𝟸𝟷 | 𝐴𝑙𝑙𝑦
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Und da war sie wieder — die nicht zu beschönigende Angst, die mich erdrückte und kleiner werden ließ; mir zeigte, wie machtlos ich meinen eigenen Emotionen unterlag.
Vor Schreck weiteten sich meine Augen, als ich erkannte wie einer der Todesser Evi am Kragen ihres Strickpullovers gepackt hatte. Grob presste er ihr eine Hand auf den Mund, damit sie nicht mehr um Hilfe schreien konnte.
Wie sollten wir jemals heil aus diesem Wald kommen?
Wir hatten nicht den Hauch einer Chance gegen zwei erwachsene und vollständig ausgebildete Zauberer, die obendrein mit der dunklen Seite der Magie bestens vertraut waren.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, den ich irgendwie zusammen kratzen konnte und schaffte es, die Todesser mit einem bösen Blick zu bedenken.
Woher diese Kühnheit auf einmal kommen konnte, verstand ich selbst nicht. Vielleicht war es eine Art Überlebensinstinkt; das Adrenalin, das statt Blut durch meine Adern gepumpt wurde.
„Lasst sie los!", presste ich zwischen den Zähnen hervor, um meine eigene Unsicherheit zu überspielen.
Wieder wehte ein Lachen zu mir herüber, so kalt und schneidend wie diese Nacht. „Kleines, das hätte sie sich vorher überlegen müssen, bevor sie in den Verbotenen Wald zum Spielen geht!"
„Über solch frisches Blut wird der Herr sich besonders freuen", warf der andere ein und schien sich dabei köstlich zu amüsieren.
„So jung, formbar, beeinflussbar. Es wird ein Leichtes sein sie darauf zu fokussieren blind seinen Befehlen zu folgen. Natürlich nur, solange sie noch unerfahren ist, nicht ihren eigenen Kopf und keine Zweifel hat. Sie ist die perfekte Wahl."
„Sie ist erst sechs", brachte ich verstört raus. „Lasst sie gehen, bitte!"
Mit einem Mal verstummte ihr spöttisches Gelächter und sie schenkten mir zum ersten Mal wirklich ihre Aufmerksamkeit.
„Na, was haben wir denn da?" Obwohl ich es nicht sehen konnte, hörte ich aus seiner Tonlage ein gefährliches Grinsen heraus. Ich schluckte.
„Da steht ja eine wahrhaftige, kleine Slytherin vor uns!"
Der größere der beiden Todesser beugte sich mit vorgehaltener Hand zu dem anderen.
„Ich wette sie wird dem dunklen Lord noch viel besser gefallen", hörte ich ihn in dessen Ohr raunen.
Obwohl es laut genug war, dass ich es problemlos verstehen konnte, machte meine Aufregung es mir nicht möglich seine Worte wirklich zu realisieren.
Stattdessen rauschten gefühlt mehrere tausend Gedanken gleichzeitig mit einer solchen Geschwindigkeit durch meinen Kopf, dass mir schwindelig wurde.
Das wäre deine Möglichkeit gewesen!
Ich hätte genug Zeit gehabt, meinen Zauberstab auf sie zu richten und ihnen einen meiner schlechten Beinklammerflüche auf den Hals zu jagen. Zumindest hätte ich es versuchen können.
Doch ich war wie gelähmt.
Jetzt krieg dich wieder ein, du bist die große Schwester! Du musst stark für euch beide sein! Jetzt ist keine Zeit für übermäßiges Nachdenken!
Fieberhaft schüttelte ich die turbulente Jagd meiner Gedanken, die ich sonst nur von Klatscher Verfolgungen kannte, ab und konzentrierte mich voll und ganz auf jede noch so kleine Regung der Todesser.
„Na gut, kleine Slytherin", säuselte der größere Zauberer so zuckersüß, dass es mir eiskalt den Rücken herunterlief. „Folgendes Angebot. Entweder wir nehmen dich oder diese ätzende Nervensäge hier."
Er zerrte die wimmernde Evi an den Haaren nach vorne und hielt sie mir mit ausgestrecktem Arm entgegen, als würde er mir einen Keks anbieten.
Ein herausforderndes, listiges Funkeln lag in seinen seelenlosen Augen, die mir ein provozierendes „Nur zu, nimm sie ruhig!" übermitteln wollten.
Ich konnte meinen Blick kaum von Evi abwenden. Meine Schwester versuchte wirklich alles um sich von ihm zu befreien.
Verzweifelt schlug sie gegen seinen Bauch, trat wild und wahllos um sich, warf sich kräftig von der einen auf die andere Seite. Trotzdem konnte sie sich nicht aus seinem eisernen Griff winden.
Es brach mir das Herz meine Schwester so sehen zu müssen. Ihr Gesicht war vor Furcht entstellt, doch sie dachte gar nicht daran aufzugeben.
Vielleicht war es der Selbsterhaltungsreflex, der ihr zu solchen Fähigkeiten verhalf, denn sie kämpfte tapfer weiter.
Sie ist noch so klein. Zu klein und hilflos.
„Wird's bald?", blaffte einer der dunklen Magier ungeduldig. „Wenn wir noch länger warten, dann schlagen wir gleich Wurzeln."
Mein Herzschlag setzte gefühlt für ein paar Sekunden aus, als sie anstatt auf eine Antwort zu warten mir den Rücken kehren wollten — Evi dicht bei sich.
Sie ließen sich keine Gelegenheit entgehen, um zu versuchen mich einzuschüchtern. Ich musste ihr provokantes, schiefes Grinsen nicht einmal auf ihren verfluchten Lippen sehen, um zu wissen, dass es in diesem Moment auf ihre Züge gezeichnet war.
Was mir am meisten zusetzte, war, dass ihre Versuche von Erfolg gekrönt waren.
Nein!, schrie mich alles in mir panisch an. Das kann ich nicht zulassen!
„Wartet!" Ich hörte wie meine zitternde Stimme die Stille zerriss. „Nehmt mich!"
Es fühlte sich an, als würde meine Seele freiwillig aus meinem Körper entweichen. Nur um von der eisigen Finsternis betäubt werden zu können, sodass ich meine überwältigende Aufregung nicht länger ertragen musste.
Mit wackeligen Knien machte ich einen Schritt auf die Anhänger des finstersten Zauberers zu, den die Welt je gesehen hatte.
Als hätten sie mit meiner Entscheidung nicht gerechnet, hielten sie mitten in der Bewegung inne.
Ihre gewissenlosen Augen fanden mich und für einen Moment meinte ich aufrichtige Überraschung in ihnen zu finden.
„Wie du wünschst."
Er ließ Evi achtlos fallen. Mit einem dumpfen Aufschlag fiel sie auf den schmutzigen Boden.
Kaum hatte sie ihn berührt, schoss sie wieder pfeilschnell in die Höhe, blickte hektisch und unkontrolliert um sich, als wäre sie gerade in einer ihr völlig fremden Welt erwacht — vollkommen orientierungslos.
Ich stolperte bestürzt zu Evi und wisperte ihr leise die einzige Möglichkeit zu, die sie übrig hatte.
„Renn so schnell du kannst zurück und versuch' Severus zu finden, er wird dir helfen."
Ich wusste nicht, ob sie mich verstanden hatte oder ob es überhaupt möglich war, dass meine Worte zu ihr vor dringen konnten. Ihr Blick war leer und ging an mir vorbei, doch sie wartete nicht lange und raste sofort los.
Ich blieb zurück.
Mit meiner Schwester war nun auch der letzte Grund verschwunden, für den es sich gelohnt hatte mutiger und stärker aufzutreten, als ich es eigentlich war. Während ich auf mein Schicksal wartete, sackte ich innerlich in mir zusammen.
Dunkle Wolken zogen auf, ehe sich die Todesser mir bedrohlich näherten.
„Du bist eine seltsame Slytherin", raunte mir einer der Todesser fast schon sanft zu.
Ich zitterte, wollte zurückweichen, doch er war schneller. Seine Hand schloss sich blitzschnell um meinen linken Unterarm, ehe er mich mit einem kräftigen Ruck zu sich zog.
Erschrocken von seiner Stärke riss es mich fast von den Füßen. Ich konnte mich rechtzeitig auffangen, prallte jedoch ungebremst gegen seine Brust.
Er war nahe. Viel zu nahe.
Angewidert versuchte ich einen Schritt zurück zu gehen. Aber ich konnte nicht. Er hatte mich fest im Griff.
Die Todesser legten sich ihre Zauberstäbe an die Schläfen. Mit einer kleinen Handbewegung lösten sich ihre Masken in schwarzen Rauch auf, der eins mit der Nacht wurde.
Ich hielt die Luft an.
Zwei gemein grinsende Gesichter — genau wie ich sie mir vorgestellt hatte — kamen zum Vorschein.
Ich wollte nicht wissen, wie viele Verbrechen sie schon zu verantworten hatten; für wie viele Jahre sie in Askaban hätten eingesperrt werden müssen, wenn sie nicht unter dem Schutz des gefürchtetsten Zauberers unserer Zeit stehen würden.
Sie sahen schmutzig aus.
Es war nicht nur ihrem verdorbenen Innern zu entnehmen, sondern spiegelte sich auch in ihrer äußeren Erscheinung.
Gelb und bräunlich schimmernde Zähne — manche von ihnen fehlten gänzlich — waren trotz der ausgeprägten Dunkelheit auszumachen.
Sie besaßen dieses selbstsichere, respekteinflößende Auftreten, dass man sich nicht traute unaufgefordert das Wort an sie zu richten oder ihnen gar zu widersprechen.
Wie verrückt gewordene, psychopathische Serienmörder, die ihren Verstand durch den Kuss eines Dementors verloren hatten, leckten sie sich gierig über ihre aufgeplatzten und vernarbten Lippen.
Ich vergaß zu atmen, als ich einen Zauberstab auf meiner weiß leuchtenden, dünnen Haut spürte.
Vor Schmerz zuckte ich zusammen, konnte mir nicht verkneifen das Gesicht zu verzerren.
Schwarzer, sich windender Nebel strömte aus der Spitze und drückte sich erbarmungslos in meinem Arm.
Ich biss die Zähne zusammen und schloss die Augen in der stillen Hoffnung, dass es sich so besser ertragen lassen würde.
Mit einem Mal ließ der Schmerz schlagartig nach.
Noch bevor ich verunsichert die Augen öffnen konnte, vernahm ich einen heißen Atem auf meiner Wange.
„Du wirst spüren, wenn er nach dir ruft", flüsterte mir plötzlich ein Todesser verführerisch ins Ohr — wie ein düsteres, widernatürliches Versprechen.
Das Letzte, was ich von ihnen sah, waren verblassende Silhouetten, dann schossen zwei nebelartige Gebilde in den Himmel und die Todesser waren verschwunden.
Verlassen stand ich irgendwo einsam im Verbotenen Wald, unfähig mich zu rühren.
Es fühlte sich an, als würde etwas meine Lunge zuschnüren. Ich bekam keine Luft mehr.
Mein Blick wanderte gequält über den Totenkopf auf meinem linken Unterarm, aus dessen Mundöffnung eine gespenstische Schlange kroch. Mir wurde übel, schwindelig, die Welt drehte sich vor meinen Augen.
Die Finsternis war einfach überall, als ich schwer atmend auf dem Waldboden zusammen brach, und der letzte Rest Hoffnung, dass das alles nur ein böser Traum war, endgültig starb.
Dann wurde alles schwarz.
So schwarz wie diese Nacht, die alles verändert hatte.
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