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Die Diskussion war lang und kräftezehrend gewesen, doch erfolgreich. Auch wenn die Countess die einzige Tochter ihres Bruders nicht gehen lassen wollte, konnte sie sie nicht einsperren. Dazu hatte ihr der Duke keine Befugnis erteilt. Auch wenn Nurana es meist nicht bemerkte, liebte er seine Tochter aufrichtig und sie vor Leid zu bewahren, war ihm besonders wichtig.
So kam es nun, dass Nurana wieder in einer Kutsche saß. Dieses mal jedoch blickte sie aus dem kleinen Kutschenfenster und sog die Landschaft auf. Sie hatte die Schönheit dieser rauen Natur gewiss unterschätzt. Wahrlich, das Wetter war nicht das Beste und die Sonne hatte sich bereits längst verabschiedet, doch es passte auf kuriose Art und Weise zu der Umgebung.
Bevor sie weiter die Landschaft analysieren konnte, kam die Kutsche zum Halt und Siùsan öffnete die Tür. Eine unscheinbare Burg türmte sich vor ihr auf. Sie war ebenso rau und düster wie die felsige Umgebung. Es hatte einen gewissen Charm. Wie alt dieses Gebäude wohl sein musste? Wie viel Geschichte diese Steine wohl gesehen haben mussten? Neugierde überkam die Miss wieder einmal und bevor Siùsan sich versah, wurde sie mit Fragen bombardiert.
Gewiss, ihr Bruder mochte Siùsan für naiv und beeinflussbar halten, doch sie war nicht dumm. Sie vertraute auf ihr Herz und dieses sagte ihr, dass die Miss womöglich gar nicht so schlimm war, wie anfangs erwartet. Sie war weniger arrogant, über ihr Gesicht huschte öfter ein kleines Lächeln und ihre Augen wurden ganz klein wenn sie lachte - es schien, als würde sie sich nicht vor Falten fürchten. Die ganzen anderen edlen Damen hatten immer ernste Gesichter, denn wer viel lachte alterte schneller.
Ihre dunklen, braunen Augen hatten ein interessiertes funkeln, während sie der jungen Schottin lauschte. Gerade erzählte Siùsan davon, wann die Burg erbaut wurde und wie lange sie Unabhängig waren. „Wie kam es, dass ihr am Ende verloren habt?" Erkundigte sie sich und plötzlich hielt die Rothaarige inne. „Das ist keine Geschichte, die man gerne erzählt. Vielleicht ein anderen Mal, Miss." Sie senkte entschuldigend den Kopf und Nurana nickte verständnisvoll. „Die Engländer sind auch in das Land meiner Mutter eingefallen und haben dort die Macht an sich gerissen." Bemerkte sie ehrlich, während sie den Hügel hinaufstapften. „Ich finde es erstaunlich, wie die Engländer bei jedem Volk einem ähnlichen Muster zu folgen scheinen. Erst versprechen sie nur Handelsbeziehungen, dann beginnen damit einen, einen als barbarisch zu bezeichnen und schließlich, reißen sie alles gewaltvoll ansich." Die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf und hätte sie die Schottin angeblickt, hätte sie ihren erschrockenen Gesichtsausdruck gesehen.
Solche Worte aus dem Mund der Tochter eines Herzogs? Solche Aussagen würden zu einer Entehrung und im schlimmsten Fall zu einer Klage wegen Verrates an der Königin führen.
Sie war gewohnt, dass die Leute unter sich solche Dinge sprachen. Denn es war die Wahrheit, doch mit einer Engländerin über diese Themen zu sprechen war ihr fremd.
„MyLady woher stammt Eure Mutter? Falls ich Euch nicht zu nahe trete." „Sagt dir das östliche Abendland etwas?" Nurana blickte zu Siùsan, welche zögerlich nickte. Bezogen die Engländer dort nicht jegliche Gewürze, Stoffe und Schmuck? „Meine Mutter stammt aus China. China ist bekannt für seine Seide." Fasste Nurana kurz zusammen und die Schottin runzelte die Stirn. China. Das Land der Seide? Irgendwas in ihrem Innere klickte, doch sie konnte es sich nicht wirklich vorstellen. „Wie weit weg ist es?" Erkundigte sie sich neugierig und Nurana schmunzelte, in ihrem Blick lag etwas das wie Fernweh aussah. „Sehr weit, Siùsan. Es liegt nicht in Europa sondern in Asien. Zu Fuß dauert es zwei Jahre, die Reise ist äußerst gefährlich. Mein Vater wagte dieses Abenteuer einst und brachte feinstes Porzellan und Seide zurück. Auf Pferd etwas weniger. Viele reisen mit Schiffen, doch auch das ist nicht ohne." Erklärte sie und Siùsan hang an ihren Lippen. „Warst du schon dort?" Wollte sie wissen und Nurana nickte. „Die ersten Jahre meines Lebens verbrachte ich in China. Erst später kehrten wir nach England zurück. Ich erinnere mich nur an wenige Details." Erklärte sie und Siùsan nickte verstehend. „Es ist erstaunlich." Stellte sie dann fest und die Lady lächelte: „Das ist es!"
Sie blieben ein wenig aus der Puste vor dem großen Tor stehen und wieder einmal verfluchte Nurana das Korsett, welches ihr die Luft abschnürte und die Atmung unfassbar erschwerte. So unsportlich war sie gar nicht!
Sie spürte die kritischen Blicke und das Misstrauen ließ sich beinahe schmecken.
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