französischen Verben, da Franzosen generell nicht so betonten, wie es aufgeschrieben war und es tausende stumme Es gab, und stumme Rs. Und ganz stumme Endungen. Wieso auch unausgesprochene Buchstaben einfach weglassen? Wäre doch langweilig.

»Wir haben einen Neuen«, seufzte Logan. »Und wenn ich noch einmal redundant, dekadent oder postfaktisch auf Spanisch höre, kotze ich im Strahl. Der Typ muss muttersprachlich Spanier sein. Ich weiß nicht einmal, was die Begriffe bedeuten.«

Ich probierte mein Fleisch und musste feststellen, dass es besser schmeckte, als ich erwartet hatte; allerdings war es um Einiges gummiartiger, als vermutet. Angewidert schob ich meinen Teller zu Ash rüber, der mich angrinste und schulterzuckend begann, sich über meine Portion herzumachen. Ich wusste, dass er das nicht tat, weil es ihm so gut schmeckte, Ash hatte einfach Hunger. Und außerdem hatte er auch immer alles gegessen, was ich nicht mehr wollte, als wir noch zusammen gewesen waren. Wohin der die ganzen Kalorien steckte, konnte ich mir nicht erklären.

»Und er ist verdammt komisch«, fügte Gael mit vollem Mund hinzu. »Er heißt Álvaro oder so und hat die ganze Stunde nur vor sich hin gestarrt. Mr Días hat ihn dann trotzdem drangenommen und der Typ hat einfach so in fließendem Spanisch geantwortet.«

Ich wollte etwas sagen, doch genau in dem Moment lief Shira Suzuki mit ihrem Essen an uns vorbei. An sich war das nichts Besonderes, doch Claire hatte anscheinend gerade mal wieder das dringende Bedürfnis, jemanden zu demütigen, als sie auf dem Weg zum Ausgang der Kantine war. Als sie an unserem Tisch vorbei ging und auf Höhe von Shira war, schlug sie ihr einfach mehr als absichtlich das Tablett nach oben, sodass Shira mit einem Mal ihr ganzes Essen auf hell geblümten Bluse klebte. Jedoch nur kurz, dann verlor Shira das Gleichgewicht und ihr Teller rutschte ihr samt Besteck und Tablett auf dem Boden. Glücklicherweise überlebte der Teller den Sturz unbeschadet.

Es war mit einem Mal totenstill in der Kantine und alle hatten sich zu Shira umgedreht. Langsam rutschte das Gummifleisch ihre schöne Bluse hinab und katschte in die Soße auf dem Boden.

»Pass doch auf! Scheinbar solltest du mal zum Optiker und deine hässlichen Augen überprüfen lassen«, spottete Claire herablassend. »Vielleicht bist du ja doch blind.« Ohne das arme Mädchen einen weiteren Blick zu würdigen, rauschte die Schlampe mit ihren beiden Freundinnen aus der Kantine.

Mit hochrotem Kopf versuchte Shira, ihr Chaos auf dem Boden irgendwie zu beseitigen. Keiner half ihr, alle starrten.

Mir war klar, dass der fiese Spruch von Claire auf ihre Heterochomie abzielte: Shira hatte zweifarbige Augen. Ihr linkes braun wie flüssiges Karamell, rechts von einem tiefen Eisblau. Man sah deutlich, dass sie japanische Wurzeln hatte, ihr Gesicht war etwas rundlicher als meins, aber keinesfalls dick. Sie war sogar recht hübsch mit ihrer geraden Nase, den gepflegten Augenbrauen und den leicht geschminkten Augen. Ihre zarte schlanke Figur wurde durch ihre eins fünfundsechzig stark betont, auch wenn man ihr eine gewisse körperliche Stärke ansah.

Eigentlich wusste ich nicht viel über Shira, außer vielleicht, dass sie bi war und letztes Jahr mit Marie Jeanie McMullan ging. Diese war um einiges extrovertierte und spezieller als ihre Ex, daher sprachen die Leute auch deutlich öfter von ihr. Shira und ich hatten selten Kontakt, wechselten vielleicht im Unterricht hier und da ein Wort, aber befreundet waren wir nicht. Trotzdem tat sie mir leid und ich konnte nicht ertragen, dass ihr keiner half.

Ich stand auf und kniete mich neben das Mädchen.

»Warte, ich helfe dir«, sagte ich leise und sammelte ihr Besteck auf.

Plötzlich war Ash hinter mir und nahm mir Messer, Gabel und Löffel ab, während Logan aufstand, wahrscheinlich, um einen Lappen zu holen.

»Hast du nicht noch ein Wechselshirt in deinem Spind?«, fragte Ash mich leise und seine grauen Augen musterten mich eindringlich. Ich verstand. »Dann geh mit ihr ins Bad, wir machen das hier.«

Ich nickte ihm dankbar zu und zog Shira sanft hoch. »Komm.«

Sie wagte nicht, mich anzusehen, murmelte nur ein schüchternes Danke. Stumm folgte die Kleine mir aus der Kantine ins Mädchenklo. Nicht ein Wort verlor sie auf dem Weg, doch ich spürte förmlich, wie es in ihr arbeitete. Vereinzelt drehten sich Schüler nach uns um.

Im Bad angekommen machte ich ein paar Tücher nass und reichte sie ihr. »Hier, versuch das Gröbste abzuwischen, deine Hose hat ja zum Glück nicht viel abbekommen.« Ich lächelte sie an. »Ich hole schnell mein Wechselshirt für dich aus meinem Spind, okay?«

Sie nickte und nahm die Tücher. »Danke.« Ihre zweifarbigen Augen strahlten mich ehrlich an.

Ich verließ das Bad und machte mich auf den Weg zu meinem Spind. Eigentlich hatte ich nicht gedacht, dass Logan und Ash Shira ebenfalls helfen würden, aber ich fand das mehr als nur nett von ihnen. Schließlich hätten sie es nicht gemusst. Aber es zeigte, was für wundervolle Menschen sie waren.

Und zu Gaels Verteidiging, ich war mir sicher, dass er den beiden momentan half, die Sauerei aufzuwischen. Er war einfach nur nicht so schnell im Reagieren.

Was noch dazu kam, Ash war einer der Typen, auf die viele Mädchen standen und der auch bei den meisten Jungs respektiert wurde. Es war irgendwo ein Statement, dass er geholfen hatte. Ich meine, nicht dass es die zicje jemals davon abgehalten hatte, mich zu beleidigten, aber wenn Shira vielleicht Glück hatte, sprach sich das Ganze rum und vielleicht hörte Claire damit auf. Wenn nicht, konnte es immer noch sein, dass ihr nächstes Mal wenigstens jemand half, selbst wenn wir nicht da waren.

Ich hoffte es, denn auch wenn ich sie nicht kannte, das hatte Shira nicht verdient. Niemand hatte das.

Ich bog in den nächsten Gang ab.

Und erstarrte, als ich ihn sah.

Es war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen werden. Schlagartig weigerte sich meine Lunge, zu atmen, und all mein Blut verabschiedete sich in meine Beine. Adieux, wer braucht schon Sauerstoff im Gehirn? Dazu kam, dass sich meine kompletten Innereien umdrehte und verknoten und meine Knie sich augenblicklich in Wackelpudding verwandelten.

Der Typ war groß, angenehm schlank, aber dennoch muskulös. Das dunkle Shirt schmiegte sich sanft an seinen perfekt v-förmigem Oberkörper, betonte seine definierten Muskeln und die schwarze Jacke, die er darüber trug, verdeckte seine Handgelenke. An beiden Händen entdeckte ich je zwei Ringe aus dunklem Silber, links am Ringfinger wurde der Ring mit einem blutroten Rubin verziert. Auch seine dunkle Hose war eng, wenn auch noch im angemessenen Bereich, und er trug dunkle, relativ modische Stiefeletten, die auf irgendeine Art verdammt attraktiv waren.

Mein Blick glitt hoch. Beiläufig fuhr er sich mit den Fingern der rechten Hand durch seine Haare, die sich bis zirka seiner Brust lockten und mich an flüssige, dunkle Schokolade denken ließ. Ein gepflegter Drei-Tage-Bart verdeckte teilweise den geraden Kiefer und das markante Kinn, und ließ ihn älter wirken. Die Lippen waren schmal, zart geschwungen und von dem selben blassen Rosa, wie die kleine Narbe, die außen über seine linke Augenbraue verlief. Seine Augen. Sie waren schmal und für einen Mann hatte der Typ relativ lange Wimpern. Die Iris war ebenso dunkelbraun wie sein Haar und sein Blick war so wachsam, so stechend, dass es mir kalt den Rücken runter lief.

Seine Augen begegneten den Meinen. Fast unmerklich öffnete er leicht den Mund und ich konnte schwach erkennen, wie er sich mit der Zunge über seinen rechten Eckzahn fuhr.

Eine Geste, die ich noch nie gesehen hatte, aber in und auswendig kannte.
Das war der Moment, in dem mir speiübel wurde.

Álvaro Sileno Luar de Pregonas.

Ein verdammt mächtiger Vampir und Erbe seines Reiches. Ich wusste alles über ihn, kannte beispielsweise jede einzelne Rune, die auf seine Brust tätowiert war und welche Wirkung sie in der Nacht hatten, war mir seiner Vergangenheit und seinem Schicksal bewusst.

Doch noch nie im Leben hatte ich diesen Mann gesehen. Und Vampire gab es in dieser Welt auch mit Sicherheit nicht. Schließlich war das hier die nüchterne Realität, die wir alle kannten.

Aber zu Hause auf meinem Schreibtisch lag das Manuskript eines Romanes, den ich geschrieben hatte, den keiner je gelesen hatte und in welchem ich die Geschichte von genau dem Mann aufgeschrieben hatte, der hier gerade vor mir stand.

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