
Weihnachten
Der Unterricht bereitete ihr so viel Freude, dass sie jeden Morgen schon vor Snape wach war und wenn er das Wohnzimmer betrat, saß sie schon fertig angezogen auf der Couch und trank eine Tasse Tee. Er nahm das meist wortlos zur Kenntnis, doch hin und wieder konnte er es sich nicht verkneifen sie eine Streberin zu nennen. Liora hob zu diesen Kommentaren nur die Schultern und konzentrierte sich weiterhin darauf zu lernen und ihr Training fortzusetzen.
Sie hatte es tatsächlich eingerichtet, dass sie sich alle zwei Wochen für ein paar Stunden mit Lupin zusammensetzte und mit ihm alte Schriften entzifferte oder einfach nur über die verschiedenen keltischen Rituale redete. Sie verstanden sich sehr gut und gerade auf fachlicher Ebene hatten sie sich viel zu sagen. Liora hatte das Gefühl ihr Wissen sinnvoll weitergeben zu können und Lupin glänzte, indem er immer wieder bewies, dass er tatsächlich schon das ein oder andere Buch zu dem Thema gelesen hatte.
So verging die Zeit recht schnell und sie hatte kaum Lücken in ihren streng durchgeplanten Tagen. Sollte sich jedoch mal ein Zeitfenster ergeben, sei es durch eine entfallene Stunde oder ähnliches, nutzte Liora dies um sich heimlich mit Harry zu treffen. Ron und Hermine schafften es hin und wieder dazuzustoßen, doch meistens waren sie nur zu zweit und nutzten die kurzen Momente für Spaziergänge durch den Schnee oder einen kleinen Tratsch in den entlegensten Winkeln des Schlosses.
Liora hatte Harry gegenüber nicht erwähnt, dass Snape ihr den Umgang mit ihm und seinen Freunden verboten hatte. Sie sorgte dafür, dass Harry glaubte, ihr Terminplan sei so voll, dass sie kaum mehr Zeit hatte und wenn, dann wollte sie das Schloss erkunden. Er glaubte ihr diese beiden Fast-Wahrheiten und so genoss sie die Gespräche und das Austauschen von Schulklatsch. Zu gerne hörte sie die Geschichten über die Schüler des Schlosses. Es ging um Liebe, Eifersucht, Sport, Zukunftsängste und natürlich auch um die Professoren. Wenn Harry erzählte, hörte sie aufmerksam zu und versuchte die Namen Gesichtern zuzuordnen. Es gelang ihr immer besser und irgendwann konnte sie sogar mitreden und Harry auch mal sagen, dass sie nicht immer seiner Meinung war, was einzelne Schüler oder Professoren anging.
Hin und wieder berichtete Harry ihr auch von den neusten Gerüchten, die über sie selbst erzählt wurden und jedes mal musste Liora schmunzeln. Noch immer hatten die Schüler keine Ahnung wo sie her kam und was sie hier an der Schule tat. Dumbledore und die anderen Professoren schwiegen sich aus, was ihre Zukunft als Lehrling anging. Es war taktisch geschickter so, denn das Ministerium musste erst seine Zustimmung geben. So amüsierte Liora sich köstlich über Schüler, die behaupteten zu wissen, sie sei Snapes Verwandte, oder sogar seine Geliebte. Wieder andere behaupteten, sie sei wegen ihrer roten Haare eine verschollene Weasley, dabei hatte Liora keinerlei Ähnlichkeit mit Ron oder seinen Geschwistern. Harry bestätigte ihr das auch und äußerte selbst die Vermutung, sie sei ein Flüchtling und würde sich auf Hogwarts vor dem Dunklen Lord verstecken.
Sie stimmte ihm nicht direkt zu, doch sie ließ ihn wissen, dass er mit seiner Theorie der Wahrheit am nächsten kam. So gewann sie wieder einen weiteren kleinen Funken seines Vertrauens und ihre Gespräche wurden mit der Zeit intensiver und persönlicher. Er wurde ihr immer mehr ein guter Freund.
Umso mehr tat es ihr leid, als Harry und seine Freunde sie über Weihnachten allein ließen und zu ihren Familien zurückkehrten. Von einem Tag auf den anderen war das Schloss wie ausgestorben und nur wenige Schüler waren geblieben. Die Gründe dafür waren verschieden. Snape hatte ihr erklärt, dass es tatsächlich Schüler gab, die kein Zuhause hatten, in das sie zurückkehren konnten, andere blieben auf Hogwarts um die Ferien mit ihren Freunden zu verbringen. Wieder andere – nur eine kleine Hand voll – nutzte die Zeit zum Lernen.
Da Liora zu keinen der gebliebenen Schüler engeren Kontakt hatte, verbrachte sie die Tage nun allein. Erst machte es ihr nichts aus, denn sie konnte immer wenn sie sich langweilte ins Labor zu Snape huschen und ihm bei der Arbeit über die Schulter schauen. Er begrüßte es sogar, wenn sie anwesend war und ließ sie hin und wieder Zutaten für Tränke vorbereiten. Doch auch das endete, als er zwei Tage vor Weihnachten verkündete, dass er kurzfristig ein paar Sachen zu klären hätte und Hogwarts für unbestimmte Zeit verlassen würde. Vermutlich sei er aber in wenigen Tagen wieder hier. Er hinterließ ihr ein paar strenge Anweisungen was die Tränke anging und verschwand.
Also blieb sie ganz allein zurück. Jetzt hatte sie nur noch die Bücher und die Spaziergänge über die verschneiten Ländereien. Der Winter hatte Hogwarts jedoch fest im Griff und als in der Nacht vor Heiligabend ungemütliche Schneestürme über das Land fegten, machte ihr nicht mal mehr das Spaß. Der Schnee ließ sie bis zu den Knien einsinken und so gab sie schnell auf und verkrümelte sich lieber in die Wohnung. Auch den Weihnachtsmorgen verbrachte Liora damit, mit einer Tasse heißem Kakao im Sessel vor dem Kamin zu sitzen und die Flammen anzustarren.
Die Hauselfen waren so süß gewesen, die Wohnung über Nacht etwas zu dekorieren und Liora hatte nicht schlecht gestaunt, als Tannenzweige, etwas silbernes Lametta und ein paar Zuckerstangen rund um den Kamin drapiert waren. Sie nahm sich vor, sich bei den fleißigen Helfern zu bedanken und wollte Snape gleich nach seiner Rückkehr bitten, mit ihr nach Hogsmead zu gehen. Vielleicht fand sie etwas, dass sich als Geschenk für die Hauselfen eignete.
Doch bis dahin war noch Zeit und sie wollte erst einmal die Ruhe genießen. Es kam selten vor, dass sie wirklich für sich war und niemand sie beobachtete oder überwachte. Vermutlich hätte Liora den ganzen Tag damit verbracht in dem Sessel zu sitzen, doch gegen Mittag wurde sie von einem Klopfen an der Tür aufgeschreckt. Überrascht hob sie den Kopf und sah sich schweigend um. Es klopfte wieder. Wer konnte das sein? Vorsichtig und ohne ein Geräusch zu machen, erhob sie sich und schlich durch den Raum. Sie lauschte, doch ein drittes Klopfen blieb aus. Sollte sie einfach die Tür öffnen? Sie trug nur ihren Morgenmantel und sah bestimmt auch nicht besonders festlich aus. Was konnte so wichtig sein, dass tatsächlich jemand den Weg hier runter, in einen der entlegensten Winkel der Schule auf sich nahm, nur um nach ihr zu sehen?
Sie haderte noch immer mit sich, als sie hörte, wie Schritte sich entfernten. Nicht besonders eilig, aber auch nicht so langsam, dass sie misstrauisch wurde. Wer auch immer sie hatte sprechen wollen, ging wohl davon aus, dass sie nicht da war. Als sie nichts mehr hören konnte, wartete sie noch ein paar Atemzüge ab und öffnete dann die Wohnungstür. Der Gang davor war grau, leer und schlecht beleuchtet wie immer. Liora steckte den Kopf hinaus um einmal in jede Richtung zu sehen, doch sie entdeckte nichts Ungewöhnliches. Erst als sie sich wieder aufrichtete und ihr Blick auf die Tür selbst fiel, bemerkte sie ein Stück Pergament. Es war magisch ans Holz gepinnt, doch Liora konnte es problemlos entfernen. Die Nachricht war wohl für sie bestimmt. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück und machte es sich wieder im Sessel bequem. Sobald sie saß und die Beine hochgezogen hatte, entfaltete sie das Pergament und stutzte. Es war erst leer, doch schon im nächsten Moment begannen sich Worte aus dunkelblauer Tinte zu bilden.
Verehrte Miss Avelon,
ich konnte Sie nicht antreffen, hoffe aber, dass Sie meine Nachricht dennoch rechtzeitig erhalten.
Der Weihnachtstag ist auf Hogwarts traditionell ein Tag des gemeinsamen Feierns. Wir haben Sie bereits beim Frühstück vermisst und mir kam der Gedanke, dass Ihnen gegenüber vielleicht niemand eine Einladung ausgesprochen hat. Dies möchte ich nun nachholen: Bitte erweisen Sie uns die Ehre und genießen Sie heute Abend ein vorzügliches Festmahl mit den gebliebenen Schülern und Lehrkräften in der großen Halle.
Ich freue mich auf Ihr Erscheinen!
A.D.
Sobald sie fertig war, las sie das Schreiben noch einmal. Gemeinsames Abendessen mit den Professoren und den Schülern. Das kam überraschend und Liora musste erst tief durchatmen, bevor sie versuchte zu verstehen, was das zu bedeuten hatte. Ein gemeinsamer Abend in der großen Halle und der Schulleiter selbst hatte sich hier runter bemüht um sie einzuladen! So wurde der Tag doch noch spannend! Sie musste lächeln und betrachtete die saubere Handschrift des alten Zauberers.
Bis jetzt hatte sie es immer vermieden in die große Halle zu gehen. Wo sollte sie auch hin? Sie gehörte zu keinem der vier Häuser. Zumindest nicht offiziell, denn durch ihre Stelle als Snapes Lehrling fühlte sie sich eher zu seinem Haus gehörend, obwohl sie sich durchaus sehr gut mit Harry und seinen Freunden verstand. Sie gehörte offiziell auch nicht zu den Lehrkräften, also hätte sie an deren Tisch auch nichts zu suchen. Der Einfachheit halber hat Liora bisher immer in hier in der Wohnung gegessen und sich alles von den Hauselfen bringen lassen. Es würde also heute Abend eine Premiere sein und sie wollte auf keinen Fall negativ auffallen.
Den Nachmittag verbrachte sie also damit vor ihrem Kleiderschrank zu stehen und sich zu fragen, was sie heute anziehen sollte. Nachdem sie mehrere Varianten verglichen hatte und Snape sowieso nicht anwesend war, entschied sie sich für ein dunkelgrünes Kleid, das ihr knapp über die Knie ging und auch ihre Arme zum größten Teil bedeckte. Der Saum des Rockes und der Ärmel war mit schwarzer Spitze bestickt und ein schwarzes Band aus Samt am Rücken ließ es zu, das Kleid etwas enger zu binden, damit ihre schmale Gestalt besser zu Geltung kam. Nicht, dass es nötig gewesen wäre jemanden zu beeindrucken, doch sie hatte so selten Gelegenheit sich hübsch heraus zu putzen, dass dieses kleine Detail sie ungemein freute. Zu all dem trug sie schlichte schwarze Schuhe und das Haar locker nach hinten gesteckt, wo es von einer schwarzen Schleife zusammengehalten wurde und sich seidig über ihren Rücken ergoss.
Der Blick in den Spiegel ließ sie lächeln. So fühlte sie sich wohl und ein Blick auf die Uhr verriet, dass sie auch langsam aufbrechen sollte. Im Hinausgehen warf sie sich einen leichten schwarzen Umhang über und ging dann in Richtung große Halle. Unterwegs traf sie niemanden, nicht einmal die Geister. Erst als sie die Halle betrat waren Stimmen und Lachen zu hören.
Liora trat ein und hielt verblüfft die Luft an. Es war überwältigend! Wer auch immer die Dekoration übernommen hatte, hatte sich selbst übertroffen. Es war, als würde man in einen verzauberten Wald treten und Liora musste tatsächlich erst zwischen ein paar Tannen hindurch schlüpfen, bevor sie in der Mitte der Halle ankam und sich verwundert umsah. Nicht nur, dass überall kleine Tannen standen, auf ihnen lag verzauberter Schnee, der lautlos von der dunklen Decke der Halle herunter fiel. Kerzen schwebten überall in der Luft und tauchten alles in ein warmes und festlich anmutendes Licht. Alles wurde abgerundet durch einen riesigen, in den Farben aller Häuser dekorierten Weihnachtsbaum, neben dem eine einzige lange Tafel aufgebaut war, an der bereits ein paar Schüler und auch eine Hand voll Professoren saßen. Die Haustische waren verschwunden und da die Schüler heute Abend nicht ihre Schuluniformen trugen, war schwer einzuschätzen, wer wo hin gehören könnte.
Ob es eine Sitzordnung gab? Auf den ersten Blick ließ sich das nicht feststellen, denn die Lehrer hatten sich an beiden Enden der Tafel niedergelassen und während die einen sich nur mit ihren Kollegen unterhielten, lachten die anderen mit ihren Schülern. Sie atmete tief durch und sah sich nach vertrauten Gesichtern um. Außer Snape waren alle Hauslehrer anwesend. Sie hatten sich an der Tafel verteilt und unterhielten sich angeregt. Sie entdeckte ebenfalls Professor Bathsheda Babbling die Alte Runen unterrichtete und mit der Liora schon die ein oder andere interessante Unterhaltung diesbezüglich geführt hatte. Allerdings unterhielt diese sich gerade mit Professor McGonagall und Liora wollte die beiden Frauen nicht unterbrechen.
So beschloss sie gerade sich in die Nähe von Professor Sprout zu setzen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte und Liora erschrocken nach Luft schnappte. „Schön, dass Sie gekommen sind, Miss Avelon. Weihnachten sollte niemand allein verbringen.", begrüßte Dumbledore sie leise und Liora drehte den Kopf um dem freundlich lächelnden Schulleiter entgegen zu sehen. Stimmt, ihn hatte sie an der langen Tafel noch vermisst. „Es war sehr nett von Ihnen an mich zu denken, Sir. Die Zeit vergeht so schnell, wenn man beschäftigt ist, ich denke es tut mir gut ein wenig unter Menschen zu kommen.", antwortete sie höflich und verkniff es sich, ihm zu beichten, dass sie den ganzen Tag nur faul vor dem Kamin verbracht hatte.
„Das habe ich mir schon gedacht. Immer wieder höre ich, wie fleißig und belesen Sie sind. Die Bibliothek bietet Ihnen hoffentlich genug Lesestoff, damit Sie sich nicht langweilen.", er schmunzelte und Liora musste lachen, als sie an all die kleinen, großen, dicken und dünnen Bücher dachte. Sie würde Jahrhunderte brauchen, um sich durch alle durch zu arbeiten! „Keine Sorge, es sind so viele wunderbare Bücher in dieser Bibliothek, dass ich wohl bis ans Ende meines Lebens beschäftigt wäre.", sagte sie und Dumbledore zwinkerte ihr vergnügt zu.
„Dann bin ich beruhigt. Lassen Sie uns Platz nehmen. Das Essen ist heute bestimmt wieder einem König angemessen und wir wollen doch nichts davon verpassen, oder?" Er hielt Liora seinen Arm hin und sie legte vorsichtig ihre Hand drauf. Sie mochte den Schulleiter und seine unkonventionelle Art. Bisher hatte sie nie das Gefühl gehabt Albus Dumbledore würde sich verstellen oder ihr gegenüber unaufrichtig sein, allerdings hatte sie auch nicht so intensiven Kontakt wie Snape und dieser hatte sie vor Dumbledore und dessen Gerissenheit gewarnt.
Sie schritt an der Seite des Schulleiters zu der großen Tafel und er steuerte gezielt die Stirnseite an, wo sich sein reichlich verzierter Stuhl befand. Der Platz war deutlich als der des Schulleiters gekennzeichnet. Zur rechten Seite des Schulleiters saß bereits Professor McGonagall, die erfreut lächelte, als Dumbledore näher kam. Ihr schräg gegenüber saß noch immer Professor Babbling, die ebenfalls aufsah und dem Schulleiter zur Begrüßung kurz zunickte.
Liora ließ sich von Dumbledore zu dem freien Platz neben McGonagall führen. Sie begrüßte die beiden Damen und auch die Schüler, die sich in Hörweite befanden, dann setzte sie sich. Dumbledore hob solang die Augenbrauen, als er den leeren Platz gegenüber der Lehrerin für Verwandlung betrachtete. „Weiß man schon, wann Severus eintreffen wird?", fragte er und begab sich dann zu seinem Stuhl. „Albus, du weißt, dass er nicht gerade dazu neigt uns die Planung solcher Abende leicht zu machen. Er wird früher oder später auftauchen. Du kennst ihn.", antwortete McGongall fast schon schnippisch und griff nach ihrem Glas mit Eierpunsch.
Von einer Sekunde auf die Andere spürte sie wie ihr kalt wurde. Würde Snape wirklich noch zum Essen auftauchen, wäre die festliche Stimmung bestimmt dahin. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er sich zu ihnen setzen und fröhlich über den Schnee und die Dekoration plaudern würde. Sie hatte nicht mal erwartet, dass sie selbst das tun würde, doch während sie noch auf die Nachzügler warteten, schob Professor Babbling ihr ebenfalls ein Glas Eierpunsch zu und zog sie in eine sehr lustige Unterhaltung über genau diese Themen hinein. Zu Lioras Überraschung hatte sie richtig viel Spaß dabei, mit den beiden Damen über Schnee und seine negativen Seiten zu reden. Dumbledore hörte amüsiert zu und gab lediglich zu bedenken, dass er in seiner Jugend schlechte Erfahrungen mit den Wintersportarten der Muggeln gemacht hatte.
Sie lachten und als endlich auch die letzte Schülerin mit geröteten Wangen auf ihren Platz eilte, erhob Dumbledore sich und es wurde leise. Während er den Moment nutzte und mit einem zufriedenen Lächeln in die Runde sah, ließ auch Liora einmal den Blick über die Anwesenden gleiten. Alle waren gut gelaunt und sahen ihrem Schulleiter mit leuchtenden Augen entgegen. Erwartungsvoll, was der beliebte Zauberer zu sagen hatte und vielleicht auch wegen dem guten Essen.
Dumbledore räusperte sich. „Liebe Schüler, liebe Lehrer, wir haben die ersten Monate dieses Schuljahres mit Bravour gemeistert und dürfen uns nun ein paar ruhige Tage gönnen. Wir haben sie uns verdient. Es ist schön Sie alle hier versammelt zu sehen und es wärmt mir das Herz, zu wissen, dass Sie alle selbst in diesen schweren und dunklen Zeiten noch immer lächeln könnt.", begann er und breitete in einer väterlichen Geste die Arme aus.
„Hogwarts ist für uns alle ein zweites Zuhause geworden. Wir sind zu einer Familie zusammengewachsen und unterstützen uns gegenseitig. Sowohl was das schulische, als auch das private Leben angeht, stehen wir zusammen und helfen uns. Jeder fleißige Helfer sollte jedoch zwischen drin mal eine Pause machen und daran denken sich selbst etwas Gutes zu tun. Ich persönlich werde diese Tage nutzen, um alle düsteren Gedanken wegzusperren und einfach durchzuatmen. Vielleicht auf einem kleinen Spaziergang oder mit einem guten Tee auf der Couch. Ich empfehle Ihnen allen, das Selbe zu tun und mit viel Kraft und einem freien Kopf in das kommende Jahr zu starten." Er sah für einen Moment sehr ernst aus und Liora runzelte die Stirn. Sie fühlte sich ein wenig schäbig bei seinen Worten. Immerhin wusste sie, was er mit 'dunklen Zeiten' meinte und sowohl sie als auch Snape waren ein Teil dieser Dunkelheit. Auch wenn sie sich selbst noch lange nicht so sah und bis auf den letzten Besuch beim Dunklen Lord nicht mit dieser Welt in Berührung gekommen war. Sie hoffte auch in Zukunft nicht allzu viel mit Voldemorts Machenschaften zu tun zu haben.
„Nun aber lasst uns essen und trinken! Ein Festmahl wartet auf uns.", verkündete Dumbledore schließlich und die Anwesenden klatschten. Die Platten und Teller auf dem Tisch füllten sich und ein Raunen ging durch die Halle, als die feinen Gerüche sich überall ausbreiteten. Liora konnte ebenfalls nur staunen. Sie bekam ihr Essen zwar auch immer fein angerichtet, doch das hier war ein Festmahl. Sie wusste gar nicht wo sie anfangen sollte.
Gerade als sie sich ein Stück Truthahn auf den Teller legte, betrat ein weiterer Gast die Halle und Liora machte sich etwas kleiner auf ihrem Platz. War ja klar, dass er ausgerechnet jetzt kam! Seine dunklen Augen verschafften sich recht schnell einen Überblick und Liora sah deutlich, dass er die Stirn runzelte, als er sie neben McGonagall entdeckte.
„Severus, wir hatten schon befürchtet, du schaffst es nicht mehr.", begrüßte Dumbledore ihn und Snape nahm mit einem „Ich wurde aufgehalten." Platz. „Jedenfalls kommst du genau zur richtigen Zeit. Wir haben gerade mit dem Essen begonnen. Versuch den Truthahn. Er ist jedes Jahr ein Gedicht!", verkündete Dumbledore fröhlich und legte sich selbst nun auch ein Stück auf den Teller.
Liora wartete bis alle mit ihrem Essen beschäftigt waren, bevor sie es wagte den Kopf zu heben. Zu ihrem Pech sah sie dabei genau in zwei dunkel funkelnde Augen. Seine Miene blieb ausdruckslos, doch eine seiner Augenbrauen wanderte nach oben. Liora hob entschuldigend die Schultern und versuchte dann ihn zu ignorieren. An einem Tisch voller Lehrer und Schüler würde er keine Szene machen.
„Hast du dich um die Tränke gekümmert, wie ich es dir gesagt habe?", unterband Snape ihren Versuch ihn nicht zu beachten und Liora legte für einen Moment ihr Messer weg, um nach ihrem Glas mit Kürbissaft zu greifen. Es klang fast, als hätte er ein altes Gespräch wieder aufgenommen. Die Blicke der anderen Lehrkräfte flogen zwischen ihr und dem Professor für Zaubertränke hin und her. Sie nahm einen Schluck und sah ihm dann direkt in die Augen. „Alle Tränke entsprechen deinen Vorgaben. Ich habe mich genau an die Anweisungen gehalten und alles hat perfekt funktioniert. Sieh sie dir doch bitte später einmal an.", bat sie und Dumbledore schien diese Vorlage als Anlass zu nehmen in das Gespräch mit einzusteigen.
„Miss Avelon betreut während deiner Abwesenheit deine Arbeit?", frage er neugierig und Snape lächelte spöttisch. „Was nutzt mir ein Lehrling, Albus, wenn ich sie nicht einmal die einfachsten Aufgaben betrauen könnte? Liora hat sich als nicht gerade ungeschickt im Umgang mit den Tränken und Zutaten gezeigt. Ich bürde ihr schon nicht zu viel auf, sollte dies deine Sorge sein.", antwortete er leise, damit keiner der Schüler ihn verstand und Dumbledore lachte amüsiert, denn ihm war die große Portion Sarkasmus nicht entgangen.
„Och, das ist sicher nicht meine Sorge. Ich war nur verwundert, da es äußerst selten geschieht, dass du deine Arbeit überträgst."
„Es kam bisher noch nie vor, Albus, denn bisher hat sich noch niemand als würdig erwiesen. Die Betonung liegt auf 'bisher'.", korrigierte Snape sofort und Liora errötete, als Professor Babbling ihr einen vielsagenden Blick zuwarf. „Na, da haben Sie ja den Hauptgewinn gezogen, Miss Avelon.", sagte sie leise und grinste, als Liora verdutzt drein schaute. Was war damit denn gemeint? „Nicht verunsichern lassen, Miss Avelon. Es ist schon fast mehr wert, als jede Medaille, wenn Severus Ihnen solche Aufgaben überträgt. Ich höre aber auch von allen anderen Lehrkräften, dass Sie sich im Unterricht gut schlagen.", merkte Dumbledore an und schob sich zufrieden lächelnd einen weiteren Bissen Kartoffeln in den Mund. Anschließend lenkte er das Thema auf etwas Unverfänglicheres und zwinkerte Liora möglichst unauffällig zu. Sie antwortete mit einem Lächeln. Die ernsten Dinge konnten sie später immer noch besprechen, wenn keine Schüler in Hörweite waren. So hatte sie noch etwas Zeit sich zu sammeln und sich auf eventuelle verbale Angriffe ihres Lehrers vorzubereiten.
Sobald der formale Teil des Abendessens beendet war, lockerte sich die Stimmung noch etwas mehr. Tatsächlich hatten die Schüler, die ihnen am nächsten saßen es nach dem Hauptgang schon sehr eilig sich zu ihren Freunden zu verkrümeln. Eine von Lioras Vermutungen war, dass Snapes düstere Blicke Grund dafür waren. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Professor Flittwick am anderen Ende der Tafel, wo sich ebenfalls ein kleines Grüppchen Lehrer niedergelassen hatte, begann den Schülern lustige Zaubertricks rund um das Thema Weihnachten zu zeigen. Es dauerte nicht lange bis er einen Miniatur-Schneemann dazu gebracht hatte, über den Tisch zu hüpfen. Die Schüler klatschten begeistert.
„Es ist schön zu sehen, dass man mit solchen Spielereien die Schüler jedes Jahr aufs Neue begeistern kann.", sagte Babbling kopfschüttelnd und Dumbledore klatschte ebenfalls zufrieden in die Hände. „Wir sollten daraus ein eigenes Unterrichtsfach machen.", schlug er vergnügt vor und wandte sich an Snape, der als einziger am Tisch nicht festlich gekleidet war, sondern wie immer durch schwarze Unauffälligkeit glänzte. „Was meinst du, Severus, das wäre doch ein Spaß, oder?"
Doch der zeigte sich völlig unbeeindruckt und warf nur einen kurzen Blick zu dem Schneemann hinüber. Liora wusste, dass er es nicht gut hieß die Magie für Unfug und sinnlose Blödeleien zu verwenden. Sie konnte sehen, wie eine skeptische Falte auf seiner Stirn erschien. „Es gibt genug Unterrichtsfächer. Man muss den Kindern nicht noch mehr Unsinn beibringen, sonst laufen hier bald nur noch solche Scherzkekse wie die Weasley-Zwillinge herum.", antwortete Snape gereizt und sein Blick wanderte kurz zu Liora, bevor er sich wieder Dumbledore zu wandte. War das eine Anspielung? „Da wir gerade bei den Unterrichtsfächern sind, Albus, ich müsste ein paar Dinge mit dir besprechen. Wenn du einen Moment hast." Der Schulleiter zuckte nur mit den Schultern und erhob sich fließend. „Ihr entschuldigt uns.", wandte er sich an die drei Hexen und zog sich dann mit Snape zurück.
Sie schlenderte ein paar Schritte in Richtung des großen Weihnachtsbaumes und sobald sie außer Hörweite waren, wurde der Tonfall des Schulleiters ernst. „Was hat es mit deiner Verspätung auf sich, Severus? Ist alles zu deiner Zufriedenheit gelaufen?", wollte er wissen und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, während er den prachtvoll dekorierten Baum betrachtete.
Snape schnaubte abfällig und sah düster zu Liora hinüber. Er war absolut nicht in Weihnachtsstimmung. Sowohl der Besuch im Ministerium, als auch das Mittagessen bei den Malfoys hatten dazu beigetragen, dass er den Schnee und die komplette Weihnachtsdekoration am liebsten zur Hölle befördert hätte. „Von Zufriedenheit kann keine Rede sein. Albus, ich habe sie überprüfen lassen. Es gibt keine registrierte Liora Avelon aus Cornwall. Sie ist nicht gemeldet. Diese Hexe existiert laut der Unterlagen des Ministeriums nicht.", erklärte er düster und Dumbledore hob überrascht die Augenbrauen. Nun warf auch er einen prüfenden Blick in die Richtung in der Liora saß. „Nun, das kommt unerwartet, doch es muss noch nichts bedeuten. Die Akten könnten vernichtet oder verlegt worden sein. Liora ist vor Voldemorts Fall auf die Welt gekommen. Zu dieser Zeit herrschte Chaos im Ministerium und aktuell kann man auch nicht gerade von einer geordneten Bürokratie sprechen. Lass uns mal nicht das Schlimmste annehmen.", sagte er möglichst ruhig und Snape schüttelte den Kopf. Das hatte er auch nicht andeuten wollen. Ihm waren ganz andere Bedenken gekommen und er hatte sich in den letzten Tagen zum ersten mal ernsthaft mit der Zukunft der rothaarigen Hexe auseinandergesetzt. Was sollte sie tun, wenn der Krieg vorüber war? Wo sollte sie hin? „Das weiß ich, Albus, und ich glaube auch nicht, dass mehr dahinter steckt. Sie verheimlicht etwas, ja, aber sie ist keine Gefahr. Was mich beunruhigt ist die Tatsache, dass wir absolut nichts auf der Hand haben. Kein Papier, keine Bescheinigung, nichts. Es gibt nicht einmal eine Geburtsurkunde und schon gar keine Aufzeichnungen über einen Schulbesuch oder ähnliches. Liora ist talentiert, aber wir können es nicht beweisen. Ich sehe Probleme auf uns zukommen, was die Ausbildungserlaubnis des Ministeriums angeht.", legte Snape seinen Gedankengang dar und sah aus der Ferne zu, wie Liora und die beiden Lehrerinnen sich wieder dem Eierpunsch zu wandten. Wunderbar! Erst Potter und dann freundete sie sich mit seinen Kolleginnen an.
„Ich nehme an, du hast bereits eine Lösung für dieses Problem?", harkte Dumbledore nach und bekam sofort die Bestätigung. „Natürlich. Liora wird im Sommer hier auf Hogwarts die UTZ-Prüfungen mitmachen und bestehen. Dann haben wir etwas in der Hand mit dem wir argumentieren können." Die beiden Männer sahen wieder zu der festlichen Tafel rüber, wo Liora sich gerade vor Lachen verschluckt hatte.
.........
Es hatte lange gedauert, bis Snape und der Schulleiter wieder an den Tisch gekommen waren und er Liora mit einem einfachen „Es ist spät." dazu gebracht hatte aufzustehen und sich zu verabschieden. Sie war eigentlich froh sich zurückziehen zu können, auch wenn es gerade sehr lustig gewesen war und sie bestimmt noch eine weitere Stunde hätte mitlachen können. Die beiden Lehrerinnen waren wirklich gut gelaunt und zum ersten mal seit ihrem Erscheinen hatte Liora das Gefühl das Eis würde bröckeln.
So folgte sie, beobachtet von vielen neugierigen Augenpaaren, einem eilig davon rauschenden Professor Snape nach draußen und hinunter zu den Kerkern. „Wo warst du all die Tage?", wollte sie wissen, während sie versuchte sein Tempo zu halten. „Familie. Jedes Jahr das selbe unangenehme Schauspiel.", antwortete er nur und Liora legte verwundert den Kopf schief. Sie hatte ihn noch nie über seine Familie reden hören. Hatte er überhaupt eine? Wenn ja, wie waren sie wohl?
„Du hast Familie?", fragte sie deswegen und er strafte sie mit einem herablassenden Seitenblick. Natürlich würde er nicht mit ihr darüber reden. Sie hatte es auch nicht wirklich erwartet. „Man kann es sich nicht aussuchen, oder?", sagte er nur und wechselte dann schnellstmöglich das Thema. „Zu etwas Wichtigerem, Liora. Ich habe Albus gebeten ein paar der Fächer von deinem Stundenplan zu streichen."
Das kam unerwartet! „Aber warum?!", wollte sie wissen und blieb stehen. Das konnte er doch nicht einfach machen, oder? Der Unterricht bereitete ihr Freude und sie lernte immer noch das ein oder andere neu dazu. Wie kam er schon nach so kurzer Zeit dazu seine Meinung zu ändern? Hatte sie etwas falsch gemacht? „Ist das meine Strafe, weil ich in der Halle war?", äußerste sie eine Vermutung, doch er tat es mit einer wegwerfenden Geste ab.
„Unsinn. Wir werden ein paar Fächer streichen, weil nicht jedes für dich relevant ist und du könntest deine Zeit sinnvoller nutzen. Das ist der einzige Grund.", erklärte er und erntete einen verständnislosen Blick. Er war ebenfalls stehen geblieben und sah sie nun ernst an. „Aber das ist nicht der einzige Grund. Severus, ihr habt immer wieder zu mir rüber geschaut, als ihr euch unterhalten habt. Was ist los? Will Professor Dumbledore dass ich gehe?", fragte sie und sprach damit aus, was ihr als erstes durch den Kopf schoss. Einen Moment glaubte sie seine Mundwinkel zucken zu sehen, doch er konnte sich beherrschen und gab ihr mit einer einfachen Handbewegung zu verstehen, dass er seinen Weg fortsetzen wollte. „Niemand möchte dich loswerden, Liora. Wir hatten lediglich ein paar Formalitäten zu besprechen, die nicht für die Ohren der anderen Lehrkräfte oder der Schüler bestimmt waren. Papierkram, so wie immer. Dich an dieser Schule zu halten, wird doch komplizierter als ich dachte. Wir brauchen einen Leistungsnachweis und das bedeutet, dass du die Prüfungen im Sommer mitmachen wirst. Allerdings nicht in allen Fächern. Das ist unmöglich. Du belegst lediglich die Fächer, die du in Zukunft brauchen kannst. Diese wirst du bestehen und schon sind alle Probleme beseitigt."
„Aber ich bin nicht vorbereitet ...", flüsterte Liora überrascht, doch Snape tat diesen halbherzigen Protest mit einem Schnauben ab. Sie schritten die Treppe zu den Kerkern hinunter und dank der reichlichen Gläser Eierpunsch musste sie darauf achten wo sie hintrat. Sie wurde langsamer und er sah sich nach ihr um. „Auch das ist Unsinn! Du beherrscht alles um die Prüfungen zu bestehen. Lern noch ein paar Monate und nichts kann dich mehr aufhalten. Ich erwarte, dass du diese kleine Formalität im Vorbeigehen erledigst. Mach dich also nicht lächerlich.", wies er sie zurecht und Liora wollte gerade etwas erwidern, als sie eine Stufe verfehlte und das Gleichgewicht verlor. Snape fing sie problemlos und hielt sie für einen Moment in seinen Armen. Liora glaubte zu spüren wie seine Finger sich für einen kurzen Augenblick in den Stoff ihres Umhangs gruben, bevor er sie wieder ein Stück von sich schob und ihr die letzten Stufen hinunter half. „Eierpunsch.", nuschelte sie entschuldigend und er seufzte genervt: „Frauen ..."
Zu ihrer Verwunderung, hielt er sie auch auf den letzten Metern am Arm fest und ließ erst los, als sie vor der Wohnungstür ankamen. War sie so wackelig auf den Beinen? Es kam ihr gar nicht so vor. „Welche Fächer möchtest du denn streichen?", fragte sie, während er die Tür öffnete. Snape ließ sie mit einer kleinen Handbewegung eintreten und Liora huschte an ihm vorbei.
„Das hängt im Großen und Ganzen davon ab, was du später machen möchtest. Mal abgesehen davon, dass wir beide ein sehr düsteres Geheimnis teilen das dich bestimmt noch eine ganze Weile davon abhalten wird ein normales Leben zu führen, was würdest du als deine Berufung sehen?", fragte er, ganz der Lehrer und schloss die Tür hinter sich. Eine gute Frage. Sie hatte bis jetzt nur kurz über diese Möglichkeit nachgedacht, denn ein normales Leben erschien ihr in der aktuellen Situation völlig unerreichbar. Liora sah zu, wie er seinen Umhang ablegte und sich dann mit düsterem Blick im Wohnzimmer umsah. Die Dekoration war noch immer da und Liora glaubte, dass es sogar noch mehr geworden war. Nicht nur, dass bei ihrer Ankunft schon ein paar Kerzen im Raum schwebten, es hingen auch Mistelzweige über jeder Tür und das Lametta lag nun auch auf der Couch. „Die Hauselfen?", wollte er genervt wissen und besah sich alles mit finsterem Blick.
„Ja, als ich heute morgen aufwachte, war alles dekoriert. Sie haben sich so viel Mühe gegeben und es sieht doch nett aus, deswegen habe ich alles hängen lassen.", bestätigte Liora und Snape schüttelte unwillig den Kopf. „Schrecklich, da passt man ein Jahr mal nicht auf und dann sowas. Also: Dein Berufswunsch?", kam er zum eigentlichen Thema zurück.
„Heiler.", antwortete Liora ohne zu zögern und sah zu wie er nochmal in eine Innentasche seines Umhangs griff. Was genau er herausholte konnte sie nicht erkennen, denn die Gegenstände waren sehr klein und er legte sie so auf den Tisch, dass sie kaum etwas erkennen konnte. Vielleicht waren es Geschenke von seiner Familie? Vorstellen konnte sie es sich zwar nicht, doch aus all den Vorjahren wusste sie, dass die Menschen an Weihnachten immer etwas emotionaler waren.
„Heiler. Eine sehr gute Wahl. Das hätte ich dir auch nahe gelegt. Dann fliegt alles von deinem Stundenplan, außer Kräuterkunde, Zauberkunst, Verwandlung, Zaubertränke und Verteidigung gegen die Dunklen Künste. In Zaubertränke erwarte ich außergewöhnliche Leistungen von dir. Ich bin nicht gewillt eine zweitklassige Hexe auszubilden. Das ist dir hoffentlich klar.", erklärte er und während er seinen Umhang verschwinden ließ betrachtete er sie forschend. Er sah aus, als wäre ihm gerade eben wieder etwas eingefallen und sie ahnte, dass das für sie nicht unbedingt von Vorteil war.
Liora hatte sich langsam in Richtung ihres Zimmers bewegt, doch sie blieb stehen, als er jetzt auf sie zukam und direkt vor ihr stehen blieb. So ein Mist! Bis jetzt hatte er noch nichts zu ihrer Erscheinung gesagt und auch ihre Anwesenheit in der großen Halle stand noch zur Diskussion. Liora hielt die Luft an, als er die Hände hob und nach ihr griff. „Ich hoffe, du hast in meiner Abwesenheit nicht nur Dummheiten angestellt.", sagte er leise und sie spürte wie er geschickt den Verschluss ihres Umhangs öffnete. Jetzt würde er sehen, dass sie nicht nur 'ein bisschen' gegen seine Regeln verstoßen hatte. Sie überlegte kurz, ihn davon abzuhalten, doch einen Moment später rutschte der Stoff schon von ihren Schultern und er trat einen Schritt zurück um sie in dem grünen Kleid zu betrachten.
„Ich hatte nicht vor heute in der Halle zu erscheinen. Professor Dumbledore hat mich eingeladen und ich wusste nicht, dass du heute zurück kommen würdest. Sonst hätte ich etwas anderes angezogen.", rechtfertigte sie sich sofort und Snape verschränkte die Arme. Er sah nicht direkt wütend aus. Nur leicht gereizt, aber dennoch interessiert. „Du glaubst, wenn ich nicht da bin, gilt diese Regel nicht? Gerade dann hast du sie zu befolgen!", knurrte er und Liora verzog das Gesicht. Ihr war völlig unklar, was er immer noch mit dieser Regel versuchte zu erreichen und es gefiel ihr auch nicht, dass er glaubte noch immer so viel Einfluss auf sie zu haben.
„Wenn du nicht da bist, ergibt es keinen Sinn mich so züchtig zu kleiden. Du hast mir diese Regel aufs Auge gedrückt, weil ich mich dir gegenüber etwas zu offenherzig verhalten habe. Na und? Das ist Vergangenheit und mittlerweile können wir doch wie Erwachsene darüber lachen, oder?", protestierte sie sofort und er legte den Kopf zur Seite. „Glaubst du wirklich, der einzige Hintergedanke bei dieser Regel ist, dass ich vor dieser unverschämt verlockenden Falle, die du deinen Körper nennst, geschützt bin? Oder dass es eine Strafe ist, weil du versucht hast mich mit selbigem zu verführen? Das ist Unsinn, Liora. Ich bin nicht der einzige Mann auf dieser Welt und ich bin definitiv auch nicht der gefährlichste. Sieh es also als einen Schutz gegen ALLE Männer.", erklärte er schmunzelnd.
„Aber es gibt hier auf Hogwarts niemanden, der mir gefährlich werden könnte, so wie du es andeutest."
„Hier nicht, aber da draußen. Ich habe beschlossen, dass es Zeit wird einen Schritt weiter zu gehen, denn nur weil du hier auf Hogwarts noch nicht mein Lehrling bist, in einer Parallelwelt bist du es bereits und von dir wird erwartet dich mehr einzubringen.", verkündete er und wenn er eine Reaktion erwartete, wurde er nicht enttäuscht.
„Was soll das heißen?", fragte sie erschrocken und das Blut schien ihr in den Adern zu gefrieren. Außerhalb des Schlosses? Andere Männer? Was hatte er vor?
Snape wandte sich von ihr ab und schritt langsam zum Tisch, wo er seinen Zauberstab zückte und die kleinen Gegenstände berührte, die er kurz zuvor dort hingelegt hatte. Sie wurden magisch vergrößert und jetzt war zu erkennen, dass es sich um mehrere Pergamente, einen Umhang, eine Tasche und ein paar Phiolen handelte. Er war also einkaufen gewesen. „Weihnachtsshopping?", fragte sie frech und Snape verdrehte die Augen.
„Nein. Das hier, meine Liebe, ist deine neue Ausrüstung. Ich werde dich ab sofort auf Botengänge schicken und du wirst in meinem Auftrag einfache Dinge erledigen. Tränke ausliefern, Zutaten besorgen, mit Todessern und anderem zwielichtigem Volk verhandeln. Dazu verlässt du logischerweise das Schloss und in diesen Momenten möchte ich dich in Sicherheit wissen. Deswegen gilt die Regel, deine Erscheinung betreffend, nun auch in meiner Abwesenheit. Verstanden?"
„Du lässt mich wirklich aus dem Schloss? Allein?", fragte sie ungläubig nach und er nickte schweigend. Das musste sie erst einmal verdauen. Liora wandte sich ab und schritt langsam zum Kamin. Das konnte er nicht ernst meinen! Es war bestimmt nur ein Test oder eine Falle. Niemals würde er sie einfach so gehen lassen und ihr dann auch noch die Ausrüstung dafür stellen. Er hatte so viel Zeit darauf verwandt ihr die Hoffnung auf Freiheit zu nehmen, warum sollte er sie nun plötzlich von der Leine lassen?
Sie verschränkte die Arme und starrte in die Flammen. Da musste etwas faul dran sein! Was hatte er nur vor? Liora biss sich auf die Lippe und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Sie konnte hören wie er sich bewegte und näher kam. Schon einen Moment später legten sich warme Hände auf ihre Schultern und sie konnte spüren, dass er ganz nah hinter ihr stand. Die Wärme seines Körper konnte sie schon fast spüren.
„Du glaubst mir nicht, dass ich dich wirklich raus lasse? Liora, ich bin nicht der rührselige Typ, der emotional angehauchte Feiertage zelebriert, aber wenn es dir leichter fällt, dann nimm es als ein Weihnachtsgeschenk. Ich schenke dir einen Teil deiner Freiheit.", fragte er leise und Liora hielt die Luft an. Es klang vollkommen ernst, wie er es sagte und ihr fiel einfach kein plausibler Grund ein, warum er sie an der Nase herumführen sollte.
„Hast du keine Angst, dass ich fliehen könnte?", wollte sie wissen und legte den Kopf leicht schräg, als sie spürte, wie seine Hände über ihre Oberarme strichen und zurück zu ihren Schultern. Er drückte sich ganz nah an sie, bis sein Atem ihr Haar streifte.
„Willst du denn noch immer fortlaufen, Liora?", gab er die Frage leise zurück und seine Stimme klang dabei fast schon rau. Sie hielt die Luft an und schluckte. Darüber hatte sie schon lange nicht mehr nachgedacht. Der anfängliche Wunsch so schnell wie möglich hier weg zu kommen, war nicht mehr so stark. Sie hatte sich eingelebt und jetzt wegzulaufen würde mehr Überwindung kosten, als noch im Oktober. Snape legte den Kopf gegen ihren und roch an ihrem Haar.
„Nein ... ich will nicht fort.", flüsterte sie ehrlich und konnte hören, wie er zufrieden vor sich hin schmunzelte. Seine Finger strichen sanft über die nackte Haut ihres Nackens und begannen dann mit ihren Haaren zu spielen. Liora biss sich auf die Lippe und ließ zu, dass er die Schleife in ihrem Haar entfernte. Der Vorhang aus roter Seide fiel um ihre Schultern und sie konnte Snape leise knurren hören. „Mal abgesehen davon, dass du heute Abend gegen eine wichtige Regel verstoßen hast, siehst du wirklich wunderschön aus. Ich sehe über diesen kleinen Ausrutscher hinweg, wenn du mir erlaubst etwas auszuprobieren.", flüsterte er und Liora nickte. Ein Prickeln lief durch ihren Körper und die Härchen auf ihren Armen stellten sich auf.
„Das kommt drauf an, was du tun willst."
„Wie wäre es, wenn du mir einfach vertraust?", fragte er leise und sie drehte den Kopf um ihm in die Augen sehen zu können. Es war schwer sich das einzugestehen, aber er machte sie nervös. Nicht auf eine negative Art und Weise. Sie konnte es selbst nicht richtig beschreiben. Einerseits wollte sie, dass er sie anfasste, andererseits machte es ihr Angst daran zu denken, welche Macht er in diesem Moment über sie hätte. Er griff in die Tasche seines Gehrocks und als er sie wieder zurück zog konnte sie für einen Moment seinen Zauberstab und etwas Funkelndes sehen. „Nicht erschrecken.", flüsterte er nur und schon im nächsten Moment spürte sie, wie die Haare von ihrem Rücken verschwanden und sich zu einer Frisur formten. Einzelne Strähnen fielen lockig auf ihre Schultern und Snape betrachtete sein Werk zufrieden.
Er steckte seinen Zauberstab wieder weg und drehte sie dann langsam zu sich um. Es war lange her, dass sie ihm so nah gekommen war und Liora konnte sich nicht entscheiden, ob sie lieber weglaufen oder sich an ihn drücken wollte. Letztlich entschied sie sich dazu einfach stehen zu bleiben und es ihm zu überlassen wie viel Nähe er zulassen wollte. „Ich hoffe du verstehst, dass es ein Vertrauensbeweis ist, dass ich dich gehen lasse. Du hast dich in den letzten vier Monaten so wunderbar entwickelt. Aus dir ist eine wunderschöne und starke junge Frau geworden, die sich als vertrauenswürdig und gelehrig entpuppt hat. Ich hatte anfangs wirklich Zweifel, aber du machst mich stolz und ich glaube wir können zusammen noch viel erreichen.", flüsterte er und beugte sich zu ihr vor. Sie spürte wie er ihr etwas ins Haar steckte und sie anschließend genau betrachtete.
Seine dunklen Augen glitten über ihr Gesicht und seine Finger folgten ihnen. „Was tust du?", fragte sie leise und zum ersten mal an diesem Abend sah sie ihn lächeln. „Ich präge mir diesen Anblick ein, denn so schön wie heute werde ich dich wohl lange nicht mehr sehen. Sieh es als eine Art Weihnachtsgeschenk für mich.", erklärte er und Liora hob verwundert die Augenbrauen. Sie hatte recht gehabt. Sogar ein Severus Snape war an Weihnachten zahmer als sonst.
„Und was ist das?", wollte sie wissen und tastete in ihrem Haar herum, bis sie einen kleinen Anstecker fand. Snape hob eine Augenbraue. „Eine Haarspange in Form einer Blüte. Sie steht dir sehr gut.", erklärte er und zögerte einen Moment, bevor er sie in seine Arme zog und sie fest an sich drückte.
„Frohe Weihnachten, Liora." Es war nur ein leiser Hauch, doch sie verstand jedes Wort.
„Frohe Weihnachten und danke, Severus.", antwortete sie und war zum ersten mal wirklich gerührt. Sie legte den Kopf an seine Schulter und genoss die Nähe, während seine Hände sanft über ihren Rücken glitten und ihre eine Sicherheit gaben, die sie so schon lange nicht mehr empfunden hatte.
Er hatte Recht gehabt ... Sie wusste noch genau, was er vor ein paar Wochen zu ihr gesagt hatte ...
'Dein Hintern gehört mir ... ' und Liora musste sich eingestehen, dass es stimmte ...
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