Der erste September
In den letzten Tagen der Sommerferien genoss Tania die Ruhe innerhalb der Schlossmauern in vollen Zügen. Die Strafarbeit bei Filch war weniger grausam als sie erwartet hatte.
Der Hausmeister schien seine Zeit lieber außerhalb der Schlossmauern zu verbringen. Tania tippte insgeheim darauf, dass er Stammkunde im Eberkopf war. Sie war ungestört, während sie die Pokale und Auszeichnungen auf Hochglanz polierte. Nur Mrs. Norris beobachtete sie bei ihren Kontrollgängen misstrauisch.
Der erste September brachte wechselhafte Temperaturen, Regenschauer und Sturmböen. Tania hatte sich am Abend in die große Halle begeben und schaute verträumt zu den Kerzen empor, welche die Halle in ein warmes Licht tauchten. Einige Professoren hatten sich schon am Lehrertisch eingefunden und warteten auf die Ankunft der Schüler. Die erste pferdelose Kutsche müsste in den nächsten Minuten vor dem Eingangsportal halten.
Nachdenklich beobachte Tania Professorin Trelawney, die sich nur selten in die große Halle wagte. Sie fragte sich schmunzelnd, wieso sich Snape während seiner Wahnvorstellung ausgerechnet mit der verrückten Wahrsagerin gestritten hatte.
›Vielleicht führen die Beiden eine heimliche Liebschaft‹, schoss es ihr durch den Kopf. Sie grinste und konnte sich nicht recht entscheiden, was abwegiger war - Der Gedanke an ein so ungleiches Paar oder an die empathielose Fledermaus, die so etwas wie Liebe empfand.
Plötzlich ertönte ein stetig lauter werdendes Summen. Die geflügelte Eingangstür wurden aufgestoßen und die erste Schar plappernder Schüler strömte in die Halle.
Tania begrüßte einige Ravenclaws aus ihrem Jahrgang mit einem Händeschütteln. Wahre Freunde hatte sie in all den Jahren in Hogwarts nicht finden können, vermutlich weil sie zu sehr in sich selbst ruhte. An der Anwesenheit ihrer Mitschüler hatte sie nie viel Gefallen gefunden.
Sie bevorzugte es, über die Schlossgründe zu spazieren oder sich mit einem Buch zurückzuziehen. Nichts brauchte sie mehr, als den Freiraum, um ihren Gedanken nachzuhängen.
Insgesamt betrachtet ging es am Tisch ihres Hauses ruhiger zu, als bei den Gryffindors und Hufflepuffs. Nur der Tisch der Slytherins verhielt sich ähnlich reserviert. Tania warf einen neugierigen Blick hinüber. Einige der Schüler thronten nahezu an der Tafel. Mit Voldemorts Rückkehr hatten Reinblüter an Ansehen gewonnen. Tania befürchtete, dass eine gute Hand voll Slytherins es kaum erwarten konnte, dass die dunkle Seite die Macht ergriff.
Ihr Blick blieb an Draco hängen, der seinen begeisterten Anhängern pantomimisch demonstrierte, wie er jemandem die Nase brach. Dabei wechselte er geschickt zwischen der Rolle des Schlägers und der Rolle des Opfers. Die Slytherins brachen in tosendes Gelächter aus.
»Schauspielerisches Talent hat er zweifellos«, murmelte Mandy Brocklehurst, ebenfalls eine Ravenclaw, trocken. Tania grinste.
Als ein leises Klingeln ertönte, wurde es still in der großen Halle. Dann gingen die Flügeltüren auf und die neuen Erstklässler liefen hinein. Die Auswahlzeremonie wurde von Professor McGonagall eröffnet, der sprechende Hut verteilte wie in jedem Jahr die aufgeregten Erstklässler und anschließend erschien das Festmahl.
Der Hauptgang war verspeist, als sich das Eichenportal erneut öffnete. Harry Potter trat in die große Halle und alle Augen richteten sich auf ihn. Sein Gesicht war mit Blut besprenkelt und die Aufmerksamkeit war ihm sichtlich unangenehm. Als er sich zu seinem Tisch begab, folgten ihm alle Augenpaare.
Lediglich Tania hatte ihre dunkelblauen Augen auf Snape geheftet, der hinter Harry die Halle betrat. Er stolzierte zum Lehrertisch, während sein Blick über die Schüler schweifte.
Kurz blieben seine dunklen Augen an Tania hängen, die seinen kalten Blick tapfer erwiderte. Hätte sie nicht Malfoys Schauspiel beobachtet, wäre sie zu der Annahme gekommen, dass der Tränkemeister Harrys Nase gebrochen hatte. Zutrauen würde sie ihm das. Snape ließ keine Gelegenheit aus, Harry zu schikanieren.
Erneut ertönte ein Klingeln und Albus Dumbledore erhob sich anmutig von seinem Stuhl.
»Ich heiße Euch herzlich Willkommen zu einem neuen Schuljahr in Hogwarts!«, begann er euphorisch seine Rede und hob dabei beide Hände freudig in die Luft. In seinem violett-goldenen Umhang sah er aus wie ein imposanter Vogel. Dabei rutschten die Ärmel seines Umhanges über seine Hände. Augenblicklich erfüllte ein besorgtes Murmeln die Halle.
Tania hatte es auch gesehen. Eine Hand des Schulleiters war gekrümmt und die Haut hatte sich dunkel verfärbt.
›Sieht aus, als wäre sie abgestorben‹, dachte die junge Frau und spürte einen Stich in der Brust. Albus Dumbledore war ein mächtiger Zauberer. Es war schwer sich vorzustellen, wie mächtig jemand oder etwas sein musste, um ihn zu verletzen.
Dumbledore schien die Aufregung bemerkt zu haben und lächelte beruhigend, während er den Ärmel über seine Hand schüttelte. Unbekümmert fuhr er mit seiner Rede fort. Tania folgte ihm gebannt und riss erstaunt den Mund auf, als er Professor Slughorn als neuen Lehrer für Zaubertränke vorstellte.
Ihr Blick huschte überrascht zu Snape. Auf dessen Lippen breitete sich ein triumphierendes Lächeln aus, als der Schulleiter ihn zum neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste erklärte.
Als Dumbledore begann über Den, dessen Namen nicht genannt werden darf, zu sprechen, behielt Tania Snape im Blick.
Das triumphierende Lächeln war längst seiner gewohnt ausdruckslosen Miene gewichen. Er schloss die Augen und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht, als wäre er erschöpft.
Es waren winzige Gesten, kaum erkennbar, wenn man nicht darauf achtete, doch Tania hatte ein Gespür für Details. Sie fand, dass Snape erschöpft wirkte, übermüdet, als würde eine schwere Last auf seinen Schultern ruhen.
Seit der Nacht im verbotenen Wald, bereiteten ihr seine Worte Kopfzerbrechen. ›Was, wenn ich es nicht kann, Dumbledore?‹, schallte das Echo seiner Stimme durch ihre Erinnerung. ›Ich bin kein Mörder.‹ Waren seine Worte der Situation entsprungen oder beruhten sie auf einem Kern?
Das ohrenbetäubende Scharren der zurückgeschobenen Bänke riss Tania aus ihren Gedanken. Die Feier war zu Ende. Sie wartete, bis die meisten Schüler die Halle verlassen hatten, um dem gröbsten Gedränge zu entgehen.
Ihr Blick wanderte erneut zum Lehrertisch. Just in diesem Moment stand Snape auf, als hätte er einen Entschluss gefasst. Sein Blick heftete sich auf sie und er kam mit großen Schritten näher.
Einige jüngere Schüler sprangen erschrocken aus dem Weg, als er vorbeirauschte. Verwirrt erhob sich Tania, als er nur noch wenige Meter von ihr entfernt stehen blieb.
»Folgen Sie mir«, befahl er, ohne ihr eine Erklärung zu geben.
Snape führte Tania hinunter in die Kerker. Ihre Schritte hallten in der Stille und die Gänge funkelten düster im grünlichen Licht der Fackeln. Routiniert hielt Tania vor Snapes Büro, welches direkt neben dem Klassenzimmer für Zaubertränke lag.
»Ich habe Sie nicht geholt, um Ihnen Privatunterricht zu geben, Green«, spottete Snape, als er bemerkte, dass sie ihm nicht mehr folgte. »Diese Ehre wird demnächst Professor Slughorn haben. Wir gehen in meine privaten Räume.« Er feixte, als er Tanias bestürztes Gesicht sah und schritt zügig voran.
Die Ravenclaw zermarterte sich das Hirn darüber, was er von ihr wollte. Sie hatte gegen keine Regeln verbrochen, ebenso wenig, wie gegen ihren Pakt.
Als sie am Ende des Ganges um die Ecke gebogen waren, stoppte der Tränkemeister vor einer unscheinbaren Tür. Kaum das er die Hand auf die Klinke gelegt hatte, schwang diese knarrend auf. Mit einer ausholenden Geste bedeutete er Tania hindurchzugehen.
Die junge Hexe umklammerte ihren Zauberstab und trat mit mulmigem Gefühl in einen kleinen Flur. Auch hier sorgten magische Fackeln für eine spärliche Beleuchtung. Zwei Türen gingen vom Flur ab. Eine davon war angelehnt. Sie konnte ein Sofa und einen Kamin erspähen. Das mussten tatsächlich Snapes private Räume sein! Sie hatte es für einen schlechten Scherz gehalten.
Mit einem bedrohlichen Klicken fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss und begann sich magisch zu verriegeln. Tania erschrak und wirbelte zu ihrem Professor herum.
»Damit wir unter uns sind«, schnarrte Snape mit einem boshaften Glitzern in den Augen. Tania wurde kreidebleich. Ihr Herz begann so heftig zu schlagen, dass sie sicher war, dass er es hören konnte.
»Ich habe mich an unsere Vereinbarung gehalten, Sir!«, giftete sie mit viel zu hoher Stimme und hielt ihm ihren Zauberstab drohend unter die Hakennase, während sie zurückwich. Unbeeindruckt lief er an ihr vorbei durch den Flur, öffnete die Tür auf der linken Seite und bedeutete ihr ungeduldig hindurchzugehen.
Tania zögerte. In sein Büro würde sie ihm ohne Umschweife folgen, doch in der unbekannten Umgebung fühlte sie sich schutzlos. Unentschlossen blieb sie stehen, den Zauberstab noch immer auf Snape gerichtet.
»Was soll das werden, Green?«, zischte Snape, trat näher und schnappte sich mit einer blitzschnellen Bewegung ihren Zauberstab, um anschließend durch die Tür zu treten.
»Professor!«, stammelte Tania empört.
»Kommen Sie!«, drang Snapes ungeduldige Stimme aus der Tür. »Wenn ich Ihnen etwas tun wollte, hätte ich die Gelegenheit gehabt, oder nicht? Nutzen Sie Ihren Verstand.«
Das klang plausibel. Tania trat durch die Tür und bei dem Anblick, der sich ihr bot, vergaß sie ihre Angst. Vor ihr lag nicht einfach nur ein Labor. Es war der Traum von einem Labor!
Der dunkle Raum war bis zur Decke mit Regalen gesäumt, auf denen sorgfältig beschriftete Gläser standen. Mehrere Arbeitstische waren im Raum verteilt. An einer Wand hingen verschiedene Messer und unzählige Utensilien zum Verarbeiten der Zutaten.
Kessel aus Edelstahl, Messing und Silber stapelten sich säuberlich in einer Ecke des Raumes. Ein Kessel mit filigranen Füßen aus Gold glitzerte im warmen Licht der Fackeln. Zwei dunkelgrüne Sessel standen vor einem kleinen Kamin und die Wände daneben waren gefüllt mit Büchern, von denen einige aussahen, als hätten sie schon einige Jahrhunderte hinter sich.
Inmitten dieser ganzen Eindrücke hatte sich Snape mit verschränkten Armen an einen der Arbeitstische gelehnt. Tania konnte nicht anders, als ihn mit offenem Mund anzustarren.
Wenn sie geglaubt hatte, dass die Geschehnisse im Wald nichts verändert hätten, dann hatte sie sich wohl getäuscht. Jemand wie Snape zeigte keinem Schüler sein privates Labor, selbst wenn er vorhatte diesen in Stückchen zerteilt einem Trank beizufügen.
Tania schoss der abstruse Gedanke durch den Kopf, dass Snape diese Umgebung unheimlich gut stand. Mit seinem wallenden Umhang, den schwarzen Haaren und den dunklen Augen passte er perfekt in dieses Labor.
»Wir werden Freude in Verteidigung gegen die dunklen Künste haben«, bemerkte Snape trocken und reichte Tania ihren Zauberstab, den sie sich so leicht hatte abnehmen lassen.
»Danke.«
»Kommen Sie her«, befahl Snape und Tania trat an einen der Arbeitstische. Erst jetzt sah sie, dass verschiedene Arbeitsmaterialien und Zutaten in akkuraten Reihen darauf verteilt waren.
»Was passiert, wenn ich jemanden einen gemahlenen Bezoar verabreiche?«, fragte Snape und schaute sie auffordernd an. Die junge Hexe verstand nicht, warum er ihr diese Frage stellte. Sie lehnte sich an den Tisch, um das Zittern ihrer Hände zu verbergen
»Das kommt darauf an«, begann sie langsam, »Befindet sich ein Organismus im Normalzustand, geschieht nichts. Ist der Organismus vergiftet, wird er sterben.«
»Warum?«, hakte ihr Lehrer nach.
»Weil der Bezoar Gifte anzieht und in sich verschließt. Ist er zermahlen, ziehen die einzelnen Partikel das Gift an. Die Partikel gelangen in den Organismus und das Gift verteilt sich im Körper.« Mit jedem Wort, wurde ihre Stimme fester. Zaubertränke war ein Fach, dass ihr Spaß machte. Sie verstand es und hatte ein Gefühl für die Zutaten und ihre Zubereitung.
»Bei welcher Temperatur ändert Mondstein seinen Aggregatzustand?«
»Er ändert seinen Zustand nicht. Man kann ihn in Flüssigkeiten auflösen, wenn man ihn nicht fest hinzufügen möchte.«
»Welche Flüssigkeit stärkt die Eigenschaften von Mondstein?«
»Blut«, antwortete Tania.
»Wie viel Affodill gehört in den Trank der lebenden Toten?«
»Nicht mehr als eine Prise. Je nachdem, wie stark er sein soll.«
»Nennen Sie die anderen Hauptzutaten!«
»Wermut, Schlafbohne und Baldrianwurzel.«
»Welche Farbe hat der Trank, wenn er fertig ist?«
»Der Trank ist klar.«
»Wo findet man Wellhornschnecken?«
»Auf Wasserpflanzen. Es muss sich um ein süßes Gewässer handeln, welches nicht gefriert. Wellhornschnecken und deren Gelege überleben keine Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.«
»Wie fängt man sie?«
»Mit der Hand, weil sie zerbrechlich sind. Sie sind schnell, also kann ein Lähmfluch helfen«, antwortete Tania souverän. Im Unterricht hatte Snape sie nie getestet. Vermutlich hatte sie ihm nicht genug Angriffsfläche geboten. Sie bewegte sich unauffällig zwischen ihren Mitschülern und war in jeder Hinsicht durchschnittlich.
»Das war richtig«, sagte Snape und ein Lächeln stahl sich in Tanias Gesicht. Er deutete auf den Arbeitstisch. »Verarbeiten Sie diese Zutaten. Sie dürfen die Materialien verwenden, die auf dem Tisch liegen.« Er kniff die Augen zusammen.
Langsam trat Tania an den Arbeitstisch und warf einen Blick auf die Zutaten. Sie lagen in einer Reihe, also beschloss sie von links zu beginnen.
Die erste Zutat waren Kartoffelbauchpilze. Sie nahm sich ein Arbeitsmesser und trennte geschickt die Stiele ab. Anschließend zog sie eine dünne Haut von den Pilzköpfen und hackte sie zu feinen Würfeln. Als sie fertig war, legte sie die Würfel in eine Schale und schob sie in die Mitte des Tisches.
Als nächstes nahm sie einen getrockneten Scarabäuskäfer. Es standen drei Mörser auf dem Arbeitstisch. Sorgsam nahm sie ein silbernes Gefäß in die Hand und stieß anerkennend Luft durch ihre Zähne. Mit solch wertvollem Arbeitsmaterial hatte sie nie gearbeitet. Der Käfer war im Nu zu feinem Pulver zerstoßen.
Die dritte Zutat war Nieskraut. Sie runzelte die Stirn, bevor sie die Lippen zusammenpresste und Snape anfunkelte.
»Nieskraut muss nicht verarbeitet werden. Ich dachte, Sie wüssten das, Sir?«, sagte sie und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie war nicht in Snapes Falle getappt.
Zuversichtlich widmete sie sich der vierten Zutat und musste ein Würgen unterdrücken. Es war ein Blutegel.
Angewidert schnappte sie sich einen Handschuh, zog den sich windenden Wurm auseinander und zerteilte ihn mit einigen gezielten Messerbewegungen in kleine Streifen. Sich schüttelnd schob sie den zerteilten Egel von sich weg. Snape beobachtete sie mit einem schadenfrohen Grinsen
›Natürlich‹, dachte Tania grimmig, ›Natürlich musste er etwas Ekliges auswählen. Warum nicht gleich eine Acromantula?‹
Die Schülerin war jetzt bei der letzten Zutat angelangt. Es waren unscheinbare weiße Samen. Kritisch zückte Tania ihren Zauberstab und ließ einen einzelnen Samen emporschweben, um ihn genauer betrachten zu können. Sie hatte diese Dinger noch nie zuvor gesehen. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
»Ich kenne diese Zutat nicht und weiß nicht, wie man sie verarbeitet, Sir«, verkündete sie enttäuscht.
»Es sind Tentakelsamen«, antwortete Snape, »Sie gehören zur Klasse C. Das heißt, dass sie giftig und hochgradig ätzend sind. Keiner dieser Handschuhe«, er deutete auf die verschiedenen Paare, »hätte Sie davor bewahrt, dass das Fleisch an Ihren Händen bis zu den Knochen verbrannt wäre.«
Mit einem Wedeln seines Zauberstabes erhoben sich die Tentakelsamen in die Luft und fielen klimpernd in einen Behälter.
»Wozu das Ganze, Sir?«, fragte Tania. Snape ließ sich auf einen der Sessel vor dem Kamin nieder und wies sie an, sich zu setzen.
»Der Schulleiter wies mich darauf hin, dass mein Zeitplan in diesem Jahr eng sein wird«, sagte er zerknirscht, »und legte mir nahe, mir eine Unterstützung für mein Labor zu suchen.«
»Ich verstehe nicht, Sir.«
»Sie werden selbstverständlich entlohnt.«
»Entlohnt?« Tania hielt den Atem an.
»Ich halte drei Galleonen pro Stunde für angemessen.«
»Sie wollen, dass ich hier arbeite?«
»Ja.«
»Warum ich?«, fragte Tania ungläubig.
»Sie sind halbwegs begabt.«
»Begabt?«, wiederholte Tania. »Hermine Granger ist begabt. Ich habe gute Noten, aber...« Snape hob die Hand.
»Sie denken, dass Granger geeignet wäre, mir zur Hand zu gehen?«, fragte er und schaute sie scharf an.
»Nun... Ähm... Sie ist die Beste... obwohl...«, stotterte Tania. Jeder wusste, dass Snape alles verachtete, was mit Harry Potter zu tun hatte. Dies schloss die beste Freundin des Gryffindors nicht aus. »Nun ja... ähm... vermutlich nicht.«
»Exakt. Miss Granger ist eine nervtötende Besserwisserin.« Seine Augen verengten sich. »Sie haben das passendere Naturell für diese Arbeit, bei der ich notgedrungen viele Stunden mit Ihnen in diesem Raum verbringen muss.«
»Ich bin das geringere Übel«, stellte Tania fest.
»Wenn sie so wollen.«
»Ich verstehe.« Verärgert presste sie die Lippen zusammen.
»Was sagen sie?«, fragte Snape.
»Ich muss darüber nachdenken«, schnappte sie, »ob ich für jemanden arbeiten will, der mich als das geringste Übel betrachtet.« Sie schaute ihn scharf an.
»Unbeachtlich dessen«, fügte Snape widerwillig hinzu, »dass ich Sie als das geringste Übel betrachte, hatte ich auch gehofft, mich erkenntlich zu zeigen.« Er wich ihrem Blick aus.
Einige Sekunden tönte nur das Knistern des Feuers durch den Raum. Severus Snape wollte sich erkenntlich zeigen. Wer hätte das für möglich gehalten?
Tania dachte über seinen Vorschlag nach. Die Vorstellung, für ihn zu arbeiten, bereitete ihr leichtes Unbehagen. Sie wusste wie übellaunig, bösartig und aggressiv er sein konnte.
Auf der anderen Seite reizte es sie, in seinem Labor zu arbeiten. Mit dem Verdienst könnte sie Zutaten für ihre eigenen Tränke bestellen und vielleicht würde sich sogar die Möglichkeit bieten, einige Tränke aus Snapes Vorräten zu stibitzen.
»Ich werde es mir überlegen, Sir«, antwortete sie herablassend.
»Kommen Sie am Dienstagabend vorbei«, erwiderte Snape unbeeindruckt. »Neunzehn Uhr.«
»Vielleicht, Sir.«
»Sie können nicht verhandeln«, fügte er barsch hinzu.
»Das habe ich mir gedacht.«
»Sie finden allein hinaus?« Er machte eine Bewegung mit der Hand, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen.
»Guten Abend, Professor.« Tania sprang auf und eilte aus dem Labor. Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. Ihre Entscheidung war gefallen. Sie würde die Herausforderung annehmen.
Der Montag begann mit einer Doppelstunde Verteidigung gegen die dunklen Künste. Vor dem Klassenzimmer herrschte eine bedrückende Stimmung.
›Man möge meinen, dass Professor Snape im Gegensatz zu Umbridge ein wahrer Segen ist!‹, dachte Tania. Ihre Meinung schien niemand zu teilen.
Snape erschien kurz vor Unterrichtsbeginn. Mit eisiger Stimme befahl er seinen Schülern einzutreten. Das Klassenzimmer war nicht wiederzuerkennen. Die Vorhänge waren vor die Fenster gezogen, sodass kein Sonnenlicht mehr in den Raum drang. Wenige Kerzen sorgten für Licht in der düsteren Atmosphäre.
Der schlichte Lehrertisch war durch ein Monstrum aus schwarzem Holz ausgetauscht worden, welches mit groben Schnitzereien verziert war. Bis auf die Tische und Bänke war der Raum leer. Es gab weder eine Tafel noch andere magische Gerätschaften.
Die Krönung der Gruft bildeten schaurige Gemälde, welche die Wände säumten. Sie zeigten Menschen, die unter Schmerzen litten, Werwölfe, Inferi und Vampire. Auf einem Bild war ein zerfetzter Körper in einer Blutlache zu sehen. Tanias Magen rebellierte.
Snape leitete den Unterricht mit einer Rede über die dunklen Künste ein. Es war offensichtlich, weshalb er jahrelang scharf darauf gewesen war, Verteidigung gegen die dunklen Künste zu unterrichten. Seine Faszination für schwarze Magie war greifbar. Mit glühenden Augen schwärmte er von den dunklen Künsten, wobei seine Stimme eine fast liebevolle Tonlage angenommen hatte.
Tania verzog das Gesicht. Er schien das lebendige Beispiel dafür zu sein, dass schwarze Magie die Menschen verdarb. Es war schwer zu verstehen, warum er dort vorn stand und von einem Zweig der Magie schwärmte, gegen den es zu kämpfen galt.
Sie lebten in dunklen Zeiten! Irgendwo vor den Toren des Schlosses versuchte das Böse die Macht an sich zu reißen. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um eine sozial unverträgliche Leidenschaft vor einer Schulklasse zu bekunden.
Nach seiner Rede verlangte Snape, dass sie Zweiergruppen bildeten, um wortlose Zauber zu üben. Tania fand sich mit Parvati zusammen. Die Gryffindor verzog angestrengt das Gesicht, so sehr bemühte sie sich, ihre Partnerin wortlos zu entwaffnen.
Tania ließ ihren Blick durch die Klasse schweifen. Sie hatte nicht vor, preiszugeben, dass sie wortlose Zauber beherrschte. Alle würden sich ihr zuwenden, sie anstarren und fragen, wer sie das wortlose Zaubern gelehrt hatte.
Die junge Hexe schauderte. Mit der Aufmerksamkeit anderer konnte sie schlecht umgehen. Nicht umsonst war sie eine Einzelgängerin. Sie blieb für sich. Das gab ihr Sicherheit. Ihr Potential würde sich nicht schmälern, weil sie nicht damit hausieren ging.
Aus den Augenwinkeln sah Tania, dass Snape sich ihnen näherte. Sie setzte eine angestrengte Miene auf und wedelte mit ihrem Zauberstab. Konnte er sich erinnern, dass sie ihn im verbotenen Wald wortlos entwaffnet hatte? Anmerken ließ er sich nichts.
Snape hatte längst seine Lieblingsopfer ins Visier genommen. Harry und Ron. Die ersten Schaulustigen reckten die Hälse, um die drohende Eskalation nicht zu verpassen.
»Erbärmlich, Weasley«, sagte Snape. »Hier - ich will es Ihnen zeigen -« Er richtete seinen Zauberstab auf Harry.
»Protego!«, brüllte Harry. Er hatte keine Sekunde gezögert, sich zu verteidigen und war erstaunlich reaktionsschnell. Seine Wut tat ihr übriges. Der Schildzauber war so stark, dass er Snape aus dem Gleichgewicht riss.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils erfasste Tania, dass er mit dem Kopf auf das Pult aufzuschlagen drohte. Instinktiv schnippte sie mit ihrem Zauberstab, worauf das hölzerne Monstrum zwei Fußlängen nach vorn rutschte.
Statt der Länge nach vor Harrys Füße zu fallen, prallte Snape nur auf Hüfthöhe gegen das Pult und fand sein Gleichgewicht wieder. Er heftete seinen Blick verwirrt auf den Tisch, ehe er sich zu voller Größe aufrichtete und in gewohnter Manier begann, dem Gryffindor eine Standpauke zu halten.
Am Ende der Stunde leerte sich das Klassenzimmer in Rekordzeit. Tania bummelte ihren Mitschülern hinterher.
»Miss Green«, schnarrte Snape.
»Ja, Professor?« Sie hielt inne.
»Warum«, fragte er streng, »haben Sie keinen wortlosen Zauber gewirkt?« Er hatte die Arme verschränkt und funkelte sie grimmig von oben herab an.
»Streng genommen habe ich das, Sir«, antwortete Tania.
Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. Als er nichts erwiderte lächelte sie milde und schlüpfte durch die Tür.
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