Kapitel 6 - Heilung I
Hallo Leute! :) Shanti is back. ;)
Nur eine kurze Info am Rande: Ich habe den Namen der Protagonistin von der Schreibweise geändert, da mir kein elbischer Name mit Apostroph aufgefallen ist. Ebenfalls gab es einen See in den Marschen von Nevrast, der wurde Linaewen genannt, was so viel wie See der Vögel bedeutet. Allerdings hat der Stamm Lin die Bedeutung von See, Teich, aber auch singen. Deshalb nun die Schreibweise Linaew.
Ich hoffe, es stört euch nicht. Und nun viel Spaß. :)
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Der alles ertränkende Regen begann allmählich nachzulassen.
Die schweren Tropfen fielen unregelmäßiger aus den grauen Wolken nieder und perlten mit einem leisen rhythmischen Laut von den dunkelgrünen Blättern.
Elrohir öffnete eines seiner fest verschnürten Päckchen, die er in einem Beutel ständig bei sich trug. Er war eher Heiler als Krieger, kam mehr nach seinem Vater, dem größten Heilkundigen Mittelerdes, obwohl er noch am Anfang seiner Ausbildung stand. Er konnte kämpfen wie jeder Magor in den Reihen Glorfindels, denn der blonde Elb aus Gondolin war ein gefürchteter Krieger, der bei den ihm unterstellten Soldaten keine Fehler duldete und strengsten Gehorsam verlangte.
Aber Elrohir schütze lieber Leben, als das er es nahm. Er hatte keine Freude am Töten.
Der zweitgeborene Sohn Elronds schüttete ein grobes Pulver aus den getrockneten und zerstampften Wurzeln der Nelkenwurz in eine kleine hölzerne Schale und fügte ein wenig heißes Wasser von der eilends errichteten Feuerstelle hinzu.
Die Nelkenwurz war eine eher unscheinbare Wildpflanze mit kleinen gelben Blüten, die in den lichten Wäldern Bruchtals in großen Mengen zu finden war. Sie würde blutstillend, aber auch fiebersenkend wirken.
Linaew lag auf einem notdürftig hergerichteten Lager aus Farnen und Moosen am Hang unter der Trauerweide. Ihr Kopf ruhte auf Elladans zusammengerolltem Mantel. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete nur flach.
Elrohir kniete sich besorgt neben die Elbin nieder. Unschlüssig strich er ihr eine von verkrustetem Blut zusammengeklebte Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Linaew ..."
Aber sie reagierte nicht.
Nicht einmal auf seine Berührungen.
Sie sah ihn nicht an.
Nahm ihn nicht wahr.
Schien nicht da zu sein.
Wenn er nicht sehen würde, wie sich ihr Brustkorb kaum merklich hob und senkte, könnte er denken, dass sie nicht einmal atmete.
Unwillkürlich strich er über ihren Wangenknochen und schloss gequält die Augen.
Ihr Valar! Wie konntet ihr zulassen, dass einem Kind Ilúvatars solch Gräuel angetan wird?
Als Elrohir leise Schritte über das lockere Geröll des Flussufers nahen hörte, nahm sein Gesicht eine emotionslose Maske an.
Legolas war vom Schauplatz der Schlacht zurückgekehrt.
„Hauptmann Fiondilion lässt die versprengten Orks und Südländer verfolgen, die durch den Wald fliehen wollen, Elrohir."
Elronds Sohn nahm nickend die Information entgegen und wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder der Elleth zu. Behutsam nahm er ihren Arm in die Hand und bewegte vorsichtig den verletzten Finger. Es sah schrecklich aus.
Linaew begann sich unruhig hin und her zu werfen. Ein schwaches Wimmern kam über ihre rissigen Lippen und flackernd öffneten sich ihre Augen.
Elrohir sah sie direkt an, in trübe mitternachtsblaue Augen blickend, von denen er wusste, wie schön sie aussehen konnten, wenn sie strahlten.
Sanft legte er den Arm auf ihren Oberkörper ab und sofort machte Linaew sich klein und versuchte scheinbar, unsichtbar zu werden. Sie war ausgemergelt und er ahnte nichts von dem, was sie in ihrer Gefangenschaft erlebt haben musste.
Erschüttert schloss er die Augen und wandte sich abrupt um. Er verfluchte sich dafür, dass sie damals, als sie ihre Naneth gefunden hatten, nicht den Spuren nachgegangen waren. Welches Leid hätten sie Linaew damit ersparen können.
Verbittert ließ er sich dem Prinzen des Düsterwaldes gegenüber an der Feuerstelle nieder und begann erneut, in seiner Tasche zu suchen. Er wollte einen Umschlag machen, der die Heilung des gebrochenen Knochens fördern sollte, und fügte dem Sud eine kleine Menge des schmerzstillenden Stechapfels hinzu.
Aufmerksam beobachtete Legolas, wie der Sohn Elronds noch pulverisierte Schafgarbe hinzufügte, die gleichfalls gegen die Schmerzen half und die Heilung förderte. Elrohir wartete einige Zeit, bis die Mischung den richtigen Grad an Wirksamkeit erreicht hatte, und nippte daran, um dessen Stärke zu überprüfen.
Schließlich hob er die Schale mit der abgekühlten Medizin auf und hatte mit wenigen Schritten das Flussufer überquert. Der Regen hatte in der Zwischenzeit gänzlich aufgehört und die Sonne begann, sich durch die gewaltigen Wolkenberge zu kämpfen. Sein großer schlanker Körper warf einen dunklen und bedrohlichen Schatten auf die zusammengekauerte Gestalt der Elbin.
Barad!
Elrohir wollte sich nicht einmal vorstellen, was dieses Mordor-Gezücht ihr angetan hatte. Langsam sank er hinter ihr auf die Knie und stellte die Schale mit der Medizin auf einem flachen Stein ab. Behutsam zog er die sich schwach sträubende Elleth in seine Arme. Ihr ganzer Körper bebte und zuckte unaufhörlich, wodurch er nur enger um sie griff.
„Ganz ruhig, Linaew", murmelte er. „Du bist nicht mehr dort. Dir kann nichts mehr geschehen. Das lasse ich nicht zu. Ich passe auf dich auf."
Beschwörend und beruhigend murmelte er die elbischen Worte nahe an ihrem Ohr, ehe er ihren Kopf und ihre Schulter so weit anhob, dass er ihr bequem den Sud einflößen konnte, und hielt ihr die kleine Schale an den Mund.
„Trink, Linaew."
Vorsichtig neigte er die Schale und ließ den Trank langsam hinabrinnen. Sie war zu schwach, sich dagegen zu wehren und schluckte träge die bittere Flüssigkeit. Gequält verzog sie die Stirn und keuchte leise. Ein wenig Sud lief ihr die Mundwinkel hinab, aber diese geringe Menge würde die Wirksamkeit nicht schmälern, befand der Halbelb.
Elrohir ließ sie sanft wieder auf ihre Lagerstätte hinabsinken und lächelte erleichtert darüber, dass sie die Medizin ohne größere Schwierigkeiten eingenommen hatte. Dennoch blickte er sie bedrückt an. Sie zitterte am ganzen Körper und starrte bewegungslos auf einen Fleck. Er wünschte, dass sein Vater hier wäre. Er könnte ihr besser helfen.
Er sorgte sich um ihr fea, das er nur vage spüren konnte. Vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie einen Gefährten hätte, der für sie da sein würde. Ihr einen Grund gäbe, zu leben. Er wäre nur in der Lage ihre körperlichen Wunden zu heilen, aber für ihre seelischen fehlten ihm die Fähigkeiten.
Behutsam tastete er ihren Brustkorb ab, um die Entspannung der Muskeln zu begutachten. Er nickte zufrieden, während er darüber nachdachte, was ihm sein Vater beigebracht hatte. Es war eine ganz andere Empfindung bei einer nahestehenden Person einen Bruch zu richten ... oder ihre lebensgefährlichen Verwundungen zu behandeln.
Nervös biss er sich auf die Unterlippe, gab in einem Moment der Unachtsamkeit seine Seele preis.
„Kann ich Euch helfen?", erklang Legolas melodiöse Stimme über dem Prasseln des Feuers und dem Rauschen des Flusses.
Sofort verbarg der Sohn Elronds seine Gefühle gegenüber der regungslos schlafenden Elleth hinter einer ausdruckslosen Miene. Er dankte dem Prinzen des Düsterwaldes schweigend mit einer fließenden Handbewegung und bedeutete ihm näherzukommen.
Der dunkelhaarige Elb aus Imladris untersuchte den Bruch des Ringfingers an Linaews Hand. Vorsichtig nahm er ihre Schwerthand und tastete den gebrochenen Finger ab. Sie murmelte etwas und drehte den Kopf von einer Seite zu anderen, wachte aber dank dem Trank nicht auf. Der Bruch war noch frisch, keinen Tag alt, er musste ihn nicht noch mal brechen, wie er es im ersten Moment befürchtet hatte.
Der Finger musste in den Fluten des aufgewühlten Flusses zerschmettert worden sein. Die eiskalten Wassermassen hatten eine Schwellung verhindert, sodass Elrohir die Bruchstelle genau ertasten konnte. Als er die genaue Lage des Knochens festgestellt hatte, stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Die Richtung des Bruches war nicht kompliziert.
„Zuerst möchte ich, dass Ihr ihr Handgelenk abstützt", begann er leise zu erklären. „Dann muss ich sehr vorsichtig an ihrem Finger ziehen, damit die einzelnen Teile wieder richtig zusammenpassen."
„Heniaen", entgegnete Legolas ruhig. Behutsam griff er nach der leblosen Hand und fixierte sie.
Der Noldo-Elb nahm die Fingerkuppe und das Gelenk in seine große, kräftige Hand. Es war eine diffizile Arbeit und er betete zu den Valar, dass er ihren Finger korrekt richten konnte. Ein unachtsamer Fehler und sie wäre nicht mehr in der Lage ein Schwert zu führen oder den Bogen zu spannen. Er wusste, Linaew würde nicht glücklich mit ihrem Schicksal sein ... wenn sie die Folter überhaupt überleben würde.
Elrohir beugte sich über ihre regungslose Gestalt und holte tief Luft. Mit festem Griff begann er langsam, aber stetig, zu ziehen, wobei er nicht nur begradigte, sondern gleichzeitig dafür sorgte, dass die Knochenenden nicht aneinander rieben und die Sehnen nicht rissen. Damit das zweite und erste Fingerglied in die richtige Lage kam, musste der Finger in einer stetigen Bewegung begradigt werden.
Sobald er die leichte Überdehnung geschafft hatte, richtete sich der Finger fast wie von selbst gerade. Er ließ die beiden Knochenenden in die richtige Position gleiten, legte die Hand behutsam auf Linaews Körper ab und ließ ihn schließlich los.
„Ihr habt es geschafft, Elrohir", beglückwünschte der Prinz ihn.
Erleichtert sank der Halbelb zurück und lächelte erfreut. „Athon, es ist geschafft."
Kurz umwölkte sich sein edles Gesicht, doch er schob die düsteren Gedanken beiseite. Ein Schritt nach dem anderen, wie die atani zu sagen pflegten.
Jetzt musste er nur noch die angefeuchtete Birkenrinde, welche ihm Elladan gebracht hatte und die im Moment in einem Sud aus Athelas eingelegt war, um den Finger wickeln. Getrocknet würde sie einen starren Verband ergeben und somit verhindern, dass sich die Bruchstelle verschob.
Er kontrolliert noch mal die Atmung Linaews und fühlte ihren Puls, der zwar langsam und schwach, aber gleichmäßig schlug. Dennoch gab es kaum noch Hoffnung für die verletzte Elleth.
Dann erhob er sich und bemerkte seinen Zwillingsbruder, der in einiger Entfernung mit langen gerade gewachsenen Stämmen junger Buchen aus dem Wald und über das steinige Flussufer auf sie zukam.
Besorgt eilte Elladan auf die beiden Elben zu.
„Wie geht es ihr?" Der kampferprobte Magor kniete neben Linaews geschundenen Körper nieder, nahm behutsam die verbundene Hand in seine und begutachtete die Arbeit seines Bruders.
„Es steht nicht gut um sie. Sie braucht Adars heilende Hände."
Sanft entwand Elrohir seinem Bruder die Hand der Elleth und legte sie zurück. Die Elbin blieb bewusstlos, obwohl er die Mischung des Suds genau abgestimmt hatte und sie längst hätte erwachen müssen. Ihr Atem war kaum mehr zu fühlen.
„Ich fürchte um ihr Leben", flüsterte er.
Legolas, der bisher schweigend dem Gespräch der Brüder gelauscht hatte, beugte sich vor.
„Hauptmann Fiondilion hat einen Botenvogel bei sich. Sobald wir zu ihm aufgeschlossen haben, könnt Ihr eine Nachricht an Lord Elrond schicken." Er schwieg einen Augenblick, dabei runzelte er die Stirn nachdenklich. „Allerdings glaube ich nicht, dass er rechtzeitig aus Imladris in unseren Hallen der Heilung eintreffen wird. Es ist ein fünf Tage Ritt aus dem Nebelgebirge."
„Elrohir!" Der ältere Zwilling ergriff freudig die Schultern seines Bruders. „Adar weilt doch im Moment in Lothlórien bei der Herrin Galadriel. Wenn wir ihm jetzt eine Nachricht schicken, sollte er bis zu den Abendstunden hier sein."
Elrohir packte die Oberarme Elladans und schloss einen Augenblick lang vor Erleichterung die Augen, ehe er seinen Zwilling abrupt in die Arme zog.
„Wir sollten uns beeilen", bemerkte Legolas.
~. . . ~
Die drei Elben hatten inzwischen wieder den Waldweg erreicht, auf dem der Überfall der Tawarwaith auf die Orks und Südländer stattgefunden hatte. Ein paar der Krieger Thranduils durchstreiften die angrenzenden Berge und drangen tiefer in den Wald jenseits des verzauberten Flusses ein, verfolgten die letzten übrig gebliebenen Feinde.
Aus ihren Umhängen und den jungen Buchenstämmen hatte Elladan eine provisorische Bahre gebaut, um die bewusstlose Elleth besser tragen zu können.
„Cunn nîn? Geht es Euch gut?" Fiondilion trat auf die drei Elben zu, die die Böschung des verzauberten Flusses erklommen.
„Athon, Hauptmann Fiondilion." Legolas ergriff den Unterarm Tawarons und begrüßte ihn erleichtert. Seinem Freund war nichts weiter geschehen, außer einer Schürfwunde am Arm.
„Haben wir Männer verloren, Hauptmann?"
„Baw, cunn nîn. Ein paar Verwundete, nichts was etwas Erholung nichts kurieren würde." Er verstummte und blickte fragend auf die hochgewachsene schmutzige Gestalt, die auf der Bahre lag, die sein Prinz mit trug.
Lange, zottelige Haare, säumten ein verdrecktes, zierliches Gesicht, aus dem dunkelblaue Augen vor Schmerz glasig in die Höhe schauten. Die Lippen waren aufgeplatzt, blutig und zitterten, das Gewand, wenn man den Fetzen als solchen betiteln konnte, war zerfetzt und hing nur noch notdürftig über den geschundenen Körper. Doch am Auffälligsten war die eiserne Fessel, die um den schmalen Hals der Elbin lag.
Entsetzen machte sich in Fiondilions Gesicht breit. Wie konnte man das einer Elleth, überhaupt einem Geschöpf Ardas, antun?
Linaew schluckte schwer und blinzelte. Kaum merklich wurden die Konturen schärfer und sie konnte ein Gesicht über sich erkennen. Besorgt blickten grauen Augen auf sie hinab und Linaew sah, dass der Mund des Gesichtes Worte formte, doch hören konnte sie sie nicht. Noch einmal blinzelte sie und erneut wurden die Konturen schärfer.
Unwillkürlich erstarrte Linaew und spannte sich kaum merklich an.
Sie blickte in das Gesicht eines Mannes, dessen Stirn wütend umwölkt war. Ächzend versuchte sie sich aufzustemmen und zu fliehen, so groß war der Drang in ihr. Über das Gesicht des Mannes schob sich das Bildnis ihres Peinigers. Sie spürte förmlich, wie sich seine kalten Augen in ihren geschundenen Leib brannten, sie entblößten und quälten.
Hilflos schlug sie nach den Händen, die nach ihr griffen, stieß sich die verbundene Hand an einem Stein und stieß einen wimmernden Schmerzenslaut aus.
Es wurden immer mehr hässlich verzogene Fratzen, die über ihr erschienen, höhnisch lachten und mit klauenartigen Fingern an ihr rissen, sich tief in ihr schmerzendes Fleisch bohrten. Und über allem schwebte das bösartige Gesicht Huthayfahs.
Gellend schrie sie auf.
Magor => Krieger
Elleth => Elbin
Naneth => Mutter
Barad! => Verdammt!
Fea => Seele
Imladris => tiefes Tal der Spalte = Bruchtal
Atani => Menschen
Athelas => Heilkraut aus Númenóre
Athon => Ja
Baw => Nein
Heniaen => Ich verstehe
Adar => Vater
Lothlórien => Goldener Wald
Cunn nîn => mein Prinz
Le hannon => Ich danke Euch
Bariel => Verteidigen
Ilúvatar = > Eru, der Schöpfer der Ainur, Elben und Menschen
Hallo liebe Leser. Ich noch mal kurz. :)
Ich habe eine liebe Betaleserin gefunden, die sich nun langsam daran macht, alle weiteren Kapitel Korrektur zu lesen. Es geht also wieder regelmäßig weiter. :D
Allerdings bin ich ab Samstag erst mal 14 Tage im Urlaub. Ich freue mich bis dahin von euch zu lesen und hoffe, das neue Kapitel hat euch gefallen.
Liebe Grüße
Shanti
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