Schwarze Magie
Vorwort:
Ihr Lieben!
Bitte erschreckt nicht, denn diese Kurzgeschichte ist ein wenig düsterer, als meine anderen Sachen, die ich bisher veröffentlicht habe.
Aber keine Sorge; die Geschichte bleibt nicht so traurig, wie sie beginnt.
Vielleicht haltet Ihr ja bis zum Ende durch?
So oder so wünsche ich euch gute Unterhaltung.
Liebe Grüße,
Eure Ginger
_______________________________________________
Prolog
Sie küssten sich und beide waren sie so glücklich, jung und wirkten, als hätten sie noch ihr ganzes Leben vor sich. Stiles sagte etwas und brachte Derek damit zum Lachen, was weitere Küsse, Worte und Liebkosungen nach sich zog.
Ihr im Schatten der Nacht verborgener Beobachter konnte nicht verstehen, oder sich erinnern, was gesprochen wurde, aber er ahnte, dass es irgendwelche süßen Belanglosigkeiten waren und er HASSTE diese beiden für ihr Glück!
Und den Jungen, mit seiner Arglosigkeit und Unschuld würde er am liebsten umbringen!
Denn er war schuld, dass alles überhaupt so weit kommen konnte. Er hatte Derek in falsche Sicherheit gewiegt und dafür gesorgt, dass er unvorsichtig wurde. Alles nur für ihr kurzzeitiges Glück, für die Freude am flüchtigen Moment.
Hätte Stiles Derek nicht derart eingelullt.
Hätte er ihn doch einfach der misstrauische, grantige Einzelgänger sein lassen, der er einmal war.
Hätte er nicht seine ganze Kraft darin investiert, eine Liebesbeziehung mit ihm zu beginnen, dann wäre er noch da!
Dann wären sie alle noch da!
Aber nein!
Dieser Junge war so unglaublich kurzsichtig und egoistisch!
Doch er würde Stiles dazu zwingen, das alles wieder in Ordnung zu bringen, dachte der Schattenmann, denn er mochte zwar ansonsten alles verloren haben, aber von einer Sache hatte er mehr als je zuvor und das war MACHT!
Die Macht, die Dinge wieder zu richten.
Nachdem Derek sich endlich verabschiedet hatte, trat der Beobachter von hinten an Stiles heran und tippte ihm auf die Schulter.
Der Junge blickte ihn fassungslos an:
„What the f...?" rief aus:
„Du? Wie ist das überhaupt möglich?"
Schwarze Magie
Die heiligen Krieger hatten ganze Arbeit geleistet, Köpfe von Körpern getrennt , Muskeln, Sehnen, Knochen und Organe mit Schwertern durchbohrt und Leben ein für alle Mal beendet.
Nun lagen die Leichen aller, die Stiles je geliebt hatte aufgetürmt zu einem blutigen, grausigen Haufen toten Fleisches mitten auf der nächtlichen Hauptstraße.
Malia war als Erste gefallen und gleich danach Kira, Isaac und Cora.
Derek hatte mit Schrecken den Tod seiner Schwester und seiner Cousine mit angesehen, was seine Wachsamkeit beeinträchtigt hatte und so war sein Kopf der nächste, der gefallen war.
Liam war bei dem Versuch gestorben, seinen Alpha zu verteidigen, doch es war sinnlos gewesen, denn sowohl er, als auch Scott verloren ihr Leben in dieser blutigen Schlacht.
Lydia hatte jeden dieser Tode gefühlt, ehe sie geschehen waren, einschließlich ihres eigenen, doch hatte sie sie nicht verhindern können.
Dr. Deaton starb durch ein Schwert in seiner Kehle.
Chris Argent und John Stilinski hatten ihre Magazine leer geschossen, sich danach noch eine erstaunlich lange Zeitspanne mit Fäusten am Leben gehalten, doch irgendwann waren auch sie gestorben: Kämpfend, Rücken an Rücken!
Nachdem Danny Ethan hatte fallen sehen, war es ihm egal gewesen, was mit ihm selbst geschah. Ein Schwerthieb war quer durch seinen Oberkörper gegangen und hatte ihn beinahe komplett zweigeteilt.
Und nun war alles still!
Die Freunde, ihre Gegner: Alle waren tot!
Die einzigen, die diesem Massaker entgangen waren, waren Stiles und Peter Hale!
Stiles trat auf den Leichenberg zu und legte sich mitten hinein, streichelte die blutüberströmten Leiber und barg den abgetrennten Schädel seines Ehemannes in seinen Armen.
Er würde ganz einfach hier liegen bleiben, denn hier gehörte er her.
Ihm war ohnehin unbegreiflich, wieso ausgerechnet er nicht tot war:
„Komm' Stiles. Wir müssen hier weg!"
Das war die Stimme von Peter.
Klar, dass der noch lebte.
So, wie die Kakerlaken die Letzten sein würden, die auf der Erde das Licht ausmachten, so war auch Peter natürlich einer der letzten Überlebenden einer Schlacht, der alle, die sie gekannt hatten zum Opfer gefallen waren.
So einer wie er war einfach nicht tot zu kriegen:
„Komm' ich bringe dich von hier weg!" sagte Peter sanft und umfasste Stiles Oberkörper, um ihn fortzuziehen. Stiles jedoch klammerte sich mit aller Kraft an den Toten fest und hatte keineswegs die Absicht, mit ihm zu gehen. Peter musste all seine Wolfskraft aufbringen, ehe es ihm gelang, Stiles Finger zu lösen. Er schleppte ihn fort und flüsterte:
„Es ist in Ordnung Stiles! Ich bin bei dir! Ich werde mich um dich kümmern! Alles wird gut!"
'Alles wird gut?'
Wovon zum Teufel redete der Kerl?
Nichts würde jemals wieder gut werden.
Er war zweiunddreißig Jahre alt, Vollwaise, Witwer und hatte jeden Freund verloren, den er je besessen hatte.
Sein Leben war vorbei!
Stiles hatte keine Ahnung, wohin Peter ihn schleppte. Er hatte ihn geschultert und sie beide mussten wohl ein ziemlich groteskes Bild abgeben, dachte Stiles sinnloser Weise.
Er fühlte sich mit einem Mal zu schwach, um sich weiter gegen Peter zu wehren. Seine Muskeln gehorchten ihm ganz einfach nicht mehr und so ließ er es geschehen, fortgebracht zu werden.
Peter setzte Stiles in sein Auto, schloss für ihn den Gurt und fuhr los. Ein paar Minuten später hielten sie vor dem Loft; Peters zuhause.
Stiles wurde, wieder ohne Gegenwehr geschultert, nach oben getragen und ins Bett gelegt.
Niemals hätte Stiles gedacht, dass er eines Tages im Bett dieses Mannes liegen würde - einem der gefährlichsten Orte auf der Welt - zumindest für ihn!
Doch nun, da er hier lag, war es Stiles vollkommen gleichgültig.
Peter verschwand für einen Moment und kehrte kurz darauf wieder; mit einem kleinen Fläschchen und einer Spritze, die er aufzog. Er griff nach Stiles Arm, desinfizierte ihn mit einem kleinen Tupfer und stach die Nadel hinein.
Im Wegdämmern dachte Stiles noch, dass er Peter nie für einen Giftmörder gehalten hätte.
Aber vielleicht war das heutige Blutvergießen ja selbst einem wie ihm zu viel und alles, was er jetzt noch wollte, war ein leiser Tod, um den Tag ausklingen zu lassen?
Seltsam nur, dass er sich die Mühe gemacht hatte, ihn vorher zu desinfizieren?
Als Stiles zu seiner Überraschung irgendwann wieder erwachte, schien der helle Tag durch die große Fensterfront über dem Bett. Es dauerte ein paar Momente, bis die Erinnerungen zu ihm zurückkehrten, doch dann trafen sie ihn, wie ein Schlag mit einem Vorschlaghammer. Er war starr, unfähig sich zu regen, zu weinen, oder zu sprechen.
Er registrierte wie durch einen Nebelschleier, dass er umgezogen und vom Blut gereinigt worden war, als er geschlafen hatte. Auch die wenigen kleinen Kratzer, die er selbst von der fatalen Schlacht davongetragen hatte, waren versorgt worden. Die Kleider, die er trug waren seine eigenen, also musste Peter zwischenzeitlich drüben im Apartment gewesen sein.
Nun war der Werwolf plötzlich bei ihm, nahm auf der Bettkante Platz, hielt ihm eine Wasserflasche an die Lippen und befahl:
„Trink!"
Dann verschwand er, kam mit einem Joghurt wieder, löffelte etwas aus dem Becher und forderte:
„Iss!"
Peter fütterte ihn, wie ein kleines Kind.
Stiles war auch in den nächsten Tagen nicht in der Lage, irgendetwas selbstständig zu tun, oder auch nur zu sprechen und Peter versorgte ihn, wie ein Wolf ein krankes Rudelmitglied pflegen würde. Immer wieder die Befehle „Iss!" oder „Trink!" und wenn Stiles sich weigerte, sperrte Peter seinen Mund gewaltsam auf und zwang ihn. Er brachte ihn sogar zur Toilette.
Und nachts lag Peter hinter Stiles, schlang einen Arm um ihn und hielt ihn warm.
Stiles wartete auf den Moment, in dem Peter wieder anfangen würde, Peter zu sein und irgendetwas Furchtbares, Grausames oder Erschreckendes tun würde und an einem Morgen schien es dann so weit zu sein. Peter stand neben dem Bett und zog sich aus. Als er nackt war, fing er auch damit an, Stiles seine Kleider abzunehmen.
Stiles schaute ihm dabei zu und ahnte, was nun kommen würde, doch es war ihm vollkommen gleichgültig.
Peter hatte ihn bis hierhin am Leben gehalten; sollte er sich also auch seinen Preis dafür abholen.
Stiles verstand bloß nicht, warum er das, was er vorhatte nicht einfach hier im Bett erledigen konnte. Stattdessen schleifte er ihn hinüber ins Badezimmer. Dort angekommen stellte er ihn unter die Dusche und ging mit ihm hinein, stellte das Wasser an, begann ihn einzuseifen, wusch ihm das Haar und versuchte weiter gar nichts.
Stiles blickte den Älteren überrascht an.
Als er später in einen riesigen Bademantel gehüllt auf dem Bett saß, fand Stiles zum ersten Mal seit Tagen seine Stimme wieder:
„Wie machst du das Peter?" fragte er kratzig:
„Wovon sprichst du?" wollte der Werwolf wissen:
„Sie sind alle tot, sogar deine eigene Tochter! Wie machst du einfach weiter?" erwiderte Stiles.
„Ich habe doch einen Job zu erledigen!" erklärte Peter schulterzuckend.
Stiles musste nicht fragen, welchen.
Peter glaubte offenbar neuerdings, seine Aufgabe sei es, ihn, Stiles nicht sterben zu lassen.
„Morgen sind die Beerdigungen!" sagte Peter plötzlich: „Willst du hingehen?"
Stiles nickte.
Er hätte gedacht, dass er Weinen müsste, wenn er die Särge sehen würde oder das tränenüberströmte Gesicht von Melissa McCall, doch in Stiles herrschte Eiszeit. Auch die Anordnung der Gräber, Ethan neben seinem Bruder Aiden, Chris neben Allison und seiner Frau, Kira neben Scott, Derek und Malia im Hale-Mausoleum, sein Vater neben seiner Mutter... all' das ließ ihn vollkommen kalt!
Das einzige Gefühl in ihm war Zorn; kalter Zorn darüber, dass sie ihn mit Peter allein zurückgelassen hatten, darüber, dass sie gestorben waren, um IHN zu schützen, Zorn auf Gott, falls es ihn gab und Zorn auf Peter, der sich einfach weigerte, das Monster zu sein, dass er hassen konnte.
Nachdem er alle, die er geliebt hatte unter die Erde gebracht hatte, löste sich Stiles Erstarrung Stück für Stück und er bedurfte nicht mehr in derselben Weise der Fürsorge Peters, wie zuvor.
Dennoch blieb er bei ihm und sie lebten danach beinahe wie ein merkwürdiges Ehepaar miteinander, aßen gemeinsam, gingen einkaufen oder schliefen im selben Bett.
Und so war es auch nicht erstaunlich, was an diesem Morgen geschah. Stiles erwachte und er wusste gleich, was es war, was er da in seinem Rücken fühlte. Peter rückte von ihm ab und entschuldigte sich, doch Stiles wandte sich zu ihm um, langte unter die Decke und flüsterte:
„Ist O.K.!"
Der Sex mit Peter hatte definitiv nichts mit irgendetwas zu tun, was Stiles von früher her kannte.
Sie küssten einander nicht.
Sie hielten sich nicht mit einem nennenswerten Vorspiel auf.
Nein, diese Dinge würden sich viel zu sehr nach Liebe anfühlen und Liebe war ein Anachronismus für Stiles, etwas, das der Vergangenheit angehörte, aber hier und heute definitiv nichts mehr zu suchen hatte.
Ein verblasstes Foto!
Sie taten es von da an regelmäßig.
Mit Peter war es hart, schnell, ehrlich, oft genug auch grob, doch Stiles beschwerte sich nicht. Im Gegenteil! Es war genau das, was er brauchte, um bei Verstand zu bleiben; das was er brauchte, um seinen Hass am Brennen zu halten.
Doch irgendwie schaute Peter ihn in letzter Zeit immer häufiger so merkwürdig an.
Er sah dabei ein wenig aus wie sein Vater es getan hatte, wenn Stiles als Teenager Mist gebaut hatte: Sorgenvoll, lieb, bedrückt!
Und Stiles hasste es!
Was dachte Peter sich nur bei so einem Blick?
Wenn es nicht so sinnlos gewesen wäre, aufgrund Peters überlegener Stärke und seiner Heilungsfähigkeit, hätte er ihm liebend gern nach allen Regeln der Kunst die blöde, mitfühlende Fresse poliert.
Und so tat Stiles das Nächstbeste.
Er öffnete sich selbst und auch Peter die Hose, langte hinter sich nach den Hüften des Anderen, um ihn an sich heranzuziehen und beugte sich über einen Tisch, doch dann spürte er Peters Zögern:
„So will ich das heute nicht!" sagte dieser nachdrücklich und drehte den Menschen zu sich herum: „Ich will das wir es ein einziges Mal tun, während du mich dabei ansiehst."
Stiles wollte ihn nicht einmal ansehen, während sie dieses Gespräch führten!
Schon gar nicht, während sie etwas taten, was er im Grunde selbst nicht verstand und verwirrender Weise gleichzeitig hasste und brauchte.
Statt einfach in seine offene Hose zu greifen und sich zu nehmen, was er wollte, wie sonst auch, streichelte Peter nun unglaublicher Weise Stiles Gesicht, fuhr mit den Fingern sanft durch seine Haare und ließ dann seine Hände zärtlich über seinen Oberkörper wandern:
„Hör' auf damit!" rief Stiles aufgebracht: „Wir sind nicht im Mädcheninternat! Wir sind auch kein Liebespaar! Entweder besorgst du es mir jetzt, oder du verschwindest, Hale!"
„Du machst mir langsam Angst!" murmelte Peter.
Stiles lachte hart:
„Sissy!" spottete er.
Doch in seinem Inneren machte sich Kälte breit, während er dachte: 'Wenn der Teufel anfängt dich zu fürchten, dann hast du möglicherweise wirklich ein Problem, Stilinski?'
Peter wirkte irgendwie verletzt.
Das setzte natürlich voraus, dass er so etwas wie ein Herz hatte und Gefühle, die verletzt werden KONNTEN.
Also entweder war das hier geschicktes Mimikry, oder Stiles war da tatsächlich auf den winzigen Funken Menschlichkeit in Peter Hale gestoßen. Und immerhin war dieser Kerl, egal wie furchtbar er war das Einzige, was Stiles geblieben war:
„O.K. Großer Junge. Tut mir leid! Wir machen es auf deine Weise!" murmelte er also.
Stiles ließ sich von Peter ausziehen und sah ihm zu, wie dieser sich langsam seiner eigenen Kleider entledigte.
Sie umarmten einander einen Moment lang und irgendwann wurde Stiles von dem Älteren angehoben und schlang die Beine um dessen Hüften.
Sie taten es im Stehen, gegen eine Wand gelehnt.
Es war sanfter und intimer, als Stiles es mit diesem Werwolf je erlebt hatte.
Es fühlte sich beinahe an wie etwas, das er aus einem anderen Leben kannte.
Tatsächlich gelang es Stiles fast die ganze Zeit, Peter in die Augen zu sehen, während dieser in ihm war und als Stiles kam, kamen auch die Tränen, verfluchte Scheiße!
„Ich hasse dich dafür, du Mistkerl!" rief er hinterher aus, machte sich von Peter los und rannte ins Badezimmer, wo er den Schlüssel im Schloss umdrehte und mit dem Rücken gegen eine Wand gelehnt zu Boden sank.
Peter hatte erreicht, was er beabsichtigt hatte, nur war er sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, oder doch eher der letzte kleine Stoß zwischen Stiles und dem gähnenden Abgrund.
Stiles fluchte innerlich vor sich hin.
Der elende Bastard sollte krepieren!
Er wünschte ihm einen langen und qualvollen Tod!
Wenn er so anfing; wenn er jetzt damit begann ihn retten und therapieren zu wollen, dann musste Stiles schnellstmöglich weg von ihm!
Er erhob sich, ging zum Waschbecken und spritzte sich Wasser ins Gesicht.
Dann trat er wieder aus dem Badezimmer, klaubte seine Kleidung vom Boden und zog sich an.
Peter hatte bereits seine Hosen wieder an und hockte nun mit hängendem Kopf auf dem Bett:
„Was ist los, Hale. Schmollst du jetzt?" spuckte Stiles aus.
Peter blickte müde zu ihm auf und erklärte:
„Ich mache da nicht mehr mit, Stiles. Ich werde nicht länger das Werkzeug zu deiner Selbstbestrafung sein!"
„Selbstbestrafung?" schnappte Stiles: „Wovon zum Teufel redest? Ich will bloß diese eine Sache von dir. Wenn du es nicht bringst, dann verschwinde ich!"
Es kam keine Antwort und so sammelte Stiles das Wenige ein, was er bei Peter hatte; ein paar Klamotten, seine Schlüssel, sein Telefon, seine Geldbörse und verließ das Loft.
Peter machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten.
Stiles musste wohl einige Stunden ziellos in Beacon Hills umher gelaufen sei, als ihm plötzlich klar wurde, was er tun musste.
Doch dazu brauchte er Macht!
Und er wusste auch, woher er sie bekommen konnte.
Er tat etwas, was er seit einer Ewigkeit nicht mehr versucht hatte; er stellte seine magischen Sinne scharf.
Und hochzufrieden stellte er fest, dass es funktionierte.
Er konnte Hexen und Hexer in allen Himmelsrichtungen erspüren.
Die nächsten Wochen brachte Stiles damit zu, sie ausfindig zu machen, um sie dann zu benutzen, wie Steckdosen: Er nahm sich ihre Kräfte, vereinigte sie mit seinen eigenen und wenn er hatte, was er brauchte verschwand er, ohne sich noch einmal umzudrehen!
Und schließlich war es soweit: Er hatte ausreichend Stärke für sein Vorhaben gesammelt und konnte sich auf den Weg machen.
Die Reise war weit und doch war es beinahe so einfach für ihn, wie durch eine Tür zu treten.
Der Trip war ein wenig holprig gewesen und Stiles hatte so etwas ja auch noch nie gemacht. Er fühlte ein kleines bisschen Übelkeit. Es war beinahe wie Seekrankheit, was irgendwie auch Sinn machte fand Stiles, nur dass er statt auf Wasser eben auf dem Strom der Zeit unterwegs gewesen war.
Er zog sich seine Kapuze über den Kopf, um nicht gleich von irgendwem erkannt zu werden und damit Verwirrung zu stiften.
Eigentlich kannte Stiles sein Ziel genau und konnte sich Umwege nicht erlauben, aber er konnte dennoch nicht widerstehen.
Im Schutz der Nacht blickte er durch das Fenster des Reviers und dort sah er ihn; mit einem Kaffee in der Hand in einen Stapel Papiere vertieft und am liebsten wollte er hineinstürmen, sich an seine Schutz spendende Brust werfen und rufen: „Bitte Daddy, mach' das alles wieder gut wird! Mach' das es aufhört, weh zu tun, bitte, bitte!" und war im gleichen Moment entsetzt über diesen lächerlichen Impuls.
Stiles straffte seine Schultern.
Es war eine saudumme Idee gewesen, hierher zu kommen. Er hatte eine einzige simple Sache zu erledigen und musste dann wieder verschwinden.
Das war doch wohl nicht so schwer?
Er hatte definitiv weder die Zeit, noch konnte er es sich leisten, hier wie ein erbärmlicher Jammerlappen herumzustehen und in Sehnsucht nach seinem Vater zu zerfließen, also machte er sich auf den Weg zu seinem eigentlichen Ziel, suchte sich ein Versteck in einer Gasse und legte sich auf die Lauer. Er blickte hinauf zu dem großen Fenster und sah an dem flackernden Licht, dass dort Kerzen brannten. Er wusste, was die beiden dort gerade taten. Seine Knöchel traten weiß hervor, so stark hatte er die eigenen Hände zu Fäusten geballt.
Galle stieg bitter in ihm auf.
Und nun kamen die beiden aus dem Haus. Klar, dass Derek sein jüngeres Ich noch hinaus begleitete. Er hatte sich niemals gut trennen können!
Von seinem Versteck aus verdrehte der ältere Stiles entnervt die Augen-
Gesäusel und Geknutsche!
'Macht mal 'nen Punkt Leute und verschwinde endlich Derek!' dachte er grimmig und ungeduldig bei sich.
Und dann war es so weit! Derek war wieder hinein gegangen und der süße, kleine, zwanzigjährige Stiles trabte arglos zu seinem Jeep.
Der Ältere näherte sich ihm lautlos von hinten und tippte ihm auf die Schulter:
„What the f...? Du? Wie ist das überhaupt möglich?" murmelte der Kleine fassungslos:
„Halt die Klappe, Stiles. Ich habe jetzt keine Zeit für lange Erklärungen. Das kommt später, aber nun müssen wir los!"
Und mit diesen Worten griff sich Stiles sein jüngeres Ebenbild und stieß ihn durch die Tür, die er in das Gewebe der Zeit gerissen hatte.
Sie kamen am gleichen Ort, aber zwölf Jahre in der Zukunft, ebenfalls bei Nacht an. Das Erste, was Stiles Junior tat, war in die Knie zu gehen und sich auf den Asphalt zu erbrechen.
Der Ältere seufzte, zog ein Taschentuch hervor und erklärte:
„Der Trip kann ein bisschen rau sein. Wisch dir den Mund ab!"
„Trip?" fragte der Jüngere ratlos und realisierte dann, dass sein Auto nicht mehr da war.
Er betrachtete den Anderen und stellte dann fest:
„Du bist ich! Aber du bist Älter! Du hast mich offensichtlich in deine Zeit geholt. Und... ein Dreitagebart steht uns überhaupt nicht!"
Stiles, der Ältere nickte anerkennend:
„Klingt es eingebildet, wenn ich beeindruckt bin, wie clever wir sind?" fragte er und fügte mit einem Grinsen hinzu: „Übrigens: Du hast keine Ahnung! Mit Dreitagebart sehen wir fantastisch aus!"
Der Jüngere Stiles erhob sich wieder:
„Geht so! Und überhaupt: Wenn ich das da..." er deutete auf das Gesicht des Älteren: „...im Spiegel sehen würde, würde ich zum Arzt gehen! Dass da unter deinen Augen als dunkle Schatten zu bezeichnen wäre noch ein Kompliment und außerdem die Untertreibung des Jahrhunderts. Und du bist total abgemagert. Was ist mit dir? Kürzlich mal wieder Besuch vom Nogitsune erhalten?"
„So sieht man wohl aus, wenn das eigene Leben vorbei ist!" erwiderte der Ältere ungerührt:
„Du bist ein Zombie?" der Jüngere schnupperte: „Du riechst aber noch recht frisch!" stellte er fest:
Senior seufzte ungeduldig:
„Ich revidiere meine Meinung über deine Cleverness. Du bist ein Idiot! Das war bloß eine Redewendung! Und zu deiner Frage: Mir geht' s grad' nicht so toll; das ist alles! Und da kommst du ins Spiel!"
„Ja, das wäre gleich meine nächste Frage gewesen. Was zur Hölle willst du von mir? Wieso hast du mich hergeholt?" verlangte der junge Stiles zu erfahren:
„Eigentlich nicht viel. Ich will, dass du ein paar Dinge siehst und dann bringe ich dich nachhause, damit du nicht die Fehler machst, die ich gemacht habe und wir uns dann an diesem Punkt in unserem Leben..." er deutete vage in Richtung des Bodens unter ihnen, als könne er damit das Hier und Jetzt genau erfassen: „...nicht bis zum Hals in DER Jauchegrube befinden, die heute mein Leben ist!"
„Du sprichst in Rätseln!" stellte der Jüngere fest: „Ich gehe jetzt hinauf zu Derek und lasse mir von ihm erklären, was hier eigentlich vorgeht."
Eigentlich wollte der Ältere ihn aufhalten, doch dann trabte er ihm hinterher und murmelte:
„Na schön! Eigentlich ist es egal. Wir können unsere Lektion auch hier beginnen."
Das Apartment stand leer und es roch nach verrottenden Früchten. Die Ursache hierfür hatte der zwanzigjährige Stiles schnell gefunden und leerte die Obstschale, die im Grunde nur noch matschigen, stinkenden Brei enthielt in den Mülleimer, nahm auch gleich den Beutel heraus, verknotete ihn fest und stellte ihn vor die Tür.
Solche Nachlässigkeiten sahen Derek nicht ähnlich, dachte er beunruhigt, während er die Schale abspülte.
Als hätte er die Gedanken des Jüngeren gelesen sagte der ältere Stiles:
„Dort, wo Derek jetzt ist, könnte es ihm nicht gleichgültiger sein, ob unsere Wohnung verkommt!"
Der Jüngere musste nicht fragen, was das bedeutete. Der Blick auf sein hageres, verbittertes, älteres Ebenbild reichte:
„Dein Derek ist tot!" stellte er mit belegter Stimme fest.
Stiles Senior tat das, was dem Jüngeren wie der Weltuntergang vorkam, mit einem Schulterzucken ab.
Junior rollten ein paar riesige Krokodilstränen über die Wangen hinab:
„Bist du deswegen so ein unglaublicher Riesenarsch? Und wo waren denn die Anderen, um dich zu trösten und aufzufangen? Wo war Scott? Wo war unser Dad?"
Wieder dieses gleichgültige Schulterzucken:
„Sie sind alle genau da, wo Derek jetzt auch ist: Sie verrotten sechs Fuß tief unter unseren Füßen, genauso, wie die Früchte, die du gerade entsorgt hast! Und weißt du was, Kleiner? Es ist unsere Schuld!"
Der Ältere hatte ein gehässiges kleines Grinsen auf dem Gesicht, als er das sagte, während der junge Stiles weiß wie eine Wand wurde und auf einen Stuhl sank:
„Jetzt fang' bloß nicht wieder an zu heulen!" fluchte der Ältere: „DU hast deine Familie doch noch. ICH bin der, der alle verloren hat; seinen Ehemann und den ganzen Rest der Truppe. Und? Siehst du MICH etwa heulen?"
„Ich kann nur sehen, dass du ein Monster bist, Stiles!" brachte der Jüngere bitter hervor.
Stiles Senior lachte auf:
„Apropos! Gutes Stichwort! Einer ist noch da und ich schlage vor, den besuchen wir jetzt. Ich wette, er vermisst mich mittlerweile bereits sehnsüchtig, auch wenn er behauptet hat, er wollte mich nicht mehr!"
Der Ältere packte den Jüngeren am Arm und sie machten sich auf den Weg.
Peter war zuhause und als er sah, wer ihn da besuchen kam, fragte er den älteren Stiles seufzend:
„Gott, was hast du denn da angestellt? Du kannst doch nicht mit dem Gestern und dem Heute herumspielen, wie es dir gerade so in den Sinn kommt Stiles! Was hast du mit ihm vor? Soll der Kleine etwa dein düsteres Chaos in Ordnung bringen, oder was?"
Dann wandte er sich aufrichtig erfreut an den jüngeren Stiles, umarmte ihn und küsste ihn auf die Wangen.
OHNE seine gierigen Finger nach Sachen auszustrecken, die ihm verboten waren, wie dieser nebenbei überrascht registrierte.
Junior blickte Peter verblüfft an und fragte dann sein älteres Ich:
„Was hast du denn mit dem gemacht, dass er so friedlich und vernünftig ist? Wart ihr zwei etwa beim Tierarzt und der hat die beiden Gründe entfernt, die Schuld daran waren, dass er immer die anderen Hunde beißt, oder was ist los?"
Stiles Senior lachte:
„Komisch! Ich hatte vergessen, wie lustig ich bin." kommentierte er und fügte dann hinzu: „Nein, ich habe ihn nicht kastriert. Dann wäre ich ja schön blöd, denn mir ist an seiner Potenz sehr gelegen!"
Er legte die Arme um Peters Hals, hob sich auf diese Weise selbst hoch und schlang die Beine um dessen Hüften.
„Was soll das werden?" fragte Peter: „Ein Dreier mit „Stiles, The Kid"? Sorry, das ist selbst mir zu kinky! Außerdem sieht der Kleine aus, als müsste er sich gleich übergeben."
„Nicht schon wieder!" seufzte der ältere Stiles und löste sich wieder von Peter. Er drehte sich zu Junior um, sah dessen Entsetzen und genoss es in vollen Zügen:
„Bist du verrückt Stiles?" rief der Kleine aus: „Du lässt dich von IHM flachlegen? Wie abgefuckt bist du eigentlich?"
Der Ältere lachte hart und bitter:
„Ziemlich!" bestätigte er und der junge Stiles konnte erkennen, dass es dem Älteren überhaupt nicht unangenehm war. Eher im Gegenteil; er schien ein wenig stolz auf sich selbst zu sein.
Peter hingegen wirkte wie ein begossener Werwolf; schuldbewusst und betreten!
Offensichtlich war er hier mitten in Bizarroworld gelandet, dachte der junge Stiles beklommen.
„Willst du einen Saft, oder so was? Soll ich dir vielleicht einen Kakao machen?" fragte ihn Peter unvermittelt und angesichts der kindgerechten Getränkeauswahl hätte der junge Stiles beinahe laut aufgelacht. Peter hielt ihn offenbar für einen verschreckten Zehnjährigen.
Aber vielleicht lag es auch daran, dass es dem Werwolf guttat, es zur Abwechslung mal wieder mit einem Stiles zu tun zu haben, dessen Seele noch zu retten war, anstatt mit dem abgebrühten Mistkerl, der aus ihm zwölf Jahre später geworden war, dass Peter auf einmal den Drang zur Bemutterung verspürte:
„Whiskey!" forderte der junge Stiles und nicht deswegen, weil er den so furchtbar mochte, sondern weil er etwas klarstellen wollte und weil er außerdem etwas Stärkeres brauchte, als heiße Schokolade mit extra Marshmallows, um diese verrückte, bedrückende Angelegenheit zu schultern, in die ihn der ältere Stiles da hineingezogen hatte.
Peter zog zwar eine Augenbraue in die Höhe, aber kam der Bestellung klaglos nach.
Der junge Stiles leerte sein großzügig gefülltes Glas in einem Zug, schüttelte sich, angesichts der brennenden Schärfe, aber genoss dennoch die sich ausbreitende Wärme und die darauf folgend einsetzende Ruhe in seinem Inneren:
„So Jungs, jetzt reden wir!" bestimmte der Jüngste in der Runde und nahm auf dem Sofa Platz: „Ich will genau wissen, was passiert ist und auch, was du von mir willst, Stiles."
Stiles Senior und Peter blickten einander an und schließlich begann Stiles zu sprechen:
„Eins vorweg: Wenn du geglaubt hast, Hexenjagden gäbe es nicht mehr, dann bist du im Irrtum, so wie wir es alle waren! Ihre Methoden mögen sich in den letzten Jahrhunderten verfeinert haben, sie gehen subtiler vor, sie halten sich im Untergrund auf, tarnen ihre Taten als Ritualmorde und ihre Anhängerzahl mag auch nicht mehr so groß sein, aber es gibt sie noch und vor einigen Monaten wurden sie aufmerksam auf mich."
„Warum? Was hast du gemacht, um sie gegen dich aufzubringen?" wollte der Jüngere wissen:
„Nichts!" grollte der Ältere: „Gar nichts! Ich habe meine Kräfte nicht mehr verwendet, seit ich so alt war wie du, weil ich sie nicht wollte und mich vor ihnen gefürchtet habe wie. Und das ist genau das Problem. Diejenigen, die wirklich Macht besitzen und sie auch anwenden und mehren, denen können diese Fanatiker nichts antun. Nur solchen armen Wichten, wie mir."
„Moment mal! Du hast mich quer durch die Zeit geschleift, also HAST du doch Macht!" warf der Jüngere ein:
„Ja, jetzt!" gestand der ältere Stiles ein: „Ich habe aufgerüstet. Doch davor war ich schwach und hilflos wie ein Kätzchen, weswegen das Rudel, meine Freunde und meine Familie für mich eingetreten sind. Tja, und das hat sie alle umgebracht!"
Peter räusperte sich und Jetztzeit-Stiles fügte hinzu: „Na ja, alle bis auf den da!"
„Und das ist Grund genug für dich, mit ihm zu schlafen; bloß weil er DA ist?" fragte der Jüngere aufgebracht:
„Entschuldigt mal!" mischte Peter sich nun ein: „Könnt ihr zwei eventuell damit aufhören, über mich zu sprechen, als ob ich nicht da wäre?"
„Nein!" sagten beide wie aus einem Munde und der Ältere Stiles fuhr den Jüngeren an:
„Urteile gefälligst nicht über mich. Du bist ich und das bedeutet, dass du in meiner Situation genau so handeln würdest, wie ich es getan habe." und zwinkernd fügte er hinzu: „ Davon einmal abgesehen ist Peter wirklich kein übler Liebhaber. Ich komme auf meine Kosten. Vielleicht sollte du es einmal ausprobieren, wenn du wieder zuhause bist."
„Ich würde dir gerade so wahnsinnig gern eine reinhauen!" fuhr der Jüngere den Älteren an: „Du SPUCKST auf Dereks Grab, jedes Mal, wenn du dich zu IHM legst. Kapierst du das nicht?"
„Mich zu ihm lege? Süß! Bei dir klingt es ja beinahe romantisch, Kleiner! Aber verstehst DU denn nicht? Derek ist nicht mehr hier! Was kümmert' s ihn also, wen ich vögele. Niemand ist mehr da, der an meinem Verhalten Anstoß nehmen könnte."
„Mal abgesehen von mir!" fauchte der Jüngere: „Und das Furchtbarste ist, dass Sex mit Peter das am wenigsten Schlimme auf meiner Liste mit Anklagepunkten ist. Ganz oben steht, dass du wahrscheinlich der zynischste, kälteste Mistkerl bist, den ich je getroffen habe. Schlimmer, als er!" er deutete auf Peter, was dieser mit einem beleidigten: „Hey!" konnotierte, welches vom jungen Stiles jedoch ignoriert wurde, indem er unbeirrt fortfuhr: „Dazu kommt dann auch noch Entführung. Du hast MICH, also im Grunde ja dich selbst gegen meinen Willen hierher geschafft. Schreckst du eigentlich noch vor irgendetwas zurück? Da, wo ich herkomme sitzen nun Scott, Dad und Derek und sorgen sich um mich!"
„Meine Güte, hörst du eigentlich auch mal wieder auf zu weinen, du Waschlappen!" herrschte der Ältere den Jüngeren an: „Ich mag ja kalt und zynisch sein, aber wenigstens bin ich nicht selbstgerecht und verweichlicht."
„Euch ist schon klar, wie schizophren euer kleiner Dialog gerade ist, oder?" warf Peter berechtigter Weise ein und erntete dafür giftige Blicke von beiden.
Also hob er defensiv die Hände und fügte hinzu: „Schon O.K. Jungs. Ich wollte es nur einmal gesagt haben." Und weil es Peter gerade zu bunt wurde und er außerdem müde war, schlug er vor: „Macht Schluss für heute, Kinder. Ihr könnt euer reizendes Selbstgespräch auch morgen noch zu Ende führen. Es ist spät und einer von uns befindet sich wahrscheinlich noch im Wachstum. Wie sieht es eigentlich mit den Schlafarrangements aus? 'Drei in einem Bett', oder wie wollen wir es machen?"
„Das könnte dir so passen!" riefen der jüngere und der ältere Stiles im Duett aus.
Peter musste lachen:
„Mir scheint, so unähnlich seid ihr zwei euch gar nicht." kommentierte er:
„Ist oben auf der Empore immer noch der Schlafsessel? Wollte der junge Stiles wissen. Als Peter dies nickend bestätigte, fügte er hinzu: „Dann schlafe ich dort. Ihr zwei könnt hier unten treiben, was ihr wollt."
Damit erhob er sich und stieg die Wendeltreppe hinauf.
Später in der Nacht bereute er seine leichtsinnige Wortwahl, denn er wurde davon wach, dass die beiden schamlosen Bastarde es da unten tatsächlich trieben und der Lautstärke nach zu urteilen, war es ihnen scheißegal, ob er mithören konnte.
Er konnte sich nicht erinnern, dass Derek und er jemals solche Laute von sich gegeben hätten, wenn sie es getan hatten.
Er hielt sich die Ohren zu.
Morgens beim Frühstück wiederholte sich in gewisser Weise das, was der junge Stiles schon am Abend zuvor beobachtet hatte. Es war Peter, dessen Blick verschämt auf seinem Orangensaft haftete, während Stiles Senior noch die Nerven hatte, seinem jungen Ebenbild nach der Vorstellung der letzten Nacht frech zuzuzwinkern!
Der Junge schüttelte traurig den Kopf:
„Und was steht heute auf dem Tagesplan?" wollte er wissen: „Welche Schrecken muss ich noch sehen, ehe du mich wieder nachhause gehen lässt?"
„Wir besuchen alte Freunde!" verkündete der ältere Stiles.
Erzählt zu bekommen, dass alle, die er liebte in zwölf Jahren tot sein würden und die vielen Gräber mit eigenen Augen zu sehen, war ein Unterschied. Die Trauer überwältigte ihn beinahe und am Grab von Scott musste er zum ersten Mal weinen.
Dann noch einmal, als er den Stein seines Vaters neben dem seiner Mutter sah und im Hale-Mausoleum berührte er zuerst mit der flachen Hand den Namen von Malia, um dann bei Dereks letzter Ruhestätte zu verweilen:
„Hey, mein Liebster! Ich bin es!" flüsterte er erstickt und zeichnete mit dem Zeigefinger die Buchstaben seines Vornamens nach.
Der ältere Stiles stand hinter ihm, zitterte ein wenig und bohrte sich mit aller Kraft seine Fingernägel in die Handflächen.
Zurück in Peters Loft war der junge Stiles überwältigt von seiner Trauer und der Ältere wusste, er musste dieses Eisen schmieden, solange es noch heiß war:
„Wenn du willst, dass sie leben, wirst du sie alle hinter dir lassen müssen und vor allem Derek!" stellte er fest.
Der Jüngere blickte verständnislos zu ihm auf:
„DAS willst du von mir? Dass ich Derek verlasse? Das ist also dein großartiger Plan? Weißt du eigentlich, wie saudämlich das ist? Nur, damit wir nicht den Schmerz des Verlustes erleben müssen, vermeiden wir es, überhaupt je glücklich geworden zu sein? Hast du komplett den Verstand verloren?"
„Es ist der einzige Weg!" beharrte der Ältere:
„Es ist überhaupt kein Weg, es ist beknackt! Du musst verrückt sein, wenn du denkst, dass ich mich darauf einlasse. Es gibt andere Möglichkeiten, zu verhindern dass die Dinge so kommen, wie sie für dich gekommen sind. Jetzt wo ich weiß was geschehen wird, kann ich vorsorgen." versuchte es der junge Stiles:
„Zu unsicher!" behauptete der Ältere: „Ich werde dich hier nicht weglassen, ehe du nicht einsiehst, dass ich Recht habe."
Der Jetztzeit-Stiles erhob sich, legte eine Hand auf die Brust des Jüngeren und dieser spürte plötzlich ein Taubheitsgefühl in seinen Armen und Beinen:
„Was hast du mit mir gemacht?" fragte der junge Stiles entsetzt:
Keine Sorge!" erwiderte der Andere: „Ist gleich wieder vorbei, aber vorher muss ich etwas erledigen."
Der ältere Stiles verschwand für einen Moment und kam wenig später mit Seilen wieder. Er schleppte sein wehrloses Ebenbild hinüber zu Peters Bett und machte sich daran, ihn mit den Händen und Füßen am Bettgestell festzubinden.
Als er sein Werk gerade vollendet hatte, kam plötzlich wie auf' s Stichwort Peter durch die Tür. Er betrachtete die unerwartete Szene verwundert mit schief gelegtem Kopf und fragte dann:
„Nanu? Habe ich etwa heute Geburtstag?"
„Schnauze Peter!" bellte Stiles Senior: „Ich habe ehrlich gesagt von euch beiden grad' echt genug. Ich brauche frische Luft. Wehe, du bindest ihn los, Peter! Ciao, Leute!"
„Hey!" rief der junge Stiles ihm ängstlich hinterher: „Willst du mich in dieser Situation mit ihm allein lassen? Du weißt, was passieren wird, oder?"
„Mir egal!" schnappte der Ältere: „Amüsiert euch, Jungs!"
Und dann war er verschwunden.
Der jüngere Stiles rüttelte an seinen Fesseln und musterte Peter misstrauisch:
„Du hast nichts von mir zu befürchten!" versicherte dieser, setzte sich neben ihn und fügte nachdenklich hinzu: „Dein großer Bruder ist ziemlich durch den Wind, denke ich!"
„Großer Bruder?" schnappte Stiles: „Er ist mehr so etwas wie mein böser Zwilling!"
„Du musst ein bisschen Verständnis mit ihm haben. Es war wirklich, wirklich übel, was er durchgemacht hat." gab Peter zurück:
„Du hast dasselbe erlebt." erwiderte Stiles: „Es waren auch deine Familie, deine Freunde, dein Rudel, die gestorben sind."
„Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich fast alle, die ich geliebt habe verloren habe. Und du weißt, was damals mit mir passiert ist." entgegnete Peter:
„Willst du mir etwa sagen, du hättest... WAS? ROUTINE DARIN? Flippst du deswegen nicht aus?" fragte der Junge entgeistert:
„Das vielleicht nicht, aber so eine Erfahrung lehrt dich, dass alles vergänglich ist. Du gehst Beziehungen fortan immer mit diesem Wissen ein." philosophierte Peter.
„Apropos Beziehung!" erwiderte Stiles: „Kannst du mir erklären, wie das mit dir und ihm gekommen ist. Ich kann das einfach nicht begreifen. Es müsste doch eigentlich euch beiden klar sein, dass das eine hirnverbrannte Idee ist!"
„Tut mir leid Junge!"erwiderte Peter kopfschüttelnd: „Der Teil den du nicht verstehst, liegt nicht in mir, sondern in ihm begründet. Ich wollte dich schließlich schon immer, falls du dich erinnerst."
„Denkst du etwa, er liebt dich?" wollte Stiles wissen.
Peter lachte bitter:
„Ich bin mir sicher, dass er das nicht tut. Er verabscheut mich. Ich komme ihm lediglich gelegen."
„Und warum lässt du das geschehen? Es sieht dir nicht ähnlich, dass du dich benutzen lässt!"
Stichelte Stiles und die Stimmung zwischen ihnen änderte sich mit einem Schlag.
Peter knurrte leise, erhob sich über ihn und nahm dann auf Stiles Hüfte Platz:
„Du hältst jetzt besser deine vorlaute Klappe, sonst überlege ich es mir vielleicht doch noch anders!"
Er ließ seine Hand Stiles Leiste hinauf wandern:
„Du kennst mich lange genug, um zu wissen, dass Worte mich noch nie haben zum Schweigen bringen können!" erwiderte Stiles tapfer, obwohl er sich bewusst war, dass Peter seine Angst deutlich riechen können musste: „Wenn es dir um Sex ginge, müsstest du nicht MICH dazu nötigen, denn den würde dir der andere Stiles freiwillig geben. Also geht es gerade um etwas anderes und ich glaube, ich weiß auch, was das ist. Ich schätze, ich habe mit meinen Worten ins Schwarze getroffen. Du fühlst dich benutzt und weil der Andere dir Angst macht, willst du dich an mir, seinem harmlosen, jüngeren Ebenbild rächen."
Peter stieg wieder von Stiles herunter und grummelte:
„Du verdirbst mir mit deiner Analyse den Spaß an der Sache!"
„Ich kann nicht sagen, dass es mir leid tut." gab Stiles zurück und atmete ein klein wenig auf.
Eine Weile sagten die beiden gar nichts und dann fragte Stiles in die Stille hinein:
„Du liebst ihn, oder? Zumindest so gut, wie jemand wie du das kann."
Peter blickte ihn an, ohne ihm zu antworten, doch das musste er auch nicht:
„Was denkst du, wie es mit dir und ihm weitergeht? Glaubst du etwa, ihr habt eine Zukunft." fuhr Stiles fort: „Glaubst du, dass er deine Gefühle irgendwann erwidern wird? Er ist innerlich tot!"
„Halt die Klappe, Stiles!" knurrte der Werwolf: „Denkst du, ich wüsste das alles nicht!"
„Machst du mich los?" bat Stiles: „Die Fesseln schnüren mir die Blutzufuhr ab!"
Peter schüttelte den Kopf:
„Braves Hündchen!" lobte Stiles giftig: „Machst immer ganz artig, was dein Herr dir sagt!"
Er wusste, dass er ein gefährliches Spiel spielte. Und tatsächlich; schon war Peter wieder über ihm, lag nun beinahe mit seinem ganzen Gewicht auf ihm, ihre Gesichter berührten sich beinahe, seine Augen funkelten blau und er legte seine Hände um Stiles Kehle. Doch anstatt zuzudrücken, wie der Jüngere es erwartet hätte, löste er seine Finger ganz einfach wieder und nutzte sie nun dafür, Stiles die Fesseln zu öffnen.
Der Mensch rieb sich die Hände und Füße, damit das Blut in diese zurückkehrte. Dann blickte er neben sich auf Peter, der den Kopf hängen ließ.
„Ist O.K.!" murmelte er und zog den Kopf des Werwolfs an seine Schulter, in dem vollen Bewusstsein, wie schräg die ganze Situation zwischen ihnen gerade war.
Stiles war überrascht, wie rückhaltlos Peter den angebotenen Trost annahm und bekam plötzlich eine Ahnung davon, wie deutlich auch dieser den Verlust seines Rudels spüren musste, ohne diesen Empfindungen bislang Raum gegeben zu haben.
In diesem Augenblick wurde die Tür des Lofts aufgerissen und der ältere Stiles kam hereingestürmt. Er sah die beiden auf dem Bett und rief spottend:
„Sieh' an! Ist es nicht bezaubernd? Störe ich gerade beim Vorspiel? Bin ich spät dran, oder kann ich noch mit einsteigen?"
Er packte sein jüngeres Ebenbild am Kragen, zog ihn nah an sich heran und fragte gallig: „Na, was hast du unserem Peter versprechen müssen, damit er dich losbindet?"
Er gab ein böses Lachen von sich: „Ich kann es mir denken! Und? Wer spuckt JETZT auf Dereks Grab?"
„Mir graut vor dir!" flüsterte der jüngere Stiles.
Keiner von beiden hatte bemerkt, dass Peter sich in der Zwischenzeit erhoben hatte, bis die Faust flog und es zu spät war.
Der ältere Stiles drohte bewusstlos hart auf den Boden aufzuschlagen, doch Peter war mit Wolfsgeschwindigkeit blitzschnell an seiner anderen Seite, um ihn aufzufangen und dann sanft an die Erde zu legen:
„Warum hast du das gemacht?" fragte der Jüngere fassungslos:
„Weil du recht hast. Der da..." er deutete auf den am Boden liegenden: „...ist fertig und er wird sich auch nicht mehr erholen, wenn wir ihm nicht helfen. Komm' schnell, bevor er wieder aufwacht. Du musst dir nehmen, was er sich zusammen gestohlen hat. Er darf diese Macht nicht behalten und du wirst sie brauchen!"
Der Junge blickte den Werwolf ratlos an.
Peter griff nach seinen Händen und legte sie auf die Brust seines Älteren Ichs:
„Mach schon! Und beeil dich, ehe er noch wieder zu sich kommt."
Stiles hatte keine Ahnung, wie das funktionierte, schloss die Augen und konzentrierte sich und es passierte...
...gar nichts!
„Komm' schon, Junge! Mach' dein Ding und sieh' zu, dass du fertig wirst!" drängte Peter.
Stiles blickte genervt zu ihm hinüber:
„Dräng' mich nicht, sonst wird das nichts!" grummelte er und machte einen neuen Versuch. Diesmal stellte er sich vor, die Kräfte würden freiwillig auf ihn übergehen und siehe da: Er spürte plötzlich eine Art Strömen, das von seinem Ebenbild auf ihn überging!
Stiles Junior ließ nicht los, ehe er das Gefühl hatte, er habe alles, was vorher an Magie im Älteren vereint gewesen war, in sich aufgenommen.
Als er sein Werk beendet hatte, fühlte er sich schwindelig, elektrisiert und... ...unbesiegbar!
Kein Wunder, dass dies dem anderen Stiles, mit seinen Emotionen unter Verschluss den Kick gegeben hatte. Sogar der emotional gesunde Stiles hatte im ersten Moment Mühe, dieses Maß an Macht zu beherrschen, ohne es sich zu Kopf steigen zu lassen.
Doch dann dachte er an zuhause, an Derek und daran, dass es nun in seiner Hand lag, ihn bald wieder zu sehen und er wurde ganz ruhig.
Peter hatte sich inzwischen die Fesseln geschnappt und verschnürte die Hände und Füße des älteren Stiles fachgerecht. Als er sein Werk beendet hatte, blickte er auf seinen Bettgefährten hinab und murmelte:
„Zu schade! Jetzt werde ich wohl nie herausfinden, ob er Spaß an Bondage gehabt hätte."
„Würg!" machte der junge Stiles und schürzte die Lippen.
Peter schenkte ihm ein schiefes Grinsen und fragte dann:
„Und? Was machen wir jetzt? Wie lautet der Plan?"
„Plan? PLAN??" fragte Stiles verwirrt: „Was für ein Plan? Mein Plan? Ich dachte, dass hier sei dein Plan?"
„Ich bin hier nicht derjenige, der die ausgefeilten Strategien entwickelt, Schlaukopf!" erwiderte Peter: „Ich bin eher derjenige, der draufhaut und kurzen Prozess macht!"
Stiles gab ein kurzes, trockenes Lachen von sich:
„Was redest du da bloß. Abgesehen von mir selbst bist du wahrscheinlich der ausgekochteste Halunke, der mir je begegnet ist. Du nutzt deine Gabe für gewöhnlich bloß lieber dazu, Dinge nach deinem Gusto und damit immer zum Übleren für alle Anderen zu wenden. Mich wundert also nicht, dass dir die Kreativität fehlt, wenn es darum geht, etwas in Ordnung zu bringen."
„Du und deine große Klappe!" erwiderte Peter: „Eigentlich sollte ich dir deine giftige Zunge herausreißen."
Peter sagte es nicht in einer Weise, als wollte er seinen Worten Taten folgen lassen. Im Gegenteil: es klang anerkennend und beinahe liebevoll:
„Mir gefällt dein neues gruselig-gutmütiges Selbst!" Erwiderte Stiles.
Ebenfalls sehr liebevoll.
Und weil es Peter offensichtlich zu ungemütlich wurde, wechselte er das Thema:
„Was machen wir denn jetzt mit unserem Dornröschen hier?"
„Ich hoffe, der Schlag, den du ihm verpasst hast, war nicht zu heftig und hat ihn Gemüse verwandelt?" erwiderte Stiles und blickte ihn beunruhigt an.
Peter konzentrierte sich und lauschte in den Körper des Bewusstlosen hinein:
„Nö, nach allem, was ich feststellen kann, scheint er in Ordnung zu sein. Und sein Herzschlag verändert sich. Er wird vielleicht bald wieder aufwachen."
Stiles hatte eine Entscheidung getroffen:
„Hilf mir, den alten Sack hier rüber in Dereks Apartment zu schaffen. Ich denke, ich weiß jetzt, wie ich ihm helfen kann."
Peter schleppte den älteren Stiles zu seinem Auto, sie fuhren die kurze Strecke hinüber zu Dereks Haus und Stiles bat:
„Hilf' mir, ihn nach oben zu schaffen. Er mag zwar nur noch Haut und Knochen sein, aber ich fürchte, ich schaffe es dennoch nicht, ihn die Treppen hinauf zu wuchten.
Vor der Wohnungstür angekommen legte Peter den Bewusstlosen ab und sagte:
„Ich weiß, was du vorhast Stiles! Du bringst ihn nachhause zu seinen optimistischen, kulleräugigen Superfreunden, zu seinem „Vater des Jahres" und seinem flauschigen Kuschelwolf-Ehegatten und machst seine schwarze Seele wieder aprilfrisch, richtig?"
„Etwas in der Art!" antwortete Stiles.
Dann schenkte er Peter einen ernsten Blick und fügte hinzu: „Du weißt, dass er nicht zu dir zurückkommen wird und dann lebt ihr glücklich bis an das Ende eurer Tage, oder?"
Peter zuckte mit den Schultern:
„Sicher! Ich bin kein Idiot. Tu es trotzdem. Das, was mit ihm passiert ist, ist einfach nicht richtig!"
Er bückte sich zum besinnungslosen Stiles hinab und strich ihm zärtlich die Haare aus der Stirn:
„Bring' ihn in Ordnung!" forderte er.
Stiles nickte.
Dann tat er etwas, dass ihn selbst überraschte. Er küsste Peter; mit geschlossenen Lippen zwar, aber immerhin auf den Mund:
„Eine uneigennützige Tat?" kommentierte er sanft: „Ich wusste, ich hatte recht damit, dich nie ganz aufzugeben, Peter. Leb'wohl!"
Natürlich war ausgerechnet diese Szene für die düstere Version von Stiles das Stichwort, aus seinem Koma zu erwachen:
„Ist ja süß, Rotkäppchen! Haben wir uns etwa in den bösen Wolf verliebt?" murmelte er.
Der Jüngere blickte kopfschüttelnd auf den gefesselten Älteren am Boden hinab und erwiderte:
„Ich fange langsam an zu begreifen, warum die Leute so gern sagen 'Halt die Klappe, Stiles'. Und jetzt komm' Kumpel. Es wird Zeit nachhause zu gehen!"
Jeder Stiles warf noch einen letzten Blick auf Peter, dann kniete der Jüngere sich hinab zu seinem Ebenbild, schloss die Augen und machte im Grunde dasselbe, was er getan hatte, als er dem anderen Stiles seine Kräfte abgeknöpft hatte; er ließ die Zeit, in die es ihn zurückzog zu sich kommen, anstatt zu versuchen, sich gewaltsam einen Zugang zu verschaffen.
Als er die Augen wieder öffnete, hatte sich nichts wesentlich verändert, außer, dass Peter nicht mehr bei ihnen war.
Und er sich am liebsten gleich wieder übergeben hätte!
Also gut, es hatte scheinbar geklappt.
Stiles drückte den Klingelknopf.
Derek öffnete und war blass wie eine Leiche, doch als er Stiles erblickte, kehrte Leben in seine Züge zurück; Ärger, Freude, Erleichterung!
Er zog ihn so fest in seine Arme, dass Stiles schon dachte, er müsste ihn daran erinnern, dass er bloß ein kümmerlicher, zerbrechlicher Mensch war:
„Wo warst du, zum Teufel? Du warst zwei Wochen lang wie vom Erdboden verschluckt. Wir alle haben bereits das Schlimmste angenommen, verdammt!"
Derek begann übermütig sein Gesicht mit Küssen zu bedecken und Stiles murmelte mühsam in den Überschwang hinein:
„Entschuldige Kumpel, das war nicht meine Idee!" und dann fügte er verblüfft hinzu: „Wow! Zwei Wochen? Dabei war ich doch nicht mal zwei Tage weg. Da ist mir beim Landeanflug wohl ein kleiner Navigationsfehler unterlaufen!"
„Anfängerfehler Potter!" spottete der ältere Stiles vom Fußboden aus und erst jetzt wurde auch Derek auf ihn aufmerksam:
„Waa..."machte er und bekam den Mund nicht mehr zu:
„Ja, ich weiß! Ich bin ganz bei dir, mein Liebling. Die Situation ist ziemlich verrückt!" entgegnete Stiles und hob seinen Doppelgänger hoch, damit er auf die Füße kam. In Trippelschritten aufgrund der Fußfessel ließ er ihn vor sich her in Dereks Apartment treten, wo Jung-Stiles schließlich Alt-Stiles in den Rücken stieß und ihn damit direkt vor Dereks Füße schubste:
„Bring' ihn in Ordnung, bitte! Mach' diesem Scheißer klar, wer er ist, denn das hat er scheinbar vollkommen vergessen!" forderte der jüngere Stiles.
Derek blickte ihn ratlos an:
„Ein bisschen mehr Kontext wäre hilfreich!"
„Richtig!" gab Stiles zu und setzte sich in einen der Sessel im großen Wohnbereich.
Derek half dem älteren Stiles wieder auf die Beine und erkundigte sich:
„Ist es O.K. wenn ich ihm die Fesseln löse?"
„Wenn du ihn im Auge und mir vom Leib hältst, von mir aus!" knurrte der jüngere Stiles mit einem finsteren Blick auf sein älteres Ebenbild:
„Stell dich nicht wie ein Baby an!" knurrte dieser: „Du hast doch bereits alles aus mir herausgesogen, was mir dir gegenüber einen Vorteil verschafft hätte! Du bist momentan der weitaus gefährlichere von uns beiden!"
Derek blickte die zwei ratlos an, während er dem Gefesselten die Knoten löste und so begann der Jüngere schließlich genau zu berichten, was sich in den letzten beiden Tagen abgespielt hatte und auch, was den älteren Stiles so verändert hatte.
Das Intermezzo mit Peter ließ er allerdings aus, weil er sich seltsamerweise für das schämte, was sein älteres Ich getan hatte.
Derek musterte den älteren Stiles aufmerksam, der seinerseits jedoch seinen Blick vermied.
Schließlich murmelte der Werwolf, wohl wissend, wie höchst eigenartig das war:
„Dein Verlust tut mir sehr leid Stiles. Mein Beileid!"
„Trottel!" erwiderte dieser grantig, wobei es ihm allerdings immer noch nicht gelang, Derek anzuschauen und der jüngere Stiles rief:
„Siehst du, was ich meine, Derek? Dieser Typ ist eine verdammte Arschgeige! Bitte versuch' ihn wieder hinzukriegen. Ich schätze wenn er auf jemanden reagiert, dann wohl am ehesten auf dich. Ich kann kaum ertragen, den Penner mit meinem Gesicht herumlaufen zu sehen. Mach' was immer nötig ist! Schlaf mit ihm! Prügel die Scheiße aus ihm raus! Mir ist beides recht, bloß reparier' ihn bitte!"
Derek blickte nachdenklich von seinem Freund zu dem, was aus ihm geworden war und gab dann nickend sein Einverständnis, dieses Wunder zu vollbringen:
„Danke!" sagte der junge Stiles erleichtert und einen Augenblick später fügte er dann hinzu:
„Ich glaube, es wäre gut, wenn ich euch beide dabei allein lasse, denn ich kann den Typen da einfach nicht länger um mich haben. Und ich sollte mich wohl auch bei Dad, Scott und den Anderen blicken lassen, um ihnen zu zeigen, dass ich noch lebe. Ist es in Ordnung wenn ich dir dieses Chaos hinterlasse und einfach verschwinde?"
Wieder ein Nicken von Derek.
Sie küssten sich noch einmal und dann waren Derek und Stiles Senior plötzlich unter sich.
Derek entdeckte den dunklen Schatten, der sich auf Stiles Kinn entwickelte:
„Hat Stiles das etwa getan?" wollte er wissen.
Stiles lachte höhnisch:
„Unser kleines Lamm? Das glaubst du doch selber nicht. Das war dein Onkel!"
Derek schenkte ihm einen eigenartigen Blick und fragte dann:
„Tut es weh?"
Stiles schüttelte genervt den Kopf:
„Bloß wenn ich auf überflüssige Fragen antworte!" gab er zurück.
Derek ignorierte den ruppigen Ton, ergriff Stiles Hand und nahm ihm die Schmerzen.
„Wie alt bist du?" wollte er wissen:
„Zweiunddreißig!" gab Stiles mit einem schiefen Grinsen zurück: „Ein Jahr älter, als du heute bist. Ich schätze, damit bin ich jetzt wohl aus deinem Beuteschema rausgefallen, richtig?"
„Pfft!" machte Derek gekränkt: „Nett, zu erfahren wie du von mir denkst. Glaubst du, ich bin der Typ, der es speziell auf blutjunge Lover abgesehen hat, oder was? Als ich mich in dich verliebt habe, hat dein jugendliches Alter mich eher abgeschreckt, falls du dich erinnerst?"
Stiles griff nach Dereks anderer Hand und verschränkte die Finger mit den seinen:
„Du warst schon immer so wahnsinnig sensibel!" sagte er, mit einem Mal sehr zärtlich. Und dann noch: „Du hast mir so wahnsinnig gefehlt, Mann!"
„So sehr, dass du gleich nach meinem Tod mit meinem Onkel schlafen musstest?" fragte Derek ein wenig bitter.
Er hätte erwartet, dass Stiles sich rechtfertigen, Reue zeigen, oder versuchen würde, es abzustreiten, doch er tat nichts dergleichen:
„Das kannst du riechen, huh?" Stiles zuckte mit den Schulter: „Du bist nicht derjenige, dem ich mein Eheversprechen gegeben habe, mein Liebling; zumindest noch nicht, also muss ich dir auch keine Rechenschaft ablegen!"
„Sag' mir nur eins, Stiles!" forderte er: „Warum?"
Stiles schenkte ihm einen milden, zärtlichen und bedauernden Blick:
„Das kann ich nicht! Wenn ich dir das erklären könnte, dann könnte ich dir auch erklären, wie ich mich gefühlt habe, nachdem ihr alle fort wart und ich allein zurückbleiben musste. Aber diese Gefühle sind so anders, fremd und überwältigend, dass ich sie nicht erklären KANN!" Stiles setzte sich nah neben Derek und legte einen Arm um ihn: „Aber ich kann dir das sagen, was du hören musst: Ich habe es nicht getan, weil ich ihn geliebt hätte. Im Gegenteil! Es hatte vielmehr mit Hass, als mit Liebe zu tun; Hass auf das Schicksal, auf mich, auf ihn...tut mir trotzdem leid, wenn du dich dadurch verraten fühlst!"
Derek schwieg eine ganze Weile und auch Stiles sagte nichts mehr. Sie starrte einander einfach nur an.
„Ich mag deinen Bart!" sagte Derek unvermittelt.
Aus irgendeinem Grund fühlte er sich mit einem Mal ein klein wenig versöhnt. Vielleicht, weil er wusste, was Verlust und auch was Schuldgefühle bedeuteten und ihm auch klar war, dass sie einen zu seltsamen, verstörenden, teilweise auch abscheulichen Handlungen treiben konnten.
Wie in Stiles Fall zum Beispiel zu Sex mit Peter!
Derek schüttelte sich mit einem kleinen Widerwillen.
„Deinem zukünftigen Ich gefiel mein Bart auch!" erwiderte Stiles: „Er berührte ihn gern!"
Und mit diesen Worten nahm er Dereks Hand und führte sie zu seinem Gesicht:
„Ich verstehe auch wieso!" murmelte Derek mit einem schüchternen Lächeln und Stiles, der ihn lang genug kannte, um zu wissen, was dieser Tonfall bedeutete, kletterte auf seinen Schoß und küsste ihn.
Einen Moment lang ließ Derek es zu, doch dann schob er Stiles sanft von sich herunter, zog ihn jedoch dann wieder zu sich heran, in seine Arme, streichelte seinen Rücken und erklärte:
„So ist es besser! Das andere fühlte sich an wie Betrug."
Stiles schüttelte den Kopf und konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen:
„Du weißt sicher, dass das Blödsinn ist? Ich bin er! Und außerdem; er hat dir die Erlaubnis dazu gegeben."
Derek zuckte hilflos mit den Schultern.
„Ich liebe dich für deine unverrückbaren, kleinlichen Moralvorstellungen!" erklärte Stiles lachend. Dann fügte er hinzu: „Und ich hasse dich dafür, dass du dich hast töten lassen...ähm...ich meine, dafür dass du dich töten lassen wirst."
„Tut mir leid!" erwiderte Derek törichter Weise. Und nach einer Weile meinte er: „Es ist nicht deine Schuld, verstehst du? Wenn ich, da wo du herkommst für dich gestorben bin, dann weil ich es so wollte. Weil du mir mein Leben wert warst. Aber es tut mir leid, dass der andere Derek dich allein gelassen hat."
Derek spürte ein Beben, dass durch den Körper des Mannes in seinen Armen ging und er wusste, was das bedeutete:
„Ist gut!" murmelte Derek beruhigend: „Jetzt bist du ja hier bei mir!"
Zu den stillen Tränen kam irgendwann ein Schluchzen, das schließlich lauter und immer lauter wurde und sich am Ende in ein markerschütterndes, furchtbares Heulen steigerte, beinahe wie bei einem verwundeten Tier, doch Derek rückte nicht von Stiles ab. Im Gegenteil! Er umschlang ihn mit seinem ganzen Körper und kroch so nah an ihn heran, wie es überhaupt nur möglich war.
Als das Heulen, das Weinen und die Tränen irgendwann verebbten, murmelte Stiles erschöpft:
„Das was mir passiert ist, darf ihm nicht auch passieren! Ich habe ihm gesagt, dass er dich verlassen muss, doch er will nicht auf mich hören. Also musst du es tun! Du musst es beenden, verstehst du?"
„Du redest dummes Zeug, Süßer!" sagte Derek sanft: „Versuch' ein wenig zu schlafen, ja?"
Stiles schaffte es gerade noch, zu nicken, ehe er der Aufforderung ganz automatisch nachkam.
Derek hingegen blieb wach, hielt das ältere Ebenbild seines Geliebten ruhig und fest im Arm und betrachtete das vertraute und doch veränderte Gesicht aufmerksam, als wollte er es sich ganz genau einprägen.
Es mussten Stunden vergangen sein und plötzlich vernahm Derek, wie die Tür seines Apartments aufgeschlossen wurde. Er hörte Stiles rufen:
„Falls ihr gerade nackt seid, zieht euch gefälligst was über. Ich komme jetzt rein!"
Derek verdrehte schmunzelnd die Augen und spürte, wie der andere Stiles in seinen Armen langsam wieder erwachte.
Derek spürte den misstrauischen Blick des jüngeren Stiles:
„Wie ist die Lage hier bei euch?" wollte dieser wissen. Derek konnte auch die unausgesprochene Frage in seinen Augen sehen, nämlich 'Habt ihr es getan?' und er war froh, dass er es nicht zugelassen hatte.
„Hier ist alles in Ordnung!" gab Derek zurück.
Der ältere Stiles rückte von Derek ab, obwohl die Kälte die an seiner Seite entstand, dort wo sie sich gerade noch berührt hatten sich beinahe wie körperlicher Schmerz anfühlte und rieb sich die, vom Weinen und schlafen geschwollenen Augen:
„Hast du sie alle gesehen? Alle, die sich um dich gesorgt haben?" wollte Derek vom jungen Stiles wissen.
Er nickte:
„Ja, habe ich. Und gerade war ich bei Deaton und habe lange mit ihm geredet. Was er gesagt hat, hat mich zum Nachdenken gebracht. Er hat mir klar gemacht, dass die Magie ein Teil von mir ist, ganz gleich, ob es mir gefällt oder nicht und dass ich Verantwortung für sie übernehmen muss!" und als Stiles das laut aussprach wurde ihm klar, dass er eine Entscheidung getroffen hatte:
„Ich werde zu Deaton in die Lehre gehen, mir alles beibringen lassen, was er weiß und ..."
Er kam nicht dazu, den Satz zuende zu sprechen, denn in diesem Moment war der ältere Stiles vor seinen und Dereks Augen verschwunden.
Derek blickte seinen Freund erschrocken und fragend an, doch Stiles, Nerd der er war, wusste, was das zu bedeuten hatte. Er hatte genügend Star-Trek-Zeitreisegeschichten gesehen um zu wissen, dass seine Entscheidung eine war, die er in der Zukunft umsetzen würde. Oder vielmehr; umgesetzt HABEN würde und das hatte die Zeitlinie, in der sein finsteres zweiunddreißigjähriges Selbst alles verloren hatte kollabieren lassen.
Es war nie geschehen!
Stiles lächelte Derek zuversichtlich an:
„Es ist in Ordnung! Es wird mir gut gehen! Es wird uns allen gut gehen!" versprach er und beantwortete damit die Frage, die noch nicht gestellt worden war.
Epilog
Zwei Wochen nachdem Stiles heimgekehrt war traf er Peter in der Mall und der Werwolf hatte da mal eine dringende Frage.
Er verstellte Stiles den Weg und als dieser versuchte ihn zu umgehen, folgte Peter seinen Bewegungen.
Konsequente Manndeckung, ein wenig wie beim Lacrosse, nur ohne die albernen Schläger:
„Was willst du Peter?" fragte Stiles schließlich genervt:
„Du und ich werden in der Zukunft ein Paar?"
Verflixt!
Das konnte er so nicht stehen lassen. Nicht das Peter noch auf die Idee kam, die Situation irgendwie nachstellen zu wollen:
„Waren wir nicht! Aber weil du ja sowieso keine Ruhe geben wirst, erzähle ich dir alles bei einem Kaffee, in Ordnung?"
Sie kehrten in ein kleines Café in der Nähe ein und Stiles gab seinen Bericht ab.
Als er geendet hatte, fragte Peter:
„Also waren wir doch so etwas wie ein Paar?"
„Wenn du das glaubst, habe ich es wohl nicht sehr gut erzählt. Der andere Stiles hat dich verabscheut! Du warst bloß so eine Art lebendes, atmendes Sextoy für ihn, weiter nichts. Euer Zusammensein war traurig, finster und erschreckend, sogar für dich! Nicht umsonst hat dein Zukünftiges Ich sich am Ende auf meine Seite gestellt und mir geholfen, ihn hierher zu bringen!"
Peter grinste anzüglich:
„Und hast du, und damit meine ich dein heutiges Du dich denn wenigstens auch angemessen bei deinem Ritter, also mir, für deine Rettung bedankt, Prinzessin?"
Stiles rollte genervt mit den Augen:
„Erstens nenn' mich nicht so und zweitens; Nein! Zumindest nicht so, wie du vielleicht hoffst!"
„Es steht dir immer noch frei, es jetzt zu tun." machte Peter einen halbherzigen Versuch.
Stiles musste ein klein wenig Lachen:
„Das kann auch nur dir einfallen, eine Belohnung für etwas einzufordern, was du selbst gar nicht getan hast und nun auch nie getan haben wirst, weil es diese Zukunft, in der das alles geschehen ist niemals geben wird!"
Peter zuckte mit den Schultern:
„Du kannst einem Jungen nicht vorwerfen, dass er es wenigstens versucht." sagte er harmlos. Dann fügte er wehleidig hinzu: „Du bist wirklich grausam Stiles! Du lässt mir nicht die kleinste Hoffnung!"
Stiles schüttelte schmunzelnd den Kopf und hatte keine Ahnung, was er auf so etwas antworten sollte:
„Wenn wir dann hier fertig sind verschwinde ich jetzt!" verkündete er, erhob sich vom Tisch und wandte sich zum Gehen.
Doch dann fiel ihm doch noch etwas Hoffnung spendendes ein:
„Eines habe ich durch diese ganze Sache über dich gelernt Peter: Du kannst Erlösung finden, wenn du willst!"
Mit diesen Worten verschwand Stiles, ehe Peter noch auf die Idee kam, eine Erklärung von ihm zu verlangen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro