Kapitel 10
Plötzlich trat eine düstere Gestalt durch den wirbelnden, grünen Sturm, der sie beide umgab. Ein hochrangiger Hexenmeister der Legion kam zum Vorschein und der Schreckenslord erkannte ihn sofort. Na'zgiol zählte zu seinen mächtigsten Dienern und fungierte zusätzlich als sein persönlicher Berater.
Der Orc-Hexer hatte seine besten Jahre schon hinter sich und die Zeit hatte bereits deutliche Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen. Er war in eine dunkle Kapuzenrobe gehüllt, deren Schulterstücke mit grünen, vor Magie pulsierenden Runen versehen waren. An seinem Gürtel baumelten einige Trophäen, unter anderem seltene Arakkoafedern und Schrumpfköpfe. Sein faltiges Gesicht lag teilweise in den Schatten seiner Kapuze im Verborgenen, doch seine grünleuchtenden Augen stachen deutlich aus der Dunkelheit hervor.
Trotz seiner altersbedingten Gebrechen und seiner gekrümmten Körperhaltung, floss noch immer starke Magie durch seine Adern. Er war nicht einmal ansatzweise so schwach, wie es den äußeren Anschein erweckte.
Der Hexenmeister würdigte der Nachtelfe nicht eines Blickes und richtete seine gesamte Aufmerksamkeit stattdessen auf den Dämon. Ehrfurcht stand dem alten Orc ins Gesicht geschrieben.
„Mein Gebieter, wir konnten schneller Erfolge erzielen, als wir anfangs angenommen hatten. Es ist bald soweit", teilte er seinem Herrn erfreut mit.
„Sehr gut, ich werde Euch für Eure Dienste reich belohnen", drückte der Schreckenslord seine Zufriedenheit aus und begegnete dem Blick des Orcs. Dieser nickte nur knapp, ehe er sich vor ihm verbeugte und anschließend dorthin zurückkehrte, wo er hergekommen war.
„Wovon hat er gesprochen?", fragte Nalayah unmittelbar nachdem er wieder weg war. In ihrer Stimme schwang heiße Wut und Unsicherheit mit. Wut, da sie sich offenbar selbst nicht verziehen konnte, was sie getan hatte. Unsicherheit, weil sie wohl spüren konnte, dass bald etwas geschehen würde, was ihr ganz und gar nicht passen dürfte.
Beinahe so sehr wie er ihre Zärtlichkeiten genossen hatte, gefiel es ihm nun, all ihre Hoffnungen zu zerstören. Sie musste erst leiden, um letztendlich zu begreifen, wo ihr Platz war.
„Die Wandlung Eurer Krieger steht kurz bevor. Sie werden hervorragende, neue Diener für die Brennende Legion abgeben", antwortete er ihr und offenbarte ihr seine finsteren Pläne.
Nalayahs verstörter Gesichtsausdruck war das schönste Geschenk, was sie ihm hätte machen können. Sie konnte doch wohl nicht wirklich angenommen haben, dass er ihre Krieger einfach so ziehen lassen würde. Lächerlich.
Er war die ganze Zeit über Herr der Lage gewesen. Alles was geschehen war, passierte nur, weil er es so wollte. Ihm gefiel das Spiel, das sie gemeinsam nach seinen Regeln gespielt hatten, aber wieso sollte er sich letztendlich an irgendeine schwachsinnige Vereinbarung halten, wenn er ohnehin bekommen würde, was er wollte? Seine Worte waren nichts wert, Ehre und Anstand bedeuteten ihm nichts.
Die Nachtelfe versuchte sich zusammenzureißen und wollte ihm offenbar keine Schwäche zeigen. Was ein erbärmlicher Versuch, ihm zu verweigern, wofür er verantwortlich war. Er würde auch nicht davor zurückschrecken, ihre Emotionen schmerzhaft hervorzulocken.
„Während wir uns miteinander vergnügt haben, sind meine Diener nicht untätig gewesen und haben ein Ritual durchgeführt, um unsere Reihen wieder aufzufüllen. Eure Krieger haben unter Todesqualen gegen die Teufelsmagie angekämpft, während Ihr Euch hingebungsvoll um mich gekümmert habt", hielt er ihr die Tatsache schonungslos vor Augen „Ihr habt eure Elfenfreunde verraten und im Stich gelassen."
Nur langsam drang die Bedeutung seiner Worte bis zu ihrem Verstand durch. Es herrschte eisige Stille zwischen ihnen und er spürte, wie sich ein Sturm in der Kommandantin zusammenbraute.
,,Nein, das ist nicht wahr, ich.." Die Worte der Nachtelfe brachen mitten in ihrem Satz ab und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Kurz wirkte sie abwesend, als wäre sie mit ihren Gedanken bei ihren Kameraden. Sicher bereute sie es, dass sie sich auf einen Handel mit ihm eingelassen hatte.
Als sie bemerkte, dass er sich an ihrem Schmerz labte, knirschte sie betroffen mit den Zähnen. Rasch blinzelte sie ihre Tränen hinfort, um ihm keine weitere Angriffsfläche zu bieten.
Ihr ganzer Hass richtete sich nun gegen ihn, als wäre ihr soeben eingefallen, dass er der Grund des ganzen Übels war. Bevor sie ihn jedoch angreifen konnte, zerrte er sie aus der geschützten Dimension. Es war an der Zeit, ihre Albträume wahr werden zu lassen und sie mit der ungeschönten Realität zu konfrontieren.
Einen Augenblick lang war sie desorientiert, dann sah sie sich auf dem Plateau um. Es wimmelte in der Umgebung nur so vor Dämonen.
Nalayahs geschlagene Krieger hingen allesamt in Ketten, schwach und gebrochen. Grüne Teufelsmagie wirbelte um sie herum und erfüllte ihre Körper mit dämonischer Macht. Auch die blauhaarige Vertraute der Kommandantin befand sich unter ihnen.
Noch während Nalayah verarbeitete, was sie sah, trugen die Pläne des Schreckenslords Früchte. Gerade zur rechten Zeit.
Nacheinander nahmen die Elfen einen dunkelgrünen Hautton an, ausgelöst durch die verdorbene Teufelsmagie, die nun durch ihre Adern floss. Spitze Stacheln wuchsen aus ihren Rücken und ihre Hände wurden zu scharfen Klauen. Gebogene Hörner waren an ihren Köpfen zu sehen und als sie ihre grünleuchtenden Augen öffneten, wusste Azgaroth, dass er triumphiert hatte.
Die Tatsache, dass sich Nalayahs Kameraden von ihr abgewandt hatten und ihr nun mit Hass und Feindseligkeit begegneten, war für sie kaum zu ertragen, das verriet ihm ihr schmerzverzerrter Gesichtsausdruck. Er konnte genau sehen, wie ihre Augen an Glanz verloren, wie alle Hoffnung aus ihrem Gesicht wich.
„Keine Sorge, meine Liebe. Ich weiß, dass ihr bisher nur wenig von der Felmagie kosten durftet. Doch auch Ihr sollt noch mehr bekommen, viel mehr", sagte er mit gespieltem Mitgefühl.
Die Nachtelfe wollte ihm noch etwas giftiges erwidern, doch er gab seinen Hexenmeistern in diesem Moment ein Zeichen und sie begannen einen dunklen Zauber zu wirken.
Die Kommandantin verstummte, als sich zwei schwarze Obelisken links und rechts neben ihr durch die Erde bohrten. Grüne Runen tanzten senkrecht auf den spitzen Säulen, die innerhalb kürzester Zeit hoch aus dem Boden ragten.
Mit Magie verstärkte Ketten schossen aus den Monolithen hervor und legten sich eng um Nalayahs Handgelenke. Sie konnte den Angriff nicht abwehren und zerrte panisch an ihren Fesseln. Ohne jede Gnade wurde sie von den Ketten nach oben gezogen.
„Eure Krieger werden weiterhin unter Eurem Kommando stehen, damit Ihr Euch um die Belagerung von Auberdine kümmern könnt, während ich mit meinen Dienern in Darnassus einfalle", entschied er, während er fasziniert dabei zusah, wie sie um ihre Freiheit kämpfte.
,,Wie sehr Euer kleines Herz nur bei dem Gedanken schmerzen muss, dass ihr den Tod schon bald über jene bringen werdet, die ihr einst geschworen habt mit Eurem Leben zu verteidigen." Ein grausames Lächeln legte sich auf seine Lippen.
„Ich werde Euch die Flügel abschneiden und Euer verdorbenes Herz mit meinen Pfeilen durchstoßen!", schrie sie ihm hasserfüllt entgegen. „Lasst mich frei und kämpft mit mir!"
Ihr Blick war vorwurfsvoll auf ihn gerichtet und Schmerz blitzte in ihren Augen auf. Sein Verrat verletzte sie ganz offensichtlich, dabei war er ihr doch nur zuvorgekommen. Närrische kleine Elfe, wie konnte sie auch nur einem Dämon vertrauen.
„Die Zeit, um zu kämpfen ist vorbei, Kommandantin. Ihr seid vor mir auf die Knie gegangen und habt dadurch Euer Schicksal selbst besiegelt, nun gehört Ihr mir." Azgaroth lachte bösartig, woraufhin Nalayah voller Wut ihre Augen zu Schlitzen verengte. Sie versuchte stark zu wirken, doch hinter der kleinen Fassade, die sie sich aufgebaut hatte, konnte er ihre Furcht schmecken. Süß und verlockend.
Immer wieder kämpfte die Nachtelfe gegen ihre Ketten an, doch ihre Ausdauer und Hartnäckigkeit half ihr letztendlich auch nicht weiter. Sie hatte der dämonischen Energie, die nun in Form eines giftgrünen Kristalls über ihr schwebte, nichts entgegenzusetzen.
Die verdorbene Scherbe begann zu pulsieren und gab dunkle Energie frei. Ein magischer Strudel aus grüner Felmagie drang in Nalayahs Körper ein und ihre Schmerzensschreie erfüllten die Luft, schossen ihm direkt in die Lenden. Kurz leuchteten ihre Augen giftgrün auf, dann nahmen sie wieder ihren ursprünglichen, goldenen Farbton an.
Die Teufelsmagie begann sich bereits auf ihren Körper auszuwirken und sie langsam zu korrumpieren. Bald schon würde sie ihre wahre Bestimmung erkennen und ihm treu ergeben sein. Er konnte es kaum mehr erwarten, sie endlich ganz auf seiner Seite zu wissen.
Nalayahs Körper zitterte und bebte, ihre Muskeln waren zum Zerreißen gespannt, Schweiß perlte von ihrer Stirn.
Die Kommandantin war verdammt zäh, das musste er ihr lassen. Trotz ihrer psychischen und körperlichen Folter hatte sie ihren Kampfesgeist nicht verloren. Sie hatte sich seinen Respekt längst verdient und er spürte, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, sie in einen höheren Rang innerhalb der Brennenden Legion zu erheben.
Als sie erneut von der verdorbenen Magie getroffen wurde, schrie sie sich vor Qualen die Seele aus dem Leib. Ihr Gesicht war zu einer Maske der Pein verzerrt, Tränen liefen ungehindert über ihre Wangen.
Endlich öffnete sie sich ihm und zeigte sich ihm in ihrer ganzen Verletzlichkeit. Er unterdrückte seine dämonischen Triebe, die ihn dazu drängten, ihre Seele zu verschlingen.
Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass er sich ihre Loyalität nur gewaltsam sichern konnte, ansonsten würde sie ihm bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken fallen.
Nalayahs Trennung von ihren Kriegern diente lediglich dem Zweck, den Kampfeswillen ihrer Gefolgsleute zu brechen, sodass sie sich schneller ihrem dunklen Schicksal fügten. Sein Plan war aufgegangen und er hatte wertvolle Zeit sparen können, die er nun wichtigeren Dingen widmen konnte.
Darnassus würde bald schon brennen und alles was den Nachtelfen lieb und teuer war, zu Asche zerfallen.
An diesem Tag war er der Eroberung Azeroths wieder einen Schritt näher gekommen. Sargeras, sein Herr und Meister, würde zufrieden mit ihm sein.
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