30 - Ein Date mit Oliver
"Wo gehts denn hin?", wollte Dad am Nachmittag wissen, als ich aufgeregt aus der Haustür stürmen wollte, um Oliver zu begrüβen und endlich meinen Traumnachmittag mit ihm zu verbringen.
"Ach, nur ein netter Tag mit Oliver", winkte ich ab und wollte schon losstürmen, doch natürlich konnte mein Dad sich seine Rede nicht verkneifen.
"Also seit ihr jetzt doch zusammen, du und dieser Oliver?"
"Dad, Oliver und ich sind nur Freunde", schwindelte ich. Ich wollte nicht noch einen Vortrag über die erste Liebe hören.
"Nur Freunde? Ganz sicher? Bei deiner Mutter und mir handelte es sich zuerst auch bloß um Freunde." - Er lächelte, doch es war viel mehr ein verständnisvolles, als ein beunruhigtes Gesicht.
"Ihr wart aber auch auf einer einsamen Insel vor Griechenland. Dad, ich komm' schon klar. Mach dir keine Sorgen", versicherte ich und band mir die kleine, rosafarbige Tasche über die Schulter, die lustigerweise aus Griechenland stammte.
"Wenn du das meinst, Süβe. Aber bitte pass auf dich auf. Hast du dein Handy bei dir?"
Ich hob mein Handy und zeigte es ihm, damit er sich keine weiteren Gedanken machen musste.
"Ruf an, wenn etwas ist oder du nach Hause willst, okay?"
Ich nickte und sagte noch schnell so etwas wie: "Hab dich lieb."
"Ich dich auch", meinte er, doch ich war schon aus der Haustür gestürmt.
Oliver lehnte mit verschränkten Armen an seinem Sportwagen. Diese Pose kannte ich nur zu gut von Luke an seinem Pick-up.
Ich wollte heute Abend nicht an ihn denken müssen! Heute Abend ging es nur um Oliver und mich, niemand sonst. Also schob ich ihn beiseite und wandte mich stattdessen an Oliver, der ein unglaublich attraktives Lächeln auf den Lippen trug.
"Hey." - Oliver stieβ sich vom Wagen ab und begrüβte mich mit einer Umarmung und einem sanften Kuss. Ich schaute mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht hinauf zu ihm.
"Hey", sagte auch ich nach dem Kuss.
"Du siehst heute besonders hübsch aus."
Ich lächelte noch breiter und dankte ihm.
Tatsächlich hatte ich den kompletten Vormittag mit meinem Aussehen verbracht - Duschen, Haare glätten - was ich sonst nie tat - aufwendig schminken und das perfekte Kleid in einem Rotton heraussuchen, das mich an die erste Begegnung mit Cathrin im Chatter erinnerte, als ich dieses Cannabis ihretwegen eingepackt hatte. Heute würde ich nicht so sein und ihr gleich einen Becher mit klebrigem Zeug darin über den Kopf schütten, bevor sie mich verletzen könnte. Doch im Nachhinein war man immer schlauer.
"Lass uns lieber schnell einsteigen. Meine Eltern sind sehr peinlich." - Ich spürte intensiv ihre Blicke in meinem Rücken. Sicherlich hatten sie bereits den Kuss zwischen uns mitbekommen.
Nickend stieg er auf der Fahrerseite ein, ich auf der Beifahrerseite. Dieser Nachmittag würde einfach nur wundervoll werden.
"Also, wo fahren wir hin?" - Meine Neugier war kaum noch auszuhalten.
"Ich sagte doch, lass dich überraschen, Baby. Dir wird es ganz sicher gefallen."
Ich akzeptierte diese Antwort und redete stattdessen mit ihm über die Spielzüge von dem gestrigen Tag, obwohl ich keine Ahnung von den Fachbegriffen hatte, die Oliver mir daraufhin zuwarf.
Es dauerte keine zehn Minuten, bis Oliver plötzlich verstummte, sein Gesicht sich verdunkelte und er aus dem Fenster auf seiner Seite schaute. Wir befanden uns auf einer leeren Straβe auf einer hohen Brücke. Kein Mensch war hier. Ich schaute Oliver nachdenklich von der Seite an und dazu hatte ich jedes Recht, denn auf einmal stoppte Oliver den Wagen so abrupt, dass ich beinah aus dem Sitz geschleudert wurde.
"Was ist los? Wieso halten wir an?", wollte ich mit einem erschrockenem Gesicht wissen. Mein Herz raste auf hundertachtzig.
Doch er beantwortete meine Frage nicht, blickte nur entgeistert und schwer atmend hinab auf den Ring an seinem Finger und brauchte einen Moment, bis er den Mut hatte, weiterzufahren.
"Tschuldige, ich hatte da was im Auge", erklärte er und raste so schnell über die Brücke, dass ich schon beinah hätte schwören können, sie würde jeden Augenblick unter uns zusammenbrechen.
Die komplette Fahrt über wechselten wir kein weiteres Wort mehr miteinander. Mir ging die Frage durch den Kopf, ob ich etwas falsch gemacht hatte, denn Oliver war nicht der Typ, der wegen irgendetwas im Auge auf die Bremse drückte. Irgendetwas war ihm durch den Kopf geschossen und ich erkannte den Zusammenhang mit dem Ring. Es war etwas, was diesen Ort auf der Brücke mit dem Ring verband.
***
"Wir sind da." - Oliver stieg aus und öffnete mir die Tür.
Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich das luxuriöseste Restaurant von ganz Elizabeth City erblickte.
Mittlerweile hatte ich mich über die Stadt erkundigt und wusste bestens über Orte, an denen man schon gewesen sein musste, Bescheid. Das Mount Blair war sicherlich das beste Restaurant in North Carolina. Der perfekte Ort, um sich besser kennenzulernen. Ehrlich gesagt hatte ich schon befürchtet, Oliver würde mich an einen Ort mit tätowierten Jugendlichen bringen, wo durchgehend die Atmosphäre aus dem Chatter herrschte.
"Na, was denkst du."
Ich freute mich und wusste gar nicht, was ich sagen sollte.
"Es ist groβartig! Danke, danke, danke."
Ich fiel ihm um den Hals und gab ihm einen kurzen Kuss, bevor ich ihn bei der Hand nahm. Elegant stiegen wir die zwanzig Stufen zum Restaurant empor. Das groβe Schild über dem Eingang war kaum zu übersehen und die dunklen Glasscheiben reflektierten die späte Nachmittagssonne.
Drinnen angekommen, wusste ich gar nicht, wohin ich als Erstes schauen sollte. Die Menschen sahen so vornehmend aus und wirkten wie berühmte Promis.
"McKenzie", sagte Oliver zu dem Mann im Jackett hinter einer Theke, der uns daraufhin zu unserem Tisch führte. Wir setzten uns und nahmen dankbar die Karte entgegen.
"Du hast hier einen Tisch bestellt?", deutete ich die Tatsache überrascht: "Es ist doch extrem schwer einen Tisch hier vorzubestellen!"
"Tja, es hat Vorteile der Sohn des bekanntesten und erfolgreichsten Businessmannes zu sein." - Auf diese Tatsache hätte ich am besten verzichten können.
Für einen kurzen Moment - obwohl ich ihn beiseiteschieben wollte - erinnerte ich mich wieder an den Abend von vorgestern, wie Luke meinte, Oliver würde nur das Geld seines Vaters achtlos ausgeben. Ich ignorierte den Gedanken und wechselte das Thema: "Ich hab' dir noch gar nicht gesagt, dass du auch sehr gut heute Abend aussiehst."
Ich blickte auf sein weiβes Hemd mit einer schwarzen Jacke und einer schwarzen Hose. Dazu schwarze Schuhe, wie es sich für einen noblen Herrn gehörte. Er wirkte so unnatürlich und ungewöhnlich darin, dass ich mich erst einmal an den Anblick gewöhnen musste.
"Danke", sagte er: "Weiβt du schon, was du bestellst?"
Ich warf zum ersten Mal einen Blick in die Karte. Bis auf einige kleine Vorspeisen und Hauptgänge, die wohl kaum satt machen konnten, gab es nur Wein, Sekt und Wasser.
"Ähm, was nimmst du denn?", fragte ich nervös. Das sah alles so teuer auf der Speisekarte aus und ich wollte sein Geld nicht achtlos aus der Tasche seines Vaters ziehen.
Der Kellner in ebenfalls schwarzen Klamotten kam an unseren Tisch und erkundigte sich nach unseren Wünschen.
"Für mich den Schellfisch bitte und den herben Sekt", beantwortete Oliver den Blick des Kellners, der sich daraufhin nickend zu mir wandte: "Und für Sie, Miss?"
"Ich ähm, nehme das Gleiche, nur mit Wasser", sagte ich anstandslos. Ich hatte keine andere Wahl. Der Zeitdruck nagte in dieser Situation an mir. Hinzu kam, dass ich bisher kaum die Karte studiert hatte.
Dieses Gefühl verschwand zum Glück direkt wieder, als der Kellner unseren Tisch verließ, um unsere Bestellung in der Restaurantküche aufzugeben. Ich lieβ mir nichts anmerken.
"Ist nett hier", wiederholte ich meine Aussage und schaute mir die Deko an der Wand an, die aus aufwendigen Arbeiten aus Marmor und Gold bestand. War es hier die ganze Zeit schon so heiβ gewesen?
"Ich war mit meinen Eltern oft hier, bevor mein Dad so ein berühmter Businessmann geworden ist."
"Was tut dein Dad denn?", fragte ich.
"Er produziert diese kleinen Chipkarten in Handys. Tja, lustig, dass man mit so kleinen Dingern zu so viel Erfolg gelangen kann."
"Dein Dad scheint sehr klug zu sein."
"Ja, das schon, aber er ist nicht wirklich mitfühlend oder hat viel für andere übrig. Ich bin sein einziges Kind und eigentlich hab ich ziemliches Glück, wenn ich ihn manchmal für fünf Minuten am Tag zu Gesicht bekomme, obwohl der sowieso nur auf sein Geschäft fokussiert ist", meinte er.
Irgendwie war seine Geschichte bemitleidenswert. Ich war glücklich darüber, dass ich nicht solche Eltern besaβ. Aber seine Eltern konnte man sich schließlich nicht aussuchen.
"Und was ist mit deiner Mom?"
"Sie ist so etwas wie eine Sekretärin für ihn. Sehr diszipliniert und einschüchternd auf ihre Art. Meistens klärt sie alle Termine für meinen Dad, deshalb bin ich so gut wie fast nie zu Hause und häng' lieber mit Cathrin und den anderen im Chatter ab."
"Wie habt ihr euch denn kennengelernt?" - Am liebsten hätte ich noch du und Luke hinzugefügt, denn ich wollte das Geheimnis zwischen ihnen nur zu gern lüften.
"Also, Cathrin und ich waren in derselben Elementary-School-Klasse und auβerdem kannten sich unsere Eltern schon sehr gut. Cathrins Eltern haben bereits in das Unternehmen meines Dads investiert und haben Aktien gekauft", erklärte er.
Ein Oh war das einzige, was ich dazu äußern konnte. Ich gehörte einfach nicht in diese reiche Welt und von Aktien und Investitionen hatte ich nicht die leiseste Ahnung.
Hungrig blickte ich auf den Teller, als nach zwanzig Minuten das Essen kam. Als ich jedoch den Geruch von Fisch einatmete, blieb mir der Appetit aus. Ich weiβ, es war absurd, weil ich mein ganzes bisheriges Leben, bis vor einigen Wochen noch, auf dem Wasser verbracht hatte - aber ich hasste Fisch abgrundtief. Vielleicht konnte man es so sehen, dass ich den Fischen, bei denen ich sozusagen mein Leben verbracht hatte, kein Haar krümmen konnte.
Doch nun war es zu spät. Der Schellfisch war bestimmt teuer und ich war zu blöd gewesen und hatte ihn bestellt. Ich schaute auf das Besteck direkt neben dem Teller. Drei Gabeln, drei Messer, einen Löffel. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, welches Besteckset ich benutzen sollte.
Ich beobachtete Oliver, der ganz natürlich nach einer Gabel und einem Messer griff, als wäre es das normalste der Welt. Auf dem Wasser hatte es nur eine Art von Besteck gegeben und die Restaurants, in denen ich bis jetzt gegessen hatte, waren nicht so nobel, um sich so viel Besteck leisten zu können.
Ich machte es Oliver nach und griff nach dem äuβersten Besteck. Dann quälte ich mir den Fisch herunter. Mich überkam das Gefühl, mich übergeben zu müssen, doch ich lieβ mir nichts anmerken. Ich wollte, dass Oliver mich mochte und mir nicht einen Eimer zum Spucken besorgen musste.
Nach dem Dessert, das aus einer kleinen Schale Vanillepudding mit einer Art Vanille Dessertsoße bestand, fragte Oliver mich nach meiner Welt. Beinah kam mir alles wieder hoch. Das letzte, was ich wollte, war Oliver von meinem anderen Leben zu erzählen. Das Wissen über seinen wohlhabenden Stand verschlimmerte den Gedanken daran nur noch mehr.
"Ich bin hierhergezogen, weil meine Eltern einen neuen Job haben und jetzt bin ich hier in Elizabeth City." - Ich zuckte mit den Schultern und machte keine große Sache draus. Er musste sicherlich immer noch denken, dass meine Eltern wohlhabend waren, wie ich es der Clique im Chatter erklärt hatte.
"Du warst aber nicht immer in Elizabeth City", stellte Oliver fest.
"Ja, das stimmt, aber davor gab es nicht viel."
"Hattest du schon mal einen festen Freund?", wechselte er urplötzlich das Thema. Ich wurde feuerrot und mir wurde ganz heiß im Gesicht. Was sollte ich darauf antworten? Nein, denn ich bin vorher ein niemand gewesen, weil ich außerhalb der Zivilisation aufgewachsen bin?
Also räusperte ich mich nur kurz und knetete verlegen meine Hände.
"Du kannst mir ruhig die Wahrheit anvertrauen", versicherte er mir.
Komisch, dasselbe könnte ich von ihm verlangen, doch dann würde er sicherlich wieder wütend werden und ich hätte unser erstes Date versaut, wenn nicht sogar unsere Beziehung.
"Ich ähm, ich hatte ein paar Verehrer", schwindelte ich: "Aber ich wollte keinen von denen haben. Ich hab' auf den Richtigen gewartet."
"Eigentlich ist es meine Aufgabe, dir heute Abend zu schmeicheln."- Oliver nahm einen Schluck seines Sekts.
Ich lächelte verlegen und strich dieses geschwindelte Gespräch aus meinen Gedanken und Erinnerungen, jedenfalls versuchte ich es.
***
Als es langsam dunkel wurde, verließen wir das Restaurant. Unglaublich, wie schnell die Zeit verstrich, wenn man miteinander redete. Erleichtert atmete ich die frische Sommerluft ein. Nichts gegen das Restaurant, aber es war nach einer gewissen Zeit ziemlich stickig geworden.
Ich schaute auf mein Handy, dessen Display immer noch Narben zierten und erkannte, dass es bereits achtzehn Uhr war.
"Musst du noch heute wohin?", erkundigte Oliver sich neben mir, während wir die Treppen hinunterliefen.
"Nein, nein. Ich hab alle Zeit der Welt", meinte ich.
"Gut, denn eine Sache hab ich noch für dich."
Oliver holte die Schlüssel heraus und öffnete den Wagen. Dann hielt er mir die Tür auf und flüsterte mir ins Ohr, während ich einstieg: "Du siehst so sexy in diesem roten Kleid aus."
Obwohl ich verlegen seinen warmen Atem auf meiner Haut spürte, konnte ich nicht anders, als daran zu denken, dass er sicherlich eine Cathrin in dem roten Kleid in mir sah und dass er nur sie so sexy darin fand.
Ich versuchte meine absurden Gedanken außen vorzulassen und schnallte mich an. Der Lederbezug der Sitze klebte unangenehm auf meinen nackten Beinen.
"Wo gehts jetzt hin?"
"Lass dich überraschen. Damals, als meine Eltern geheiratet haben, war ich ungefähr sechs Jahre alt. Ich mochte immer, wie alles an Hochzeiten funkelt, aber vor allem die Stelle, an der sich das Paar die Ringe übergibt. Heute denke ich, das ist totaler Müll. Ich meine, man gibt sich ein Eheversprechen, das dann sowieso nach Jahren bricht. Na jedenfalls, meine Eltern haben sich an dem Abend, nachdem sie hier gegessen haben, ihre Eheringe gekauft", erklärte Oliver mit leicht gerunzelter Stirn, während er das Auto aus der Parkbucht manövrierte.
Seine Ansicht konnte ich nicht ganz nachvollziehen, was die Hochzeit anging. Ich wollte später gern heiraten.
"Sie fuhren mich zu diesem Laden und ich war wie besessen von den funkelnden Ringen."
Er hielt an und parkte wieder ein. Eigentlich hätten wir nur einige Meter zu Fuß gehen brauchen, um an dem kleinen Juwelierladen Diamond and Pearl anzukommen, doch ich hielt meinen Mund.
Oliver half mir wieder aus dem Wagen auszusteigen und verschloss schnell meine Augen mit seinen Händen. Ich tappte im Dunkeln, streckte vorsichtshalber meine Arme aus, um nirgends aus Versehen gegen zulaufen. Wir huschten über den Fußweg hinein ins helle, warme Innere des Ladens. Unsere Schuhe quietschten furchtbar auf dem Parkett und trotzdem hielt er mir immer noch die Augen zu. Sein Körper war dicht um meinen geschlungen und ich hätte schwören können, seinen Atem an meinen Haaren zu spüren.
"Was möchtest du?" - Lächelnd ließ er die Hände von meinen Augen fallen und schlang sie lieber um meine Taille, das Kinn auf meine Schulter aufgestützt. Ich umklammerte seine Hände und musste leise lachen, als ich erkannte, was er meinte.
"Such dir was aus, egal was es ist."
Die Rede war von nichts anderem als Schmuck, haufenweise Schmuck.
Ich löste mich aus seiner Umarmung und bestaunte die vielen diamantbesetzten Ketten, Armbänder und Ringe. So eine große Auswahl, das es die reinste Qual der Wahl war.
Unauffällig achtete ich genaustens auf die Preise, denn ich wollte im grünen Bereich bleiben, obwohl das in einem Luxusgeschäft schwerfiel.
"Es ist unglaublich", flüsterte ich und schaute kurz zu Oliver auf: "Danke. Die sind alle so umwerfend."
"Such dir was aus, egal was", wiederholte er sich: "Ich will, dass du dich an mich erinnerst, wenn ich nicht in deiner Nähe bin."
Ich fuhr vorsichtig über die Oberfläche der Metalle der Ringe.
"Ich erinnere mich auch so an dich, wenn du nicht da bist. Du bist ständig in meinen Gedanken."
Das war allerdings nur die halbe Wahrheit, denn in Wirklichkeit war er nicht der einzige, der meine Gedanken vollkommen ausfüllte. Doch das brauchte er ja nicht zu wissen.
"Ich denke, ich nehme den."
Ich deutete auf einen der Ringe mit einem blauen, kleinen, glitzernden Steinchen darauf. Der Preis war zu der Zeit fast um das Doppelte reduziert.
"Sicher, dass es der sein soll? Du kannst dir wirklich alles hier aussuchen." - Oliver nahm mich erneut in den Arm und küsste vorsichtig meinen Hals.
"Ja, der ist perfekt", sagte ich und küsste ihn. Jedes Mal fühlte es sich so gut und richtig an, ihn zu küssen. Ich liebte ihn einfach und dieser Abend hatte es noch einmal erneut bewiesen.
***
Obwohl ich nicht der größte Fan von Ringträgern war, steckte ich den Ring nach dem Bezahlen in meine kleine Tasche und bedankte mich danach zum tausendsten Mal in Folge bei Oliver, der daraufhin erneut seine Lippen mit mir teilte.
"Ich liebe dich."
"Ich liebe dich auch."
Wir stiegen wieder in den Wagen ein und fuhren nach Hause. Es war so dunkel draußen und die holpernde Straße und das leise Gemurmel des Radios versetzten mich in einen Sekundenschlaf. Jedes einzelne Mal, wenn ich wieder aufwachte, überlegte ich, wo ich war. Dann erinnerte ich mich wieder, blickte kurz ins Dunkel zu Oliver und schlief wieder ein.
Kurz bevor wir ankamen, legte er eine Hand auf meinen Oberschenkel und strich langsam hinüber. Ich bekam sofort eine Gänsehaut und war auf einmal hellwach. Olivers Finger auf meiner nackten Haut elektrisierten mich wie tausend Volt, die durch mich wie ein Blitz schossen.
"Wir sind gleich da", meinte er und fuhr mit einer Hand das Auto, mit der anderen rieb er weiter über mein Bein. Dies war der beste Abend meines bisherigen Lebens.
***
Ein letztes Mal küssten wir uns. Ob meine Eltern uns dabei zuschauten, war mir relativ egal. Ich hatte Oliver versichert, dass er sich nicht meinen Eltern vorzustellen bräuchte, weil es peinlich gewesen wäre - ich war mir auch ziemlich sicher, dass es nicht seine Absicht gewesen wäre, denn Oliver war nicht gerade ein Vorzeigefreund mit Piercings und Tattoos. Und trotzdem hatte ich mich in diesen unberechenbaren Badboy verknallt.
"Nacht", meinte ich und sah zu, wie Oliver mit seinem Sportwagen davon raste und dabei die halbe Nachbarschaft weckte. Dann wandte ich mich zum Gehen, war kurz vor meiner Haustür, doch stolperte beinah über jemanden oder etwas, das sich in der Dunkelheit auf die Stufe vor unserem Haus gesetzt hatte.
"Wow", spottete eine Stimme im Dunkeln.
"Luke, du hast mich erschreckt", beschwerte ich mich mit zittriger Stimme: "Wieso sitzt du vor meiner Haustür, verdammt?"
"Ich hab auf dich gewartet", erklärte er, als ob dies als Erklärung reichen würde: "Ich hab dich mit ihm wegfahren sehen und wollte nur fragen, wie es war mit diesem -." - Er hielt mitten im Satz ohne Grund inne. Seine Stimme blieb ihm anscheinend im Hals stecken und hörte sich ohnehin schon ganz heiser und atemlos an.
"Es war gut", meinte ich und holte bereits den Schlüssel heraus, sodass ich von ihm indirekt verlangte, sich zu erheben, damit ich hinein ins Warme konnte. Doch er rührte sich keinen Meter.
"Was habt ihr gemacht?"
"Das geht dich nichts an", murrte ich, doch schließlich gab ich bei seinem armseligen Blick nach: "Wir waren aus, Essen und er hat mir diesen Ring geschenkt." - Ich hielt ihm demonstrativ den Ring vor die Augen.
War unser Streit nun bereits vergessen oder hatte ich etwas verpasst?
"War ja klar, dass er dir Essen und Schmuck mit dem Geld seines Vaters ausgibt."
Ich war außer Fassung. Sein armseliger Zustand ermöglichte es ihm trotzdem, mir diesen perfekten Abend infrage zu stellen.
"Geh jetzt einfach." - Ich hatte einfach nicht mehr die Kraft dazu, jetzt einen erneuten Streit auflodern zu lassen.
"Ich geh' noch nicht."
Ich hielt kurz inne und starrte ihn eine kurze Weile an: "Hast du etwa getrunken?"
"Was? Nein, ich hab doch nicht getrunken."
"Und was willst du dann noch hier? Mich fertig machen, weil ich mit deinem Erzfeind aus war?"
"Ich will auch ein Date."
"Was? Mit mir? Auf keinen Fall!" - Demonstrativ verschränkte ich die Arme vor der Brust. Vorher würde ich lieber mit Oliver Schluss machen, als mit ihm auszugehen. Das war absolut absurd! Wie ein kleines Kind quengelte er um ein Date mit mir - und wieso? Warum wollte er ein Date ausgerechnet mit mir, die er so sehr verabscheuen musste, weil sie mit seinem Erzfeind zusammen war?
"Ich zwing' dich nicht dazu. Doch alles, was ich will, ist, dass du mit der Entscheidung glücklich wirst, mit Oliver McKenzie zusammen zu sein. Aber so viel kann ich dir sagen; du hast besseres verdient als diesen egoistischen Typen. Also, wenn du willst, komm morgen um vierzehn Uhr vorbei. Ich bin mir absolut sicher, dass ich bessere Dates als Prinz Charming führe."
Er grinste belustigt vor sich hin und wackelte auf seinem Platz nervös hin und her.
"Ja klar, das bezweifle ich. Dieser Abend war wirklich der beste meines ganzen Lebens! Und ich denke wirklich, du hast getrunken, also verschwinde von meinem Weg in mein Haus!", befahl ich und tatsächlich; vorsichtig und langsam erhob er sich von seinem Platz und schlenderte ein Haus weiter. Ich beobachtete ihn sicherheitshalber noch, bis er schließlich komplett aus meinem Sichtfeld war und er nicht mehr vor meinen Augen kollabieren konnte.
Ich öffnete die Haustür und zum Vorschein kam Mom, die wild im Flur auf- und ablief.
"Was ist denn los, Mom?"
"Jenny, Liebling, du bist wieder da! Und, wie war dein Date? Ich hab mir nur Sorgen gemacht, weil vor der Haustür irgendetwas Geräusche von sich gegeben hat", antwortete sie. Ihre Augen waren weit aufgerissen, als hätte sie ebenfalls getrunken.
"Sind wahrscheinlich nur Waschbären", log ich. Dass Oliver und ich nun offiziell ausgingen, hatte nun sogar schon Mom mitbekommen, doch wen wunderte es?
"Ja, gut möglich. Auf dem Boot gab es keine Waschbären, daran muss man sich noch gewöhnen", lachte sie und erinnerte mich somit wieder an mein altes Leben. Besten Dank auch.
"Ich bin dann mal oben und leg mich hin. Ich bin wirklich müde", ich deutete auf die Treppe und machte mich sofort aus dem Staub. Zum Glück schuldete ich meiner Mom heute Abend keine Einzelheiten vom Date mehr.
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