Inventur von A bis Z
Am Dienstag klopfte Tania pünktlich an Snapes privaten Räumen. Die Tür schwang von Zauberhand auf und sie trat mutig in das Reich des Tränkemeisters. Wachsam durchquerte sie den Flur und spähte ins Labor. Snape stand mit dem Rücken zu ihr an einem der Arbeitstische und rührte in einem dampfenden Kessel.
»Wollen Sie Wurzeln schlagen, Green?«, schnarrte er, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
»Guten Abend, Sir.« Tania trat langsam ein. »Ich habe ein paar Fragen.« Nervös wippte sie auf den Füßen vor und zurück, während Snape ein grünliches Pulver in seinen Kessel rieseln ließ.
»Fragen Sie«, murmelte er geistesabwesend und schwang seinen Stab über dem Gebräu, aus dem kleine Bläschen aufstiegen.
»Wie oft in der Woche kann ich herkommen, Sir?«
»Am Dienstag- und Donnerstagabend werden Sie um neunzehn Uhr hier sein und bis um zwanzig Uhr arbeiten.« Snape nahm den Kessel vom Feuer. »Am Samstag werden Sie um zehn Uhr hier sein und solange bleiben, wie Sie gebraucht werden. Haben Sie ein Problem damit?« Er musterte sie angriffslustig.
»Nein, Sir«, antwortete Tania und versuchte es mit einem entwaffnenden Lächeln, welches auf Granit stieß.
»Ihre erste Aufgabe ist es, den Bestand zu kontrollieren«, erklärte Snape. »Fangen Sie beim ersten Buchstaben des Alphabetes an und arbeiten Sie sich vor.« Er zog ein Notizbuch hervor und drückte es Tania in die Hände. Neugierig schlug sie es auf und sah, dass er jede Zutat seines Bestandes aufgelistet hatte. Seine filigrane Handschrift hatte etwas von zwanghaftem Perfektionismus.
»Wenn Sie schon dabei sind, sollten Sie auch prüfen, ob etwas verdorben ist. Einige Gläser müssten mal wieder umgefüllt werden.« Seine Lippen verzogen sich zu einem zynischen Lächeln. »Ich rate Ihnen zu Handschuhen. Fangen Sie an!«
Tania nickte und schaute sich nach den Aalaugen um, mit welcher die Bestandsliste begann. Snape, der Anstalten machte das Labor zu verlassen, hielt an der Tür inne.
»Miss Green, wenn Ihnen etwas hinunterfällt oder Sie eine Substanz berühren sollten, kommen Sie unverzüglich zu mir«, mahnte er. »Niemanden ist geholfen, wenn Ihnen die Finger abfallen.«
»Natürlich«, versprach Tania, krempelte die Ärmel hoch und begann die glibbrigen Fischaugen zu zählen.
Die Arbeit im Labor machte Spaß. Snape besaß unzählige Zutaten, von denen sie noch nie gehört hatte. Alle waren in einwandfreiem Zustand und die Gläser hatte er nach dem Alphabet sortiert, sodass sie die Zutaten von der Liste schnell fand. Es war eine leichte und spannende Tätigkeit, wenn sie auch etwas eklig war.
Die Acromantulahaare machten ihr zu schaffen, weil sie kleine Widerhaken hatten und sich nicht von ihren Handschuhen schütteln ließen. Die junge Frau musste auch schlucken, als sie ein Gefäß mit der Aufschrift ›Adern‹ fand und nicht klar zuordnen konnte, von welchem Tier diese sein sollten.
Vor den meisten Zutaten brauchte man sich jedoch nicht zu fürchten. Sie arbeitete sich durch Alpenveilchen, Alraunen, Anis und einem Kraut namens Augentrost.
Bald hatte die Schülerin eine Routine entwickelt und kam schneller voran. Sie war bei den Zutaten mit dem Buchstaben ›D‹ angelangt und stellte grade ein Glas mit Dianthuskraut ins Regal, als sie erschrak. Snape lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen und beobachtete sie.
»Was machen Sie noch hier?«, fragte Snape in seiner üblich ausdruckslosen Tonlage. Tania schaute ihn verwirrt an.
»Es ist weit nach Mitternacht«, half er ihr auf die Sprünge und ein spöttisches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.
»Wie bitte?«, stammelte Tania, »So spät?« Sie warf einen prüfenden Blick auf ihre Armbanduhr.
Snape schaute sich währenddessen ihre Notizen an und nickte leicht. Tania verstand dies als Zeichen, dass er zumindest nicht unzufrieden war und strahlte ihn an.
»Ich bin beim Dianthuskraut angekommen, Sir«, verkündete sie.
»Wundert mich nicht, wenn Sie länger arbeiten als vereinbart«, murrte er mit einem missbilligenden Blick, »Achten Sie beim nächsten Mal auf die Uhrzeit!«
»Ja, Professor. Es kommt nicht nochmal vor«, versprach Tania.
»Dann los jetzt!«, befahl er ungeduldig und hielt Tania die Tür auf. Der Kerkergang war stockfinster. Sie blickte sich um.
Wie sollte sie sich erklären, wenn Filch sie um diese Uhrzeit auf den Gängen erwischte?
»Dort hinten ist das Porträt von ›Nathan dem Nervtötenden‹, hinter dem sich ein Geheimgang in die fünfte Etage befindet«, blaffte Snape. »Das Passwort lautet Nasenschleimhaut.« Er verzog das Gesicht, als sei die Wahl des Passwortes unter seiner Würde.
»Vielen Dank, Sir«, erwiderte Tania überrascht und schaute kurz in seine tiefen, dunklen Augen, »Gute Nacht.« Dann verschwand sie mit flatterndem Umhang in der Dunkelheit.
Zweieinhalb Wochen später an einem Samstag saß Tania beim Frühstück in der großen Halle. Sie war bester Laune, denn heute würde sie sich den Zutaten mit dem Anfangsbuchstaben ›V‹ widmen. Wenn nichts dazwischenkäme, könnte sie die Inventur an diesem Abend beenden.
Insgesamt betrachtet waren die Stunden, in denen sie im Kerker arbeitete, angenehm. Professor Snape war ein stiller Zeitgenosse, worüber sie sich nicht beschweren würde. Meist grüßte Tania ihn, wenn sie das Labor betrat. In der Regel ignorierte er sie, doch am Donnerstag hatte Tania bemerkt, wie er ihr ganz leicht zugenickt hatte. Sie verzeichnete dies als einen großartigen Fortschritt.
Kurz vor zehn Uhr verließ sie die Frühstückstafel und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sich auch Snape vom Lehrertisch erhob. Sie hatte feststellen müssen, dass die düstere Fledermaus einige gute Attribute besaß. Dazu zählte seine Pünktlichkeit.
Tania erreichte die Treppe im gleichen Moment wie ihr Lehrer.
»Guten Morgen, Professor«, grüßte sie etwas trotzig, in der Erwartung wieder keine Antwort zu bekommen.
»Morgen«, kam es mit rauer Stimme zurück und Tania blieb vor Überraschung stehen. Snape drehte sich zu ihr um und seine Augen funkelten provokant, während er die Brauen fragend hochzog. Rasch sammelte sie sich und folgte ihm.
»Einen herrlichen guten Morgen, junge Dame!«, tönte es plötzlich mit quäkender Stimme aus einem Porträt einige Schritte vor ihnen. Tania zuckte zusammen und erhöhte ihr Schritttempo, um einer peinlichen Situation zu entgehen.
Diese Stimme gehörte ›Nathan dem Nervtötenden‹, der in diesem Gang sein Porträt hatte. Hinter dem Bild befand sich der Geheimgang in den fünften Stock. Tania nutzte diesen Weg, wie von Snape empfohlen, um nach der Arbeit zurück in ihren Schlafraum zu gelangen. Unglücklicherweise hatte Nathan Interesse an ihr und ließ keine Gelegenheit aus, um ihr Komplimente zu machen.
»Junge Dame, habt Ihr mich nicht gehört?«, flötete Nathan aufdringlich. Die junge Hexe tat, als würde sie nichts hören. Wenige Meter trennte sie von der rettenden Tür zu Snapes Gemächern.
»Wartet doch, meine Schöne! Ich will Euch zu einem Kelch Wein einladen. Heute Abend?«, krähte Nathan so laut, dass es in Tanias Ohren zu klingeln begann.
»Nein!«, zischte sie und warf dem halbnackten Mann im Porträt einen tödlichen Blick zu. Nathan war mit nichts anderem als einem albernen Leinentuch bedeckt, in welchem er auf einem römischen Sockel thronte. In einer Hand hielt er eine Weinrebe und in der anderen ein gefülltes Glas.
»Nun, wenn Ihr es so wollt! Dann nehmt doch Vorlieb mit Eurer stümperhaften Begleitung!«, plärrte das Porträt beleidigt.
Tania bemerkte wie Snape in der Bewegung erstarrte und sich drohend zu Nathan umdrehte, der sich der Gefahr nicht bewusst zu sein schien. »Als ob der schmierige Flegel bemerken würde, dass Ihr Euch jedes Mal Euer güldenes Haar im Spiegel neben dem Porträt von Rowena Ravenclaw richtet, bevor Ihr ihn besucht! Ich wüsste das zu würdigen, junge Dame. Ich würde -«
»Silencio!«, bellte Snape und Nathan griff sich theatralisch an den Hals, als würde er ersticken. Tania hingegen fühlte sich ertappt und spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss. Nervös trat sie hinter Snape ins Labor und versuchte diesen nicht anzusehen, während sie sich auf die Arbeit stürzte.
In rasantem Tempo arbeitete sie sich durch die Gläser mit den Zutaten, die mit einem ›V‹ begannen. Routiniert bestimmte sie die Menge von Vampirzähnen, Vogelnieren und vielblättrigem Klee. Die Arbeit beruhigte sie und ließ sie ihren Ärger vergessen.
Verstohlen beobachtete sie Snape, der sich über einen Kessel beugte und in einem Gebräu rührte, dass silbrigen Dampf ausstieß. Was, wenn Nathan Recht hatte? Sie konnte nicht umhin, sich einzugestehen, dass sie Snape gefallen wollte. Bevor sie ins Labor ging, verbrachte sie tatsächlich mehr Zeit damit ihre Augen zu betonen oder ihre Haare zu richten, als es gewöhnlich der Fall war.
Hinzu kam, dass sie ihre Abende häufiger mit Büchern über Zaubertränke verbrachte. Sie schlug die Tränke nach, die er in ihrer Anwesenheit braute und informierte sich über neue Zutaten, die ihr im Labor begegnet waren.
Snape hielt seine Hakennase in den schwarzen Dampf und roch daran. Dabei erinnerte er Tania auf groteske Art an die Bilder von Hexen in den Muggel-Märchen, aus denen ihre Großmutter manchmal vorgelesen hatte. Sie sollte sich für diesen Mann interessieren? Nein. Nathan war ein Schwätzer, der keine Ahnung hatte.
Wesentlich besserer Laune griff sie nach einem weiteren Glas mit dem Anfangsbuchstaben ›W‹ und hätte es vor Schreck beinahe fallen gelassen. Mit spitzen Fingern schaffte sie es grade noch, das Glas auf die Arbeitsplatte schlittern zu lassen.
In dem riesigen Behälter mit der Aufschrift ›Wespenspinne‹, waren die unheimlichsten Viecher, die sie jemals zu Gesicht bekommen hatte. Es handelte sich um handtellergroße, gelb-schwarz gestreifte Spinnen mit langen, gebogenen Beinen. Sie hatten zarte Flügel auf ihren dicken Körpern und zu Tanias purem Entsetzen einen weißen Stachel, den sie aus- und einfuhren.
Die Wespenspinnen waren lebendig. Tania hatte Spinnen in allen Größen in diesem Labor gesehen. Es gab eingelegte Spinnen, getrocknete Spinnen, Spinnenaugen, Spinneneier, Spinnenbeine, Spinnennetze und unzählige Spinnengifte. Aber keine dieser Zutaten hatte sich bewegt und vereinte das Lebewesen, vor dem sie sich am meisten ekelte, mit dem, vor dem sie sich fürchtete. Seit ihrer Kindheit hatte sie Angst vor Wespen.
Sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach, als sie vor dem Behälter mit den sich windenden Tieren stand. Auf keinen Fall wollte sie sich die Blöße geben, Snape um Hilfe zu bitten. Entschlossen fixierte sie das Glas und begann den Deckel langsam aufzuschrauben. Ihre feuchten Hände gehorchten ihr nicht, als es daran ging den Verschluss des Glases zu heben.
Plötzlich schob eine kalte Hand sanft die ihre von dem Deckel, während sich feingliedrige Finger um das Glas legten. Überrascht beobachtete Tania, wie Snape den Behälter zu sich zog, ihn öffnete und sich die Wespenspinnen in die Luft erhoben.
Konzentriert dirigierte er die Wesen mit dem Zauberstab. Anschließend ließ er sie, eine nach der anderen, zurück in das Glas plumpsen. Dieses verschloss er sicher und stellte es auf einen Schrank außer Sichtweite seiner Schülerin ab.
»Es sind dreizehn«, sagte er und widmete sich seinem Kessel, als sei nichts geschehen. Kein Spott. Kein Hohn. Er machte sich ihre Schwäche nicht zunutze.
»Danke«, flüsterte Tania.
Kurz vor achtzehn Uhr stellte Tania den letzten Behälter mit der Aufschrift ›Zyperngras‹ ins Regal zurück.
»Ich bin fertig, Professor!«, verkündete sie und reichte Snape, der seinen Arbeitsplatz aufräumte, die Liste mit den fehlenden Zutaten. Er warf einen kurzen Blick darauf.
»Gut. Es fehlt nicht viel«, kommentierte er und legte die Liste beiseite. »Wir werden noch einen langen Abend haben. Madam Pomfrey benötigt Heiltränke für den Krankenflügel. Wir beginnen mit einem einfachen Aufpäppeltrank. Holen Sie die Zutaten.«
Tania nickte und stellte flink die benötigten Zutaten zusammen. Sie verstand sich ohne viele Worte mit ihrem Lehrer. Während er den Kessel aufsetzte, begann Tania die ersten Zutaten zu schneiden und abwechselnd fügten sie dem Trank seine Bestandteile bei. Mal rührte Snape in dem Kessel, mal tat es Tania. Sie bemerkte, dass er jeden ihrer Schritte beobachtete.
Konzentriert warf sie einen Blick in den Kessel. Als nächstes mussten Jogwurzeln hinzugefügt werden. Sie schnappte sich eine Handvoll der olivgrünen Knollen und schnitt sie in Scheiben.
»Halten Sie das Messer schräg«, riet Snape. Tania nickte und versuchte es, wobei sie eine viel zu dicke Scheibe abschnitt. Ihr Professor umrundete den Tisch und blieb hinter ihr stehen.
»Darf ich?« Er legte seine Hand leicht auf ihre und zeigte ihr, wie man das Messer richtig führte. »Anders als bei den Schulmessern, sind diese Messer von Kobolden gearbeitet. Die Klinge passt sich der Benutzung an, wenn Sie es wollen.«
Seine tiefe Stimme vibrierte angenehm in Tanias Ohren und verursachte ihr eine Gänsehaut. Obwohl seine Hände kalt waren, empfand sie die Berührung als angenehm. Ihr wurde überdeutlich bewusst, wie nah er ihrem Körper war.
»Versuchen Sie es allein«, forderte Snape, als er zurücktrat.
Zögernd schnitt sie eine hauchdünne Scheibe. Sie fühlte sich etwas benebelt. Fast wie in der ersten Stunde bei Slughorn, als sie in die trägen Dämpfe des Amortentia geraten war.
»Es geht viel besser, Sir«, stellte sie fest. »Danke.«
Snape nickte und nahm sich ein Messer, um ihr beim Schneiden der restlichen Wurzeln zu helfen.
Er war viel schneller als sie. Ehrgeizig versuchte sie mit seinem Tempo mitzuhalten. Sie waren völlig in das Verarbeiten der Wurzeln vertieft, als Snape scharf nach Luft schnappte und das Messer seiner Hand entglitt.
»Sir?«, fragte Tania alarmiert und musterte ihren Lehrer erschrocken. Er hatte eine Hand um seinen linken Unterarm gekrallt. Die Knöchel traten weiß hervor und sein Gesicht verlor jegliche Farbe.
»Haben Sie Schmerzen, Professor?«, fragte Tania besorgt. Ihre Stimme war viel zu hoch. Snape schüttelte den Kopf, bevor ein Ruck durch seinen Körper ging und er aus dem Labor stürmte.
Verwirrt lief Tania ihm nach und blieb in der Tür stehen. Sie sah grade noch, wie er einen schweren Reiseumhang über die Todesserkluft warf, die er übergezogen hatte. Ihr Herz setzte aus, als sein leerer Blick sie streifte. Er wirkte genauso kühl und gefährlich, wie in der Nacht im verbotenen Wald.
Statt Snape, dem unbeliebten Tränkemeister, stand nun Snape, der Todesser, vor ihr. Ein dunkler Magier. Unvergänglich, vielgestaltig und unberechenbar - um es in Snapes eigenen Worten zu beschreiben. Es war, als hätte er eine Maske an- oder abgelegt.
Tania fragte sich unweigerlich, welcher Snape seinem wahren Naturell entsprach. Instinktiv machte sie einen Schritt zurück, als er an ihr vorbei durch den Flur rauschte. Mit einem lautstarken Knall flog die Eingangstür hinter ihm zu. Dann war es still.
Tania lehnte sich gegen die kalte Wand und schlang die Arme um ihren Körper. Plötzlich hatte sie ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Es war verstörend, zu wissen, dass Snape in diesem Moment auf dem Weg zu Dem, dessen Namen nicht genannt werden darf, war. Zu einem Monster, dass nicht davor zurückschreckte Menschen zu töten oder zu foltern.
Sofort keimte die Angst in ihr auf, dass er nicht wiederkehren würde. Sie wusste kaum etwas von den Todessern, doch die Bilder ihres verletzten Professors waren in ihrem Kopf präsent.
Ein bedrohliches Brodeln riss Tania aus den Gedanken. Verdammt! Sie eilte ins Labor, gerade rechtzeitig um den Aufpäppeltrank vor dem Überkochen zu bewahren. Der Trank war schnell unter Kontrolle, sodass sie die letzten Zutaten hinzufügen konnte.
Unschlüssig betrachtete sie die Liste mit den Tränken, welche Madam Pomfrey benötigte. Ob Snape damit einverstanden wäre, wenn sie allein weiterbraute? Sie entschied sich dafür. Ablenkung konnte mit Sicherheit nicht schaden.
Kurz nach Mitternacht war die Temperatur im Labor durch die vielen Kessel, welche vor Tania brodelten, erheblich gestiegen. Einige der Tränke würden noch ein paar Tage brauchen, um zu ziehen. Vorausschauend notierte Tania die Zeiten, zu welchen weitere Zutaten hinzugefügt werden musste. Die fertigen Tränke füllte sie in Phiolen und reihte sie auf einem Beistelltisch auf, um die Arbeitsflächen zu reinigen
Anschließend tigerte sie ungeduldig durch den Raum. Es widerstrebte ihr, zu verschwinden. Sie sorgte sich um Snape und mit jeder Stunde, in der er nicht zurückkam, wurde die Sorge größer.
Müde ließ sie sich in einen der Sessel am Kamin sinken und schnappte sich ein Buch aus dem Regal, in dem sie lustlos zu blättern begann.
Nach unzähligen Blicken auf die Uhr hörte Tania gegen drei Uhr morgens das Klicken des Türschlosses. Plötzlich wieder hellwach sprang sie auf und rührte beschäftigt in einem der Kessel. Es war besser, wenn Snape nicht erfuhr, dass sie auf ihn gewartet hatte.
Die Tür zum Labor öffnete sich. Snape sah furchtbar aus. Unter seinen Augen waren tiefe Ringe, welche durch seinen aschfahlen Hautton noch stärker betont wurden. Sein Haar und sein Umhang waren so durchnässt, als wäre er in den großen See gefallen.
»Was tun Sie noch hier?«, fragte er und bedachte sie mit einem finsteren Blick. Er wirkte keineswegs überrascht.
»Ich habe die Heiltränke fertiggestellt«, antwortete Tania und deutete auf die vielen Kessel. »Ich wollte gerade gehen.«
Snape durchquerte mit schwerfälligen Schritten das Labor und nahm kritisch einen der gefüllten Kessel in Augenschein.
»Warum sind Sie wirklich noch hier, Miss Green?«
»Ich war mit den Tränken beschäftigt, Sir«, wiederholte sie argwöhnisch, »Das habe ich doch schon gesagt. Sie müssen mir die zusätzlichen Stunden nicht bezahlen, wenn es darum geht.«
»Braut man den Stärkungstrank neuerdings kalt?«, fragte Snape spitz und legte seine Hände demonstrativ auf dem Kessel vor ihr. Natürlich war dieser längst abgekühlt. Tania spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss. Das hatte sie nicht bedacht.
»Nun«, räusperte sie sich, »Ich habe aufgeräumt. Warum meinen Sie, sollte ich sonst bis spät in der Nacht hier sein, Sir?« Sie reckte herausfordernd ihr Kinn und schaute ihn direkt an.
Snape schwieg und wich ihrem Blick aus. Sie sah wie eine zitternde Hand unter seinem Umhang verschwand.
»Geht es Ihnen gut, Sir?«, fragte sie.
Snape hatte sich über die Phiolen gebeugt, die sie befüllt hatte. Seine Haare fielen wie ein Vorhang in sein blasses Gesicht. Kurz schwebte seine Hand über den Phiolen, ehe er einen leichten Schmerztrank auswählte. Seine Hände bebten, als er das Fläschchen öffnete und hinunterkippte.
»Es geht«, antwortete er lahm. Tania verspürte einen Stich, als sie verstand, dass seine Aussage ehrlich war. Er sagte nicht, dass es ihm gut ging. Das war mehr, als sie erwartet hatte. Sie spürte, dass sie nicht weiter nachhaken durfte, um diese wackelige Basis des Vertrauens nicht einzureißen.
»Sir«, bemerkte sie zögern, »Sie haben den Trank nicht geprüft, bevor Sie ihn getrunken haben.«
»Dann hoffe ich für Sie, dass dieser Trank tadellos ist«, drohte Snape, »Sonst appariere ich höchstpersönlich mit Ihnen nach Nordafrika und lasse sie Wespenspinnen fangen.« Er ließ sich in den Sessel am Kamin sinken.
»Sie wollen mit mir verreisen, Sir?«, entfuhr es Tania frech.
Snapes Lippen zuckten.
»Meinen Sie nicht, dass es zu kalt ist, um schwimmen zu gehen, Sir?«, hakte sie neugierig nach und betrachtete das Wasser, welches aus seinem Umhang auf den Holzboden tropfte und den Sessel durchnässte.
»Er regnet«, erwiderte er kühl.
Tania verbiss sich einen Kommentar und schnippte mit ihrem Zauberstab, um den Boden und seine Kleidung zu trocknen.
»Lassen Sie das!«, brauste er auf, »Das kann ich selbst!« Tania entging nicht, dass er bei der plötzlichen Wärme schauderte.
»Ich habe es gut gemeint«, erwiderte Tania leise. »Kann ich Ihnen eine Frage stellen? Eine Frage, die gegen unsere Vereinbarung verstößt?« Sie spielte nervös an einer der Schnallen ihrer Tasche, während Snapes schwarze Augen sie durchleuchteten.
»Eine«, stimmte er widerwillig zu.
»Kommen Sie oft verletzt zurück, wenn Sie bei ihm waren?«
»Sie werden mich nicht noch einmal in einem Zustand wie im verbotenen Wald sehen«, erwiderte Snape steif.
»Nur weil ich es nicht sehe, heißt es nicht, dass es nicht vorkommt«, stellte Tania fest.
»Ich komme zurecht«, sagte Snape und betonte dabei jedes Wort. »Keine weiteren Fragen. Gehen sie!«
»Gute Nacht, Sir«, wünschte Tania und verschwand ohne sich umzusehen.
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