Kapitel 14 - Zweifel
Linaew begann, langsam aus einem erholsamen Schlaf zu erwachen. Die funkelnden blauen Augen nach Elbenart geöffnet, aber vom Schlaf noch leicht getrübt, hörte sie neben sich den leisen Gesang Thranduils.
Sie stieß kaum hörbar einen tiefen Seufzer aus, welcher dem Fürsten des Düsterwalds zeigte, dass es nun nicht mehr lange dauerte, bis sie gänzlich den Schleier des Schlafes abstreifen würde. Doch die Tochter Celebrimbors rührte sich nicht, spürte sie genau, dassihr Körper sich dicht an den seinen drängte.
Fühlte, dass ihr Kopf und ihre Hand sich an seine Brust schmiegten.
Hörte seinen gleichmäßigen Herzschlag kraftvoll unter ihrem Ohr vibrieren.
Spürte die Wärme seiner schwieligen Hand auf ihrer nackten Taille.
„Mae aur, melethril."
Linaew zuckte leicht zusammen, als sie die Stimme des Königs nah an ihrem Ohr hörte und sein warmer Atem dabei über ihre empfindliche Ohrspitze strich. Mit großen Augen blickte sie zu ihm auf, die Lippen bereits geöffnet um seinen Morgengruß zu erwidern.
Doch ehe sie reagieren konnte, spürte sie Thranduils Hand in ihrem Nacken und seinen Mund auf ihrem. Noch während sie versuchte sich gegen seinen Griff aufzulehnen, begann er seine Lippen zu bewegen. Dabei wirkten seine Bewegungen fordernd und ausgehungert.
Erschrocken keuchte die Elbin in den Kuss, als er mit seiner Zunge über ihre Unterlippe fuhr, und schaute ihn entgeistert an, als er sich plötzlich von ihr löste.
Fahrig ließ Linaew ihre zitternden Finger über die Lippen gleiten, welche er bis eben noch in seinem Besitz gehabt hatte.
Sie waren noch ganz feucht...
Thranduil spürte, wie seine Gefährtin panisch Luft holte und förmlich in seinen Armen erstarrte.
„Díhenannin", flüsterte er bestürzt. „Ich hätte dies nicht tun dürfen, melme nîn."
Ihr Valar, was hätte er tun können, damit es nicht zu dem hier gekommen wäre?
Dass sie nicht zitternd in seinen Armen liegen würde?
Doch das Verlangen brannte so heiß in seinen Adern, dass er ihm nachgeben musste.
Vorsichtig versuchte er seine Hüfte zu drehen, damit Linaew nicht seine schmerzhafte Erregung spürte, welche sich deutlich unter dem dünnen Stoff seiner Hose wölbte.
Jedoch erstarrte der Ellon in seiner Bewegung, als er hörte, wie Linaew unablässig eine Entschuldigung nach der nächsten murmelte, während sie ihren Kopf gegen seine Brust drängte und ihre Hände sich in ihren Haaren verfingen.
„Melme nîn..." Der Fürst richtete sich auf, nahm ihre Hände und löste behutsam ihren verkrampften Griff, damit sie aufhörte, sich selbst wehzutun. „Hör bitte auf, elen nîn. Díhenannin. Es tut mir so leid, Linaew, so leid."
Doch die Elbin schüttelte nur abwehrend den Kopf. „Ich will dir doch vertrauen!", flüsterte sie verzweifelt. „Ich muss dir vertrauen."
Entsetzt verharrte Thranduil, ruhig ihre schmalen Hände in seinen haltend. „Díhenannin, melethril. Ich habe dich überfordert." Kummer lag auf seinem schönen Antlitz und ließ sein Gesicht schmerzverzerrt wirken. „Saes, zwinge dich nicht dazu. Lass dir Zeit." Er holte Luft. „Lass uns Zeit."
Ihre Augen waren gerötet, die Wangen nass von ungezählten Tränen, als sie ihn anblickte und langsam begann, ruhiger zu werden. Doch obwohl sie ihn ansah, schien sie nicht hier zu sein.
Der Sohn Orphers konnte förmlich sehen, wie viel in ihrem Kopf vorging.
Letztendlich wandte sie betroffen den Blick ab und schaute durch die großen Fenster des Schlafgemaches über die Wipfel des Düsterwaldes.
Die Sonne ging gerade auf und in ihren goldenen Strahlen erhoben sich unzählige Nachtschillerfalter, die über den Baumkronen flatterten.
„Aber ich tue dir unrecht und verletzte dich dabei nur. Du kannst an meiner Seite nicht glücklich werden." Die Noldo sah ihn an und ein trauriges Lächeln lag auf ihren Lippen.
„Du bist der König, Thranduil. Du wirst erkannt haben, dass ich dir keine Stütze in deinem schweren Amt bin." Sie schwieg einen Moment lang, während sich Thranduils Hände vor Angst verkrampften.
„Ich bin nicht mehr die Elleth, die ich einst war. Was willst du mit einer leeren Hülle?"
„Îndínen! Daro!" Der Fürst war über ihre Worte schockiert. Was konnte er tun, um ihr zu helfen? „En henle, melen. Im sî anech. Doch hört bitte auf, solche Dinge zu sagen. Im uir melethle."
Während er der Elbin behutsam den Arm um die Schulter legte und sie sanft, dennoch nachdrücklich, an sich zog, schwieg Linaew und starrte betroffen auf das Laken. Gestern schien es ihr besser gegangen zu sein, als sie geredet, sich berührt hatten, doch nun waren alle Fortschritte durch sein Verlangen nach ihr zunichtegemacht.
Er hatte doch über die Verbindung in seinem Geist gesehen, was ihr widerfahren war. Wie hatte er da so impulsiv sein können?
Zärtlich umfasste Thranduil ihr Gesicht, doch die Elbin wich immer wieder seinem prüfenden Blick aus.
Seine Gefährtin wirkte schrecklich zerbrochen und die Klarheit ihrer Augen wurde durch einen erneuten Schleier getrübt. Das furchtbare Zittern hatte nicht aufgehört und er befürchtete, dass dies noch lange anhalten würde.
Er musste nach einem Heiler schicken.
Lord Elrond sollte sie sich anschauen und ebenso durfte seine Gefährtin in diesem labilen Zustand nicht alleine bleiben.
Stumm verfluchte er die Ratssitzung, die für den heute Vormittag anberaumt worden war und sich sehr wahrscheinlich bis in den späten Nachmittag hinein ziehen würde. Hatte er doch in den letzten Monaten mehr an der Seite seiner geschwächten Gefährtin geweilt, als in seinen Amtsgemächern.
Er stieß einen tiefen, beinahe frustrierten Seufzer aus. Er würde also die Kinder Elronds erneut bitten müssen, über seine Gefährtin zu wachen.
~. . . ~
„Arwen?"
Linaews Stimme klang seltsam laut und sie merkte erst jetzt, dass sie beide während der ganzen Zeit in einträchtigem Schweigen verharrt hatten. Nur das Knistern und Knacken der Glut hatte die Stille im Raum durchbrochen.
Rund um die Feuerstelle war eine Vielzahl weicher Teppiche ausgebreitet und anschmiegsame Kissen lagen verstreut. Ein wenig seitlich stand ein wuchtiger Sessel mit geschnitzten Armlehnen und Füßen, in dem Thranduil bei einem Glas Dorwinion ruhen zu pflegte.
Die dunkelhaarige Elbin, Tochter Elronds, hob den Kopf von ihrer filigranen Handarbeit.
„Athon, meldis nîn?", erklang ihre sanfte Stimme. „Linaew?"
Die Tochter Celebrimbors seufzte leise, ehe sie versuchte, ihrer Anverwandten ein Lächeln zu schenken.
„Es ist nichts. Díhenannin." Die Elbin blickte auf ihre Stickerei, welche noch genauso unberührt auf ihrem Schoß lag wie gestern, obwohl Arwen ihr bereits seit dem Morgenmahl Gesellschaft leistete und die Sonne den Zenit schon weit überschritten hatte.
Fahrig strich sie sich über die pochende Stirn. Die Schmerzen steigerten sich allmählich ins Unermessliche, ließen fast keinen rationalen Gedanken mehr zu. Und dennoch konnte sie nicht aufhören zu grübeln.
Über das, was geschehen war.
Über das, was man ihr angetan hatte.
Aber auch über ihre Rettung.
Und vor allem über Thranduil und die Seelenbindung, die sie eingegangen waren. Noch nicht vollständig, dennoch spürte sie ihn in jeder Faser ihres Geistes.
Andererseits war es die ersten Tage nach ihrem Erwachen, die sie mit ihmin einem Raum verbrachte, schier unerträglich gewesen. Er war nicht von ihrer Seite gewichen, hatte sie nicht angesprochen, gleichwohl fürchtete sie sich vor ihm.
Vor seinen Berührungen.
Sowohl körperliche, als auch geistige.
Sie wusste, dass sich ihre Seelen erkannt hatten. Sie kannte seinen Namen, sie hörte seine Stimme in ihrem Kopf – sanft und doch stark – und sie spürte seine Liebe über diese zarte Verbindung. Trotzdem war der Gedanke, mit ihm alleine zu sein, eine Qual für sie. Sie konnte die Folter und die Vergewaltigung von Huthayfah nicht vergessen.
Wie dieser Mensch sie gequält und gebrochen hatte...
Wie konnte sie da eine würdige Gefährtin für Thranduil, den König, sein?
Sie ertrug ja nicht einmal seine sanfte Berührung. Wie könnte sie da an seiner Seite verweilen? Als seine Königin?
Wie könnte sie ihm eine Stütze sein?
Wie könnte sie ein Land regieren?
Kalte Furcht hatte sich ihres bebenden Herzens bemächtigt, die wie eine eiskalte Klaue an ihr hing. Eine Furcht, die sie seit jenen längst vergangenen Tagen in Eregion zur Zeit der Gefangennahme und der Folter ihres Vaters nicht mehr gefühlt hatte.
„Du denkst zu viel nach, meldis nîn", riss die leise Stimme Arwens aus ihrem grübeln. „Aran Thranduil liebt dich."
Linaew lachte trocken auf. „Baw, Arwen. Er kann mich nicht lieben. Ich bin eine Noldo. Ich bin alles, was er verachtet. Ich gehöre den Eldar an, die Sippenmord an dem Volke meiner Naneth begangen haben, den Anverwandten Thranduils. Meine Familie hat das Unglück über Beleriand gebracht."
„Der Liebe kann man nicht befehlen... und dem Erkennen auch nicht", entgegnete Arwen ruhig. Sie dachte einen Augenblick lang nach. „Was weißt du über das Erkennen?"
Die Tochter Celebrimbors blicke auf. „Dein Vater hat mir Aufzeichnungen darüber gegeben. Ich denke, ich weiß alles, was man wissen muss."
„Warum glaubst du dann nicht? Warum zweifelst du?"
„Sieh mich an, Arwen", flüsterte Linaew erstickt.
„Ich sehe dich, meldis nîn." Behutsam legte sie eine Hand unter ihr Kinn. „Du bist noch genau dieselbe Elbin, wie vor anderthalb Jahren: du bist mutig und stark, schön und entschlossen, weise und gütig. Lasse nicht die Schatten der Vergangenheit dein Glück zerstören. Lasse nicht zu, das dieser Mensch dich bricht."
„Arwen!" Linaew schluchzte auf, während die Tochter Elronds sie sanft in den Arm nahm. In diesem Moment spürte sie Thranduils ganze Liebe, die er ihr über das Seelenband schickte. Nichts von dem, was der Fürst fühlte, war vor ihr verborgen, wenn die Seelen auf diese besondere Art miteinander in Verbindung traten.
„Arwen, Linaew", erklang die dunkle Stimme Elrohirs, der, gefolgt von seinem Bruder, den Wohnbereich Thranduils durch die große Eichenflügeltür, welche mit verschiedenen Ranken, Blättern und Ästen verziert war, betrat.
Der Raum, dessen Wände kunstvolle Wandteppiche bedeckten, war mit bequemen Sesseln, Bücherregalen, einem Schreibtisch und einem gemütlichen Kamin ausgestattet. Hohe Fenster ließen ungehindert das Sonnenlicht herein.
„Mellyn nîn." Beide Elbinnen hatten die Köpfe den Neuankömmlingen zugewandt, doch auf Linaews Zügen zeigte sich der Hauch eines echten Lächelns.
„Wie geht es dir?" Besorgt berührte Elrohir ihre Schulter. Die dunkelhaarige Elleth neigte ihr Haupt und schloss einen Moment lang die Augen.
„Ich bin noch hier."
„Bân." Elladan lächelte erfreut. „Das höre ich gerne. Lord Glorfindel wäre stolz auf dich."
Ihr Lächeln verstärkte sich, als sie an den blonden Elb aus Gondolin dachte. „Ja, das wäre er wohl."
„Meine Brüder, wo wollt ihr so kriegerisch gekleidet hin?" Arwen blickte die stattlichen Zwillinge besorgt an.
Beide Elben trugen leichte Reitkleidung, waren in die Farben der Tawarwaith gekleidet und trugen über ihrer Tunika ein kurzes Kettenhemd aus Mithril. Die Armschienen waren wie ihre Umhänge mit feinen Ranken verziert, die jeweils in einem Blatt endeten, und die kniehohen Stiefel waren aus weichem Leder. Sie trugen Bogen und Köcher über ihrer Schulter und am Gürtel ihre gebogenen Elbenschwerter, erstaunlicherweise mit dem Wappen Thranduils.
„Wir gehen mit Prinz Legolas und einer Truppe Krieger auf die Jagd. Späher berichteten von einem Spinnenangriff auf eine Gruppe Händler", erwiderte Elladan, die Hand auf seinem Schwertgriff.
„Ihr wisst von den Händlern, die vor einigen Wochen verschwanden?" Er sah auf und Arwen nickte knapp.
„Die Adanath aus der Menschensiedlung am südlichen Saum des Düsterwaldes suchten nach ihnen, als sie nicht wie angekündigt bei ihnen eintrafen um ihre Ware zu verkaufen, doch alles was sie fanden, war ihr geplünderter Karren und die blutigen Reste ihres abgeschlachteten Zugtieres."
„Ebenso wurde von ihnen berichtet, dass wahllos Tiere jeglicher Art im Wald abgeschlachtet und liegen lassen wurden. Etwas Merkwürdiges treibt sein Unwesen im Taur-nu-Fuin", ergänzte Elrohir beunruhigt.
Ein Schauer der Vorahnung ergriff Besitz von Linaew und ließ sie frösteln.
Besorgt bemerkte der jüngere Zwilling diese, den Elben untypische, Bewegung, denn die Eldar froren nicht. Sanft legte er ihr eine dünne Decke über die Schulter, welche Thranduil ihr, bevor er am Morgen gegangen war, in weiser Voraussicht bereitgelegt hatte.
„Gen hannon, Elrohir", bedankte sich die Elbin, als sie die Decke fester zog. „Bitte passt auf euch auf. Ich befürchte Übles im Wald."
„Istani."
Elrohir verneigte sich tief vor ihrer zierlichen Gestalt, ebenso sein Bruder.
„Wir werden vorsichtig sein", versprach der Jüngere beruhigend.
~. . . ~
„Linaew?"
„Ich bin hier, Thranduil", meldete sich ihre sanfte Stimme leise aus den Gärten des Königs und der Fürst schritt geschwind, mit wogendem Mantel, über die Wege des eilenden Wassers tiefer in seine prachtvoll angelegten Gefilde.
Das Summen und Zirpen unzähliger Insekten erfüllte die Luft.
Die Zweige der Bäume bewegten sich im leichten Sommerwind und der Duft von Buche, Birke, Tanne und Eiche wehte zu ihm her. Auch der harzige, warme Duft von Kiefern wurde von den lauen Winden zu ihm getragen. Umspielte seine hochgewachsene Gestalt, riss an den Säumen seins Mantels. Es war ein Duft, der ihn an andere Zeiten erinnerte.
An Zeiten, als Mittelerde noch jung war.
An Doriath.
Thranduils Hallen waren schön wie ein Abglanz Menegroths mit ihrer Stärke und Pracht und den säulenreichen, steinernen Hallen, doch weniger groß und verzweigt. In seiner Jugend lebte er mit seinem Vater Oropher unter Elu Thingol und Melian, seiner Königin, im verborgenen Königreich, bis jenes ein Opfer des Kampfes um die Silmaril wurde.
Doch schöner und prächtiger als Menegroth waren Thranduils hängende Gärten.
Hoch und weiß waren ihre Mauern und glatt die Stufen und Treppen. In schimmernden Brunnen spielte das Wasser, welches über Kaskaden durch die Gärten floss und Blumen und Pflanzen aller Art liebkoste.
Überall zwischen den steinernen Umfriedungen wuchsen kleine, angenehm süß schmeckende Beeren, die in üppiger Pracht über die dort verlaufenden geschwungenen Wege hingen.
Märchenhafter aber als alle Wunder üppiger Pflanzenpracht war der Pavillon in der Mitte der schwebenden Gärten. Er war vonLaternen erleuchteten Säulen nach dem Vorbild der gewaltigen Buchen Düsterwalds erbaut, an denen sich Steinfiguren von Tieren empor schlängelten. Der Boden war mit bunten Kacheln ausgelegt und auf den umliegenden silbernen Brunnen und Marmorbecken sangen viele der heimischen Vögel.
Ein mattes Licht ging von ihm aus, wie von einer Perle Círdans, das ihn sanft anlockte mit dem Duft vieler Blumen. Denn es lag ein Zauber auf den Gärten, seit Linaew in ihnen weilte.
Das Tor, welches stets geschlossen war und als königlicher Fluchtweg in den Wald galt, bestand aus drei hintereinanderliegenden Türgittern, dessen Stäbe den Stämmen und Ästen unvergänglicher Bäume glich, welche im Glanz des Sonnenlichts zu leuchten schienen.
Denn es kam ein wundersames Licht aus dem Filigran des Tores, den Schmiedekunst die Form von Bäumen mit verschlungenen Wurzeln und verflochtenen Zweigen gegeben hatte, die mit Blättern und Blumen übersät waren.
Zu beiden Seiten des schmalen Weges standen mannsgroße Statuen, die sich gegenseitig anblickten, sodass niemand unbemerkt zwischen ihnen hindurchgehen konnte.
Ihr Erschaffer hatte sie so lebensecht und detailreich gestaltet, dass es aussah, als würden sie jeden Moment ihre Posten verlassen. Jede Statue hatte ein anderes Gesicht und spiegelte jene Krieger wieder, die einst hier gelebt hatten. Ihre schlanken Hände ruhten auf den Griffen ihrer halb gezogenen Elbenschwertern, dessen kaltes Metall im Sonnenlicht funkelte.
Bereit, jenen zu verteidigen, dem sie vor unzähligen Zeitaltern die Treue geschworen hatten.
Trotz des Hhalbdunkels des Waldes waren ihre Gesichtszüge deutlich zu erkennen, als ob sie lebendig wären. Als ob ihre steinernen Augen jede Bewegung der Besucher des Garten verfolgen würden.
Nun betrat der Fürst den Pavillon, in den sich seine Gefährtin zurückgezogenen hatte. Die milde Luft roch süß nach dem Duft von Elanor und Niphredil. Es war spät, die Dämmerung begann bereits, denn Thranduil hatte, zum ersten Mal seit Linaew erwacht war, den ganzen Tag fern von ihr in unzähligen, nicht enden wollenden Sitzungen verbracht.
Er war selbst erschöpft, doch spürte er, dass etwas sich verändert hatte.
„Melethril", begrüßte er seine Gefährtin, die sich auf einer der Bänke niedergelassen hatte. In ihrem Schoß lag ein aufgeklapptes Buch.
Sie trug ein leinenes dunkelgrünes Gewand mit langen Schleppärmeln und einem silbergehämmerten Gürtel, der ihre schlanke Figur betonte.
Der Saum ihres Kleides glitt über den Boden und gab für den Bruchteil einer Sekunde den Anblick ihrer nackten Füße frei.
Dem Eingang des Pavillons gegenüber befand sich ein silberner Springbrunnen, dessen überquellendes Wasser über zwei Rinnen nach außen floss. In der Mitte stand eine Chaiselongue und ein Tisch mit einer Karaffe Wein und einer Karaffe frischen Quellwassers, zwei silbernen Bechern, einem geflochtenen Korb mit Brot und ein silberner Teller mit einer erlesenen Auswahl an getrockneten Früchten und Käse.
Er schob sich einige der Beeren in den Mund und kaute genüsslich. Sie waren süß und sehr saftig. Er merkte erst jetzt, wie hungrig er war.
„Aran nîn." Linaew erhob sich anmutig und verbeugte sich vor dem silberblonden Ellon.
Ihr Blick glitt über Thranduil.
Der schwere, silberdurchwirkte Brokat und das dunkelrote samtene Innenfutter umflossen die hochgewachsene Gestalt und ließen das helle Haar beinahe weiß wirken.
„Baw. Nicht, was sagst du da?" Bestürzt ergriff er ihre Hände. Erfreut bemerkte er, dass sie nicht mehr kühl waren, sondern eine leichte Wärme abgaben.
„Ich bin nicht dein König."
„Du bist es", erwiderte sie leise, doch ihr Blick war klar, sogar ein leichtes Funkeln lag in ihren Augen.
Plötzlich schmunzelte die Elbin leicht. Das sanfte Lächeln erreichte ihre Augen und ließen das dunkle Blau erstrahlen; das dabei entstehende Grübchen auf ihrer Wange erhellte den Pavillon und Thranduils Herz mit einem Schein von Glückseligkeit.
„Ich habe dir so viel zu verdanken. Vor allem deine Geduld, die du mit mir hattest. Ich möchte dir meinen Respekt zollen." Zaghaft begann Linaew ihre Finger mit seinen zu verschränken und es schien, als würde die Zeit stillstehen, bis Thranduil einen tiefen Seufzer ausstieß.
„Nein, Linaew. Ich muss dir danken." Er küsste sanft ihre verschränkten Hände, ehe er sie zur Chaiselongue führte. „Denn du hast mich von meiner Einsamkeit erlöst. Lass uns vereint die Welt in ewiger Liebe durchwandern."
Der Fürst lächelte warm, was seine sonst so eisigen Züge dahinschmelzen ließ.
„Tolo, baneth nîn. Havo dad."
Doch die dunkelhaarige Elbin bedeutete ihm, sich als erstes entspannt zurückzulehnen, während sie ihm einen Becher Dorwinion eingoss und ihm reichte. Erst dann ließ sie sich zwischen seinen gespreizten Schenkeln nieder und schmiegte sich an ihn.
Thranduils Kopf sank langsam gegen die Rückenlehne und er spürte den leichten Stirnreif aus Mithril gegen seine Stirn drücken.
In der Luft lag der schwere Duft von Blättern und feuchter Erde. Von Tod und Wiedergeburt. Von Sterben und Leben.
Von einem Neubeginn.
Nach einer Weile begann Thranduil leise zu sprechen:
„Ich möchte deine Geschichte weiter hören, welche du gestern unterbrochen hast." Er spielte mit einer Strähne ihres ebenholzfarbenen Haares. „Mir war nicht bewusst, dass du noch im Zeitalter der Bäume geboren wurdest."
Er drehte den Kopf, strich dabei unabsichtlich mit den Lippen über eines der elegant geschwungenen Ohren. Sofort versteifte sich die Elbin, doch sie wich nicht zurück.
Linaew hielt die Augen geschlossen und genoss die sanften Berührungen Thranduils, die auch ihre Seele streichelten.
Die Zeit schien sich auszudehnen und alles wurde beinahe unerträglich klar: die goldenen Stäubchen, die in den letzten Sonnenstrahlen trieben, die sauberen Ränder von Farnwedeln, ein samtschwarzer Nachtschillerfalter, der mit langsamen Schlägen seiner zierlichen Flügel über einer blassgrünen Niphredil schwebte.
Ganz Arda schien für die Dauer eines langen Atemzuges inne zu halten.
„Nein", murmelte sie. „Mitnichten wurde ich zu jenem Zeitpunkt geboren. Meine Mutter schenkte am Ende des Zeitalters der Bäume meinem Bruder das Leben."
Mae aur, melethril => Guten Morgen, Geliebte
Le melin => Ich liebe dich
Díhenannin => Verzeih mir
Saes = Bitte
Melme nîn => mein Liebling
Elen nîn => mein Stern
Îndínen! Daro! => Sei leise! Hör auf!
En henle, melen. Im sî anech => Ich verstehe dich, Liebste. Ich bin für dich da.
Im uir melethle. => Ich liebe dich in alle Ewigkeit
Athon, meldis nîn? => Ja, meine Freundin?
Baw, Arwen => Nein, Arwen
Naneth => Mutter
Mellyn nîn => Meine Freunde
Elleth = > Elbin
Bân => gut
Taur-nu-Fuin => Düsterwald
Gen hannon => Ich danke dir
Adanath => Menschen
Istani => Ich weiß
Tolo, baneth nîn. Havo dad, => Komm, meine Schöne. Setz dich.
Hallo ihr Lieben,
ich wünsche euch ein wunderschönes und sonniges Wochenende.
Vielen Dank an LaMelovin für die Bewertung von Kapitel 13 und das ich in deiner Leseliste gelandet bin. ;)
Bis die Tage.
Eure Shanti
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