𝟹𝟷 | 𝑆𝑒𝑣𝑒𝑟𝑢𝑠
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An diesem Samstagmorgen stand ich mit einem Lächeln auf. Das schwummrig grünliche Licht, dass durch den Schwarzen See zu den Schlafsälen durchdrang, war zum ersten Mal in diesem fortgeschrittenen, bereits ergrauten Schuljahr hell.
Ich konnte die Wärme, die die leuchtende Kugel ausstrahlen musste, schon beinahe in den Fingerspitzen kribbeln spüren.
Das muss ein gutes Zeichen sein!
Heute war es soweit. Der letzte Hogsmeade Besuch vor den Sommerferien stand vor der Tür.
Doch für mich war es mehr als das — dank Lily. Mit Vorfreude im Bauch, die sich wie ein blubbernder Zaubertrank in meinem Körper bemerkbar machte, schlüpfte ich in meine beste, knitterfreie Stoffhose. Für diesen Anlass kramte ich ein weißes Hemd aus der alten Kommode, deren dunkles Holz übersäht mit eingravierten Schnörkeln war. Es würde mich nicht wundern, wenn nicht wenige davon antike Runen darstellen sollten.
Bevor ich mich auf den Weg zu unserem Treffpunkt machte, zog ich mir einen meiner liebsten, schwarzen Umhänge über und warf einen Blick in den Spiegel.
Meine bleichen Wangen, die vor Aufregung einen rosigen Hauch trugen, wurden von schwarzen Haaren umspielt, mit denen ich Mühe hatte, sie so glatt wie möglich zu kämmen.
Einen Moment sah ich mir nachdenklich in die Augen und holte noch einmal tief Luft, ehe ich den Gemeinschaftsraum verließ.
Ja, dachte ich zufrieden. Heute wird ein guter Tag werden.
Doch meine Zuversichtlichkeit verflog schneller als der Rauch aus einem dampfenden Kessel.
Nachdem ich die Stufen in den Innenhof hinab gestiegen war, erkannte ich Lily zwischen den wartenden Schülergruppen — und direkt neben ihr stand er. Potter.
Was hat der an ihrer Seite verloren? Ich biss die Zähne zusammen, bevor ich angespannt die letzten Meter zu den beiden Gryffindors hinter mich brachte.
Potters Aufmerksamkeit lag auf dem rothaarigen Mädchen, bevor er sich dem Absuchen seiner Umgebung widmete. Als seine Augen mir begegneten, fror das selbstgefällige Grinsen auf seinem Gesicht ein. Rasch trat er einen Schritt näher an Lily und tuschelte ihr etwas energisch ins Ohr.
„Können wir das vielleicht ein anderes Mal besprechen?", äußerte sie gereizt und kehrte ihm den Rücken, ohne auf seine Antwort zu warten. Als wäre nichts gewesen, kicherte sie schon einen Moment später über einen Witz, den sie bei ihren Freundinnen aufgeschnappt hatte.
„Hi", hob ich an und versuchte mir dabei nicht anmerken zu lassen wie unangenehm mir ihre Gesellschaft war. Potter ignorierte ich ohne mit der Wimper zu zucken.
Lily sah kurz auf, schenkte mir neben einem zaghaften Lächeln nur ein knappes „Hey" und versank augenblicklich wieder in der Unterhaltung, die mich kein bisschen interessierte.
Worauf wartet sie denn?
Ich wandte mich ungeduldig ab und tat, als würde ich die Efeustränge begutachten, die sich an der edlen Mauer des Schulgebäudes und deren Säulen gen Himmel rekelten.
Zwischen den großen Steinplatten, die den Weg Richtung Hogsmeade pflasterten, traten kräftige Stängel und Moos hervor. Das Unkraut wucherte geradezu durch den gesamten Innenhof, genau wie die Sonnenstrahlen, die unseren Tag erwärmten.
Der Sommer hält zweifellos Einzug.
Aus dem Augenwinkel erkannte ich die allgemeine Aufbruchstimmung, die wie ein Ruck durch die Menge fuhr.
Wann wollte sich die Menschentraube, die sich um Lily gebildet hatte, verflüchtigen? Das Warten, nicht zu wissen, was möglicherweise getuschelt oder ausgeheckt wurde, nahm ein Maß an, dass ich nicht länger aushalten wollte.
Ohne auf ihre Freunde Rücksicht zu nehmen, deren Namen ich mir einfach nicht merken konnte, richtete ich das Wort schließlich an Lily.
„Wollen wir?", fragte ich hoffnungsvoll in ihre Richtung. Der abschätzige Blick von Potter bohrte sich unverzüglich in meinen Schädel. Der Drang, einfach mit Lily zu verschwinden war von Minute zu Minute gewachsen und erreichte nun seinen Höhepunkt.
Missbilligung stand in den Augen aller Anwesenden, als sie für den Bruchteil einer Sekunde innehielten und mich musterten.
„Na, dann wohl bis später!" Die Mundwinkel einer blonden Gryffindor zuckten sarkastisch, ehe sie sich mit einigen anderen Schülern im Schlepptau davon machte. Lily winkte ihnen hinterher, bevor sie sich mir widmete.
„Bereit?", wollte ich mich versichern, dass sie nichts einzuwenden hatte. Vielleicht war hinter meiner Frage auch die Absicht oder Hoffnung versteckt, dass sie mir irgendein Zeichen gab, dass sie sich genauso auf diesen Tag freute wie ich.
Angespannt musste ich feststellen, dass Potter weiterhin an Lily klebte wie eine Fliege an einer Honigwabe. Wartet er auf Black oder was in Merlins Namen hat er vor?
Lily nickte. „Wir können gehen."
Ich wollte schon erleichtert aufatmen, doch Potter machte keine Anstalt aus dem Weg zu gehen. Sein Blick ruhte selig auf der rothaarigen Gryffindor.
„Nach dir", meinte er bestimmt zu ihr und unterstrich seine Worte mit einer auffordernden Armbewegung.
Es dauerte einige Herzschläge, bis ich die Bedeutung seines Verlangens begreifen konnte.
„Du hast den eingeladen?" Perplex stand mir der Mund offen.
Lily runzelte, halb beleidigt, halb empört, die Stirn. „Bestimmt nicht. Der hat sich selbst eingeladen. Ich konnte ihn bloß nicht mehr davon abhalten."
Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Warum tut sie mir das an?
Während ich völlig überfordert rätselte, wie ich die kommenden Stunden überleben geschweige denn genießen konnte, starrte ich in das Nichts der Scherben meiner buchstäblich zerbrochenen Hoffnung.
Potter fuhr sich durch seine schwarzen Haare, als wäre in diesem Nest aus zerzausten Strähnen noch irgendetwas zu retten. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, würde ich vermuten, dass eine magische Kreatur auf seinem Kopf genistet hatte.
Vielleicht eins von diesen Flauschigen. Aber da kennt sich Ally besser aus.
Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und betrachtete mich durch seine runden Brillengläser verächtlich.
„Glaubst du, ich lass dich mit so einem Abschaum alleine und ungeschützt durch die Gegend wandeln?"
Lily verdrehte nur kopfschüttelnd die Augen.
„Wie rührend väterlich von dir, Potter", entfuhr es mir kalt.
„Nach deiner Meinung hat keiner-", wollte Potter verärgert zurückschießen, doch Lily fiel ihm ins Wort.
„Wenn ihr euch jetzt den ganzen Tag nur gegenseitig beschimpft, bleibe ich hier!"
Dann wirbelte sie herum und marschierte vorneweg.
Der Gryffindor öffnete empört den Mund, wollte vermutlich mit einen schlauem Spruch kontern, doch bevor auch nur ein Ton seine geschmeidigen Lippen verlassen konnte, besann er sich und schloss ihn, wenn auch widerwillig. Eilig hetzte er ihr nach.
Fröhliches Zurückhalten, dachte ich ironisch mit zusammengebissenen Zähnen und bemühte mich den Vorsprung der beiden aufzuholen. Das kann ja was werden.
Ich war gespannter als meine Nerven bei Potters Anblick, wie lange er das durchhalten würde. Aus eigener Erfahrung setzte ich auf die halbe Strecke zu den Bahngleisen — wenn überhaupt.
Schweigend liefen wir als Schlusslicht hinter den anderen Gruppen her. Lily sah stur geradeaus, Potter versuchte sie unauffällig zu beobachten und ich richtete meinen Blick teilnahmslos auf den Boden, der nun mehr einem Trampelpfad als einem hergerichteten Weg glich.
Es schien schier endlos so weiterzugehen. Obwohl es nicht das erste Mal war, dass wir einen Ausflug nach Hogsmeade gestattet bekommen hatten, wirkte die Umgebung fremd. Die Stille war drückend und zerrte zunehmend an meiner Laune.
Das habe ich mir alles ganz anders vorgestellt.
„Wo sind eigentlich Sirius, Remus und Peter?", wollte Lily letztendlich von unserem ungewollten Anhängsel wissen. Dass sie ihre Hausgenossen beim Vornamen genannt hatte, stieß mir bitter auf.
Hängt sie doch mehr an ihnen, als sie zugeben mag?
Als ich wieder zu Potter sah, hatte er seine Hände in den Hosentaschen versteckt und zuckte mit den Schultern. „Wenn wir Glück haben, müssten wir sie später am Honigtopf treffen."
Gott bewahre, bitte nicht! Mehr als einen von dieser Sorte konnte ich nicht auf einmal ertragen.
„Das wäre schön." Als Lily vorsichtig zu lächeln begann, fiel ich vom Glauben ab.
Geschlagen ließ ich den Kopf hängen. Bin ich gerade in einen meiner Albträume gefallen?
Von Weitem konnten wir bereits die ersten Schornsteine rauchen und Dächer aufblitzen sehen.
„Gleich sind wir da!", meinte Lily mit einem vergnügten Unterton. Sie schien aus ihrer distanzierten Starre, verursacht durch unsere vorangegangene Unstimmigkeiten, erwacht zu sein.
Aufgeregt deutete sie mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das kleine Dorf, das unmittelbar vor uns lag. „Wir müssen zum Drei Besen, ich könnte echt mal wieder ein Butterbier vertragen. Und ich will mir unbedingt ein paar von Druhbels besten Blaskaugummis holen!"
Sie war kaum zu bremsen, wie sie mit leuchtenden Augen auf die Hauptstraße trat und diese mit wehenden Haaren von rechts nach links beäugte.
„Wohin zuerst?"
Am liebsten zurück, murmelte ich im Stillen zu mir selbst. Oder wir jagen Potter einen Ganzkörperklammer-Zauber auf den Hals, lagern ihn in irgendeinem Gebüsch und holen ihn heute Nachmittag wieder ab. Oder wir lassen ihn einfach da liegen.
„Auf zum Honigtopf!", verkündete der ungebetene Begleiter feierlich und stützte sich in das Getümmel.
Wer hat gesagt, dass wir machen, was er will?
Seit wann konnte er uns vorschreiben, wohin wir zu gehen hatten? Wer gab ihm das Recht dazu?
Das nimmt eine völlig falsche Wendung. Seufzend rauschte ich abermals los, um die Gryffindors nicht aus den Augen zu verlieren.
„Hast du eine Idee wie wir den los werden?", zischte ich Lily in einem geeigneten, unaufmerksamen Moment von Potter zu.
„Ne, du?" Neugierig wandte sie ihren Kopf zu mir, während der Gryffindor die Führung übernahm.
Da würde mir so einiges einfallen.
Belustigt tauchte ich in die Welt der Verzauberungen ein. Eine amüsante Vorstellungen nach der anderen, wie man den Quälgeist in seine Schranken weißen konnte, ploppte in meinem Hirn auf.
Voll und ganz in meinem Element, hätte ich beinahe zugelassen, dass sich meine Lippen verselbstständigen.
Beinahe wären sie schneller gewesen, als dass sich mein Verstand dazwischen schalten ließ.
Ich könnte zum Beispiel den Fluch, von dem ich gestern Abend gelesen habe, an ihm üben. Vielleicht hält ihn das das nächstes Mal davon ab sich in andere Angelegenheiten einzumischen.
Ich konnte erahnen wie sich ihr strahlendes Gesicht verfinstern würde, wenn sie davon erfahren sollte. Alleine der Gedanke daran ließ meine spontanen Einfälle verstumme.
„Wie wäre es mit einem Verwirrungszauber?", flüsterte ich ihr stattdessen zu.
Sie legte ihre Stirn in Falten. „Keine Verzauberungen!", ermahnte sie mich.
Was sonst? Die Fragezeichen mussten mir ins Gesicht geschrieben stehen.
„Lass es einfach." Kopfschüttelnd verdrehte sie die Augen, ehe sie eilig die Lücke zu Potter schloss. Mir blieb nichts anderes übrig als es ihr gleich zu tun.
Der süßliche Duft, der durch die beschaulichen Gassen strömte und jedermanns Sinne betörte, konnte meinen herben Beigeschmack nicht restlos davon wehen. Die liebevoll dekorieren Schaufenster wurden zur Nebensache. Ich ließ mich mitziehen, konnte die Euphorie aber nicht teilen.
Vor meinem inneren Auge sah ich schon, wie enttäuscht ich mein Butterbier Glas anhob und keinen Schluck herunterbekam, während meine Gedanken einen fernen Ort besuchten.
Irgendwo, vielleicht in einem parallelen Universum, in dem es keinen Potter gab, der meine Pläne durchkreuzen konnte — wo sich der Wunsch nach einem Tag alleine mit Lily erfüllen konnte.
„Wow, das ist der neue Nimbus 1500!", rief Potter aus und wurde magisch von einem Werbe-Plakat angezogen, das an einer eher schäbigen Hütte klebte. Dass er auf dem Weg dorthin beinahe ein paar andere Schaulustige anrempelte, schien er gar nicht zu merken.
Das ist unsere Chance!
Zielstrebig griff ich nach Lilys Hand.
„Komm! Mit etwas Glück bewundert er den alten Ast lange genug. Er wird nicht einmal merken, dass wir weg sind!", raunte ich ihr zu.
Verstehend nickte sie, bedachte den nichtsahnenden Gryffindor mit einem belustigten Grinsen. Dann machten wir uns in Richtung Honigtopf aus dem Staub.
Ich hatte schon gar nicht mehr daran geglaubt. Doch die dunklen Wolken über meinen Gedanken verzogen sich und ich konnte die Sonne wieder sehen.
Ein zuckerwattiges Gefühl breitete sich in meinem Kopf aus. Nun erwartete uns wortwörtlich Süßes. Aber das würde es ohnehin, dachte ich in mich hinein lächelnd.
Schließlich ist Lily an meiner Seite.
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