Schwarze Magie
Die Nacht brach herein und mit ihr kehrten die düsteren Gedanken zurück. Tania hockte auf einem Fenstersims im Astronomieturm. Hierher verirrten sich nur selten Schüler, denn es war einfach zu mühselig die zweitausendfünfhundert Stufen zu erklimmen.
Ihr Kopf pochte und sie lehnte ihn gegen die kühle Fensterscheibe. Die Kälte linderte zwar den Schmerz, ließ sie jedoch frösteln. Es waren zwei Tage vergangen seit sie Snapes Büro überstürzt verlassen hatte. Seitdem versuchte sie die Zeit totzuschlagen und sich darüber klar zu werden, wie es weitergehen sollte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich einsam. In ihrem Gemeinschaftsraum war sie nicht mehr willkommen. Sie hatte die Wut in Michaels Augen gesehen und das Misstrauen der anderen gespürt. Unter ihnen gab es keinen Platz für eine Verräterin. Tania konnte sich nicht vorstellen am Unterricht teilzunehmen oder die Mahlzeiten zu besuchen, als sei nichts geschehen.
Am liebsten wäre sie einfach in Snapes Büro marschiert. Sie würde sich ins Sofa am Kamin kuscheln, ein Buch aufschlagen und ihn mit Ignoranz strafen. Ihr schmerzender Arm, den ein dunkelblauer Abdruck seiner Finger zierte, hielt sie davon ab.
Der Bluterguss war ein Mahnmal, welches sie bei jeder Bewegung an Snapes Wut erinnerte. Er konnte diesen Fehler vielleicht einmal machen, doch wenn es zum zweiten Mal geschah, würde er immer wieder die Beherrschung verlieren.
Als er ihr befohlen hatte zu bleiben, hatte sich Tania gefühlt, als würde er Anspruch auf sein Eigentum erheben. Ein Eigentum, das er zuvor von sich gestoßen hatte, als wolle er es nicht.
Sie hätte es wissen müssen! Snape war eine komplizierte Person. Empathie und Fürsorge waren ihm fremd, dafür löste er Probleme indem er die Menschen einschüchterte oder seine Macht demonstrierte. Er kam aus schwierigen Verhältnissen, bewegte sich in dunklen Kreisen und war schwarzer Magie zugetan.
Das Schlimmste war, dass er ihr all seine schlechten Eigenschaften offenbart hatte. Er hatte sie sogar vor sich selbst gewarnt, doch in ihrer Naivität hatte Tania gedacht, ihn retten zu können. Ihn zu retten vor dem Hohn der anderen, vor den dunklen Mächten- vor sich selbst. Sie wollte ihn noch immer retten.
Tania konnte ihre Gefühle nicht leugnen. Sie liebte Snape. Liebte, wie sie noch nie etwas geliebt hatte, doch sie hatte auch noch nie solchen Schmerz gespürt. Sie hoffte, dass er sie suchen würde und wartete auf eine Entschuldigung. Doch er kam nicht. Wieso auch, wenn ihm der Kuss nichts bedeutet hatte?
Sie schniefte in ihren Umhang und trocknete ihre Tränen. Es half nichts. In Hogwarts gab es keinen Platz für eine Verräterin. Es war an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Sobald ihre Mitschüler schliefen, wollte sie ihre Sachen packen und sie an einen sicheren Ort bringen. Anschließend würde sie sich Gedanken machen, wie es weitergehen sollte, denn so konnte es nicht bleiben.
Vielleicht könnte sie Hogwarts unbemerkt verlassen, nach London apparieren, in einem Muggelhotel unterkommen und versuchen Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen?
Gegen vier Uhr machte sich Tania auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. Sie fühlte sich wie ein Eindringling als sie auf leisen Sohlen die Wendeltreppe zu ihrem Zimmer emporstieg. Es war totenstill. Ihre Mitschüler schlummerten selig in ihren Betten.
Ihr fiel ein Stein vom Herzen als sie sah, dass in ihrem Zimmer alles unverändert war. Niemand hatte sich an ihrem Eigentum vergriffen. Zügig schnappte sie sich ihre Reisetasche und packte ihre Sachen mithilfe einiger Haushaltszauber zusammen.
Von Zauberhand verschwanden Kleidung, Bücher und Tränke in der Tasche. Nachdem auch der Eulenkäfig verstaut war, gab die Tasche ein lautes Rülpsen von sich.
Betrübt ließ Tania ihren Blick durch den Raum schweifen. Sie hatte sich immer gefreut, wenn sie ihre Sachen packen konnte, denn es hatte bedeutet, dass sie Nachhause fuhr. Diesmal lagen keine Sommerferien vor ihr, sondern eine beängstigende Ungewissheit. Mit hängendem Kopf machte sie sich auf den Rückweg.
»Bleib stehen!«, ertönte plötzlich eine Stimme in ihrem Rücken.
Tanias Atem stockte und sie wirbelte herum.
Es war Michael. Er stand mit wutverzerrter Miene an der Treppe zum Jungenschlafsaal und sein Zauberstab peitschte durch die Luft. Bevor sie reagieren konnte, riss der Zauber ihr den Tarnumhang von den Schultern. Hilflos versuchte sie ihn mit ihren Händen zu greifen, doch der Stoff floss wie Wasser durch ihre Finger und landete auf dem Kopf der Statue von Rowena Ravenclaw.
›Stupor!‹, dachte Tania und riss ihren Zauberstab empor. Michael hechtete gerade noch rechtzeitig zur Seite, als der Fluch durch den Raum schoss. Sie verlor keine Zeit, umklammerte ihre Tasche und rannte die engen Treppen des Ravenclawturms hinab.
»Tania, bleib stehen!«, hörte sie dicht hinter sich Michaels Stimme und seine Schritte. »Lass uns reden!« Seine zornige Stimme klang nicht, als ob mit ihm zu reden war.
Tania schüttelte den Kopf, während sie drei Stufen mit einmal nahm. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie einholen würde. Geistesgegenwärtig beschwor sie ein Schutzschild, falls er sie mit einem Fluch an der Flucht hindern wollte.
Als sie mit pochendem Herzen den vierten Stock erreichte, bog sie in einen der Korridore ein. Vielleicht konnte sie die Bibliothek erreichen und in einer der vielen, deckenhohen Regalreihen verschwinden? An diesem Ort kannte sich Michael nicht aus!
Bevor sie diesen Plan weiter durchdenken konnte, tauchte eine Gestalt vor ihr im Korridor auf und schoss einen Fluch auf sie ab. Schlitternd kam sie zum Stehen.
»Protego!«, keuchte Tania. Der Fluch wurde zurückgeworfen und prallte von den Wänden ab, doch im selben Augenblick spürte sie, wie sie ein Zauber im Rücken traf. Sie ging zu Boden und ihr Zauberstab schlitterte nutzlos durch den Korridor.
Ein heftiges Stechen zog von ihren Ellenbogen bis in die Schultern hinauf und trieb ihr die Tränen in die Augen. Im nächsten Moment schlangen sich Seile um ihren Körper und machten jede weitere Bewegung unmöglich.
Ein Angreifer packte Tania an den Füßen. Der Andere hielt sie unter den Armen. Gemeinsam schleiften sie die junge Frau über den Boden in ein leerstehendes Klassenzimmer. Einer der beiden lehnte sie grob geben ein Pult, sodass sie aufrecht saß.
Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Vor ihr stand Michael und etwas abseits Seamus, der sie wachsam mit gezücktem Zauberstab beobachtete.
»Was soll das?«, keuchte Tania hysterisch und versuchte nach Michael zu treten. Sie erreichte ihn nicht.
»Du wirst es verstehen«, erwiderte Michael. »Das alles ist zu deinem Besten, Tania. Wir wollten dich nicht erschrecken.«
»Bist du noch ganz -«, wollte Tania ihrem Ärger Luft machen, doch ein Schweigezauber brachte sie abrupt zum Schweigen. Wütend funkelte sie Seamus durch die Dunkelheit an.
»Finite Incatatem!«, rief Michael und wedelte mit seinem Zauberstab, bevor er sie hoffnungsvoll musterte. »Ist es schon besser?«
Die junge Frau starrte ihn aus großen, verständnislosen Augen an und zuckte mit den Schultern – eine Bewegung, die sie sofort bereute, als ihr Arm zu pochen begann.
»Kein Ding – ich habe noch einige andere Zauber auf Lager. Specialis Revelio«, legte Michael nach. Als Tania ihn unverändert wütend anfunkelte, zog er einen Zettel aus seinem Umhang, auf welchem er offenbar weitere Zauberformeln notiert hatte. »Magis Denudantis Iudicia! Liberation Termination Tenebris!«
Keiner seiner Zauber zeigte eine Wirkung und Tania dämmerte, was er mit seinem Tun bezweckte. Er glaubte wirklich, dass Snape sie verwunschen hatte.
Was würde Michael tun, sobald er erfuhr, dass Tania Snape aus freien Stücken verfallen war?
»Das war der Letzte, Seamus«, erklärte Michael nach weiteren Zauberformeln enttäuscht. »Es hat nichts gebracht.«
»Ich habe dir gleich gesagt, dass der Giftmischer keinen Zauber verwendet hat.« Seamus rollte mit den Augen. »Versuch den Trank.« Tania spannte sich in ihren Fesseln an und schüttelte heftig den Kopf, als Michael ein Fläschchen aus seinem Umhang zog.
»Entspann dich«, murmelte er und strich ihr in einer Geste über den Kopf, die scheinbar beruhigend wirken sollte. Tania begann panisch zu zappeln. »Dieser Trank hebt die Wirkung des Amortentia auf. Gleich bist du wieder bei Sinnen.«
›Eben drum!‹, brüllte ihn Tania innerlich an. Sie wusste nur zu gut, welche Auswirkungen der Trank haben würde, wenn Michael ihn falsch gebraut hatte. Ihre Lebensgeister wären erloschen bevor der Trottel überhaupt begriffen hatte was geschehen war. Wie von Sinnen warf sie sich in ihren Fesseln hin und her.
»Jetzt hör doch mal auf!«, rief Michael genervt. »Seamus, hilf mir mal.« Zwei Hände packten sie von hinten und Michael führte eine Phiole mit grüner Flüssigkeit an ihre Lippen.
›Grün!‹, dachte Tania alarmiert, ›Das Gegenmittel sollte türkis sein!‹ Weinend drehte sie den Kopf weg, doch Michael packte sie am Kinn und flößte ihr den Trank ohne viel Federlesen ein. Sie wollte ihn ausspucken, doch er hielt ihr Mund und Nase zu, bis sie die Substanz heruntergewürgt hatte.
Tania schüttelte sich. Es schmeckte ekelhaft! Musste das so sein? Kaum, dass Michael den Schweigezauber gelöst hatte begann sie zu Schluchzen. Die Tränen liefen ihr unaufhaltsam über die Wangen. Plötzlich hatte sie Angst vor Michael, von dem sie gedacht hatte, dass er ein Freund war.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Michael und musterte sie aufmerksam. Tania hielt den Blick gesenkt und versuchte mit aller Macht, ihre zitternden Glieder unter Kontrolle zu bringen.
»Ich - Was war mit mir?«, fragte sie und versuchte, verwirrt zu wirken. Es war ein kläglicher Versuch. Ihre Stimme. Ihre Haltung. Ihr Blick. Sie hatte noch nie besonders gut lügen können.
»Sie lügt«, stellte Seamus fest. Tania schloss die Augen und betete, dass irgendjemand sie finden würde. Sie wäre sogar dankbar, wenn es Filch, Mrs. Norris oder die Carrows sein würden.
»Bist du sicher, Seamus?«, fragte Michael skeptisch. »Sie könnte verwirrt sein. Das muss ziemlich aufwühlend sein.«
»Dann lass es uns herausfinden.«
Michael zögerte. »Sicher, dass das nötig ist?«
»Sie kann uns alle in Gefahr bringen, wenn wir sie mit ins Quartier nehmen.« Seamus klang streng. »Das war die Bedingung.«
»Ich weiß.« Michael nickte und zog eine weitere Phiole aus seinem Umhang. Die Flüssigkeit war glasklar. Das Mondlicht spiegelte sich darin und brachte die Partikel zum Funkeln.
»Das ist verboten!«, stieß Tania hervor. »Das dürft ihr nicht!«
»Ungerechte Zeiten fordern unlautere Mittel«, knurrte Seamus und packte sie erneut an den Schultern, damit Michael ihr das Veritaserum einflössen konnte.
Michael löste den Stopfen aus der Phiole und näherte sich Tanias Lippen. Sie hatte nur einen Versuch! Als das Fläschchen ganz nah war, stieß sie sich mit aller Kraft nach vorne. Ein Teil des Wahrheitstrankes schwappte aus der Phiole, doch Michael schaffte es, das Fläschchen zu fangen und auszubalancieren.
»Es reicht langsam!«, keifte Seamus und drückte Tania schmerzhaft ein Knie in den Rücken. Mit der anderen Hand packte er ihre Haare und zwang den Kopf der jungen Hexe in den Nacken.
»Michael, bitte«, jaulte Tania verzweifelt, während sie mit strampelnden Füßen gegen Seamus Griff ankämpfte.
»Es ist zu deinem Besten«, wiederholte Michael.
»Bitte, nein, bitte«, begann sie zu betteln. »Bitte Michael, ich mache alles, alles, nur bitte nicht das -«
Innerlich betete sie, dass der Schmerz in ihren Schultern sie das Bewusstsein verlieren ließ. Alles, nur nicht das Veritaserum trinken! Ein einziger Tropfen auf ihrer Zunge und sie würde den Jungs erzählen, was sie wissen wollten. Sie würde nichts dagegen tun können, Snapes Geheimnis preiszugeben und ihn damit in furchtbare Gefahr zu bringen.
Mit ihren letzten Kraftreserven stemmte sie sich gegen Seamus. Der Schmerz, der durch ihren Arm züngelte, ließ sie aufschreien, doch die erlösende Schwärze brachte er nicht. Der Rand der Phiole benetzte bereits ihre Lippen mit Feuchtigkeit.
Ein ohrenbetäubendes Scheppern ertönte. Das Holz der Eichentür, welche Seamus versiegelt hatte, barst und flog in Einzelteilen durch die Glasfenster, die klirrend aus ihren Rahmen fielen. Scherben schlitterten über den Boden, schossen als lebensbedrohliche Geschosse durch den Raum und der Wind bahnte sich den neu eröffneten Weg durch die zerstörten Fenster.
Die dunklen Vorhänge wurden aufgepeitscht und versperrten den Jungs sowie Tania die Sicht. Ein Luftzug, gleich einem Orkan, fuhr durch ihre Haare und entriss den Jungs die Zauberstäbe. Dann ergriff eine beängstigende Kraft die Beiden, riss sie rücklings in die Luft und ließ sie knapp unter der Decke schweben.
Es war ein unheimlicher Anblick, wie sie hilflos in der Luft hingen. Ihre Körper waren reglos, doch die Augen weit aufgerissen vor Schreck. All dies geschah mit einer Dynamik, die Tania die Haare zu Berge stehen ließ. Der Raum war erfüllt von dunkler Energie, die sie frösteln ließ und zugleich eine wundersame Erleichterung durch ihre Adern strömen ließ.
Snape stand wie ein Todesbote im Türrahmen. Der Wind zerzauste seine Haare und ließ seinen Umhang flattern. Hasserfüllt starrte er Michael an, der willenlos unter der Decke schwebte, und hielt den Zauberstab auf ihn gerichtet. Seine Hand bebte, als koste es ihn alle Kraft, sich zu beherrschen.
»Severus«, stöhnte Tania. »Bitte lass ihn.« Sie fühlte sich unwohl, das Atmen fiel ihr schwer und ihr Kopf dröhnte, während die Umrisse vor ihren tränenden Augen verschwammen.
Snape riss seinen Blick von Michael los. Sein Gesicht war verzerrt vor Verachtung, während Funken aus seinem Zauberstab stoben. Seine Gier nach Rache war unverkennbar und sie spürte, wie alles in ihm danach schrie, Michael zu strafen.
»Severus«, nuschelte sie, als ihr schwarz vor Augen wurde. Jemand löste ihre Fesseln und der Schmerz wurde unerträglich.
»Tania?« Er war so fern. »Tania!«
Tania verspürte nicht das geringste Verlangen, ihre Augen zu öffnen. Es war so wunderbar warm und weich. Sie befürchtete, dass ihr Bewusstsein ihr einen Streich spielte. Was, wenn sie ihre Augen öffnete und noch immer auf dem Fenstersims hockte? Oder gar feststellte, dass sie Michael alles erzählt hatte?
Sie beschloss, dass es besser war zunächst nur ein Auge zu öffnen. Einige Minuten vergingen, ohne dass sie die nötige Energie dafür aufbrachte.›Na gut – bei Eins‹, dachte sie verschlafen. ›Drei – Zwei- Eins – Augen auf!‹
Es war schummrig in dem Raum, in dem sie sich befand. Sie lag in einem Bett und in ihrem Blickfeld befand sich ein halbrunder Raum. Er war von beiden Seiten mit Fenstern gesäumt und bot eine schöne Aussicht auf die hell erleuchteten Fenster des Schlosses. Zur rechten Seite befand sich ein Kleiderschrank, zur linken ein Nachttisch und ein Globus.
Eine Tür öffnete sich und Schritte ertönten. Rasch schloss sie die Augen und versuchte ruhig zu atmen. Etwas wurde auf ihrem Nachttisch abgestellt, die Schritte umrundeten ihr Bett und schließlich ließ sich jemand auf der Bettkante nieder.
Sie wäre fast zusammengezuckt, als eine eiskalte Hand ihre Stirn berührte, offenbar um zu testen, ob sie Fieber hatte. Die Hand zog sich wieder zurück und die Minuten zogen sich dahin, ohne das etwas passierte. Der Besucher auf ihrer Bettkante verharrte reglos.
Vorsichtig öffnete sie ihre Augen. Sie war nicht überrascht, Snape zu sehen, doch sie war überrascht von seiner erschöpften Haltung. Er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben.
»Ist das dein Schlafzimmer?«, fragte Tania unvermittelt und verspürte eine hämische Freude, als er zusammenzuckte und sich kerzengerade aufrichtete. Als er Anstalten machte aufzuspringen hielt sie ihn am Arm zurück. »Bleib sitzen.«
»Geht es dir besser?«, fragte er besorgt.
»Ich kann mich nicht beklagen.«
»Du hattest eine Vergiftung.«
»Ich weiß.« Ihr stieg die Hitze ins Gesicht. »Sie haben mir ein Gegenmittel für den Amortentia gegeben.«
»Corner kann froh sein, dass sein Antiserum nicht das genaue Gegenteil von dem bewirkt hat, was es bewirken sollte.« Snape erhob sich und begann vor Tanias Bett auf- und abzulaufen. »Was hat Corner noch angestellt?«
»Er hat einige Zauberformeln probiert«, erzählte sie. »Vielleicht dachte er, du hättest mich mit einem Imperius belegt.«
»Er hätte wissen müssen, dass ein Imperius den Irrwicht nicht beeinflusst hätte«, knurrte Snape.
»Immerhin war er nicht so schwer von Begriff wie du, Severus.« Sie warf ihm einen tadelnden Blick zu.
»Ich verstehe nicht.« Er hielt inne.
»Nun, im Gegensatz zu dir«, sie zeigte drohend mit dem Finger auf ihn, »hat Michael begriffen, dass ich um dein Wohl besorgt bin und nicht versucht habe, den Irrwicht lächerlich zu machen.«
Snape presste betreten die Lippen zusammen.
»Was hast du mit Seamus und Michael gemacht?«, fragte Tania und spürte leichtes Unbehagen, als sie an seinen Auftritt dachte. Es war beängstigend gewesen und die dunkle Macht, die er verströmt hatte, hatte alles um ihn herum eingenommen.
»Nichts«, bedauerte Snape. »Corner und Finnigan haben keine Erinnerungen mehr. Sie sind heute Morgen in ihren Betten aufgewacht, als sei nichts geschehen.«
»Du hast ihr Gedächtnis manipuliert?«, fragte Tania.
»Sie hätten etwas ganz anderes verdient!«
»Du vergisst, dass sie die Wahrheit nicht kennen, Severus«, gab Tania zu bedenken. »Sie glauben, dass du Dumbledore umgebracht hast und die rechte Hand von Du-weißt-schon-wem bist.«
»Und?«, bellte Snape und ballte die Hände zu Fäusten. »Gibt ihnen das das Recht, dich anzugreifen und dir den Arm zu brechen?«
»Nein, aber -«
»Corner ist ein impertinenter Trottel. Du wirst mich nicht vom Gegenteil überzeugen und wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich ihn genüsslich leiden lassen, bis -«
»Danke«, unterbrach ihn Tania und lächelte schwach. »Danke, dass du es nicht getan hast.«
»Danke?« Er schnaubte ungläubig. »Gehe ich recht in der Annahme, dass du dir gestern Nacht gewaltig den Kopf gestoßen hast?« Seine schwarzen Haare flogen, als er den Kopf schüttelte.
»Nein«, antwortete Tania spitz. »Dein Auftritt war übrigens ziemlich unheimlich, ist dir das bewusst?«
»Ich wollte dich nicht erschrecken -«, begann Snape.
»Mich hast du nicht erschreckt.« Tania lachte. »Wie hast du mich gestern eigentlich gefunden?«
»Spionagezauber«, erwiderte Snape schroff. »Auf die Idee hast du mich gebracht.«
»Ich verstehe.«
»Corner hatte offenbar die gleiche Idee. Als ich im Gemeinschaftsraum ankam habe ich nur deinen Umhang gefunden und mich auf die Suche gemacht«, erzählte Snape. »Im vierten Stock habe ich dann deine Tasche gefunden. Deine Sachen stehen da drüben.« Er deutete auf einen sauberen Stapel neben dem Kleiderschrank. »Wo wolltest du damit hin?«
»Ich -« Tania stockte. Plötzlich wurde sie sich bewusst, wie unüberlegt ihr Plan gewesen war. Ihre Gefühle hatten ihr einen Streich gespielt, als sie beschlossen hatte, Hogwarts zu verlassen. Mit etwas Abstand konnte sie Snape verstehen - und vielleicht sogar seine Reaktion, als sie abgehauen war.
Seit Monaten war sie seine Ansprechpartnerin. Die Einzige, die die schreckliche Wahrheit kannte und zu ihm hielt. In Verbindung mit der Last auf seinen Schultern, war dies eine gefährliche Mischung, die jeden Kessel zum Brodeln brachte. Sie wusste nicht, ob das eine gute Rechtfertigung für ihre blauen Flecken war, doch auf was sollte sie sich verlassen, wenn nicht auf ihre Gefühle.
»Ich höre«, riss Snape sie aus ihren Gedanken.
»Ich wollte das Schloss verlassen«, antwortete Tania verlegen. »Ich weiß, das war kein besonders durchdachter Plan.«
»Wenn du gehen willst, bringe ich dich an einen sicheren Ort.« Er blickte sie durchdringend an und setzte sich, soweit entfernt wie möglich, wieder auf die Bettkante. »Noch heute. Ich habe ein Haus in Spinners End. Es ist nicht besonders einladend, aber es ist mit dem Fideliuszauber geschützt.«
»Ich will nicht gehen, Severus«, erwiderte Tania und nestelte an der Bettdecke. »Ich würde lieber bei dir bleiben.«
Sie verfielen in ein unangenehmes Schweigen und Snapes Blick bohrte sich mit einer Intensität in ihre blauen Auge, dass Tania instinktiv ihren Geist verschloss.
»Meinetwegen«, gab Snape schließlich nach und schüttelte den Kopf, als hätte er soeben eine der dümmsten Entscheidungen seines Lebens getroffen. »Deine Sachen sind ja sowieso schon hier.«
»Du wirst es nicht bereuen!« Tanias Augen leuchteten, als sie sich zu ihm beugte und ihre Arme um seinen Hals legte.
»Ich bereue es jetzt schon«, flüsterte er, als er ihre Berührung angespannt über sich ergehen ließ, doch Tania wusste, dass er es nicht so meinte.
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