[3] Innere und äußere Kämpfe
Auch ich würde gerne eure beiden Texte in ein Marmeladenglas schließen und sie betrachten- immer und immer wieder. Ihr beide habt sehr das Schicksal des Mannes, was in den Worten "Dann muss ich zum Flieger" angedeutet war, weiter ausgearbeitet. Was mit ihm passiert, wo er hin kommt oder auch wie es ihn verändert hat - das finde ich in euren Texten wieder.
Sehr schön finde ich, wie sich deine Protagonistin, gefluestertegedanken, um den Kämpfer gesorgt hat. Man hat wahrlich gemerkt, wie sie sich Gedanken um sein Schicksal gemacht hat und wie sehr sie ihn doch letztlich liebt! Tommy ist aber auch einfach liebenswert. Man hat wirklich gemerkt, wie er versuchte sie aufzumuntern. Auch wenn es nur schwer gelingt. Auch finde ich es schön, wie du die Geschichte wieder mit dem Marmeladenglas geendet hast. Das hat alles wunderbar rund gemacht.
Ebenfalls wunderbar aber eben auch gar und gar traurig war dein Text, Moonconqueror
"Er weint". Zu sehen, wie er sich wandelt mit der Zeit, wie sehr sich alles auf ihn auswirkte - das alles ist höchst emotional. Alles fängt so alltäglich an. Du fängst an mit dem Frühstück, alles ist noch idyllisch und ich muss gestehen, dass bei der Nennung des Bacons mir das Wasser im Munde zusammenlief. Doch es bleibt nicht so. Es ist alles nur ein Spiel. In Wirklichkeit steht sein Gang in den Kampf mitten im Raum und lässt beide erschaudern. Um dies zu beschreiben, nutzt du auch schöne Vergleiche. Und dann kommt der Wandel, sein Wandel und Trauma. Er ist nicht mehr der selbe, er ist verändert. "Er...er...er" schreibst du und richtest damit gekonnt den Fokus auf ihn, während auch du deine Geschichte rund abschließt, indem du zeigst, wie das für ihn am Anfang noch alltägliche und schöne, nun am Ende kaum mehr zu ertragen ist.
Auch bei euch möchte ich kurz fassen: Der Sieger von diesem Kapitel ist....
Dieser Wandel, den der Mann bei dir vollzogen hat.. Es machte deinen Text zwar nicht fröhlicher, aber tiefgründig und echt.
gefluestertegedanken , auch bei dir fand ich schön, wie du Tommy eine Hintergrundgeschichte gegeben hast und wie du Violas Reaktionen ausführtest. Kopf hoch!
LG
Texte:
von Moonconqueror
"Du bist so schön", hatte er an diesem Morgen zu ihr gesagt, als sie ihm seine Kaffeetasse gereicht hatte. Sie hatten gefrühstückt, sie hatte Bacon gebraten, er hatte ein letztes Mal Zeitung gelesen. Das Geraschel von Papier und das Gebrutzel von heißem Fett hatte die morgendliche, drückende Stille durchbrochen.
Sie war glücklich gewesen, oder hatte es sein wollen, aber seine Abreise warf dunkle, lange Schatten über ihre Gedanken.
Genau deswegen hatte sie breit gelächelt und die Pfanne auf den Tisch gestellt. "Meinst du?", hatte sie gefragt und ihm Bacon aufgetan.
Er hatte die Zeitung weggelegt und mit so viel Liebe in seinem Blick geantwortet, dass es ihr die Luft abgeschnitten hatte: "Schön und klar; von Innen sowie außen. Mit blütenreinem Gewissen wie weiße Flaggen."
Sie liebte ihn. Sie liebte ihn so unglaublich, dass der Gedanke an einen abgeschalteten Fernseher, volle Rotweinflaschen und ein kaltes Bett ihr Herz in Ketten legten und in ihr Fleisch schnitten. Trotzdem spielte sie mit. Sie liebte ihn so unglaublich, dass sie ihn in diesem Moment nicht sehen lassen wollte, wie tief das Gefühl wirklich war. "Du übertreibst", hatte sie gesagt und seine Hand über den Tisch in ihre genommen.
Seine Handfläche war rau gewesen, so wie sie immer rau war, nur heute hatte er sich an ihre zarten Finger geklammert, als wäre er ein Ertrinkender und sie seine einzige Hoffnung zu überleben. "Das würde ich nie", hatte er gesagt. Er hatte ihr tief in die Augen geschaut, und sie hatte es gewusst, natürlich hatte sie es gewusst.
Seine Liebe war zu viel für sie geworden. Ihr Herz hatte angefangen zu bluten und auch sie hatte sich an ihn geklammert. Nicht eine Sekunde hatte sie die Augen von ihm abgewendet, als ihr Tränen zu fließen begannen.
Auch er hatte ihren Blick mit seinem festgehalten, denn er liebte sie. Sie war seine Hoffnung, der Lichtstrahl, der ihn mit brennenden Eingeweiden ungeduldig auf das Ende seines Einsatzes warten ließ. Sie war der Grund, warum er all das Blut an seinen Händen ertragen konnte. Sie war alles, was ihn dazu brachte durchzuhalten.
"Ich liebe dich", hatte er gesagt.
Sie hatte nur nicken können und sie hatten das Frühstück vergessen, sich geküsst, sich in den Armen gelegen, bis ihre Tränen versiegt waren.
***
Jetzt liefen sie durch ein Tal voller herbstlicher Farben, die er nicht ansehen konnte, ohne dass die Flammen in seinem Inneren höherschlugen, und an seinen Eingeweiden leckten. Sie erinnerten ihn an die Zukunft, mehr als er vor ihr zugeben wollte.
Sie liefen schon eine ganze Weile, als sie fragte: "Wie lange bleibst du noch bei mir?" Ihrer Stimme wohnte eine Zerbrechlichkeit inne, die seinen Beschützerinstinkt weckte.
Er zog sie in seine Arme. Wenn es nach ihm ginge, konnte sie ihm nicht nah genug sein. "Bis morgen. Dann muss ich zum Flieger", flüsterte er ihr zu und strich ihr über die Haare. Die gleichmäßige Bewegung und ihr Geruch, ihre Wärme beruhigten ihn, wo ihn der Anblick der friedlichen Natur erschütterte und seine Entschlossenheit zum Wanken brachte.
"Vergiss mich nicht", sagte sie und schaute zu ihm hoch. Sie blickten sich für einen endlosen Moment lang an. Wortlos kommunizierten sie ihre Trauer, ihren Schmerz und diese kleine, funkelnde Flamme namens Hoffnung.
"Wie könnte ich das?" Er küsste sie. Er küsste sie, weil er nichts anderes tun konnte, außer sie zu halten und zu küssen. Er konnte nicht bleiben. Er konnte sich nicht verweigern. Er hatte keine Möglichkeit außer durchzuhalten. Für sie. Für ihre Zukunft.
"Ich liebe dich", sagte sie.
"Ich dich auch. Mehr als alles andere", sagte er.
***
Ihr Wiedersehen ist genau so, wie sie es sich vorgestellt hat. Mit strahlenden Gesichtern rennen sie aufeinander zu, sie reißt ihm die Mütze vom Kopf, schleudert sie von sich. Er hebt sie hoch, wirbelt sie herum. Sie küssen sich, innig und voller Gefühle.
Alles danach ist so anders.
Er schaut kein Fernsehen mehr. Er sagt, dass er die Bilder der Nachrichten nicht ertragen kann.
Er trinkt keinen Rotwein mehr. Er sagt, es erinnert ihn an das Blut seiner Kameraden.
Er hat Albträume und kann nicht schlafen. Er sagt, die Bilder, Geräusche, Gerüche verfolgen ihn bis in seine Träume.
Er weint.
Er schaut ihr nicht mehr in die Augen.
Er sagt, er hat es für sie getan, aber wir konnte er? Sie sei doch so schön und klar, so blütenrein wie weiße Flaggen.
Er sagt, seine Eingeweide brennen immer noch, doch nicht mit Hoffnung, sondern vor Scham und Schuldgefühlen.
Er sagt, er kann ihre Hand nicht mehr halten.
Er sagt, er hat das Gefühl, er wäre schmutzig.
Als sie ihn fragt, wie lange er noch bei ihr bliebe, sagt er, er wisse es nicht.
Als sie ihn darum bittet, sie nicht zu vergessen, sagt er, manchmal sei es besser vergessen zu können.
Wie sie die Liebe ihres Lebens gehen lassen musste.
•••••
Als kleines Mädchen hatte sich Viola immer vorgestellt, wie es wäre, schöne Momente in einem Marmeladenglas festhalten zu können. Man würde den Deckel einfach abnehmen und jeden einzelnen Augenblick einsammeln und wenn es einem schlecht ginge, könnte man den Deckel einfach wieder abnehmen. Sie könnte den wunderschönen Moment noch einmal erleben, immer und immer wieder.
So etwas wünschte sie sich auch jetzt. Sie drehte sich auf die andere Seite, während sie darauf achtete, die Bettdecke nicht allzu sehr zu bewegen. Ihr Blick hing an Tommys langen Wimpern, seinen Wangen und verharrte dann auf seinen lieblichen Lippen. Seine Brust bewegte sich gleichmäßig auf und ab. Tommy war hier, bei ihr. Sicher. Und keiner konnte ihn ihr nehmen. Langsam setzte sie sich auf und strich dann mit ihren Fingern durch seine dunklen Haare. Jeder Gedanke an seine baldige Abreise machte ihr Herz schwerer und schwerer und manchmal befürchtete sie sogar, dass es ihr aus der Brust fallen würde. Ihr Atmen ging schwer und sie musste sich zusammenreißen, nicht wieder in Tränen auszubrechen. Noch immer waren ihre Augen von der gestrigen Nacht gerötet: lange hatte sie mit Tommy über die bevorstehende räumliche Trennung geredet, doch noch immer wollte sie es nicht realisieren. Konnte sie die Tatsache einfach ignorieren, dass ihr Verlobter bald in den Irak gehen würde? Tränen stiegen in ihr hoch, während sie sich Tommy in einer Militärsuniform vorstellte; Seite an Seite mit den anderen Männern; wahrscheinlich auf dem sicheren Wege in den Tod. Nein, sie durfte ihn auf gar keinen Fall verlieren! Nicht unter diesen Umständen! Sofort zog sie ihre Hand von ihm weg, als er sich regte und schließlich die Augen aufschlug. „Du bist so schön" Seine Stimme war rau und er griff nach ihrer Hand, um Viola näher zu sich zu ziehen, doch sie verharrte in dieser Position. Sie kannte ihn zu gut, um dieses Kompliment einfach so hinzunehmen: Tommys Fähigkeit war es, Dinge herunterzuspielen, alles positiv zu sehen und Viola damit auf die Palme zu bringen. „Meinst du?", entgegnete sie eher abweisend und entzog sich ihm. Jede kleinste seiner Berührungen verletzte sie. Sie wollte nicht daran erinnert werden, dass er bald tausende Kilometer von ihr getrennt war. Doch genauso wie es ihr schwerfiel, in seiner Nähe zu bleiben, desto schwerer war es, sich ihm zu entziehen. Sie wollte ihn spüren, ihn lieben, doch trotzdem hörten die Gedanken an seine Abreise nicht auf.
Sie schlug die Augenlider zu, um sich seinem durchdringenden Blick zu entziehen. „Schön und klar; von Innen sowie außen", raunte er und setzte sich ebenfalls auf. Viola konnte den Blick nicht von seinem durchtrainierten Oberkörper abwenden; wie gebannt hingen ihre Augen an seinen Muskeln. „Du übertreibst" Ihre Stimme zitterte und sie räusperte sich nervös. Sie wollte nicht schon wieder weinend vor ihm zusammenbrechen, so wie sie es am letzten Abend getan hatte. Er hatte sich für den Auslandseinsatz entschieden und Viola wollte seinen Träumen nicht im Wege stehen - auch wenn es sie innerlich zerriss. „Das würde ich nie" Er wollte erneut nach ihrer Hand greifen, doch sie schlang ihre Arme um den Oberkörper und sprang auf. „Was willst du frühstücken?" Ihre Worte überschlugen sich fast und sie hastete aus dem Schlafzimmer, ohne eine Antwort abzuwarten. Regungslos stand sie vor dem geöffneten Kühlschrank. Unfähig sich zu bewegen, starrte sie die grelle Lampe an, vor der Milch und Joghurts standen. Sie wollte Tommy nicht so abweisend behandeln, doch sie musste mit ihrer Trauer alleine klar kommen - schließlich war er bald nicht mehr da, um sie trösten zu können. Die Tür öffnete sich hinter ihr und Tommy setzte sich an den Küchentisch. Seine Haare waren zerzaust und auch sonst wirkte er nicht weniger fertig als sie. „Können wir darüber reden?" Doch noch bevor er seine Frage zu ende formuliert hatte, platzte es aus Viola heraus.
„Wie lange bleibst du noch bei mir?" Eine Träne war ihre Wange hinuntergerollt und sie hatte sich langsam zu ihm umgedreht. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und obwohl sie wusste, dass er bald abreisen musste, machte ihr seine Antwort Angst. Ihre Finger verkrampften sich um den Joghurtbecher, den sie mit beiden Händen fest umklammert hielt - so als würde ihr dieses Lebensmittel den Halt geben, den sie brauchte. Tommy stützte die Ellenbogen auf den Küchentisch und legte sein Gesicht in seine Hände. Für einen Moment hing Violas Frage in der Luft und sie wünschte sich, dass sie diese nie gestellt hatte. Doch dann antwortete Tommy: „Bis morgen. Dann muss ich zum Flieger"
Der Joghurtbecher fiel zu Boden und mit ihm fiel auch Violas Kontrolle über sich selbst. Die Fassade, die sie sich seit dem gestrigen Abend versucht hatte aufzubauen, brach endgültig in sich zusammen. Ihr ganzer Körper wurde durch ihr Schluchzen erschüttert. Verzweifelt sank sie zu Boden und konnte nur noch an eine Sache denken: Tommy würde sie verlassen; er würde in den Irak fliegen; er würde vielleicht sterben. Doch plötzlich hielt Tommy sie in seinen kräftigen Armen. Er hielt sie so fest, dass sie aufhörte zu schluchzen und nur noch leise vor sich hin wimmerte. Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und hob ihr Kinn an. Aus seinen braunen Augen liefen ebenfalls Tränen, die Viola sanft wegwischte. „Ich liebe dich", sagte sie mit zitternder Stimme und schlug ihre Arme fest um ihn. „Ich dich auch" Langsam zog er ihren Kopf zu sich und küsste sie dann schließlich mit purer Leidenschaft. Da war wieder so ein Moment, den Viola mit einem Marmeladenglas festhalten wollte, doch sie konnte nichts dagegen tun, dass auch dieser bald wieder enden würde. Und ihr Tommy würde in den Irak fliegen.
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