Spring Grows | Fanfiction
*** Fanfiction im Universum der "Die Macht der Seelen" Reihe von Joss Stirling ***
Inhaltsangabe
Spring Whelan verbringt erstmals seit fünf Jahren ein Wochenende bei ihrer ebenfalls übernatürlich begabten Cousine Summer. Gemeinsam mit Summers Freundinnen Angel und Misty sowie deren Seelenspiegel taucht Spring tiefer in die schönen aber auch Schattenseiten der Welt der ,,Savants" ein.
Hintergrund
Diese Kurzgeschichte ist eine Fanfiction im Universum von Joss Stirlings Fantasy-Buchreihe ,,Die Macht der Seelen" (Finding Sky, Saving Phoenix, Calling Crystal, Misty Falls, Angel Dares, Summer Shadows).
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Kurzgeschichte: "Spring Grows"
Mein Kopf wippte leicht zu den Klängen von ,,Der Frühling" aus Vivaldis Violinkonzert ,,Die Vier Jahreszeiten". Die Töne tanzten aus meinen Kopfhörern, während ich den Bahnsteig entlanglief. Diesem Stück verdankte ich meinen Namen, denn meine Eltern hatten sich bei einem Vivaldi-Konzert kennengelernt.
Während Vivaldis ,,Frühling" lebendig, sonnig und fröhlich klingt, ist der ,,Sommer" leidenschaftlich, stürmisch und virtuos. Ob meine Cousine Summer vom Charakter her ihrem Violinkonzert entsprach?
Sie war in einem Haushalt aufgewachsen, von dem meine Eltern mich versucht hatten fernzuhalten. Ich wusste, dass das vor allem meiner Mutter schwer gefallen war, weil sie bis dahin eine gute Beziehung zu ihrem Bruder, meinem Onkel, gehabt hatte. Es hatte wohl familiäre Probleme gegeben, bei denen sich die Geschwister einvernehmlich entschieden hatten, dass wir uns raushalten sollten. Mehr Details waren mir nicht bekannt.
Doch das hatte sich in den letzten Wochen geändert. Meine Mutter fing an wieder regelmäßig mit meinem Onkel zu telefonieren und als ich Summers neue Nummer erhielt, hatten auch wir beide wieder Kontakt aufgenommen.
Die Musik half nicht wirklich dabei, meine Nervosität zu übertönen. Ich hatte Summer seit fünf Jahren nicht mehr gesehen und dieser Wochenendbesuch wäre meine Chance mehr über sie, unsere Familie und die Savant-Community zu erfahren.
Genau wie meine Mutter und ich ist Summer übernatürlich begabt und damit ein Teil der ,,Savants", wie wir uns nennen. Während meine Mutter keinen Savant geheiratet hatte, ist es dennoch so, dass auf der Welt etwa zur gleichen Zeit immer zwei Savants geboren werden, deren Fähigkeiten einander ergänzen und vervollständigen können - der Seelenspiegel. Jemand sehr Besonderes, aber sehr schwer ausfindig zu machen.
Und Summer hatte ihren vor kurzem kennengelernt, mitten in einer Mission im Afghanistan, um einen der im Savant-Netzwerk berühmten Benedict-Brüder und dessen Seelenspiegel zu retten. Die Benedicts, die Hüter - ,,Spring!"
Der laute Ausruf meines Namens riss mich aus meinen Gedanken. Eine braunhaarige junge Dame meines Alters, in Begleitung eines jungen Mannes, winkte mich lächelnd zu ihr. Das musste sie sein.
Ich atmete tief durch, gab mir einen Ruck während ich meine Kopfhörer verstaute und auf sie zulief. ,,Hi Summer, und du musst Hal sein, richtig?", begrüßte ich beide freundlich.
Summer und Hal nickten, während Hal mir beim Händeschütteln anbot meinen kleinen Trolli zu übernehmen. Dankend nickte ich ihm zu. Hal warf Summer einen warmen Blick zu und machte sich auf den Weg zum Parkplatz, wohl um uns etwas Privatsphäre zu geben.
,,Kaum zu fassen, du bist so groß geworden", meinte Summer kopfschüttelnd. Ich musste schmunzeln: ,,Du siehst jetzt mit 17 aber echt auch anders aus als ich dich in Erinnerung habe." Und wie gut sie aussah - ihre braunen Haare wehten im sanften Frühlingswind und ihre Augen strahlten. ,,Ich freue mich wirklich dich wiederzusehen, aber... bist du auch so nervös?", fragte ich sie ganz direkt.
Summer betrachtete mich kurz nachdenklich und nickte dann. ,,Ja, du bist so ziemlich die einzige gleichaltrige Verwandte, mit der ich Kontakt habe und auch wenn wir die letzten Wochen viel geschrieben haben, haben wir echt viel Zeit nachzuholen. Aber ich freue mich drauf."
Gemeinsam im Auto fuhr uns Hal zu Summer nach Hause und ich konnte sehen, wie er ihr während der Fahrt Zuversicht spendete durch die Nähe und Vertrautheit, die die beiden verband. Summer räusperte sich kurz, und adressierte mich, während sie mich vom Rückspiegel aus ansah.
,,Ich weiß nicht, wie viel dir Tante Anne erzählt hat, aber ich möchte das du weißt, dass es auch für mich etwas ganz Besonderes ist dich hier bei mir zu Hause willkommen zu heißen. Um ehrlich zu sein ist es noch gar nicht so lange her, da waren noch nicht mal meine zwei engsten Freundinnen Misty und Angel jemals zu Besuch gewesen."
Sie machte eine kurze Pause, während Hal fertig einparkte und direkt danach ihre Hand mit seiner verflocht.
,,Meine Familie hat bis vor kurzem sehr unter den negativen Seiten der Savant-Gaben gelitten. Meine Mutter hat alle Emotionen aus uns herausgesaugt, um selbst etwas zu fühlen und mein Bruder Winter hat überall Stimmen von Vergangenem gehört. Ich selbst musste meine Schutzschilde immer so undurchlässig wie eine Metallwand aufrechterhalten, um zurechtzukommen."
Sie atmete tief durch und fuhr dann fort: ,,Es war schwer für uns alle diese Situation zu kontrollieren und niemanden zu gefährden. Wir haben uns geschämt und nicht getraut um Hilfe zu bitten, um nach außen das Bild der ,,perfekten Familie" aufrecht zu erhalten. Das hat sich geändert. Vor allem Hal habe ich es zu verdanken, dass wir alle besser mit unseren Gaben umzugehen wissen." Sie drückte Hals Hand leicht und warf ihm einen so dankbaren, intimen und liebevollen Blick zu, dass ich fast wegsehen musste, so privat kam es mir vor.
,,Was ich damit sagen will: bitte wundere dich nicht, wenn es manchmal vielleicht ein bisschen merkwürdig wird, denn wir gewöhnen uns noch daran, Menschen uns so sehen zu lassen, wie wir sind. Vor allem aber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es geht uns deutlich besser."
Ich atmete tief durch. Das musste ich erstmal verdauen. Ein Savant-Emotionenvampir als Tante und Summer, die mit ihrer Familie versucht hat damit selbst zurechtzukommen. Ich war gleichzeitig erschrocken und beeindruckt.
,,Danke Summer, dass du dich mir anvertraut hast. Das bedeutet mir viel. Es macht auch einige Dinge klarer für mich zu verstehen... ich frage mich aber auch, ob ich oder meine Eltern mehr hätten tun können oder müssen?"
Summer drehte sich im engen Raum des Autos um, und ergriff meine Hand. ,,Es ist sehr lieb von dir das zu fragen, aber bitte mache dir und deinen Eltern keine Vorwürfe. Es war ein weiter Weg für uns zu lernen, Hilfe zu suchen und zu akzeptieren. Die Savant-Community hat sich deutlich offener und verständnisvoller gezeigt, als wir dachten. Gerade die Benedicts - aber sie hatten auch die Erfahrung und Mittel, uns weiterzuhelfen. Und das war das Hilfreichste."
Ich nickte. ,,Dann möchte ich ab jetzt gerne auch Teil deines Support-Netzwerks sein. Ich weiß, wir haben uns lange nicht mehr gesehen, aber ich möchte - wenn du das auch willst - in Zukunft mehr für dich da sein."
,,Das möchte ich sehr gerne", antwortete Summer mit glänzenden Augen. Damit stiegen wir drei aus dem Auto aus.
***
Ich lehnte mich auf der Gartenliege zurück und schloss kurz die Augen, um den ersten ruhigen Moment des Samstagnachmittags zu genießen. Summer, ihr Bruder Winter und mein Onkel hatten eine kleine Gartenparty vorbereitet und dazu Summers engsten Freunde eingeladen. So hatte ich die Chance, direkt die wichtigsten Personen im Leben meiner Cousine kennenzulernen.
Misty und Angel, Summers beste Freundinnen, waren dafür extra angereist und hätten unterschiedlicher kaum sein können. Misty mit ihrer ruhigeren, aber entwaffnenden Direktheit und Angel mit ihrer sehr enthusiastischen und extrovertierten Art. Dann ihre Seelenspiegel - Mistys charmanter Partner Alex, mit dem sie wunderbar im Einklang war und Angels Freund Markus - ruhig, aber sehr humorvoll. Sie passten alle sehr gut zusammen.
Als ob sie meine Gedanken gelesen hätte, meldete sich Misty zu Wort, die in der Liege neben mir entspannte. ,,Das erinnert mich gerade ein bisschen an meinen Besuch in Südafrika, als ich Alex kennengelernt habe. Das war auch eine Gartenparty... und wie weit wir nun gekommen sind. Damals haben Alex und ich uns nicht gut verstanden", sagte Misty nachdenklich.
,,Meine Wahrheitsgabe und sein Charme sind aufeinandergeprallt und durch mangelnde Kommunikation war es schwer, die Person hinter der Gabe zu sehen und das Gesamtpaket zu wertschätzen", fügte sie erklärend hinzu.
,,Jetzt, nach vielen Hürden haben wir einen Weg gefunden und neue Seiten aneinander entdeckt. Es ist nicht immer leicht, aber Alex versteht und schätzt mich so wie ich bin. Ich kann mich bei ihm von all meinen Seiten zeigen. Und das ist etwas ganz Besonders." Dann drehte sie sich vollends zu mir um. ,,Summer hat mir erzählt, dass deine Eltern wie meine kein Savant-Paar sind und du einige Fragen hast, was die Savant-Community und Seelenspiegel-Partnerschaften angeht."
Ich drehte mich zu Misty um und nickte schüchtern. Sie war direkt zum Punkt gekommen. ,,Ja, so ist es. Durch meine Mutter habe ich gelernt mit meinen Fähigkeiten umzugehen. Ich kann Pflanzen wachsen und erblühen lassen und das ist etwas, das mir Freude bereitet. Aber ich habe durch Summers Erzählungen gelernt, dass manche Gaben schwieriger zu schätzen und kontrollieren sind, es Schattenseiten gibt und auch der Seelenspiegel nicht immer direkt zu einem passt. Deshalb frage ich mich ein bisschen, ob es sich lohnt auf ,,den Einen" zu warten? Und wie ich lernen kann, besser darauf vorbereitet zu sein - auf Herausforderungen mit anderen Savants, aber auch mit meinen Fähigkeiten?"
Misty nickte verständnisvoll. ,,Sehr gute und wichtige Fragen. Um ehrlich zu sein - das meiste ergibt sich im Leben ganz automatisch. Mit jeder neuen Begegnung und einem guten Support-Netzwerk lernt man, damit zurecht zukommen. Angel und Summer habe ich auf einem Savant-Camp vor vier Jahren kennengelernt und das hat ebenfalls geholfen, meine Fähigkeiten und meine Mit-Savants besser zu verstehen." Sie warf einen Blick in den Garten.
Alex, Hal und Markus diskutierten gerade über den letzten Festivalauftritt der Bands Angel Dares, Black Belt und Gifted, teilweise bestehend aus Savants und ebenfalls guten Freunden der Familie.
Kaum zu fassen, mit welchen Berühmtheiten ich eigentlich gerade im Garten saß.
Angel und Summer saßen noch auf der Picknick-Decke und lachten gemeinsam über einen neuen Wassertrick, den Angel performte. Sie sahen alle so entspannt und glücklich aus.
,,Kann ich mich zu euch beiden gesellen?", fragte da eine neue Stimme. Ich blickte auf und sah Winter, der uns schüchtern anlächelte. Misty und ich nickten und er machte es sich auf der dritten Liege bequem.
,,Ich muss gestehen, ich habe Teile eurer Unterhaltung mitbekommen und würde auch gerne etwas dazu sagen", meinte Winter und ich nickte überrascht.
,,Ich habe gelernt, dass es keinen Sinn macht vor seinen Sorgen, Ängsten, und Problemen wegzurennen. Ich habe so viele Jahre mit Summer verloren, weil ich Angst hatte, dass sie durch ihre Fähigkeit in die mentale Welt anderer einzutauchen, sehen könnte, wie wenig Kontrolle ich über meine Gabe habe. Und wie schlecht es mir damit geht. Ich war wütend, beschämt und habe mich auch sehr hilflos gefühlt." Winter fuhr sich mit der Hand nervös durchs Haar.
,,Mein Vater hat sein Bestes versucht, aber auch er ist mit der Situation nicht gut zurechtgekommen. In den letzten Wochen haben wir viel darüber gesprochen was uns belastet hat und was wir uns Wünschen für unsere Zukunft. Es ist zwar noch immer nicht alles Gut, aber inzwischen können wir wieder offen miteinander reden. Ich habe meine Schwester und meine Mutter zurück und endlich eine Zukunft mit vielen Möglichkeiten vor mir. Ich werde nächstes Jahr anfangen Politikwissenschaft und Geschichte zu studieren und freue mich schon darauf."
Misty und ich hatten ganz gebannt zugehört und von Mistys Gesichtsausdruck ausgehend, kam es wohl nicht so oft vor, dass Winter sich so öffnete. Ich musste wieder an Vivaldi zurückdenken.
Unsere Eltern hatten die Namen wirklich sehr treffend ausgesucht. Der Winter - in Person und Musik - spiegelte gleichzeitig starre, unerbittliche Kälte, aber auch heimelige Wärme wieder. Und Winter strahlte wie ein warmer Kamin vor dem Fenster einer verschneiten Winterlandschaft.
,,Winter, ich bin sehr dankbar, dass du uns so offen davon erzählt hast", meinte ich. Misty schloss sich mir an und ergänzte: ,,Summer ist wirklich erblüht seit sie Hal kennengelernt hat und seit sie dich, ihren Bruder, wieder zurück hat." Sie hielt kurz inne.
,,Ich denke wir alle sind froh, dass wir Teil eures engsten Kreises sein können. Winter, du bist ein unfassbar starker Mensch und ich habe von dir auch viel gelernt. Du hast dich nie unterkriegen lassen und holst aus deinen Fähigkeiten das Beste heraus. Das finde ich beeindruckend. Und herzlichen Glückwunsch zur Zulassung für Politikwissenschaft und Geschichte!"
,,Danke ihr beiden", erwiderte Winter sanft. ,,Ich hole mir noch ein neues Glas Apfelsaft und muss an einem Essay weiterarbeiten. Solltet ihr auch etwas von dem Saft wollen - er ist frisch aus unserem Garten - dann meldet euch gerne." Damit ließe er uns wieder alleine, um unsere Unterhaltung fortzuführen.
,,Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam mit den anderen etwas spielen? Zum Beispiel ,,Wahrheit oder Pflicht"?", meinte Misty. ,,Finde ich super", antwortete ich.
Hey Zusammen, Spring und ich wollen ,,Wahrheit oder Pflicht" spielen, seid ihr dabei?
Misty nutzte unsere mentale Savant-Verbindung, um nicht schreien zu müssen. Alex, Summer, Hal, Angel und Markus ließen alles stehen und liegen kamen direkt auf uns zu.
,,Gesellschaftsspiele - da bin ich immer dabei!", rief Alex zwinkernd und gab Misty eine Umarmung. ,,Aber keine Tricks, Alex", sagte Misty mit strenger Stimme, ,,ich habe dich im Blick!" Anscheinend waren die beiden immer sehr kompetitiv unterwegs, denn die anderen lachten amüsiert.
Wir machten es uns letztlich alle
auf der Picknickdecke bequem. ,,Wer möchte anfangen?", fragte Summer.
Ich fasste mir ein Herz und meldete mich. Summer nickte und fragte: ,,Spring, Wahrheit oder Pflicht?" ,,Wahrheit." Summer überlegte kurz und sagte dann: ,,Was hat dich heute bisher am Meisten überrascht?"
Ich überlegte kurz. ,,Wie einfach es war, sich bei euch wohlzufühlen und sich zu öffnen. Ich fühle mich echt gut zu wissen, dass andere Savants meines Alters sich ähnliche Fragen stellen. Und wie sehr ihr euch gegenseitig unterstützt und über Sorgen und Herausforderungen sprecht." Summer nickte und umarmte mich. Dann gab sie mir die leere Flasche und bat mich sie auf der Picknickdecke zu drehen. Der Flaschenhals zeigte auf Markus. ,,Wahrheit oder Plicht?"
,,Pflicht", antwortete er. Als großer Black-Belt-Fan konnte ich mir diese Chance nicht entgehen lassen: ,,Könntest du ,,Stay away, come closer" singen?" Markus schmunzelte und nickte. Angel sprang in dem Moment auf, sprintete ins Haus und kam wenige Sekunden später mit einer Gitarre zurück. ,,Wenn ich hinzufügen darf - dann aber bitte das volle Programm mit musikalischer Untermalung", und grinste ihren Freund frech an.
Die nächsten dreieinhalb Minuten durfte ich den harmonischen Klängen von Markus Performance lauschen und den Beat, den Alex und Angel beisteuerten, genießen. Sie waren echt eine sehr musikalische Gruppe.
Summer warf mir einen zustimmend Seitenblick zu. Den Gedankenfetzen hatte sie wohl aufgeschnappt. Als nächstes war Summer dran, die Wahrheit wählte. ,,Was siehst du aktuell als eine der größten Herausforderungen?", fragte Markus. Summer dachte einen Moment nach, dann sagte sie: ,,Alex und ich haben mit den Benedicts geredet und wir haben vor, ein Projekt auf die Beine zu stellen, um die mentale Gesundheit von jungen Savants zu verbessern und die Awareness für die Schattenseiten der Savant-Welt, schwierige Gaben und fehlgeschlagene Seelenspiegel-Partnerschaften zu wecken und zu erhöhen."
Das überraschte wohl auch Misty und Angel, denn ihre Augen weiteten sich überrascht und wurden dann ganz rund vor Begeisterung: ,,Summer, das ist fantastisch!", riefen ihre besten Freundinnen wie aus einem Mund und fielen ihr um den Hals. Misty gab ihrem Freund Alex dann einen Kuss auf den Mund und warf ihm einen liebevollen Blick zu.
,,Ja, uns beiden ist das echt wichtig. Durch meinen Onkel und meine Familie habe ich gelernt, wie sehr eine Familie darunter leiden kann, wenn dafür kein Bewusstsein besteht und auch Summer kann sich dem mit ihren Erfahrungen anschließen", ergänzte Alex.
,,Das Projekt steht in den Startlöchern, und wir können jede Hilfe gebrauchen, die wir kriegen können. Denn im Sommer möchten wir im Savant-Jugendcamp ein Pilotprogramm ausprobieren und schauen wie es ankommt." Mit vielsagendem Blick betrachtete er die Runde. ,,Natürlich sind wir dabei und helfen euch!", kam es von allen Seiten.
Der Frühling war also auch für Summer und ihre Freunde eine Zeit der Neuanfänge, des Wachstums und der Entfaltung. Ob ich meine Fähigkeiten des Erblühens nicht nur bei Pflanzen anwenden kann, sondern auch bei Menschen? Ihnen helfen, sich selbst zu verwirklichen und Familien-und Freundschaftsbande zu stärken?
Ich streckte meine Hand aus und ließ eine Krokuspflanze neben der Picknickdecke erblühen. Genauso wie dieser Frühlingsbote für Hoffnung und unbekümmerte Jugend stand, würden meine Cousine und ihre Freunde ihr Bestes geben, dies für Savant-Kinder und alle kommenden Generationen zu ermöglichen.
***
Am Sonntagmorgen weckte mich der Geruch von frischen Brötchen und Kaffee. Ich streckte mich und betrachtete meine Umgebung. An der hellblauen Wand hingen zwei Gemälde - einmal die Sonnenblumen von Van Gogh und einmal die von Monet.
Warme Sonnenstrahlen die durch das Zimmerfenster schienen, erweckten den Anschein, als ob die Sonnenblumen ihre Köpfe nach der Sonne ausstreckten. Was für ein schönes Gästezimmer. Es weckte in mir das Verlangen, zurück in den Garten zu gehen, mir das Blumenbeet genauer anzusehen und Setzlinge einzupflanzen.
Ich legte meinen Kopf zurück auf das Kissen und dachte über die gestrigen Unterhaltungen und Erfahrungen nach. Summer, Misty und Angel waren wirklich tolle Personen. Ich hatte besonders mit Misty und ihrer direkten Art schnell anknüpfen können. Während Summer und Alex beide sehr wortgewandt waren, war Hal sehr humorvoll und Markus sehr aufmerksam.
Das hatte gestern zu einer sehr interessanten Runde ,,Wahrheit oder Pflicht" geführt, bei der ich erfahren hatte, dass Summer ein richtiges Wörterbuch war und so gut wie jeden Klassiker zitieren konnte. Vor Angel, ein echter Wirbelwind, war keine Bühne sicher, und Misty fand sich ständig in chaotischen Situationen wieder.
Alex hatte einen jüngeren Bruder, den er erst kürzlich kennengelernt hatte und mit dem er nächste Woche verabredet war und Markus plante, gemeinsam mit Angels Band und Gifted, eine größere Konzertreise. Hal hatte gemeinsam mit seinen zwei Brüdern in der Kindheit wohl allerhand albernen Unfug getrieben, über den er nie müde wurde lächelnd zu berichten. Jetzt waren die Robinson-Brüder gemeinsam im Militär bei Spezialoperationen beteiligt.
Und sie alle waren vor nicht allzu langer Zeit in einem zivil-militärischen Einsatz involviert gewesen, bei dem sie unter anderem den Gefängnisausbruch von den in der Savant-Welt meist gefürchtetsten Verbrecher verhindert hatten. Komplett verrückt, was sie in so jungen Jahren schon alles erlebt hatten.
Ich fühlte mich ein bisschen schlecht, dass ich so behütet aufgewachsen und mein Leben bisher deutlich ereignisloser verlaufen war. Wenn man davon absah, dass ich regelmäßig mit den Pflanzen in unserer Schule sprach und mich alle für ein bisschen verrückt hielten.
Ich hatte mein eigenes kleines Gewächshaus Daheim und das war mein Ein und Alles. Der Plan war, demnächst mein Biologiestudium anzufangen. Und mir Gedanken zu machen, ob ich mich, sobald ich volljährig war, mittels Crystal, der Seelensucherin und Frau von Xav Benedict, auf die Suche nach meinem Seelenspiegel machen sollte.
Die Paare, die ich gestern kennengelernt hatte, wirkten so im Einklang. Aber ich machte mir Sorgen, dass mein Seelenspiegel vielleicht ganz andere Interessen haben könnte als ich. Vielleicht sogar schon vergeben und glücklich in einer Beziehung war. Es gab so viele Punkte, die dafür und dagegen sprachen.
Misty hatte mir erzählt, dass ihre Savant-Mutter bewusst die Entscheidung getroffen hatte, nicht nach ihrem Seelenspiegel zu suchen, nachdem sie ihren jetzigen Mann, Mistys Vater, kennengelernt hatte. Sie hatten sich gemeinsam ein Leben aufgebaut, mit dem beide glücklich waren - und das erfüllte sie. Trotz der Herausforderungen, die das Savant-Dasein mitsichbrachte, hatte ihr Vater einen Weg gefunden, mit dieser Welt Frieden zu schließen. Auch nachdem seine Tochter von einem außer Kontrolle geratenen Savant entführt und beinahe ermordet worden war. Was für starke Eltern.
Ich ertaste mein Handy auf dem Nachttisch und wählte die Nummer meiner Mutter. Nach kurzem Klingeln nahm sie ab. ,,Guten Morgen, Schatz! Schön, dass du dich meldest. Wie geht es dir? Wie gefällt es dir bei Summer?", sprudelte sie neugierig los. Meine Mutter war ein echter Wasserfall, aber die liebenswürdigste Person, die ich kannte.
,,Guten Morgen, Ma. Mir gefällt es hier richtig gut und auch Summers Freunde sind super nett. Wenn es ok für dich ist, möchte ich dir zwei sehr persönlich Fragen stellen," tastete ich mich vorsichtig vor. Es herrschte kurz Stille am anderen Ende der Leitung. Ich hörte, wie sie sich hinsetze und dann erwiderte: ,,Jetzt bin ich bereit. Worum geht es?"
,,Summer hat mir gestern erzählt, warum ihre Familiensituation so schwierig war und warum wir uns so viele Jahre nicht mehr gesehen hatten. Wusstest du davon? Und warum haben wir nicht mehr tun können?", stellte ich die Fragen, die mich schon seit der Planung dieses Wochenendtrips beschäftigten.
Meine Mutter räusperte sich und meinte dann: ,,Ich bin froh, dass dir Summer davon persönlich erzählt hat. Es war nicht an mir, dir das zu erzählen - zumindest erschien es mir so besser. Damals haben dein Onkel und ich entschieden, den Kontakt zu reduzieren, weil er eine Ehe mit jemandem eingegangen war und Kinder mit ihr bekommen hatte. Das zu der Zeit in der Savant-Welt nicht gerne gesehen. Denn die Sorge war groß, dass die Kinder mit Herausforderungen aufwachsen würden, die sie selbst belasten und andere Kinder gefährden könnte durch die zwiespältige Begabung ihrer Mutter. Er liebte sie und ich konnte gut seinen Wunsch verstehen, trotzdem eine Familie gründen zu wollen."
Nach einer kurzen Pause setzte sie fort: ,,Anfangs war auch alles ok: erst kam Winter, dann Summer, und beide waren süße Kinder. Auch deine Tante hatte ihre Kräfte größtenteils unter Kontrolle. Aber mit den Jahren nahm diese Kontrolle über das Bedürfnis die Emotionen anderer zu stehlen, ab. Mein Bruder konnte nicht immer zur Stelle sein, um seine Kinder zu beschützen. Das machte beide sehr traurig. Dann fing Winter an Stimmen zu hören und es war nicht unwahrscheinlich, dass auch Summer kämpfen würde müssen. Mein Bruder entschied, unsere Familie da rauszuhalten, um die Konsequenzen für unsere Familie zu reduzieren."
,,Ich bereue es seitdem jeden einzelnen Tag, mich nicht mehr informiert und dafür eingesetzt zu haben, Hilfe zu finden. Die Regeln damals waren sehr veraltet und heutzutage gibt es mehr und mehr Studien, professionelle Unterstützung und Selbsthilfegruppen. Wege, dass Betroffene und ihre Familien die Begabungen kontrollieren lernen, und schwierige Gaben immer weniger stigmatisiert werden. Und das ist gut so! Für mein Verhalten habe ich mich bei der ganzen Familie entschuldigt. Und ich bin sehr dankbar, dass wir daran arbeiten können, unsere Beziehung zu verbessern."
Ich nickte, und sagte: ,,Ja, Summer hat mir erzählt, dass sie uns keine Vorwürfe macht, sondern lieber die Energie investieren möchte, sowas in Zukunft zu verhindern."
,,Summer ist ein starkes Mädchen. Ich bin froh, dass ihr beide euch austauschen könnt. Was ist deine zweite Frage?"
Ich holte tief Luft, dann sagte ich: ,,Es ist weniger eine Frage und mehr eine Überlegung. Ich denke darüber nach Crystal zu fragen, ob sie mir Hinweise zum Ort meines Seelenspiegels gibt, sobald ich volljährig bin." Meine Mutter gab einen zustimmenden Laut von sich. ,,Danke, dass du mir davon erzählst. Ich denke, das ist eine gute Idee."
Ich ergänzte: ,,Ich würde mir sonst immer die Frage stellen: ,,Was wäre, wenn?" und das möchte ich nicht. Ich möchte eine bewusste Entscheidung treffen können, nachdem ich die Fakten kenne. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass ich dadurch Erfahrungen sammle, die mich als Person wachsen lassen können. Ich kann mehr über meine Gabe erfahren und vielleicht noch mehr aus ihr herausholen. Und selbst wenn es mit meinem Seelenspiegel nicht klappt - dann kann ich mich immer noch andere Menschen kennen und lieben lernen."
Es war kurz Still, dann verabschiedete ich mich von meiner Mutter. Ich stand aus dem Bett auf und hatte mich gerade angezogen, als es an meiner Tür klopfte. ,,Herein!"
Summers Kopf lugte durch den geöffneten Türspalt. ,,Guten Morgen, Frühstück ist fertig. Kommst du runter?", fragte sie. Ich nickte, doch bevor sie die Tür wieder schließen konnte, bat ich sie herein. Summer schloss die Tür hinter sich und setzte sich an meine Bettkante.
Ich gab ihr meine Kopfhörer und drückte auf ,,Play". Summer hörte ein paar Sekunden mit geschlossenen Augen zu, lächelte dann und meinte: ,,Vivaldi, der Sommer." Ich nickte.
,,Die Jahreszeit in dem Stück erinnert mich an dich. Der ,,Sommer" ist leidenschaftlich und virtuos." Ich setzte mich zu ihr und sah sie mit festem Blick an: ,,Summer, danke, dass du mich deinen Freunden und deinem Partner vorgestellt hast. Für die Einladung und dass du mich in dein Leben lässt. Ich finde dich echt inspirierend - deine empathische Art, wie du deine Ziele verfolgst und wie du für das Einstehst, was dir wichtig ist. Ich bin froh, dass wir Cousinen sind!"
Sie umarmte mich fest. ,,Für mich fühlt sich diese Begegnung auch wie ein Neuanfang an. Danke für deine sonnige und lebendige Art. Es hat gestern echt Spaß gemacht, Zeit zusammen zu verbringen und mit dir und meinen Freunden über Sorgen und Ängste, aber auch Wünsche zu sprechen."
Dann ergänzte sie: ,,Ich versuche, es nicht zu machen, aber manchmal kommt es vor, dass ich Gedankenfetzen aufschnappe. Gestern habe ich gehört, dass du dich gefragt hast, ob du nicht nur Pflanzen, sondern auch Menschen helfen kannst zum Blühen zu bringen. Und auch deine Sorgen, was Seelenspiegel angeht."
Ertappt blickte ich auf meine Hände. ,,Spring, du bist schon jetzt eine unfassbar reflektierte, mitfühlende und herzliche Persönlichkeit. In deiner Gegenwart fühlen sich Menschen wohl und deine Gabe bringt nur noch mehr zum Ausdruck, wer du bist. Ich bin überzeugt, dass du auf deinem Weg viel positives ausrichten wirst. Letztlich muss jeder Mensch seinen Weg selbst bestreiten, aber ob nun mit oder ohne Seelenspiegel, ich bin für dich da - und nicht nur ich, sondern die ganze Savant-Community. Gemeinsam gehen wir diese Herausforderungen an."
Mit Vivaldis beschwingter Frühlingsmelodie im Kopf, folgte ich Summer zuversichtlich aus dem Zimmer. Während sich hinter mir eine Tür schloss, öffnete sich vor mir eine neue.
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