15. "Erwischt"
Zögerlich griff ich nun ebenfalls nach der Maus und las mir die Sachen neugierig durch. Allerdings war meine Konzentration längst nicht so gebündelt wie sonst. Mindestens die Hälfte von ihr beobachtete Raye unauffällig aus den Augenwinkeln.
Er saß dort eine ganze Weile geduldig abwartend - bis er plötzlich langsam aufstand.
Ich versuchte weiter ruhig zu bleiben und klickte mich zum nächsten Angebot. Da er aber aus meinem Blickfeld gänzlich verschwand, wurde ich von Sekunde zu Sekunde unruhiger.
Und diese Unruhe verflüchtigte sich nicht, im Gegenteil.
"Soll es das Auto sein?" Sein heißer Atem strich plötzlich über meinen Nacken und ich spürte, wie er mir sanft die Haare ordentlich nach hinten strich, eher er sich dicht neben mir stellte und sich mit seinem Arm auf der Lehne hinter mir abstützte.
Ich hatte das Gefühl vor Anspannung gleich zu zerbersten. Seine Nähe, sein schöner Duft, seine Körperwärme die sich in meine Schultern einschlich - das alles war eine pure Folter.
Angestrengt versuchte ich weiterhin ruhig zu atmen und das Bild mit dem Angebot und dem zugehörigen Automodell vor meinen Augen zu visualisieren, anstatt mir vorzustellen, wie es wäre, wenn er sich noch weiter zu mir herüberlehnen würde.
Was löste er nur immer in mir aus?
"Ich bin mir nicht sicher", murmelte ich, während ich das Auto betrachtete. Es war in einem schönen Silber gehalten, das bestimmt je nach Lichtverhältnissen mal dunkler oder mal heller wirkte. Und das Modell war außerordentlich kompakt und sportlich.
Aber aus mir unerfindlichen Gründen hätte ich lieber einen Wagen in einem schönen Mitternachtsblau.
So wie er es hatte.
"Was gefällt Ihnen denn nicht?", fragte er mich interessiert, seine Stimme hatte er gesenkt. Ich weiß nicht warum, aber ich verglich sie mit diesem beruhigenden und geheimnisvollen Klang eines Windspiels.
Ich räusperte mich etwas, bevor ich zu einer Antwort ansetzte. "Die Farbe."
Mein Gott, wie wählerisch und abgehoben ich klingen musste. Jetzt bot er mir hier schon solche tollen Sachen an und ich meckerte über die Farbe.
Plötzlich legte sich seine große Hand über meine, um mit mir zusammen die Maus zu bedienen. Sowas wie ein Stromschlag durchzuckte meinen Körper, erschrocken sah ich zu ihm hoch. Er ließ sich nichts anmerken, sondern blickte konzentriert auf den Bildschirm vor uns, weswegen ich mit laut hämmernden Herzen ebenfalls wieder dorthin zurücksah.
Raye bewegte unsere Hände, um schließlich ein Symbol anzuklicken, das sich rechts unter dem Bild des jeweils vorgestellten Autos befand. Eine Tabelle mit den verschiedensten Farben öffnete sich. "Welche Farbe soll es sein?"
Ich verschwendete keine Zeit, um sie mir alle durchzulesen, sondern antwortete augenblicklich. "Dunkelblau."
Hoffentlich klang ich nicht zu atemlos, denn es ging ganz und gar nicht an mir vorbei, wie wunderbar sich seine Hand alleine nur auf meiner anfühlte. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie ich empfinden würde, wenn er mit ihr weitere Stellen erkunden würde...
Sein Kopf drehte sich zu mir, der glühender Blick verbrannte mir abermals meine Haut. "Das Blau von meinem Auto? Gefällt Ihnen der Farbton so sehr?"
Ich nickte. "Ja..."
Nachdenklich strich er sich mit der anderen Hand über sein Kinn. "Dann werde ich das schon so arrangieren können. Ich schätze, das Automodell soll es sein, ja?", er nickte zum Bildschirm.
Wieder nickte ich mit einem eindeutig zu trockenen Hals. "Danke. Das wäre... schön."
Unsere Blicke verhakten sich abermals ineinander, fest und so verboten intensiv. Die Spannung, die schon am Anfang vorhanden war und nur durch unsere Professionalität in Schach gehalten wurde, verstärkte sich schlagartig und schien nicht nur mich zu erdrücken.
Seine Augen wanderten blitzschnell zu meinem Mund und ich bemerkte augenblicklich die mächtige Anspannung in ihm, weil sich seine Hand fester auf meine drückte.
Auch meine Hand verkrampfte sich merklich unter seiner.
Oh nein, jetzt ist schon wieder der Moment gekommen, in dem wir einfach nicht weiterkamen. Wir sollten uns voneinander lösen und das ganze wieder vergessen, anstatt uns weiter anzustarren, als würden wir gleich noch enger zueinander rücken - wobei, nichtmal nur das.
Es lag etwas Wildes und Dunkles in seinem Blick... und ich kannte diese Art von Blicken nur allzu gut.
So hatte mich mein Exfreund, Flynn Coper, angeschaut. Immer, wenn er kurz davor gestanden hat mir sämtliche Kleider vom Leib zu reißen und sich dem natürlichen urrtümlichen Drang grenzenlos hinzugeben, ohne weiter darüber nachzudenken.
Bei diesem Bild von ihm, das durch einen Mann wie Raye ersetzt wurde, standen mir regelrecht die Haare zu Berge.
Sich hingeben, ohne darüber nachzudenken...
Aber Flynn ist nicht Raye. Bei Flynn konnte ich mich gedankenlos fallen lassen, weil eine Beziehung zu ihm nicht meine Karriere zerstört hätte.
Raye Laynce ist nach wie vor mein Chef - und sollte etwas passieren und es kommt an die Öffentlichkeit, dann hatte auch er ziemlich viele Folgen zu tragen. Dazu kommt, dass er mit seinem Bruder zusammen die Firma leitet und das Risiko in Kauf nimmt, nachher diesen Posten abzutreten.
Und ich?
Ich würde auf der Straße stehen, bepackt mit einem mächtigen Skandal und konnte es mir in Zukunft sparen, auch nur irgendwo eine Bewerbung hinzuschreiben. Ich würde eh abgelehnt werden, weil solche Firmengeheimnisse immer ihren Weg an die Öffentlichkeit finden oder sich zumindestens in anderen Firmen wie ein Lauffeuer ausbreitet.
Alles deutete darauf hin, dass wir uns wohl eher aus der Ferne oder auch aus dieser Nähe wie jetzt anhimmeln durften.
Aber sämtliche Berührungen sind verboten.
Wobei... meine Augen zuckten zu seiner Hand, die er noch immer nicht weggezogen hat, und wieder zurück zu ihm.
Als würde er diesen Wink verstehen und sich selbst lieber zurücknehmen wollen, verschwand die Wärme und er benutzte beide Arme, um sie langsam vor seinem Oberkörper zu verschränken.
Wieso klebten denn mein Blick jetzt an seinem Hemd und wie es sich bei der Bewegung merklich spannte?
"Haben Sie Donnerstagabend etwas vor?"
Bitte was?"
Schockiert über seine direkte Frage blickte ich mit weit aufgerissenen Augen zu ihm hoch. "Donnerstagabend?"
"Ja." Seine Lippen verzogen sich zu diesem unwiderstehlichen Lächeln. "Der Wagen kann erst frühestens Donnerstagabend zur Verfügung gestellt werden. Je nach dem ob sie Zeit haben, können Sie ihn abholen oder wir liefern ihn hierher und sie können mit ihm am Freitag nach der Arbeit nach Hause fahren."
"Achso. Ja." Meine Wangen fühlten sich kochend heiß an, weil ich das so extrem missverstanden hatte. Wie peinlich. Natürlich ging es um das Geschäftliche, um was auch sonst. Anscheinend interpretierte ich doch ein wenig zu viel in alles hinein-
Meine Gedankengänge stoppten urplötzlich als er sich auf einmal wieder dicht zu mir vorlehnte. Eine Hand hatte er auf dem Schreibtisch abgestützt, die andere an meiner Stuhllehne. Sein Gesicht schwebte dicht vor meins.
Meine Finger krallten sich um die Armlehnen.
"Oder... an was haben Sie gedacht?"
Ich drückte mich so gut wie es geht mit meinem Rücken in den Stuhl hinein. Abstand war jetzt alles, was zählte.
Alles.
"An nichts", murmelte ich. "Ich war nur überrascht, dass das so schnell geht." Im ersten Moment war ich stolz auf meine schnelle und glaubhafte Lüge, doch ein Blick in seine Augen verriet mir, dass er mich trotzdem durchschaut hat.
Wieder zog er einen Mundwinkel hoch, was so verdammt heiß aussah. "Sie sind eine miserable Lügnerin, wissen Sie das?"
Ich schnaubte leise und traute mich jetzt auch, mich weiter vorzulehnen. "Sollten Sie sich nicht eher Gedanken darum machen, dass Sie offenbar genau an das gleiche gedacht haben wie ich? Sonst hätten Sie mich nämlich nicht durchschauen können." Bittersüß lächelte ich ihn mit rasendem Herzklopfen an, dabei stand ich auf und trat zur anderen Seite vom Stuhl weg.
Er richtete sich nun auch wieder auf, das verschlagene Grinsen auf seinem Gesicht vertiefte sich. Ihm schien es wohl zu gefallen, dass ich mich nicht einfach so von ihm untermauern ließ. Langsam schob er die Hände in seine Hosentaschen. "Erwischt." Er neigte den Kopf leicht zur Seite. "Und nun?"
Hastig lief ich weiter um den riesigen Schreibtisch herum, um Platz zwischen uns zu schaffen, was ihn widerum außerdordentlich amüsierte. "Nichts und nun", wich ich ihm aus und kam direkt auf der anderen Seite vom Tisch zum Stehen.
Ich war so sehr nervös wegen seinen Worten und diese Hitze, die ich nach diesem Geständis verspürte, konnte ich gerade mit keiner anderen vergleichen.
Ich brauchte dringend eine Abkühlung, im wahrsten Sinne.
"Nichts und nun?", wiederholte er fast ungläubig und lachte zu meiner Überraschung spöttisch auf, dann ging er ebenfalls langsam um den Tisch herum.
Ich beschloss schluckend einfach an Ort und Stelle stehenzubleiben, denn ich hatte nicht das Gefühl, dass man vor diesem Mann großartig wegrennen konnte.
Er würde einen immer und immer wieder einholen.
Raye kam viel zu dicht vor mir zum Stehen, behielt aber glücklicherweise seine Hände bei sich. "So so, Sie denken also, Sie können das einfach so ignoieren hm? Dass da zwischen uns...", fing er mit tiefer gesenkter Stimme an und blickte demonstrativ an mir herunter und wieder hoch. "... etwas zu sein scheint?"
Zittrig atmete ich ein und wieder aus. Ein und aus. Ein. Aus. "Ich erinnere Sie nur mal eben an Ihre Regeln-"
"Diese Regel, von der sie sprechen, habe ich nie aufgestellt."
Verblüfft klappte mir die Kinnlade herunter. "Wie bitte?"
Er grinste über meine Reaktion.
Schnell versuchte ich mich wieder zusammenzureißen. "So oder soll, spielt das keine Rolle. Wir haben beide unterschrieben und fertig ist es. Da gibt es nichts zu diskutieren. Egal, ob da etwas ist oder nicht."
"Mein Gott", raunte er schmunzelnd. "Ich fand Ihre raue Art schon bei der ersten Begegnung an Ihrer Haustür außerordentlich attraktiv. Und jetzt sind Sie anscheinend auch noch so prinzipientreu..." Er lehnte sich zu meinem Ohr vor. "Das macht das ganze noch spannender."
Geschockt wich ich von ihm zurück. Allerdings war nur mein Verstand geschockt. Mein verräterischer Körper pochte an so einigen Stellen, an denen ich es eigentlich gar nicht wollte.
Meine Güte, jetzt machte ich mich seine direkte und freche Art auch noch an oder was?
Die Tür hinter uns schwang auf und jemand rauschte geräuschevoll an mir vorbei, um einen Stapel Akten auf den Tisch zu pfeffern. Es war niemand anderes als Emre, Rayes lieber Bruder und die andere etwas diskretere Hälfte. "Guten Tag, Miss Parker", er nickte mir zu, ehe er sich an Raye wandte. "Bist du gleich fertig? Wir müssen etwas dringend besprechen."
Jetzt kam wieder diese ernste und professionelle Miene bei Raye zum Vorschein, als er auf seinen Bruder antwortete. "Sicher. Ich wolle Miss Parker so eben hinausbegleiten."
Emre zog kurz eine Augenbraue in die Höhe, dann aber ließ er sich auf den Stuhl fallen, auf den ich bis eben noch gesessen hatte, und fuhr sich mit einer Hand scheinbar müde über das Gesicht. "Gut, dann bis gleich."
Sofort drehte ich mich um und machte, dass ich so schnell wie möglich zur Tür kam, dabei war mir Rayes Präsenz hinter mir nur allzu deutlich bewusst.
Als er mir die Tür aufhielt und ich hindurchschlüpfte, hielt er mich zu meiner Überraschung an meinem Handgelenk fest.
"Donnerstagabend", raunte er mir zu. "Ich schicke Ihnen die Adresse." Er ließ mich immer noch nicht los, weswegen ich mit all meiner Beherrschung kämpfte ihn nicht einfach mit mir zu ziehen und von hier zu verschwinden.
Wo wir nicht Raye Laynce und Jane Parker sein mussten.
Letztendlich musste er mich widerstrebend loslassen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, den letzten entscheidenden Satz von sich zugeben. "Ach und Miss Parker? Ich bin gespannt, wie lange sie durchalten werden."
Ja, ich weiß, es kommt nicht pünktlich. Aber ich hatte hier an diesem Kapitel noch herumgepfeilt, weil ich nicht zufrieden war...
Ich hoffe, euch hat das gefallen und ihr wart von Rayes Art, jetzt ziemlich direkt zu werden, genauso überrascht wie Jane :)
Was er wohl in Zukunft vorhat?😏🤫
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