Damian
Die ganze Autofahrt über wirkte sie schon so angespannt und jetzt als wir hier vor der Tür standen, hatte sich diese Unruhe noch vervielfacht.
Ich sah ihr an, dass sie nicht auf die Klingel drücken wollte, dass sie am liebsten einfach umgekehrt wäre.
»Hey, ich bin da. Wir schaffen das zusammen, ok?« Ich nahm sie in den Arm und versuchte sie nochmal zu beruhigen.
Sie schaute mir tief in die Augen. Ich sah ihr Zittern und Zweifeln. »Ok?«, fragte ich sie erneut.
Endlich antwortete sie mir mit einer leisen Stimme. »Ok«
»Ich bleibe bei dir, egal was passiert.«, erinnerte ich sie nochmal und drückte dann für sie auf den Knopf.
Es schrillte einmal laut und ich zog verwundert den Kopf ein. Wer nutzte den noch so einen Klingelton.
Anouk bemerkte mein Zusammenzucken und schmunzelte leicht unter dem gestressten Gesicht. Na immerhin. »Zur Abschreckung.«, erklärte sie mir.
Plötzlich öffnete sich die Tür und eine Frau stand im Türrahmen.
Sie sah für ihr Alter ziemlich gut aus. Ihre Mutter musste so um die 40 Jahre alt sein, aber die Frau vor uns könnte man auch auf 30 schätzen.
Sie war auf eine eindrucksvolle Weise geschminkt und die braunen Haare hatte sie zu einem straffen Zopf geflochten.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das die Frau aus Anouks Erzählungen war.
Nach denen hätte ich eher mit einer Hexe gerechnet.
»Guten Tag Mutter« Anouks Worte zerstörten meine Gedanken, dass dies vielleicht nur die Haushälterin sei oder sowas.
Ihrem Ton und der Wortwahl zu Folge könnte man denken, sie spreche mit ihrem Chef und nicht mit ihrer Mutter.
Die Frau lächelte uns an. »Hallo ihr Lieben, wie schön, dass ihr es einrichten konntet. Kommt doch rein. Und, wie geht es dir mein Schatz?«
Ok, jetzt verstand ich offiziell nichts mehr.
Irgendwas lief hier gewaltig falsch. Wer spielte ein falsches Spiel?
Ich hatte Anouks Panik miterlebt. Wie konnte so eine Frau so etwas in ihr hervorrufen? Etwas passte nicht. Dafür war die Frau zu nett.
Naja, am Besten versuchte ich einfach so höflich wie möglich zu sein. Es war immerhin noch die Mutter meiner Freundin. Meiner Freundin. Ach Anouk. Wann habe ich mich so in dich verliebt?!
»Uns geht es gut. Und ih...« Die Tür fiel hinter uns ins Schloss und sobald wir von der Außenwelt abgeschnitten waren zeigte sie ihr wahres Gesicht und ich wusste, was mir vorhin so falsch vorkam.
»Halt die Klappe! Ihr interessiert mich nicht. Ich brauche nur jemanden, der Mal wieder Wäsche wäscht.« Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze und die gerade eben noch heimelige Aura, die sie umgeben hatte, stoß einen jetzt voller Ekel ab.
Diese Verwandelung erwischte mich völlig kalt. Ich war komplett überfordert, da ich nie mit so etwas gerechnet hatte.
»Äh wa-was?«
Sie warf mir einen scharfen Blick zu. »Schnauze! Ungeziefer hat hier keine Recht zu sprechen!«
Ach du scheiße. Die war ja wirklich brutal krass drauf.
Jetzt wunderte ich mich auch nicht mehr, wieso Anouk seit dem Klingeln kein Wort gesagt hatte.
Mit zusammen gekniffenen Lippen stand sie neben mir und sah aus als wäre sie am liebsten ganz weit weg.
»Hast ja 'ne ganz schön hässliche Begleitung mitgebracht, du kleine Missbildung. Aus welcher Mülltonne hast du den denn bitte rausgefischt? Pff. Traust dich wohl nicht alleine her, du feiger Hund.«
Anouk schluckte kurz und ging an ihrer Mutter vorbei in die Küche. Ich folgte ihr mit aufgerissenen Augen.
Die Frau hatte sie ja wohl nicht mehr alle.
Ja, ich wusste besser als viele andere, dass manche Menschen einfach von Natur aus schlecht waren, aber wie konnte jemand sein eigenes Kind dermaßen behandeln.
Der nächste Schock erfuhr mich in der Küche.
Das komplette Waschbecken war voll mit dreckigen und verschmierten Geschirr. Es sah aus als hätte sie seit Anouks letzten Besuch nicht mehr abgewaschen.
Bah! Das ich einen genaueren Blick auf den Haufen geworfen hatte, bereute ich noch in der selben Sekunde.
Unvorstellbar.
Sogar die schlimmste Teenager-WG wäre noch sauberer und ordentlicher, als das hier.
Heilige Scheiße.
Ich konnte nicht glauben, dass Anouk auf das Becken zu ging.
Die wollte das jetzt aber nicht wirklich alles putzen.
Ich wollte sie stoppen, bekam aber kein Wort raus. Der Schreck saß noch zu tief.
»Mutter? Hast du wieder eine Feier gehalten? Es wird jeden Monat mehr Geschirr.«
»Ich lade ja auch jedes Mal mehr Leute ein, du dummes Ding. Und jetzt fang endlich an. Du bist so ein hoffnungsloser Fall.«
Mir wurde schlecht.
Diese Frau ekelte mich an. Wie konnte man nur so drauf sein? Es war abscheulich.
Ich hatte das Gefühl, dass sich mein Magen umdrehte.
»A...uk? W-wo ... Bad?«
Anouk drehte sich zu mir um und sah mich mitleidig an. Ansonsten konnte ich keine Emotionen in ihrem Gesicht sehen. Wie schaffte sie es nur so ruhig zu bleiben?
Sie nahm meinen Arm und führte mich aus der Küche in den Raum nebenan.
Dann eilte sie schnell wieder zurück.
Ich setzte mich auf den Klodeckel und versuchte erstmal ruhig durchzuatmen.
Ich hatte gedacht, dass wir es einfach irgendwie durchstehen würden, aber schon nach den ersten Minuten konnte ich nicht mehr.
Plötzlich hörte ich ein Klatschen und direkt danach eine laute Stimme, die wieder schrie. Ich konnte kein Wort verstehen, aber sie gehörte definitiv zu Anouks Mutter.
Wieder das Klatschen.
Ey, ich glaube es hackt! Die scheiß Kuh hat gerade echt Anouk geschlagen.
Ich wollte rüberstürmen, aber meine Beine waren zu schwach und ich schaffte es nicht aufzustehen. Diese Situation nahm mich sogar körperlich mit.
Ich konnte plötzlich nachvollziehen, wieso Avery sich nach dem einen Mal geweigert hatte Anouk zu begleiten.
Hatte ich sie, als ich davon erfahren hatte, noch dafür verurteilt, jetzt verstand ich sie.
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