Die Schlacht von Hogwarts
Vier Wochen später waren die Tränke der zweiten Testreihe gereift. Bewaffnet mit einer Schreibfeder saß Tania im Labor, notierte die neuen Erkenntnisse zum Wolfsbanntrank und fragte sich, wo die Zeit geblieben war.
Morgen war der erste Mai - der fünfte Monat begann. Sie war angespannt. Von nun an konnte Snape jederzeit etwas Schreckliches passieren und es war furchtbar, nicht zu wissen, wann und wie es geschehen würde.
Nervös tastete sie nach der Phiole mit dem Gegengift, welche sie an einer Kette um ihren Hals trug. Erleichtert spürte sie die kleine Wölbung unter ihrer Bluse und atmete tief durch. Es war der falsche Zeitpunkt, um die Nerven zu verlieren.
Aufmerksam heftete sie ihre blauen Augen auf Snape. Er wirkte fahrig und seine Bewegungen beim Brauen waren nicht so flüssig wie sonst. Zudem war er gnadenlos unkonzentriert - ein Umstand, der Tania erheblichen Anlass zur Sorge gab.
Erst im letzten Augenblick hatte sie ihn davon abhalten können, der Testreihe statt Eisenhut eine Handvoll Beifuß zuzufügen. Sie hatte ihn damit aufgezogen, einen solchen Anfängerfehler gemacht zu haben, doch insgeheim schrillten ihre Alarmglocken.
Irgendetwas stimmte nicht an diesem Tag.
»Oh, verdammt«, entfuhr es Snape plötzlich. Ein Reagenzglas entglitt seinen Fingern und zerschellte auf dem Boden.
»Verdammt!«, wütete er und fegte mit einer ausholenden Bewegung die restlichen Phiolen zu Boden. Klimpernd zerschellten sie auf dem steinernen Laborboden.
Anschließend lehnte er sich schnaufend über den Tisch, während sich seine Hand krampfhaft um seinen linken Unterarm schloss. Der pfeifende Ton, den er ausstieß, und seine zusammengekniffenen Augen sprachen eine eindeutige Sprache.
»Was ist mit dir?«, fragte Tania. Sie war sofort aufgesprungen und strich tröstend mit ihrer Hand über seinen Rücken. »Ruft er nach dir, Severus?«
»Nein«, presste Snape zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und schwankte leicht auf der Stelle.
»Was ist es dann?«
»Das Mal.« Er stöhnte. »Es schmerzt seit Stunden.«
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte Tania sanft.
»Nein. Es wird -«, er schnappte nach Luft, »schon besser.« Entgegen seiner Worte krallte er seine Finger noch fester in seinen Unterarm und sank auf die Knie.
»Severus!« Ängstlich kniete sich Tania neben ihn. Ihre blauen Augen musterten ihn voller Sorge. Er krümmte sich zusammen, seine Augenlider zuckten und ein Zittern erfasste seinen Körper.
»Er ist wütend -«, murmelte er schwach. »Irgendwas ist schief gelaufen.« Seine Finger krallten sich schmerzhaft in Tanias Hand, die sie ihm gereicht hatte.
»Das ist gut, oder?«, fragte Tania. »Du willst doch seine Pläne durchkreuzen.«
»Wie man es nimmt«, schnaubte er, doch trotz der Schmerzen in seinem Arm zuckte ein Lächeln über seine Lippen.
Tania kam es vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen, bis Snape sich aufrappelte. Sie hatte neben ihm gekauert und seinen Rücken gestreichelt, ohne den Blick einmal abzuwenden. Den Schmerz konnte sie ihm nicht nehmen, aber zumindest hatte er so das Gefühl, nicht ganz allein zu sein.
»Severus, wo willst du hin?«, fragte sie, als er aus dem Labor taumelte. Entsetzt folgte sie ihm auf den Fersen. War er doch von Voldemort gerufen worden? Das durfte nicht sein!
In Merlins Namen, wie sollte sie ihm dann folgen? Die Phiole mit dem Gegengift baumelte um ihren Hals, doch wenn sie nicht in seiner Nähe war, wenn es geschah, war alles verloren.
»Dumbledore!«, rief Snape, kaum dass er sich die Stufen ins Büro hinuntergeschleppt hatte. »Der dunkle Lord hat mich gewarnt, dass Potter versuchen könnte, das Schloss zu betreten!«
»Ah, was für hervorragende Neuigkeiten!«, Dumbledore sprang aus seinem Ohrensessel und trippelte aufgeregt durch seinen Rahmen. »Das ist gut - das ist sehr gut!«
»Was soll ich tun, Sir?«, fragte Snape.
»Harry wird etwas im Schloss suchen«, erklärte Dumbledore, während er sich mit den Händen durch seinen weißen Bart fuhr. »Sorgen Sie dafür, dass er ungestört bleibt!«
»Der dunkle Lord hat mir aufgetragen, den Ravenclaw Gemeinschaftsraum zu bewachen«, antwortete Snape. »Soll ich dem Folge leisten, Schulleiter?«
»Ja.« Dumbledore nickte bedächtig. »Aber behalten Sie die Korridore im Auge, falls Harry in Schwierigkeiten gerät. Greifen Sie nur ein, wenn es notwendig ist, Severus.«
»Ja, Schulleiter.«
»Sobald die Zeit reif ist, müssen Sie ihm die Erinnerung geben«, fuhr Dumbledore fort. »Schaffen Sie das, Severus?«
»Ich -«, Snape zögerte.
»Severus -«, mahnte Dumbledore.
Snape nickte widerwillig.
»Es hängt alles von Ihnen ab«, betonte Dumbledore.
»Ich weiß.« Er warf sich seinen Reiseumhang über.
»Severus?« Dumbledores Stimme wurde weicher. »Ich wünsche Ihnen viel Glück, mein Junge, und - Danke.«
Einen kurzen Augenblick schauten sich die beiden Männer in die Augen, dann machte Snape auf dem Absatz kehrt und rannte Tania, die sich vor dem Ausgang aufgebaut hatte, beinahe um.
»Ich begleitet dich, Sev«, verkündete sie.
»Was?« Snape riss die Augen auf. »Nein, auf gar keinen Fall!«
»Doch, Severus, ich werde -«
»Nein.« Er schob sie zur Seite. »Es ist zu gefährlich. Ich hätte dich vor Wochen von hier wegbringen sollen. Du wirst dieses Büro nicht verlassen, bis ich zurück bin, Tania.«
»Wirst du zurückkehren?«, fragte Tania. Sie schaute ihm in die dunklen Augen, in denen so viel Zweifel lag.
»Ich -« Er wich ihrem Blick aus und schüttelte hilflos den Kopf. »Ich kann nicht. Mir bleibt keine andere Wahl. Versprich mir, dass du hier bleibst, bis es vorbei ist.«
»Ich verspreche es«, log Tania und lächelte ihn traurig an. Mit gequälter Miene zog er sie in seine Arme und drückte seine Lippen auf ihre, so gierig, als wäre es das letzte Mal.
Tania versuchte, ihn mit all ihren Sinnen zu spüren und jedes Detail abzuspeichern. Sie durfte niemals das Gefühl vergessen, wie sich seine Finger auf ihrer Haut anfühlten - in den letzten Wochen hatte sie sich so sehr daran gewöhnt.
Die Wärme, die sein Körper verströmte, schmeichelte ihr und ließ sie all das Böse vergessen. Zitternd sog sie seinen Duft ein und prägte sich den Geschmack seiner Lippen ein. Was, wenn sie das nächste Mal eiskalt waren, wenn sie ihn küsste?
»Ich muss gehen«, hauchte Snape und machte sich von ihr los.
»Warte -« Sie hielt ihm am Arm zurück.
Er drehte sich mit einem wehmütigen Blick um.
»Ich -« Sie gab einen erstickten Laut von sich und schloss kurz die Augen um sich zu sammeln. »Ich liebe dich, Sev.«
Snape starrte sie ungläubig an, bevor er den Blick von ihr losriss und ohne ein weiteres Wort verschwand.
Die Tür war kaum ins Schloss gefallen, da verschwand Tania unter ihrem Tarnumhang und belegte ihre Füße hektisch mit einem ›Silencio Motus‹.
»Miss Green!«, rief Dilys. »Vergessen Sie mich nicht!«
»Gut, dass Sie mich daran erinnern«, schnaufte Tania, schnappte sich das Porträt der ehemaligen Schulleiterin und stopfte es ohne viel Federlesen in ihre Tasche.
»Vergesst auch mich nicht, junges Fräulein!«, rief Nathan.
»Wie könnte ich, Nathan«, erwiderte Tania und hielt inne. »Danke für alles, was Ihr getan habt.«
»Stets zu Diensten.« Er verbeugte sich so tief, dass seine Nase nur eine Handbreit vom Boden entfernt war. »Viel Glück!«
Tania nickte, riss den Blick los und stürmte die Treppe hinunter. Die Glückwünsche der Porträtbewohner begleiteten sie, bis sie in den menschenleeren Korridor stolperte.
Snapes Schritte waren längst verklungen. Sie musste ihn finden.
Bis Mitternacht streifte Tania durch die Schatten des alten Schlosses. Jedes Geräusch ließ sie zusammenzucken und ihr Atem erschien ihr unnatürlich laut. Wo war Snape nur?
Sie befand sich gerade auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum der Ravenclaws, als vor ihr im Korridor ein grelles Licht erschien. Mit einem beherzten Sprung hechtete sie hinter eine klapprige Rüstung, als das Lichtgebilde näher kam.
Ein gestaltlicher Patronus in Form einer Katze schoss mit erhobenen Schwanz an ihr vorbei. Mit gerunzelter Stirn blickte sie der Gestalt hinterher. War das der Patronus von McGonagall? Was hatte die Hauslehrerin von Gryffindor im Turm der Ravenclaws zu suchen? Ebenjenem Turm, den Snape bewachen sollte.
Tania zögerte nicht lange und rannte in die Richtung, aus der der Patronus gekommen war. Als sie den Treppenaufgang erreichte, vernahm sie Schritte. Das straffe Tempo, sowie das Rascheln eines seidigen Morgenmantels, welches die Schritte begleitete, gehörten unverkennbar zu McGonagall. Tania nahm die Verfolgung auf und konnte die Professorin bald in der Dunkelheit ausmachen.
Zwei Stockwerke tiefer bog sie in einen Korridor ab. Mit angehaltenem Atem und gezückten Zauberstab eilte Tania hinterher.
Merkwürdigerweise beschlich sie das Gefühl, dass sie Professorin nicht allein war. Sie hörte weitere Schritte und leises Getuschel von mehr als einer Person. War Snape in der Nähe? Oder spielten ihr ihre Nerven einen Streich?
Verwirrt huschten Tanias Augen durch die Finsternis, als McGonagall auf der Hälfe des Korridors stoppte.
»Wer da?«, fragte sie und hob ihren Zauberstab.
»Ich bin es.« Snape trat hinter einer Rüstung hervor. Auch er hatte seinen Zauberstab erhoben. »Wo sind die Carrows?«
»Vermutlich dort, wo immer Sie die beiden auch hinbefohlen haben, Severus«, antwortete McGonagall.
»Ich hatte den Eindruck, dass Alecto einen Eindringling gefasst hätte.« Snapes Augen huschten durch den Gang und richteten sich auf eine Stelle unweit von Tania.
»Tatsächlich? Und was vermittelte Ihnen diesen Eindruck?«, fragte McGonagall, woraufhin Snape leicht mit seinem Arm zuckte.
»Oh, aber natürlich«, sagte sie spitz. »Todesser wie Sie haben Ihre ganz eigenen Mittel und Wege, miteinander in Verbindung zu treten, das hatte ich vergessen.«
Die Stimme der Professorin klang angriffslustig und sie straffte ihre Schultern, als würde sie etwas in Schutz nehmen. Etwas, dass sich hinter ihrem Rücken verbarg. Tania standen alle Haare zu Berge, als sie erneut das Rascheln von Umhängen vernahm.
Sie hob den Zauberstab und richtete ihn auf McGonagall. Das ganze Jahr über hatte sie das Gefühl gehabt, dass die Hauslehrerin der Gryffindors auf die richtige Gelegenheit wartete, um Snape eine Lektion zu erteilen.
»Haben Sie Harry Potter gesehen, Minerva?«, fuhr Snape fort. Wenn ja, muss ich nämlich darauf bestehen -«
Das war der Funke, der McGonagall zum Explodieren brachte. Blitzschnell peitschte ihr Zauberstab durch die Luft und ebenso flink beschwor Snape ein Schutzschild, welches die Professorin ins Wanken brachte und Tania aus dem Gleichgewicht riss.
Keuchend klammerte sie sich an einem Türrahmen fest, um nicht der Länge nach in den Korridor zu stürzen.
Währenddessen verwandelte McGonagall eine Fackel zu einem lodernden Lasso aus Feuer, welches auf Snape zuschoss. Er flüchtete hinter eine Rüstung, als sich das Feuer in Rauch verwandelte und schließlich in Dolche. Mit einem Höllenlärm bohrten sich die tödlichen Geschosse in das Metall der Rüstung.
Tania stürzte den Gang hinunter. Sie musste ihm helfen, auch wenn sie Mühe hatte, sich in dem Chaos zurechtzufinden. Das hier war eine Nummer zu hoch für sie! Auf ihrem Weg rempelte sie etwas Unsichtbares an. Wer war das?
Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, erschien Flitwick am Ende des Korridors und eilte seiner Kollegin zu Hilfe. Er verwandelte die Rüstung, hinter der Snape Schutz gesucht hatte und sie erwachte scheppernd zum Leben.
Ihr eiserner Arm schlang sich um Snapes Hals, als er unter ihr wegzutauchen versuchte. Japsend rang er nach Luft und trat nach der Rüstung, um freizukommen.
›Finite Incantatem!‹, dachte Tania und sofort erschlaffte die Rüstung. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie auch noch Sprout auftauchte. Drei gegen Einen - das war nicht gerecht.
Snape riss den Arm von seinem Hals und schaute sich hektisch um. Er schien nach etwas zu suchen und diese Suche beanspruchte seine gesamte Aufmerksamkeit.
Harry Potter. Das musste es sein, was er suchte! Dumbledore hatte gesagt, dass er ihm etwas geben musste! War Harry die unsichtbare Gestalt gewesen, die Tania angerempelt hatte?
Die Zeit war zu knapp. Sprout, McGonagall und Flitwick machten nicht den Eindruck, als würden sie zögern, Snape zu töten. In ihren Augen loderte die pure Entschlossenheit und gemeinsam hatten sie eine reelle Chance, ihn zu überwältigen.
Instinktiv packte Tania Snape, der noch immer verbissen die Dunkelheit absuchte, am Handgelenk.
»Lauf!«, brüllte sie ihn an und ihre Stimme ging in dem Lärm, den die vielen Zauber verursachten, unter. Bestimmt schleifte sie ihn hinter sich her und zusammen rannten sie den Korridor entlang, während Flüche über ihre Köpfe sausten.
Immer wieder beschwor Tania Schutzzauber und hoffte, dass Snape dasselbe tat. Als sie um eine Ecke bogen, zog sie ihn in ein leerstehendes Klassenzimmer und schlug die Tür zu. Die Tür vibrierte, als sie ein neuer Hagel Dolche in das Holz bohrte.
»Bombarda!« Entschlossen richtete Tania ihren Zauberstab auf eines der Fenster. Die Glasscherben flogen kreuz und quer durch das Klassenzimmer, sodass sie schützend ihre Hände hob, als die Scheibe splitterte und den Weg in die Freiheit eröffnete.
»Lauf weg!«, schrie sie Snape an und schüttelte ihn an den Schultern, um wieder Leben in seinen Körper zu bekommen.
Er zuckte zusammen, als die Tür donnernd aus den Angeln flog. Mit einem Satz stand er auf dem Sims und sprang in die Tiefe.
Tania erfasste eine unheimliche Erleichterung, als sie sah wie er sich mit flatterndem Umhang in die Luft erhob.
Eins wusste sie jetzt. Er würde sich nicht von seinem Auftrag abhalten lassen, koste es, was es wollte. In seinem Wahn, Harry Potter zu finden, hatte er nicht einmal gesehen, dass das hier mit seinem Tod geendet hätte, wenn sie nicht gewesen wäre.
Die Schüler, die durch den Tunnel im Raum der Wünsche evakuiert wurden, verursachten eine ohrenbetäubender Lautstärke. Nach Luft ringend kämpfte sich Tania durch den Strom, schubste weinende Erstklässler aus dem Weg und ignorierte das Fluchen der Älteren, die ihre Ellenbogen zu spüren bekamen.
Seit Snapes Flucht versuchte sie verzweifelt, Hogwarts zu verlassen, doch an sämtlichen Schlossgrenzen wimmelte es von Dementoren. Ganz zu schweigen von den dunklen Gestalten, die rund um das Schloss Position bezogen hatten. Lebendig würde sie weder an dem einen noch an dem anderen vorbeikommen.
Als die Lehrer begannen, die Schüler durch den Geheimgang im Raum der Wünsche zu evakuieren, hatte Tania ihre Chance gewittert. Verborgen unter ihrem Tarnumhang hatte sie sich unter eine Gruppe Viertklässler gemischt und war in den Gang geschlüpft.
Es stand für sie außer Frage, im Schloss zu bleiben, um gegen die Todesser zu kämpfen. Hogwarts war nicht ihr Schlachtfeld!
Sie würde sich davor hüten, den Zauberstab gegen einen Todesser zu erheben, ohne zuvor sicher zu sein, dass sich nicht Snape unter der Maske verbarg.
Mahnend klimperte die Phiole mit dem Gegengift gegen ihre Haut. Sie musste Snape finden. Nichts war wichtiger, als rechtzeitig bei ihm zu sein, wenn Nagini ihn angriff. Energisch stieß sie Pansy Parkinson aus dem Weg, die sich mit einem spitzen Schrei an Filch festklammerte.
Am Ende des Tunnels erschien ein Licht und unzählige Atemzüge später fand sich Tania im Eberkopf wieder. Beherzt sprang sie aus dem Tunnel in den Gastraum.
Der Gastwirt stand mit grimmiger Miene am Fenster ohne ihre Ankunft zu bemerken. Flink huschte sie an ihm vorbei, umklammerte ihren Zauberstab und trat aus dem Lokal ins Freie.
Die Straßen von Hogsmeade waren ausgestorben. Hilflos drehte sie sich um sich selbst. Wo? Wo war Snape? Sie musste ihn finden und zwar schnell. Ihr Bauchgefühl war es, dass sie auf den ausgetretenen Pfad zur Schule führte.
Snape musste unter den Todessern sein, die an den Grenzen Position bezogen hatten. Sie würde ihn finden und an ihm kleben, wie ein angelutschter Säuredrop, bis das geschah, was Trelawney prophezeit hatte. Nichts würde sie davon abhalten!
›Gebt mir Harry Potter und ihr sollt belohnt werden‹, erinnerte sie sich schaudernd an Voldemorts Stimme, die aus dem Nichts ertönt war, als sie im Schloss nach einem Ausweg gesucht hatte. ›Ihr habt Zeit bis Mitternacht.‹
Mitternacht. Tania warf einen prüfenden Blick auf ihre Uhr. Sie hatte fünfzehn Minuten, bis - Nun, bis was geschehen würde? Bis er angriff? Bis die Ersten starben? Bis ein Krieg ausbrach?
Es erschien alles so unwirklich. Ein Krieg. Kriege kannte Tania nur aus dem Geschichtsunterricht. Alle möglichen Wesen hatten sich im Laufe der Jahrhunderte bekriegt - Es gab Riesenkriege, Koboldtaufstände, ja, sogar die Hauselfen waren im elften Jahrhundert in einen erbitterten Krieg gezogen! Das Einzige, was alle Kriege gemeinsam hatten, war ihre Sinnlosigkeit.
Und nun sollte Tania selbst Teil eines solchen Krieges werden? Sie fühlte sich, als sei sie in einem Traum gefangen, aus dem sie jederzeit schweißgebadet aufschrecken würde. Wie schön es wäre, den Kopf auf Snapes Schulter zu betten -
Tania atmete tief durch und mahnte sich zur Ruhe. Immerhin hatte sie noch eine Viertelstunde, bis das Chaos ausbrechen würde und es ihr erschweren würde, Snape zu finden.
Mit hämmerndem Herzen erreichte sie die Schulgrenze. Da standen sie, in ihren schwarzen Umhängen, die Gesichter unter eisernen Masken verborgen und beobachten das Schloss. Todesser. Es waren viel mehr, als sie befürchtet hatte. Sie schluckte die Angst herunter und mischte sich unter die Feinde.
›Severus, wo bist du nur?‹, dachte sie wieder und wieder, während ihre Augen von Todesser zu Todesser huschten. Wie ein Geist wandelte sie, verborgen unter ihrem Umhang, durch die todbringende Gefahr, darauf bedacht, niemanden zu berühren.
Immer wieder drängte sich ihr der Gedanke auf, was mit ihr passieren würde, wenn man sie entdeckte. Sie machte sich nichts vor. Ein Zusammenstoß und ihre Lebensgeister würden erlöschen, bevor sie den Blick ein letztes Mal zum Schloss wenden konnte.
Nein. Sie durfte auf keinen Fall verzweifeln. Sie musste Mut beweisen und Snape finden.
Eine eiserne Maske reihte sich an die Nächste, doch nirgends entdeckte sie ihn. Sie wusste, dass sie ihn erkennen würde - an seiner Statur, seiner Art sich zu bewegen, sogar an seinem Duft.
Synchron hoben die Todesser ihre Zauberstäbe, als sich der Sekundenzeiger an Tanias Armbanduhr der Zwölf näherte. Es würde in jedem Augenblick beginnen.
Achtundfünfzig - Neunundfünfzig - Sechzig.
Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, als die ersten Flüche gegen die Schutzzauber der Schule prallten. Der Boden vibrierte, als sich immer mehr Todesser anschlossen, ihre Zauberstäbe gen Himmel reckten und mit ihren Flüche den Nachthimmel erhellten.
Mit offenem Mund starrte Tania die Kuppel an, die sich über dem Schloss abzeichnete. Sie war überzogen von Blitzen, die bis zum Boden zuckten und an der mächtigen Barriere leckten. Es war faszinierend und beängstigend zugleich.
Einen kurzen Augenblick gab sie sich der Illusion hin, dass sie ein grandioses Feuerwerk ihres Großvaters vor sich hatte. Würde sie jemals wieder eines seiner Meisterwerke zu Gesicht bekommen? Wenn es so war, dann wollte sie sich in Snapes Arme schmiegen, während sie sich staunend in den bunten Lichtern verlor.
Zunächst schien es, als könnten die Todesser nichts gegen die alten Schutzzauber ausrichten, doch dann wurde der Boden von einem Beben erfasst. Ein lautes Summen ertönte, gefolgt von einer mächtigen Explosion, als die Kuppel wie eine brechende Welle in sich zusammenfiel.
Eine Druckwelle fegte über die Ländereien, ganz so, als würde Hogwarts ein letztes Mal gegen die Eindringlinge aufbegehren. Tania wurde von den Beinen gerissen und schlitterte über das feuchte Gras, während tosender Jubel ertönte.
Die Todesser richteten ihre Zauberstäbe in den Nachthimmel und ein gewaltiger, leuchtend grüner Totenschädel formte sich über der Schule. Der Krieg hatte begonnen.
Tania wusste nicht, ob es der Anfang oder das Ende war.
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