Kapitel 9
Ashley zog mich in eine Umarmung und auch wenn wir uns noch nicht so lange kannten, tat diese Umarmung gut.
Ich sah aus dem Augenwinkel, wie manche Schüler auf mich zeigten. Sie tuschelten. Manche lachten, manche sahen mich mit schreckgeweiteten Augen an.
"Mach dir nichts draus Charlotte, die sind alle nur eifersüchtig auf deine Kräfte", meine Ashley, die mich aufheitern wollte.
"Hast du das gesehen? Ich habe seine Hand fast komplett geschmolzen! Ashley, das ist grausam!", meinte ich verzweifelt.
"Also bitte, der hat es ja wohl auch nicht besser verdient. Schau dich nur an, dein T-Shirt ist voller Blut.
Weißt du was? Ich müsste noch ein T-Shirt dabei haben, das ziehst du jetzt an. Dann siehst du nicht mehr so mitgenommen aus.
Und hey, ich hab gehört, dass in der Gegend ein neues Café aufgemacht hat. Da gehen wir gleich zusammen hin, das lenkt dich bestimmt ab", sagte sie selbstsicher und zog mich an meinem Arm in Richtung Toiletten.
Dankbar nickte ich. Ich brauchte auf jeden Fall eine Ablenkung.
Nachdem ich mein Oberteil gewechselt hatte, liefen Ashley und ich den Berg hinunter in das kleine, davor liegende Dorf.
Obwohl ich schon seit einem Monat auf diese Schule ging, hatte ich diesen Ort noch nie erkundet.
Es begann zu tröpfeln.
"Schnell beeil dich, das Café ist nicht mehr weit entfernt. Wenn wir Glück haben und schnell sind, werden wir nicht ganz durchnässt."
Ich nickte und wir rannten los.
*
Das Café war wirklich schön. Alles war in einem Vintage-Stil gehalten. Wir setzten uns an einen Tisch vor den Fenstern.
Ich sah hinaus. Der Regen klopfte an die Glasscheiben. Ich liebte dieses Geräusch. Gegenüber versuchten Verkäufer hastig, ihre Waren mit Planen zu schützen. Die Tür des Cafés öffnete sich mehrmals und die Glocke bimmelte aufgeregt. Einige Menschen kamen schnaufend herein und baten um Sitzplätze.
Eine Kellnerin kam mit einem freundlichen Lächeln auf uns zu. Sie überreichte uns zwei Speisekarten und eilte gleich darauf weiter zum nächsten Tisch.
"Und? Wie gefällt dir eigentlich die Schule bis jetzt?", fragte mich Ashley neugierig.
"Abgesehen von dem Zwischenfall, eigentlich ganz gut", antwortete ich ihr, während ich überlegte, welchen Kuchen ich nehmen sollte.
Ashley grinste.
"Was ist denn?",fragte ich verwirrt.
"Und wie findet du du-weißt-schon-wen?"
"Hä?"
Sie verdrehte lachend die Augen. "Natürlich James, wen denn sonst?"
Ich stöhnte. "Nicht du auch noch. Ich weiß nicht, was alle anderen an ihm finden. OK, OK, er sieht ganz gut aus, aber sein Charakter..."
"Du magst ihn."
"Was?"
"Du magst ihn!"
"Nein, woher willst du das wissen?", stritt ich panisch ab. Ashley's Grinsen wurde breiter.
Die Bedienung kam wieder und wir gaben unsere Bestellungen auf.
"Naja, und sonst so?",fragte Ashley mich. Sie grinste immer noch.
"Hm, eigentlich hab ich noch nicht viele Leute kennen gelernt."
"Was?",fragte sie mich aufgebracht,"Du bist seit einem Monat an unserer Schule! Dagegen muss man auf jeden Fall etwas unternehmen! OK, zu allererst die Grundkenntnisse."
"Na dann, fang Mal an. Vertreibe das Unwissende in mir", lachte ich. Ashley musst auch lachen.
"OK, aaaaalllsoooo... Fangen wir Mal mit den 'Gangs' in unsrer Schule an.
Eine hast du ja schon kennengelernt. Wir nennen sie alle 'Die Supercoolen'. Sie bestehen zum Beispiel aus dem 'Anführer' Jason Collins, einem Forment, also jemandem, der sein Aussehen verändern kann und seinem besten Kumpel Daniel Patel, einem Metallor, jemand der Metall kontrollieren kann.
Naja, und noch 7 weiteren Jungs, die sich alle für die stärksten und besten halten, aber eigentlich einfach nur kindlich, lachhaft und dumm sind."
Ich nickte. Das hatte ich auch schon bemerkt.
Die Kellnerin kam und überreichte uns unseren Tee und unsere Kuchenstücke. Nachdem wir uns bedankt hatten, wendete sich Ashley mir sofort wieder zu und plapperte wieder aufgedreht drauflos: "Dann gibt es noch ein paar 'Schickimickigangs' die alle aus dummen Zicken bestehen."
Sie verdrehte die Augen. "Glaub mir, denen willst du nicht über den Weg laufen.
Und dann gibt es noch zwei Elitegruppen, aufgeteilt in Jungs und Mädchen. Sie bestehen aus den mächtigsten Magiern und Magieträgern unserer Schule. Die meisten von ihnen sind Klassensprecher oder vertreten unsere Schule bei Wettkämpfen. Und man, die Jungs sind alle echt heiß!",schwärmte sie.
"Lass mich raten, James ist auch Mitglied in dieser Elitegruppe."
"Natürlich! Hallo, er ist immerhin der Elementträger des Wassers! Es gibt nur noch einen der stärker ist als er."
Jetzt war ich wirklich neugierig. "Und wer ist dieser jemand?",fragte ich so beiläufig wie es ging.
"Sein Name ist Ethan Sheron und er ist ein Animor, jemand der sich in den Geist eines anderen begeben kann."
"Und das bedeutet? Kann er Gedanken lesen?"
"Das und noch viel mehr. Er kann zum Beispiel Erinnerungen löschen, deinen Kopf so verwüsten, dass du als verrückt gilst oder eben anders herum."
Ashley beugte sich näher zu mir und flüsterte: "Man erzählt sich, dass er dadurch aus Versehen seinen Vater umgebracht hat."
"Was!?",fragte ich schrill, "Das ist ja schrecklich!"
"Pst, nicht so laut! Wer weiß, ob das überhaupt stimmt.
Ich frage mich, warum du noch nicht in die Gruppe aufgenommen wurdest. Wie alt bist du denn?"
"15",murmelte ich.
"Achso, dann musst du wohl noch ein Jahr warten. Man wird erst ab 16 aufgenommen." Sie sah mich mitleidig an.
Ich verdrehte die Augen. "Die 'Elite' kann mir sowas von gestohlen bleiben."
"Sag das nicht. Glaub mir, eigentlich sind sie alle sehr verantwortunsbewusst und echt charmant.",sie stopfte sich schwärmend ihr letztes Kuchenstück in den Mund.
"Kommt deine Familie eigentlich aus den USA? Du hast einen amerikanischen Akzent."
Sie nickte. "Mein Vater kommt aus Amerika, meine Mutter aus Deutschland. Hast du eigentlich Geschwister?"
"Nein, nur meine Cousine und meinen Cousin."
"Warum magst du deine Cousine nicht?" Sie sah mich fragend an.
Ich schaute etwas verdutzt. "Woher...?",fragte ich, doch ich wurde schon von ihr unterbrochen.
"Na du weißt doch, ich bin eine Sentirin, ich kann die Gefühle anderer lesen. Also? Warum nicht?"
Ich erzählte ihr meine Familiengeschichte. Sie hörte mir interessiert zu und ich war froh jemandem von dem Tod meines Vaters zu erzählen und den ganzen angestauten Frust rauszulassen.
Von ihr erfuhr ich, dass es nicht immer einfach war, eine stumme Schwester zu haben und wie die beiden mit ihren Kräften umgingen.
Das Smilla mit mir geredet hatte, behielt ich vorerst für mich. Es gab garantiert einen wichtigen Grund für ihr Verhalten. Ich musste unbedingt noch einmal mit ihr sprechen.
"Aber alles in allem bin ich wirklich froh, dass ich diese Kräfte besitze", beendete sie ihr Erzählung, "Und glaub mir, auch wenn ich merke, dass du ihm Moment keinen Gefallen an ihr findest, wirst du deine Gabe auch irgendwann lieben lernen. Sie ist jetzt ein Teil von dir und kann überaus nützlich sein."
Sie zwinkerte mir zu. "Besonders so eine mächtige wie deine."
Plötzlich wurde es eiskalt im Café. Jemand hatte die Tür schwungvoll aufgerissen und der kalte Wind strömte herein.
Sofort ertönten genervte Stimmen und zwei Mädchen links neben unserem Tisch beschimpften den Neuankömmling.
Doch schlagartig verstummten sie. Eine der beiden wurde rot.
"OMG, Charlotte, das ist er! Das ist Ethan Sheron", quietsche Ashley.
Sie hatte Recht, er sah verdammt gut aus.
"Er ist aber kein Vergleich zu James", stellte meine innere Stimme fest.
Ich schüttelte den Kopf. Was für ein Schwachsinn.
Ethan steuerte direkt auf uns zu.
"Hey, ich bin Ethan. Ihr beide müsst hier schnellstens verschwinden, alles weitere erkläre ich euch im Wagen." Er deutete nach draußen, auf einen schwarzen Benz.
"Beeilt euch, es ist wirklich wichtig."
Sofort machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand aus dem Café.
Ashley und ich starrten uns einige Sekunden geschockt an. Dann schnappten wir uns unsere Jacken, ließen etwas Geld auf dem Tisch liegen und eilten hastig nach draußen.
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