9. "Mhm... klar"
Es war um elf Uhr abends und ich hatte noch immer kein Auge zubekommen. Kailys Schnarchen drang sanft zu mir herüber, weil sich unsere Zimmer genau gegenüber befanden und sie gerne mit offener Tür schlief.
Aber wenn sie sich stylte, so wie letzten Freitagabend, dann schloss sie sich regelrecht in ihren eigenen vier Wände ein. Sie trat erst wieder heraus, wenn sie sich sicher war, dass auch alles so saß wie sie es wollte.
Erschöpft rieb ich mir über die Augen und scrollte durch die verschiedenen Angebote. Ich brauchte wirklich wieder neue Bikins, die alten waren ausgeleiert und ausgeblichen. So konnte ich mich doch in der Öffentlichkeit nicht blicken lassen... zu allem Überfluss kam dazu, dass Kaily an diesem Wochenende mit mir und ein paar weiteren Leuten in den Hafen wollte, um mit der Yacht ihres Vater eine Runde zu drehen.
Es lag klar auf der Hand, dass wir wieder unsere beliebte Badebucht ansteuern und danach abends zu dem Strandfestival in der Nähe gehen würden.
Und ich hatte wiedermal nichts zum Anziehen.
Frustriert ging ich die weiteren Angebote durch und konnte mich einfach nicht entscheiden, weil es irgendwie nichts gab, was mich sonderlich ansprach.
Ich war schon kurz davor den Laptop zuzuklappen und das schwierige Projekt "Bikini" auf morgen zu verschieben, als ein leises Pling ertönte und die Zahl eins über mein Emailpostfach erschien.
Irritiert runzelte ich meine Stirn.
Eine Email um diese Uhrzeit?
Wahrscheinlich hätte ich das einfach abgetan und mich damit zufrieden gegeben, dass die bestimmt wieder Werbung beinhielt und nicht weiter relevant war.
Aber irgendwie siegte meine Neugier.
Zurecht.
Meine zu schlitzen verformten Augen öffneten sich mit einem Mal so weit, als hätte man mir jetzt gerade einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf gekippt.
To: jparker608@ outlook.com
From: raye.laynce@ outlook.com
Subject: Angebote bezüglich Auto Leasing
Sehr geehrte Miss Parker,
anbei schicke ich Ihnen wie versprochen im Anhang unsere Angebote bezüglich des günstigen Auto Leasings für unsere Mitarbeiter. Wenn Sie sich für ein Angebot interessieren, dann geben Sie mir Bescheid, bei Fragen können Sie sich zu jeder Zeit an mich wenden. Ich wünsche Ihnen in diesem Sinn noch einen schönen Abend und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Raye Laynce
CEO Laynce&Co.
Du lieber Himmel, er hatte tatsächlich daran gedacht und mir das wirklich zugeschickt. Ich hatte angenommen, er würde das wenn dann erst in einer Woche schicken. Oder das vorhin waren nur leere Versprechen und am Ende müsste ich mich selbst darum kümmern.
Unsicher schwebten meine Finger über der Tastatur.
Soll ich ihm zurückschreiben?
Eigentlich war das doch unnötig oder? Es war ja schließlich alles gesagt... oder? Oder sollte ich mich doch lieber bedanken?
Laut seufzte ich auf.
Da waren mir eindeutig zu viel oder und sollte dabei.
Jedoch schien sich mein Gewissen vermutlich erst beruhigen, wenn ich mich wenigstens bei ihm bedanken würde. Es war unrealistisch, ihn morgen oder die nächsten Tage über den Weg zu laufen, denn Lola meinte, seit ihrem Vorstellungsgespräch hatte sie unsere Vorgesetzten vielleicht nur noch sechsmal oder so gesehen, ansonsten nie.
Nur an wichtigen Projekten, wenn ausgewählte Mitarbeiter es ihnen präsentieren durften, an dem alljährlichen Firmenball oder wenn einer von ihnen mal zufällig im gleichen Fahrstuhl stand wie sie.
Ich wusste nicht ganz, ob ich diese Aussicht gut finden sollte oder nicht.
Auf der einen Seite könnte mich dann ab jetzt voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren und diesen verführerischen Mann vergessen. Auf der anderen Seite mochte ich es irgendwie, mich in seiner Gegenwart mit verbotenen Gedanken berieseln zu lassen.
Wie Kaily sagte, eine Vorlage zum Tagträumen.
Außerdem war seine Anwesenheit jedesmal wie eine Sucht, ein nächster Adrenalinschub... und das war gerade das gefährliche.
Ich sollte mich bei ihm immer kontrollieren.
Er würde die Regeln seiner eigenen Firma, die er erst heute nochmal unterschrieben hat, doch nicht selber brechen.
Was überlegte ich denn hier bitte überhaupt?
Ob er jetzt nun die Regeln brach oder nicht, das sollte eigentlich nicht meine Sorge sein. Stattdessen sollte ich die Email beantworten.
Oder endlich schlafen gehen.
Langsam tasteten sich meine Fingerspitzen dennoch über die Tastatur hervor und ich bekam tatsächlich etwas Schlichtes und Höfliches zustande.
To: raye.laynce@ outlook.com
From: jparker608@ outlook.com
Subject: Angebote bezüglich Auto Leasing
Sehr geehrter Mr Laynce,
ich bedanke mich für das Zukommen Ihrer Angebote und werde mich mit diesen demnächst beschäftigen. Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen angenehmen Abend.
Mit freundlichen Grüßen
Jane Parker
Und abgeschickt.
Jetzt fühlte ich mich um so einiges besser, als ich mich nochmal auf den Weg zum Bad machte. Nach meinem Toilettengang kehrte ich zu den Onlineangeboten zurück, doch jetzt war ich nicht mehr wegen meiner Müdigkeit oder meiner Frustration, weil ich wahrscheinlich eh nichts finden würde, abgelenkt.
Nein, meine Augen zuckten immer wieder zu meinem Emailpostfach zurück und warteten naiv auf eine Antwort.
Doch diese blieb natürlich aus - warum sollte er auch darauf noch antworten?
***
Am nächsten Tag kroch ich schon mehr als alles andere in die Küche und schleppte mich mit letzter Kraft auf einen Stuhl.
Kaily hielt beim Kauen auf ihrem Honigbrötchen inne, bevor sie die Reste herunterschluckte und mich besorgt musterte. "Alles gut? Hast du gestern schon wieder so lange gemacht? Ich habe dir doch gesagt, dass du dir das abgewöhnen sollst." Sie stand auf, goss mir geräuschevoll eine Tasse mit Kaffee voll und stellte sie mir vor der Nase ab. "Und außerdem sollst du doch am Samstag noch fit sein. Wir haben so einiges vor."
"Mhm, ja, ich weiß. Ich bin das bestimmt, mach dir da keine Sorgen", antwortete ich unbekümmert und griff nach einem weiteren Gähnen nach der Tasse, um sie an meine Lippen anzusetzen.
Irgendwie war ich froh, dass sie noch nicht wusste, dass einer meiner neuen Vorgesetzten der Adonis von letzten Freitagabend war. Das würde ich ihr erst sagen, wenn sich die Gelegenheit günstig ergibt.
Oder so.
Jedenfalls nicht heute und besonders nicht jetzt.
"Nimmst du heute wieder mein Auto? Ich kann dir die Schlüssel ja gleich hinpacken", fragte sie mich und setzte sich wieder hin, um sich nun ihrem Schokomüsli zuzuwenden.
"Nein, heute wollte ich mal den Bus und die U-Bahn nehmen."
Überrascht sah sie zu mir auf. "Echt? Okay, wie du willst. Aber nimm dir einen Regenschirm mit. Es soll heute den ganzen Tag schütten."
Gedankenverloren nickte ich nur. "Mhm. Klar."
Eine Stunde später bereute ich es zutiefst, dass ich nicht auf sie gehört hatte. Als ich von der U-Bahnstation nach oben stieg, regnete es auf der Überdachung und um mich herum wie verrückt und ich hatte noch einen fünfminütigen Fußweg vor mir, bis ich die Firma erreichen würde.
Ach verdammt.
Ich hätte das schwarze Ungeheuer doch lieber nehmen sollen und mich später eben mit den Parkplätzen herumgeärgert. Wahrscheinlich hätte ich den heute bestimmt woanders hingestellt, um sowas vermeiden.
Nun stand ich jetzt vor einem ganzen anderen Problem und viel Zeit zum Überlegen blieb mir nicht mehr, denn in zehn Minuten musste ich an meinem Schreibtisch sitzen. Ich konnte ja schließlich nicht zu spät kommen und das auch noch an meinem zweiten Arbeitstag.
Aber würde es auch gut ankommen, wenn ich da wie eine nasse Katze aufkreuzte und den edlen dunkelblauen Teppich einsaute?
Zumal ich mich auch erstmal wieder herrichten müsste.
Mein Blick fiel auf meine große schwarze Handtasche.
Brachte das viel, wenn ich mir die über den Kopf hielt und den Weg eben joggte? Oder wenigstens zum nächsten Laden, in denen es Regenschirme gab.
Akribisch sortierte ich alles wichtige wie mein Handy und mein Portmonnaie nach unten und legte meine Brotdose in den oberen Bereich. Dann schritt ich mehr oder weniger begeistert unter dem Vordach heraus, die Handtasche flach über meinen Kopf haltend.
Na toll, wie das wohl aussehen musste.
Gute geschätzte vierzig Meter kam ich voran, dann wurde ich plötzlich angehupt, ein Auto hielt blinkend neben mir an und die Beifahrertür wurde mir von innen aufgemacht.
Was dachte sich denn derjenige bitte? Dass ich einfach so in fremde Autos einstieg?
Stur ging ich vorbei, wenn mich nicht eine bestimmte Stimme zum Anhalten gewzungen hätten.
"Miss Parker, sind Sie denn verrückt so in dem Regen ohne Schirm in der Gegend umherzulaufen? Steigen Sie endlich ein!"
Verdattert drehte ich mich zu dem Auto um. Aufgrund des weißen Himmels und dem eher gedämpften Licht wirkte der Wagen nicht blau, sondern schwarz. Aber das Kennzeichen war das gleiche. Und der mir sehr bekannte Fahrer winkte mich jetzt etwas genervt zu sich heran, während er da so halb aus dem Auto ausgestiegen auf mich wartete.
Was blieb mir wiedermal auch anderes übrig.
Also änderte ich meine Richtung.
Morgen kann ich nicht aktualisieren, weswegen ich es jetzt tue. Aber ich denke, die meisten lesen das eh erst morgen bzw. Donnerstag, also macht es keinen Unterschied :)
Jetzt sucht Raye also schon per Email den Kontakt und sorgt sich anscheinend sehr um seine Mitarbeiterin... auch wenn er doch noch ziemlich zurückhaltend und auf Distanz bedacht ist. Meine Frage an euch: Wie lange wird er das noch so durchziehen? Wer macht den ersten Fehler?😏
Hab euch lieb und bleibt gesund.
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