77. Adjektive
Ich wende mich wieder einem mehr auf das direkte Schreiben bezogenen Thema zu. Hier geht es darum, wie man mit Adjektiven umgehen sollte. Bestimmt habt ihr schon etliche Tipps darüber gehört und habt eure eigene Meinung dazu, aber ich versuche nun, einen Mittelweg zu finden.
Grundsätzlich hat jeder seinen eigenen Stil, aber diesen muss man als JungautorIn zuerst einmal finden. Mein Schreibstil hat sich in den letzten Jahren sehr verändert, wie ihr vielleicht auch in meinen Büchern merkt. Von The Unseen Souls bis Tigermädchen - Die Nacht ist ihr Element und dann den ganz neuen Projekten hat sich einiges verändert. Wenn ihr aber schon gestandene AutorInnen mit einem eigenen, wiedererkennbaren Schreibstil seid, dann lasst eure Adjektive, wie und wo sie sind. Wenn ihr aber noch im Entwicklungsprozess sind - und das vermute ich, wenn ihr diesen Tipp lest - dann könnt ihr noch mit den Adjektiven spielen.
Ich finde, es gibt eine relativ grosse Grauzone bei Adjektiven, auch auf das Genre bezogen.
Stephen King ist der berühmten Meinung, Adjektive seien überflüssig und am besten vollständig zu streichen. Andere Autoren widersprechen dem jedoch und benutzen Adjektive in gewissem Masse. Deutschlehrer auf der anderen Seite sagen häufig, man solle viele schöne Adjektive benutzen. Wem soll man nun glauben?
Sofern ihr keinen Deutschaufsatz schreibt: Geht sparsam damit um. Ich denke beim Lesen selten "oh, da fehlen aber Adjektive" und viel mehr "das ist jetzt eher eine unnötige Beschreibung". Vielen Jungautoren (wahrscheinlich mich inklusive) würde es nicht schaden, auf ein paar Adjektive zu verzichten.
Um etwas zu beschreiben, muss man nicht unbedingt ein Adjektiv benutzen. Man kann auch einen Vergleich machen oder ein Gefühl beschreiben, das man mit z. B. dem Ort assoziiert. Wenn ihr sagt, es roch nach dem Garten eurer Grossmutter, dann ist klar, dass sich die Person daran zurückerinnert fühlt und wahrscheinlich eine angenehme, positive Konnotation damit hat.
Wenn ihr aber dennoch mit Adjektiven beschreibt, dann benutzt 1. starke Adjektive und 2. nie mehr als eines aufs Mal. Beim Überarbeiten geht ihr dann nach Stephen Kings Meinung und löscht erstmal bei jedem Satz die Adjektive (macht das Abschnittsweise, nicht Kapitelweise). Lest ihn nochmals und überlegt euch, ob es wirklich notwendig ist. Wenn nicht: weg damit. Lasst dem Leser sein Vorstellungsvermögen! Mit zu vielen detaillierten Beschreibungen ist der Leser seiner Fantasie beraubt und taucht eventuell nicht mehr so ganz in die Geschichte ein.
Nun muss man aber anmerken, dass der Gebrauch der Adjektive auch mit dem Genre zusammenhängt. Wenn Stephen King zu Nicholas Sparks sagt, er solle alle Adjektive streichen, dann würde ich Nicholas Sparks' Bücher nicht mehr so mögen. Bei einem Thriller, Krimi oder Horrorbuch sind Adjektive um einiges unerwünschter als bei einem Liebesroman. Viele Thriller leben von diesen trockenen Beschreibungen und man gibt dem Buch damit einen harten Charakter. Ein Liebesroman muss mit mehr "Liebe" (haha) beschrieben werden und da darf man auch mal ein Adjektiv mehr benutzen. Aber bitte: nicht übertreiben! Auch Spannung und Attraktivität zwischen zwei Menschen lassen sich ohne Adjektive beschreiben.
Ein Beispiel: "Ich fuhr ihm durch die langen, sandbraunen Haare und schenkte ihm ein Lächeln. Er erwiderte es und mein Blick schwenkte auf seine vollen Lippen. Ich spürte seine weiche Hand auf meiner und auf einmal waren wir viel näher." Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich brauche eine Pause von dem Kitsch. So fühle ich mich nicht in die Szene eingebunden und sehe nur einen Typen mit braunen Haaren. Was, wenn ich nicht auf braune Haare stehe?
Besser (hoffentlich): "Auf einmal spürte ich seine Hand auf meiner und ich schaute ihn unwillkürlich an. Er lächelte immer noch und ohne dass ich es merkte, lächelte auch ich. Meine Lippen waren trocken und ich fuhr einmal mit der Zunge darüber, um sie zu befeuchten. Und dann waren wir plötzlich viel näher aneinander." Zwar kann man auch hier auf so viele Beschreibungen verzichten, aber meines erachtens wirkt dieses Beispiel viel dynamischer. Und eine Hand, die auf der eigenen liegt, kann sich jeder vorstellen. Ist ja klar, dass sie nicht unsanft und rau war, immerhin mögen sich die beiden. Ich muss nicht beschreiben, dass seine Lippen voll sind. Man kann auch anders die Aufmerksamkeit auf die Lippen lenken ;).
So, ich hoffe, ich konnte euch ein wenig weiterhelfen und bin gespannt auf eure Meinung dazu! :)
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