Kapitel 20 - Wendung
Kein Kampfesschrei erklang aus Thranduils Mund, als er lautlos sprang. Elegant und präzise, wie es die Art der Elben war, prallte seine Klinge auf die des Südländers, welche dieser gerade noch verteidigend vor sich halten konnte. Überrumpelt von der Gewalt und Schnelligkeit des Angriffs taumelte er rückwärts. Dabei ließ er die Haare Linaews los; gab so seine kostbare Geisel frei. Das einzige Pfand seines Überlebens.
„Nein!" Huthayfahs Körper war gespannt wie eine Bogensehne und der Geifer spritze in alle Richtungen.
Sofort eilten Elladan und Glorfindel an die Seite der Noldo. Behutsam legte ihr der blonde Elb den schweren Umhang Thranduils um, während der Fürst der Tawarwaith den Menschen weit in die Dunkelheit abdrängte. Das Aufeinanderprallen der elbischen Klingen hallte mit einem hellen Ton durch die Stille der Nacht.
Linaew klammerte sich am Arm Elladans fest, als sie benommen aufstand. Der letzte Schlag des Haradans hatte ihr für einen Moment die Sinne geraubt. Erst jetzt nahm sie wahr, dass sich die Stille zugunsten eines Donnergrollens, verabschiedet hatte. Es klang unheimlich und ebenso beunruhigend, wie das helle Geräusch aufeinander prallenden Metalls.
Und dann erkannte sie plötzlich die beiden Kämpfer, die wie aus dem Nichts zwischen den Baumstämmen wieder auftauchten. Erschrocken keuchte sie auf.
„Du wirst niemals siegen, du Waldschrat!", verhöhnte der Söldner den König aus dem Schatten, ehe er hervortrat und ihn aus irren Augen ansah. „Wenn ich dich nicht besiegen sollte, dann tut es ein anderer. Wir sind unserem Herrn Sauron treu ergeben und wir sind viel mehr, als ihr glaubt."
Thranduil antwortete mit einem Lachen, das Linaew frösteln ließ. Dann sprang er vor. Schwerter schlugen gegeneinander, sodass Funken stoben. Huthayfah drehte seine Schwerthand, sodass er Thranduils Klinge parieren konnte und griff den Elb an, noch bevor dieser sich von seiner Überraschung erholen konnte.
Die Finte des Menschen war geschickt.
Die Schwertspitze prallte am Harnisch des Elbs ab, aber der Schwung des Angriffs ließ Thranduil wie einen blutigen Elbling taumeln. Beide stürzten zu Boden.
Wütend über sich selbst brüllte der König auf, zeitgleich, wie sich das Grollen des Gewitters über ihnen entlud. Elegant kam er wieder auf die Füße und preschte vor. In diesem Moment schlug unweit von ihnen ein Blitz ein und erfüllte die Luft mit dem Gestank von Ozon, das seine empfindliche Nase störte. Doch stachelte dies nur noch mehr seine eiskalte Wut an.
Mit einem wütenden Fauchen wehrte Thranduil mit der Klinge geschickt den Angriff ab und trat dem Menschen kraftvoll gegen die Beine, um ihn zum Fallen zu bringen. Sein Herz schlug schnell, pumpte pures Adrenalin durch die Adern.
Ruhig wartete er ab, bis sich Huthayfah wieder aufgerappelt hatte.
Thranduil wollte Spielen.
Solange, bis die nackte Angst in den Augen des Südländers stand.
Geschmeidig wich der Fürst einem Vorstoß des Menschen aus. Fast beiläufig wirkten seine nun Bewegungen, nicht mehr von Zorn beherrscht. Selbst als er angriff und den Firion nur knapp verfehlte, der sich überraschend lange gegen den Elben behaupten konnte, geschah es mit einer beeindruckenden Leichtigkeit.
Den nächsten Schlag Thranduils parierte der Haradan beinahe mühelos, nur sein Keuchen verriet, das er langsam ans Ende seiner Kräfte kam.
„Habt Ihr schon genug, Firion?" Thranduil lachte. Der Klang seiner Stimme durchschnitt das Zwielicht so scharf wie eine Elbenklinge.
Ein Blitz erhellte die Lichtung für Sekunden. Denn legte sich eine unheimliche Stille über die neue Dunkelheit.
Erneut griff der König an. Doch diesmal zeigte er keine Gnade. Er spielte nicht, war mehr als bereit dem Menschen, der seine Gefährtin entführt, gedemütigt und geschändet hatte, zu jagen, bis er um sein Leben wimmerte.
Schon bewegte Huthayfah sich nicht mehr nach vorn, sondern wurde zurückgetrieben und gezwungen, sich ebenso unfähig, wie nachlässig zu verteidigen. Thranduil war ungemein stark und verpasste ihm Schwertschläge, die ihn immer wieder in die Knie zwangen oder ächzend zusammenfahren ließen.
Der Blutverlust raubte ihm weiterhin die Kräfte, verschaffte seinen Hieben die Schlagkraft von Streicheleinheiten. Huthayfahs Kopf begann zu dröhnen, nicht nur, weil er es kaum noch schaffte, den Atacken auszuweichen.
Seine Beine wurden müde. Die Muskeln in den Armen verkrampften sich überlastet. Mit einer flinken Bewegung der Schwertspitze fügte Thranduil ihm eine Schnittwunde am Arm zu. Huthayfahs Knie knickten ein bei dem Versuch, diesem Angriff aus dem Weg zu springen.
Er spürte, wie warmes Blut über seinen Arm rann und seinen Ärmel tränkte, bevor die Kraft aus seinem Schwertarm zu fließen schien. Jede der kleineren Schnittwunden, die dieser verfluchte Elbenkönig ihm beigefügt hatte, brannte wie Feuer. Vermischte sich mit dem Schmerz der entzündeten Bauchwunde, die ihn in den Fieberwahn trieb.
Der Söldner hustete keuchend. Seine blutverschmierten Zähne waren zu sehen.
Dann schlug Thranduil wieder zu.
Und wieder.
Der Mensch war zu langsam, viel zu langsam, um den Elb davon abzuhalten ihm weitere Wunden zuzufügen. Am Ende entglitt ihm das geraubte Elbenschwert aus den klammen Fingern. Der Südländer hörte, wie es aufschlug, senkte den Blick und sah es auf dem Boden liegen. Er ächzte vor Schmerzen und Überraschung. Das Blut seines verletzten Arms tropfte auf die silbrig schimmernde Klinge.
Langsam hob er den Kopf. Wenn der Elb dachte, er würde um sein Leben betteln, ihn auf Knien anflehen ihn zu verschonen, dann hatte er sich getäuscht. Stattdessen zog er einen verborgenen Dolch unter seinem Wams hervor.
Noch ehe er einen Angriff wagen konnte, stieß Thranduil ihm die Klinge so tief in den Brustkorb, dass die Spitze bluttriefend aus dem Rücken zum Vorschein kam. Huthayfah blickte auf das Heft des Schwertes hinab. Ein jämmerliches Wimmern war seine letzte Äußerung.
Dann zog der Elb sein Schwert mit einem Ruck zur Seite. Der Tote rutschte mit schäumenden Blutbläschen vor dem Mund von der Klinge und schlug dumpf auf dem Waldboden auf. Gebrochene, seelenlose Augen blickten zu Thranduil empor.
Des Königs Gesicht war eine furchteinflößende Maske. Seine Rüstung war voller Blutspritzer und auch von der Klinge seines Schwertes tropfte der rote Lebenssaft. Dessen ungerührt wischte er die Klinge am dreckigen Wams des Söldners ab.
Der dichte Nebel des frühen Tages umgab sie und doch konnte Linaew ihren Blick nicht von dem Geschehen lösen, das sich ihr bot. Einerseits war sie froh, das Huthayfah tot war, andererseits fürchtete sie sich vor diesem Thranduil, der so anders war, als derjenige, den sie kennengelernt hatte.
Ihre Blicke begegneten sich über dem Toten hinweg.
Ihre Zähne schlugen aufeinander, sie zitterte am ganzen Körper, trotz des wärmenden Umhangs. Sofort war Thranduil bei ihr. Sie wurde an ihn gedrückt, spürte das kalte, harte Leder der Rüstung auf ihrer Haut.
„Alae", wisperte der Fürst eindringlich. „Es ist vorbei." Behutsamer nahm er sie in die Arme und versperrte mit seinem warmen Körper den Blick auf den Getöteten. Doch sie entwand sich seiner Umarmung, konnte nicht die Vorstellung ertragen, wie er im Kampf mit dem Südländer gewesen war.
Ein anderer Elb.
So brutal, so kalt, so abweisend.
Nichts war da von dem Thranduil, der sie gerettet hatte.
Der sie liebevoll umsorgt hatte. Der für sie da war, wenn die Geister der Vergangenheit sie plagten.
„Bitte bleib!", flehte er.
Diese wenigen Worte ihres Gefährten genügten, um ihren Körper den Gehorsam zu verweigern. Verzweifelt blickte sie auf und begegnete Glorfindels durchdringenden Blick aus sturmgrauen Augen.
Da spürte sie ein zaghaftes Zupfen an ihrer Seelenbindung. Wie von selbst flog ihr Kopf zu Thranduil herum. In einer verzweifelten Geste streckte sie beide Hände ihrem Liebsten entgegen.
„Carnîn naeth." Er ergriff ihre zitternden Finger und hielt sie behutsam umfangen, bis sie in der Wärme seiner Hände schließlich Ruhe fand. Nur ihr Herz flatterte noch wie ein kleiner Vogel, der verzweifelt versuchte, der Gefangenschaft zu entkommen.
„Meine Worte waren unbedacht und im Zorn gesprochen. Es war die unvollständige Verbindung, die aus mir sprach. Ich liebe dich, Linaew. Ich kann ohne dich nicht existieren, würde vergehen wie Nebel im Wind."
Thranduil schloss gequält die Augen, geschlagen senkte er sein Haupt. Blonde lange Strähnen fielen über die silberne Rüstung nach vorne, als er auf ihr Urteil wartete.
Nur zu deutlich war sich die Elbin des besorgten Augenpaares bewusst, das sich in ihren Rücken zu bohren schien.
„Gohenale", wisperte sie. Zu deutlich spürte sie die Seelenqual ihres Gefährten hinter seinen Worten.
„Gen hannon."
Sanft strich Thranduil einzelne Haare aus ihrem Gesicht, die sich in ihren langen Wimpern verfangen hatte.
„Ich möchte dich an meiner Seite wissen, als meine Gemahlin und als meine Königin, wenn du dafür bereit bist."
Ihr Herz setzte für den Augenblick erschrocken aus. Konnte sie zwei so unterschiedliche Elben überhaupt lieben?
~. . . ~
Linaew lag im großen Bett in Thranduils Schlafgemach und lauschte dem Sommergewitter, das über dem Düsterwald tobte. Sie fand keine Ruhe nach den Ereignissen mit Huthayfah und so beobachtete sie die Blitze, die aus den dunklen Wolken zuckten, die die Sterne Elberehts verdeckten.
Die Elbin spürte den kräftigen Schlag von Thranduils Herzen unter ihrer Hand, da sie an ihn geschmiegt eine Weile nach Elbenart geruht hatte. Doch nein, sie fühlte ihre beiden Herzen, die im Einklang schlugen, und ihr wurde bewusst, dass sie überhaupt keine Wahl hatte.
Ihre Seele hatte sich bereits für ihn entschieden. Wenn sie sich verweigern würde, würde sie vergehen.
Das Prasseln des Regens wurde lauter, trommelte heftig gegen die Scheiben, wie Linaews aufgeregt schlagendes Herz in ihrer Brust. Weil sie den Klang des Regens liebte, entwand sie sich Thranduils Umarmung und stand auf. Die weiche Hose umspielte sanft ihre nackten Füße, als sie leise über die hellen, dicken Teppiche aus dem Zimmer huschte.
Im angrenzenden Raum setzte sie sich auf den Sims eines geöffneten Fensters; roch die frische, wie sauber gewasche Luft. Die Nacht war schon weit fortgeschritten, als die Elbin zu singen begann - erst leise, zögernd einzelne Töne, doch bald schon klang ihre Stimme immer fester und lauter. Voll und klar trug ihre Stimme folgende Verse vor:
Ir Ithil ammen Eruchín
menel-vîr síla díriel
si loth a galadh lasto din
ar Hîr Annûn Githoniel
le linnon im Linaew!
Wenn der Mond, Juwel des Himmels,
scheint und hält Wache für uns, Kinder des Einen,
Blume und Baum, dann hört still zu!
O Herrin des Westen, Sternenentfacherin,
für Dich singe ich, ich Singvogel!
Unbemerkt von der Elbin betrat Thranduil den Raum. Er war aus seiner Ruhe geschreckt, da er die Wärme seiner Gefährtin nicht mehr neben sich gespürt hatte. Gebannt lauschte er dem Klang ihrer hellen Stimme, war dies doch das erste Mal, dass er sie singen hörte.
A Elbereth Gilthoniel,
silivren penna míriel
o menel aglar elenath!
Na-chaered palan-díriel
o galadhremmin ennorath,
Fanuilos, le linnathon
nef aear, sí nef aearon!
O Elbereth Entfacherin der Sterne,
weißglitzernd und wie Juwelen funkelnd neigt sich
vom Himmel nieder der Glanz der Sternenschar!
In die Ferne habe ich
von den baumverwickelten Ländern Mittelerdes weit angeschaut
und werde ich Dich besingen, Immerweiße,
auf dieser Seite des Ozeans, hier auf dieser Seite des Großen Ozeans!
Als ihr Lied endete, sprach er sie an: „Ich habe dich heute zum ersten Mal singen gehört. Du bist mehr Teleri, als du selbst ahnst. Deine Stimme verzaubert mich, schenkt mir Seelenfrieden, und wenn ich dich nicht schon lieben würde, würde ich es spätestens jetzt."
Sanft berührte er die Elbin an der Schulter, aus Furcht, wie sie reagieren würde. Doch Linaew wandte ihm lächelnd ihr Gesicht zu und er blickte in ihre großen blauen Augen.
„All die Zeit wandelte ich wie in einem Angsttraum, denn ein Zauberbann abgrundtiefer Furcht lag auf mir. Du, melethron, hast diesen Traum fortgewischt wie glitzernde Spinnfäden. Nun kann ich wieder ich selbst sein. Und so bitte ich dich", Linaew nahm seine Hand und blickte ihn mit so viel Liebe in den Augen an, dass Thranduil erschauert, „mach mich zu deiner Gemahlin."
Keuchend sank der König vor ihr auf die Knie. Er konnte sein Glück kaum fassen, das Linaew in erhört hatte. Ihr Zögern im Wald war wie ein Schwerthieb gewesen. Tief und schmerzhaft.
„Ich brauche dich", flüsterte Thranduil an ihre Lippen. „Du schenkst mir den Frieden, den ich verloren habe. Du machst meine Seele vollständig." Und dann küsste er die Elbin, sanft und vorsichtig, aber seine Hand lag besitzergreifend in ihren Nacken. Der Sinda streifte mit seiner Zunge leicht über ihre Unterlippe, wodurch Linaew seufzend erschauerte und sich an seinem Nachtgewand festhielt.
Instinktiv öffnete sie ihren Mund und spürte auch schon, wie seine Zunge eindrang. Keuchend stöhnte sie auf, als Thranduil begann mit seiner Zunge über ihre zu reiben. Vorsichtig erwiderte Linaew den Kuss; spürte sie die unterdrückte Erregung ihres Gefährten doch deutlich in seiner Zurückhaltung und begann langsam Gegendruck aufzubauen.
Sie löste ihre Hand von seinem Nachtgewand und glitt mit ihr zögerlich in seinen Nacken, wo sie sich in seinen Haaren verfing. Überrascht lauschte sie dem genießerischen Seufzen Thranduils, als er deutlich merkte, wie sie den Kuss erwiderte. Das Herz trommelte in seiner Brust wie die Hufe seines Hengstes, wenn er über die weiten Ebenen galoppierte.
Er würde diese freudige Neuigkeit beim Fest Mereht-en-Gilith verkünden. Der Tag der offiziellen Verbindung sollte dann an Nost-na-Lothion im Gwaeron stattfinden.
Er freute sich darauf seiner Gemahlin zu zeigen, wie die Tawarwaith ihre Feste feierten, denn Tarnin Austa, die Tore des Sommers, hatte Linaew noch versteckt in seinen Räumlichkeiten verbracht.
Firion => sterblicher Mann
Alae! =>Sieh!
Carnîn naeth. => Es tut mir Leid.
Gohenale. => Ich vergebe dir.
Gen hannon => Ich danke dir
Melethron = Geliebter
Mereht-en-Gilith => Sternenlichfest
Nost-na-Lothion => Geburt der Blume = Frühlingsfest
Gwaeron => März
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro