Kapitel 22
Wieder vereint beraten sie, wie ihr weiteres Vorgehen aussieht. Alle sind sich einig, dass in diesem Steinbruch etwas nicht stimmt.
„Wenn der Steinbruch so gefährlich wäre, wie das Schild davor warnt, könnte sich ganz bestimmt niemand mit Jule-Aussehen dort aufhalten", spielt Rick auf die Klassentussi an und spricht aus, was alle denken. „Die Sache ist klar: Wir müssen weiter in den Steinbruch hinein!"
„Was ist mit der Schule?", fragt Aleyna. „Die erste Stunde haben wir doch sowieso geschwänzt. Dann können wir es auch mit den anderen tun. Ausserdem habe ich keine Lust, Ray und seinen Untertanen zu begegnen. Also was soll's!", entgegnet Hayden trocken. Die anderen nicken, auch wenn Liv und Aleyna nicht ganz glücklich damit sind. „Ist ja für nen guten Zweck." Jack zwinkert den beiden Mädchen zu. „Keine Sorge, wird schon schief gehen!"
Nach einigem Diskutieren entscheiden die Freunde, sich an diesem Abend genauer im Steinbruch umzusehen. In der Dunkelheit ist die Wahrscheinlichkeit kleiner, von den Leuten dort gesehen zu werden. Ausserdem kommen sie leichter am Bauern vorbei. Weil sie das Schild vor dem Steinbruch aber immer noch in ihren Gedanken haben, beschliessen sie einstimmig, ins Einkaufszentrum zu gehen und sich nützliche Dinge zu besorgen. Zum Glück haben die Parker Kinder und Eric genügend Geld.
Beladen mit guten Schuhen, Helmen, einigen Seilen und einem Nachtsichtgerät, verlassen die Jugendlichen vier Stunden später das Einkaufszentrum. Sie sind ziemlich erschöpft. „Ich hätte nie gedacht, dass Einkaufen so anstrengend sein kann", schnauft Rick. „Bis wir für jeden die passenden Schuhe gefunden haben, ist aber auch eine halbe Ewigkeit vergangen", erwidert Helen Kopfschüttelnd. „Letztes Mal sind wir ja leider nicht in den Genuss gekommen, weil ein paar nette Jungs uns aufgehalten haben", sagt Jack mit zynischer Stimme und fasst sich an seinen Nasengips. Beim Gedanken daran berühren die anderen ebenfalls ihre Verletzungen.
Eric unterbricht die Stille. „Das Nachtsichtgerät ist aber richtig cool." Er ist begeistert. „Wenn man dieses Gerät vor die Augen hält, erscheint die ganze Umgebung in einem grünlichen Licht. Tritt aber ein Körper mit Wärme in das Bild, kann man es aufgrund eines rötlichen Schimmers sofort sehen." „Damit werden wir hoffentlich rechtzeitig merken, wenn jemand Ungebetenes sich in unserer Nähe aufhält." Rick kickt einen Stein vor sich her. „Wie eine rothaarige Tussi?", grinst Liv.
„Und was machen wir noch, bis es dunkel wird?", will Aleyna wissen. „Etwas essen." Jacks Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. „Ich habe mächtigen Kohldampf. Kann mir einer von euch erklären, wie diese Shopping Mädels jedes Wochenende einkaufen gehen können? Das ist ja schlimmer als ein Marathon!" Die anderen lachen.
„Wie wär's, wenn wir nach dem Essen Jo einen Besuch abstatten?", fragt Hayden in die Runde. „Guter Plan. Also los!" Jack setzt sich ohne zu zögern in Bewegung. Schmunzelnd gehen die anderen hinterher.
Joaquins Zustand verbessert sich zunehmend. Er kann sogar wieder einigermassen gut sprechen, wenn auch etwas undeutlich. Mit ihrem Plan ist er ebenfalls einverstanden.
Um acht Uhr abends machen sich die Freunde auf den Weg. Es hat angefangen zu schneien. „Warum muss es unbedingt genau jetzt gefrorene Regentropfen vom Himmel schmeissen?" Missmutig stapft Rick vorneweg. „Wenn es im Steinbruch wirklich Menschen hat, können sie unsere Spuren sehen." „Wir aber auch ihre", erwidert Eric, „so finden wir Chris und Diego vielleicht schneller." „Wenn sie dort sind!" Helen pustet sich in ihre kalten Finger. „Sie sind dort! Hoffentlich..." Jack schüttelt sich wie ein nasser Hund. „Ich habe nämlich keine Lust, vergebens in diesem Mistwetter dorthin gestapft zu sein."
„Wie wär's, wenn der hinterste von uns mit einem Zweig die Spuren verwischt? Das habe ich mal in einem Film gesehen", mischt Liv sich ein. „Gute Idee!" Hayden sieht sich sofort nach einem passenden Zweig um. „Soll ich das übernehmen?", bietet Aleyna an. „Gerne!" Ricks Optimismus steigt wieder ein wenig. „Jetzt sind es nur noch 99%, das schiefgehen kann. Super!", sagt Jack ironisch. „Ach halt den Mund!" Helen rempelt ihn an. „Sonst passiert wirklich noch etwas."
Etwa eine Stunde später treffen sie an der Grenze zum Grundstück des unfreundlichen Bauern ein. Eric setzt das Nachtsichtgerät auf. Seine Umgebung wird in ein grünes Licht getaucht. „Woow." Begeistert dreht sich Eric um sich selbst. „Wie cool ist DAS denn? Ihr seid ja richtig rot." Er lacht. „Bleib professionell Eric!" Liv schaut ihn strafend an. „Sonst verrätst du uns noch."
Geduckt schleichen die Freunde über den Acker des Bauern. Aleyna zieht dabei den Zweig hinter sich her und wedelt damit herum. So verwischt sie ihre Spuren.
Beim Steinbruch angekommen, steigen sie vorsichtig über den kleinen Zaun, immer darauf bedacht, möglichst in die Fussabdrücke ihres Vordermannes zu treten. So kann Aleyna ihren Job besser ausführen. Sie setzen sich die Helme auf und binden die Seile an ihren Körper, falls jemand ausrutscht, oder schlimmeres. Dann dringen sie immer weiter zum Steinbruch vor.
Plötzlich hebt Rick, der an der Spitze geht, die Hand. Sofort bleiben alle stehen und ducken sich hinter die Gebüsche. „Seht ihr das?", flüstert Hayden, „dort flackert etwas." „Sieht nach einem Feuer aus. Ich schlage vor, dass sich zwei von uns näher pirschen." Jack sieht nach hinten. „Ich komme mit", sagt Rick schnell. Sie binden sich von den Seilen los und schleichen gemeinsam näher.
Ein Lachen ertönt. „Hat sie nicht gemacht. Wirklich?" Die Stimme verstummt. Kurze Zeit später erklingt sie wieder. „Du kannst ihr ausrichten, dass sie nicht so viel Alkohol trinken soll. Das tut ihr nicht gut. Tipp von Onkel Ash." Er lacht wieder schallend.
„Der telefoniert", bemerkt Rick leise. „Habe ich bemerkt", flüstert Jack zurück. Noch eine ganze Weile plaudert Ash ins Telefon und kichert dabei wie ein kleines Mädchen. Zehn Minuten später hängt er endlich auf. Die beiden Jungs sehen sich vielsagend an. „Fast so schlimm wie Mareike", raunt Rick und rollt mit den Augen, „einige dieser Dinge, die er gelabert hat, wollte ich, ehrlich gesagt, nicht so genau wissen. Was machen wir jetzt?" „Warten wir noch ein wenig." Jack verlagert sein Gewicht auf das linke Bein. „Vielleicht passiert noch etwas Interessantes."
Tatsächlich: Etwa drei Minuten später klingelt das Handy von Ash. Er nimmt ab. „Ja?", fragt er und horcht. „Okay ist gut. Aber bring dieses Mal genügend Futter mit! Einer der beiden Jungs ist heute zusammengebrochen. So kommen wir niemals vorwärts. Ich muss schon viel zu lange in diesem Drecksloch sitzen." Er spuckt auf den Boden. „Mach das. Bis morgen!" Ash hängt auf und grummelt vor sich hin. Die gute Laune von vorhin ist wie weggefegt.
Noch eine ganze Weile hocken Rick und Jack in ihrem Versteck, doch es passiert nichts mehr. Ash sitzt unbeweglich auf seinem Platz am Feuer und spielt irgendein Ballergame auf dem Handy. Ab und zu flucht er leise. Sonst ist es still. „Komm, wir gehen zurück zu den anderen", teilt Jack seinem Freund im Flüsterton mit. Dieser nickt.
Zurück bei Helen, Hayden, Eric, Liv und Aleyna erzählen sie ihnen das Gehörte. „Er hat von zwei Jungs gesprochen!" Helen fuchtelt aufgeregt mit den Händen. „Bestimmt hat er damit Chris und Diego gemeint!" „Könnte sein, aber wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen", beschwichtigt Eric sie, „Fakt ist, wir müssen nochmals zurück. Heute Abend ist es zu spät. Ausserdem brauchen wir einen Plan, wie wir an diesem Ash vorbeikommen. Er scheint wohl so was wie eine Wache zu sein." Die anderen sind gleicher Meinung.
Aleyna schleicht nochmal zurück und verwischt die Spuren von Rick und Jack, denn es hat aufgehört zu schneien. Dann gehen sie nach Hause.
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