Kapitel 7
„Dorothe, wo steckst du??" Barry knallt die Tür der Wohnung hinter sich zu. Es ist ein kleines Haus mitten im Nirgendwo. Eines ihrer vielen Verstecke. Das Klackern hoher Absätze ertönt, dann taucht die rothaarige Dorothe vor ihm auf. „Und?", fragt sie. „Negativ", erwidert Barry mit saurem Gesicht, „die Miststücke wollen den Steinbruch nicht räumen. Stattdessen kommen ab jetzt täglich Bullen hin und trainieren mit uns Arbeitern Kampfsport und andere Dinge, um uns zu verteidigen."
Dorothes Wangen färben sich vor Wut knallrot. „Das ist noch nicht alles." Vorsichtshalber tritt Barry ein paar Schritte zurück. Er hat keine Lust von Dorothe in ihrer Aggression geschlagen zu werden. „Sie haben Fallen aufgebaut. Wir können den Steinbruch nicht mehr beobachten." „Dazu gibt es zum Glück dich", schnaubt die Rothaarige, „ich wäre sowieso nie mehr in den ekelhaften Dreck gesessen."
„Das Schlimmste kommt aber noch." Barry macht noch einige Schritte rückwärts. „Einer der Idioten, Jack, hat etwas herausgefunden: Etwa zu der Zeit, als wir den Steinbruch observiert haben, war NOCH jemand dort." „Was sagst du da? Noch jemand hat den Steinbruch beobachtet?" Doros Stimme klingt schrill. „WER war das??" „Keine Ahnung. Aber wie's aussieht, haben wir einen weiteren Gegner." Unbehaglich streicht sich Barry durch die langen, braunen Haare.
„Wir müssen etwas tun!" Dorothe schnappt sich ihre Handtasche und kramt nach einem roten Lippenstift. Grosszügig trägt sie ihn auf. Die ganze Zeit über schweigt Barry und lässt Doro nachdenken. Denn er weiss: Wenn er sie jetzt stören würde, hätte er ein riesiges Problem.
Einige Minuten verstreichen. Dann steckt die Rothaarige den Lippenstift zurück in die Handtasche.
„Ich habe einen Plan." „Der wäre?" „Nehmen wir an, die Aktion Zerstören hätte geklappt. Die Miststücke wären vom Steinbruch abgehauen. Dann hätten WIR weiter nach der Beute graben müssen! Jetzt haben wir sie nicht vertrieben. Das heisst, sie suchen weiter. Meine Idee besteht darin, zu warten. Wir warten, bis die Idioten die Kohle gefunden haben. Dann luchsen wir sie ihnen ab. Sie machen die Drecksarbeit und wir ernten davon. Den unbekannten Gegner ignorieren wir erstmal und kümmern uns später um ihn." Zufrieden packt Dorothe ihre Handtasche zusammen. „Bis es so weit ist, vergnüge ich mich in irgendwelchen Clubs."
Während Dorothes Erklärungen hat Barry angefangen zu grinsen. „Na klar! Die Idee hätte von mir sein können!" „Das bezweifle ich." Die Rothaarige öffnet die Haustür. „Jetzt sieh zu, dass du wieder in den Steinbruch kommst! Sonst fragen sie sich noch, wo du bleibst!" Sie setzt sich in ihren pinken Mini und braust davon.
Seufzend steigt Barry in seinen Wagen und fährt zum Steinbruch. Er hat absolut keine Lust darauf, weiter schuften zu müssen. Aber wenn er die 12 Millionen Dollar finden will, muss er eben die Zähne zusammenbeissen.
- - - -Zur selben Zeit- - - -
Sehr demotiviert schnippelt Ray Karotten. Hier im Jugendknast muss jeder Häftling mindestens eine Arbeit übernehmen. Er ist zur Küchenarbeit verdonnert worden. Entnervt bringt er die Karottenstücke zu einem anderen Gefängnisinsassen.
Er heisst Mirroe und ist Rays Zellengenosse. Mirroe hat rotgefärbtes Haar und viele Piercings im Gesicht. Ray hat herausgefunden, dass der 17-jährige bereits seit zwei Jahren im Knast sitzt. Und dass er noch eine Woche sitzen muss. Genau wie Ray.
Der Junge mit den Piercings nimmt Ray die Karotten ab und schüttet sie in einen grossen Kessel. „Herzlichen Dank", sülzt er mit sarkastischer Stimme und verdreht die Augen. Es gibt Suppe. Wie fast jedes Mittagessen. Einfach mit anderen Zutaten. Mal mit Karotten, mit Tomaten, mit Peperoni und Mais, mit Kartoffeln, mal mit irgendeinem, undefinierbaren Klumpen. Manchmal mit mehreren der genannten Zubehören. Etwas hat aber jedes Gericht gemeinsam: Es ist SEHR ekelhaft.
In Ray steigt die altbekannte Wut auf, wie immer wenn er an draussen denkt. Mirroe schaut ihn von der Seite her an. „Denkst du wieder an die Penner?" Ray hat ihm von Rick, Joaquin, Hayden und den anderen erzählt. Sie sind schuld, dass er hier in diesem Loch sitzt. Nur weil er die Dummköpfe verprügelt hatte. Und dabei einige krankenhausreif schlug. Sie hatten es verdient, doch diese Meinung hatten die Bullen nicht geteilt. Deshalb wurde er zu einem halben Jahr Knast verurteilt. Noch nie hat er jemanden so sehr gehasst, wie diese Arschlöcher. „Ganz genau, denke ich." Ray rammt sein Messer in eine Kartoffel. „Und daran, wie ich mich an ihnen rächen werde."
Von ein Uhr bis vier Uhr nachmittags müssen alle Häftlinge in ihren Zellen sein. Ray liest ein Buch, während Mirroe ununterbrochen einen Ball an die Wand wirft und ihn wieder auffängt. Schliesslich unterbricht er seine Tätigkeit und schwingt sich neben seinem Zellengenossen aufs Bett.
„Hey Sweetie, ich habe nachgedacht", beginnt er und rammt Ray seinen Ellenbogen in die Seite. Dieser unterbricht das konzentrierte Lesen und schaut verärgert hoch. „Du sollst mich nicht immer Sweetie nennen", knurrt er. Mirroe ignoriert ihn und redet weiter. „Vor kurzem hat mich ein alter Kumpel besucht. Er heisst Jason. Wir haben geredet und dann hat er mir beiläufig etwas Spannendes erzählt." Ray legt das Buch nieder und ist ganz Ohr. Wenn Mirroe das Wort spannend in den Mund nimmt, ist es auch so.
„Also:" Mirroe macht eine Kunstpause. „Durch einen seiner Bekannten ist Jason an einige Jugendliche geraten. Mike, das ist der Bekannte, hat Jason berichtet, dass einige seiner Freunde und er nach einigen Scheinen suchen. In einem Steinbruch. Er hat Jason gefragt, ob er mitmachen will. Angeblich werde nach mehreren Millionen Dollar gegraben. Jason hat natürlich ja gesagt."
„Warum erzählst du mir das?", unterbricht Ray mit gerunzelter Stirn. „Na ja." Mirroe grinst breit. „Ich habe gefragt, ob da sonst noch jemand mitarbeitet, den ich kenne. Du weisst ja, ich bin immer neugierig bei solchen Dingen." Der Junge mit den rot gefärbten Haaren lächelt schadenfroh. „Zum Glück habe ich nachgefragt! Denn Jason hat mir einige Namen genannt die mir krass bekannt vorkamen. Leider ist es mir nicht sofort eingefallen. Aber vorher in der Küche, bei deiner schlechten Laune, schoss es mir wie ein Blitz durch mein intelligentes Gehirn. Dreimal darfst du raten." Mirroe lehnt sich zurück.
„Keine Ahnung, jetzt spuck's schon aus!", sagt Ray gereizt. „Rick, Jack, Joaquin, Hayden... Willst du noch mehr hören?" „Nicht dein Ernst??" Ray schnappt nach Luft. „Mein Ernst." Zufrieden schmeisst Mirroe den Ball wieder an die Wand. „Du wolltest dich an ihnen rächen? Hier hast du was! Wenn die Idioten ihre mühsam erbuddelte Kohle finden, schnappen wir sie uns. Jason habe ich bereits informiert. Falls wir noch nicht aus diesem Scheissknast hier raus sind, wenn die Moneten auftauchen, wird ER sich darum kümmern."
Begeistert schlägt Mirroe seinem Zellenkollegen mit der Faust auf den Oberarm. „Damit schlagen wir gleich zwei Bienen mit einer Klappe: DU kriegst deine Rache; Monatelang schuften und sie haben nicht mal den Preis dafür und ausserdem sind WIR dazu auch noch reich."
„Das heisst zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen", knurrt Ray, kann sein boshaftes Grinsen aber nicht verbergen. „Kann ich es Erkan und Liam mitteilen?" „Natürlich kannst du deinen Freunden davon berichten, du Klugscheisser." Mirroe pfeffert seinen Ball mit einer solchen Wucht an die Wand, dass Putz abbröckelt.
„Ihre Hilfe können wir bestimmt gut gebrauchen. In einer Woche ist es so weit. Geld wir kommen!"
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