18
Cathal McKinnon hatte wie immer seine ausdruckslose Fassade aufgesetzt, doch zu Nuranas Überraschung begann er nach einigen Minuten des Schweigens das Gespräch. "Wie geht es Eurem Handgelenk?" Sie blinzelte verwundert, ehe sie sich fing. "Nun, es ist verheilt. Dank Ihnen. Manchmal tut es noch weh." Erklärte sie und der Mann nickte verstehend. "Arnika oder Beinwell sollte helfen. Habt Ihr diese Salben?" Nurana zuckte vorsichtig mit den Schultern. "Ich bin mir nicht sicher. Wir können gleich fragen." Schlug sie vor und McKinnon hob die Augenbrauen. "Ich soll mit Euch in Euer Anwesen?" Hakte er trocken nach und die junge Dame verdrehte die Augen: "Es wäre nicht das erste Mal das ihr auf unserem Grundstück seid." Der Schotte seufzte und gab schließlich nach.
Der Fußweg dauerte nicht lange, weswegen Nurana die Kutsche abgelehnt hatte. Sie wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als sowieso. Zudem - hätte sie die Kutsche genommen, dann würde Cathal sie jetzt nicht begleiten. Auch wenn Siusan ihnen auf Schritt und Tritt folgte, freute sich ein kleiner unvernünftiger Teil in ihr den Mann wieder zu sehen.
Das Herrenhaus türmte sich auf dem Hügel auf und die tiefstehende Sonne tauchte es in ein goldenes Licht. Die Blätter der Bäume begannen langsam, sich zu verfärben und der Herbst nahte. Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit überkam die Lady. Wie lange sollte sie noch hier verweilen? Würde man sie erst zurück nach London lassen, wenn man ihr einen Ehemann gefunden hatte?
Sie dachte zurück an den Brief, den ihre Mutter ihr zukommen ließ. Bei all dem Trubel, war diese Sorge beinahe in Vergessenheit geraten und dass, obwohl sie so beängstigend war. Nurana blickte zu ihrem Begleiter, welcher ebenfalls in Gedanken versunken war. Sie hatte sich mehr um seine Zukunft gesorgt, als um ihre eigene. Doch bei McKinnon hatte sie die Hoffnung, wirklich etwas ändern zu können. Ihre Zukunft war unausweichlich.
Als sie endlich die Halle des Anwesens betraten, seufzte Nurana auf. Manchmal hatte sie das Gefühl, von all den Dingen erdrückt zu werden. Als würden die hohen Decken plötzlich schrumpfen und auf sie nieder pressen. "Lady Fairchild. War Ihr Besuch..." Der Butler hielt inne, als er den Mann hinter ihr erblickte. Seine Augen weiteten sich erschrocken und sie sah, wie er um die Nase etwas fahl wurde. "War Ihr Besuch auf dem Markt... angenehm?" Beendete er schließlich stockend seinen Satz und die junge Dame lächelte sanft.
"Das war er, Robert. Das ist Mr. McKinnon, er kennt sich mit Salben aus und ich berichtete ihm von meinem Handgelenk. Ich würde mir gerne seinen Rat einholen." Nun wurde der Bedienstete leichenblass. "MyLady. Ich..." Er begann zu stottern und Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. "Er ist... Denkt Ihr... Ich..." Verzweifelt rang er nach den richtigen Worten und der irritierte Blick den die Miss ihm schenkte, half nicht sonderlich dabei. "Er ist ein Schotte MyLady." Murmelte er schließlich und anstelle Erkenntnis auf ihrem Gesicht zu sehen, wuchs die Verwunderung in ihrem Ausdruck. "Dem bin ich mir bewusst..." Stellte Nurana schließlich fest. "MyLady..." Sein Blick wanderte zwischen ihr und McKinnon, welcher hinter ihr stand, hin und her. Auf der einen Seite, schien er sich zu fürchten den Fremden zu erzürnen, doch auf der anderen Seite bemühte er sich an seinen Prinzipien festzuhalten.
"Es schickt sich nicht." Formulierte der ältere Herr schließlich, was der Lady ein Seufzen entgleiten ließ: "Wenn dies das einzige Problem ist, dann würde ich jetzt gerne in die Medizinkammer." "Natürlich Lady Fairchild." Peinlich berührt trat Robert zur Seite und Nurana warf Siusan einen Blick zu. Die Zofe huschte rasch nach vorne und zeigte ihnen den Weg. "Danke." Sie lächelte dem Rotschopf zu, als sie das Zimmer betraten und Siusan wusste, dass ihre Anwesenheit nicht weiter benötigt wurde und entschuldigte sich, nicht ohne ihrem Bruder einen warnenden Blick zu zuwerfen.
Nurana seufzte und wandte sich zu Cathal, welcher jedoch von der Medizinkammer abgelenkt war. Das erste Mal sah sie etwas wie pure Anerkennung in seinem Blick. Leidenschaft. Der Ausdruck in seinen Augen wärmte ihr Herz. "Ich denke, die Salben sind dort aufbewahrt." Sie deutete auf eine Glasvitrine, in der sich einige kleine Behälter befanden. "Ich schau es mir an." Mit einer Sanftheit, die sie ihm nicht zugetraut hätte, öffnete der Highlander die Keramikbehälter und begutachtete deren Inhalte.
Er schien völlig in seinem Element und ihr Herz begann schneller zu klopfen, als sie merkte wie die gewohnte Härte durch spürbare Faszination ersetzt wurde. Die Art und Weise, wie er die Kammer begutachtete - es war beeindruckend. Es benötigte keinen Fachmann, um die Bewunderung in seinem Blick festzustellen. "Einige dieser Kräuter sind recht selten und haben sehr spezifische Anwendungen." Begann er schließlich und hielt eine der Behälter vorsichtig gegen das Licht. "Die Mischungen sind wirklich hochwertig und präzise." Anerkennung schwang in seinem Ton und die junge Frau nickte. "Der Mann der Countess hatte einige Bekanntschaften in medizinischen Kreisen. Viele von ihnen besuchten die Universitäten des neuen Kontinents." Erklärte sie und deutete auf die Bücher.
"Schaut." Sie hörte, wie sich seine Schritte näherten und interessiert musterte er die Sammlungen. "Anatomie, Chirurgie..." Eifrig hielt sie ihm die Schriften unter die Nase. "Ich kann sie Ihnen bestimmt leihen, wenn Sie mögen." Schlug sie schließlich vor und der Mann schnaubte: "Wozu?" "Dann könnten Sie sich eigenständig bilden. Hier schauen Sie..." Nurana drückte ihm ein wahlloses Buch über Anatomie in die Hand. "Wer war der Verfasser des Buches nochmal..." Murmelte sie und sah ihn fragend an. "Ich weiß es nicht." Entgegnete der Schotte ablehnend und nun runzelte Nurana die Stirn. "Es steht doch dort geschrieben oder nicht?" "Ich weiß es nicht." Brummte der Schotte und legte das Buch auf die Arbeitsfläche. "Cathal, Sie können nicht lesen." Stellte die Lady vorsichtig fest, als sie die goldenen Buchstaben auf dem Umschlag sah.
McKinnon richtete sich auf und blickte zur Seite: "Ich sollte gehen. Die Salbe steht dort." Er wollte bereits an der Fairchild vorbei stürmen, doch sie ergriff seinen Arm und beinahe hätte er sie mitgerissen. "Warten Sie doch einen Moment!" Entfloh es ihr frustriert. "Nur weil Sie nicht lesen können, bedeutet das nicht das Sie sich nicht bilden können. Ich kann Ihnen helfen. Das bin ich Ihnen schuldig." Schlug sie vor und verdattert sah der Highlander auf sie herab. "Und wie stellen Sie sich das vor?"
"Nun, wir haben momentan keinen Mediziner. Ich könnte Sie einstellen. Es wäre kein Problem, ich würde die Countess schon überzeugt bekommen und dann zeige ich Ihnen wie man liest." Schilderte sie motiviert ihren Plan. "Ich würde Euch Umstände machen." Lehnte der Mann ab und Nurana schüttelte den Kopf: "Cathal, glauben Sie mir ich habe nichts anderes zu tun. Außerdem würde ich mich dadurch ebenfalls weiterbilden. Es hat nur Vorteile!"
"Warum seid Ihr so versessen, mir zu helfen?" Irritiert sah er sie an. Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen: "Ich... ich sehe ihr ehrliches Interesse und wenn es Sie glücklich macht, wieso nicht?" Nun schien er noch verwirrter und trat einen Schritt zurück: "Ich werde mir ihren Vorschlag durch den Kopf gehen lassen." Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und ließ die junge Lady aufgewühlt zurück.
Hatte sie womöglich die größte Fehlentscheidung ihres Lebens getroffen?
Vielleicht.
Aber wenn Fehler sich so gut anfühlten, dann würde sie nicht zögern einen weiteren zu begehen.
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