Prolog
Sanfter Regen fällt vom bewölkten Himmel. Die flache Sichel des Mondes spendet nur mit Mühe etwas Licht. Dennoch schenkt sie den Regentropfen, die an der Fensterscheibe hängen, einen leicht silbrigen Schein.
Die Frau verfolgt zwei der Tropfen, die wie bei einem Wettrennen nach unten laufen, sich mit anderen Tropfen zusammenschließen und den unteren Rand des Fensters fast gleichzeitig erreichen.
In ihrer Wohnung ist es kalt, der Vermieter hat die Heizung ausgestellt. Deswegen beschlägt die Scheibe mit ihrem Atem, so dicht steht sie davor und blickt hinaus in diese verregnete Nacht. Alles wirkt so ruhig, so friedlich und schön.
Ein sanftes Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen, als sie sich vom Fenster abwendet. Hätte sie gewusst, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie den Himmel sieht, wäre sie bestimmt noch einige Minuten länger dort stehen geblieben.
So aber durchquert sie ihre Wohnung, läuft zu ihrem Badezimmer und dabei an der dunklen Gestalt vorbei, die versteckt in ihrem Schlafzimmer steht. Sie lässt ihren Bademantel achtlos auf dem Flur fallen. Die Kälte der Wohnung ruft eine Gänsehaut auf ihrer nackten Haut hervor, während sie die letzten Schritte zu ihrer Dusche läuft. Das warme Wasser wird ihr guttun, um vielleicht endlich schlafen zu können.
Nach der Trennung ihres Partners fällt es ihr abends immer schwer, ins Bett zu gehen und einzuschlafen. Zu laut sind ihre Gedanken, zu penetrant die Vorwürfe, die sie sich am Scheitern ihrer Beziehung macht. Das warme Wasser, welches einige Sekunden später auf sie herunterprasselt, beruhigt sie.
Es lockert ihre verspannten Muskeln, läuft ihren Körper herunter und sammelt sich um ihre Füße. Es dauert nicht lange, bis es die Kälte aus ihren Gliedern vertrieben hat. Genießerisch dreht sie sich zur Wand und hält das Gesicht mit geschlossenen Augen direkt unter den heißen Wasserstrahl. Der Dampf beschlägt die Scheiben der Dusche und steigt hinaus bis in den gesamten Raum.
Hinter ihrem Rücken erscheint der schwarze Schatten der Person, die sich in ihre Wohnung geschlichen hat. Ahnungslos steht die Frau unter der Dusche, genießt den Moment und weiß nicht, dass es ihre letzten Sekunden sein werden, die sie ohne Schmerzen leben wird.
Durch das Prasseln des Wassers hört die Frau erst zu spät, wie sich die Tür der Dusche öffnet. Erschrocken fährt sie herum, bedeckt aus Reflex mit den Händen ihren Körper. Ein heller, panischer Schrei verlässt ihre Kehle. Auf einmal fühlt sich das Wasser viel zu heiß an, ihre Haut kocht und ihr Herz überschlägt sich in ihrer Brust.
Erschrocken sieht sie den Mann an, der dort vor ihr steht. Sie kann sein Gesicht nicht erkennen, denn er hat sich eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Aber sie erkennt das markante Kinn und den leichten Bart, der sich darauf befindet.
Dann aber erweckt das Messer ihre Aufmerksamkeit, welches der Mann in seiner Hand hält. Panisch weiten sich ihre Augen und sie weicht so weit nach hinten zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die kalten Fliesen der Dusche stößt. Mehr Abstand kann sie nicht zwischen sich und den Mann bringen.
Sie sieht, wie das Messer auf sie zurast. Aus Reflex duckt sie sich weg, sodass die Klinge sie verfehlt und nur ihre Schulter streift. Der Schnitt brennt trotzdem wie Feuer, als das Wasser der Dusche in ihn hineinläuft.
Entsetzt sieht sie, wie sich ihr Blut mit dem Wasser mischt. Auf dem Boden wird das Wasser immer rötlicher, der Schock und der Schmerz machen sie handlungsunfähig.
Bevor sie es richtig realisiert, schießt das Messer erneut auf sie zu. Diesmal trifft es sein Ziel.
Qualvoll zuckt die Frau zusammen, während sich die Spitze in ihr rechtes Auge bohrt.
Der explosive Schmerz in ihrem Schädel ist das Letzte, was sie spürt.
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