♕ 26.
Meine Lungenflügel blähen sich auf, ich wage es kaum meinen Augen zu trauen.
Ich wusste, dass Edward und seine Sippe Geld hat, allein dieses riesige Haus, das nahezu einem Palast gleicht. Aber dass sie im Reichtum schwimmen, sich anscheinend vor lauter grünen Scheinen kaum noch retten können, hätte ich nicht gedacht.
Vor meinen Füßen liegt das Paradies. Zwar ohne Milch und Honig, aber dafür trieft das Zimmer nur so vor Prunk und Kostbarkeiten. Es ist modern eingerichtet, aber an jedem Möbelstück ist mindestens eine goldene Verzierung angebracht.
Ich blinzle ein paar Mal. Mit offenen Mund setze ich einen Fuß über die Türschwelle.
Sofort springe ich aber wieder zurück. Ich passe da nicht rein, das Zimmer gleicht einer anderen Welt, einer anderen Dimension. Das Ganze ist zu schön für mich, mir wird sofort bewusst, dass ich mich in so viel Schönheit und Vollkommenheit unwohl fühle. Als würde ein Stallarbeiter auf einen königlichen Ball tanzen. Es fühlt sich falsch an. Nicht richtig.
„Was ist los Tara? Das Zimmer ist ab sofort dein Eigentum, du kannst tun und lassen was du willst." Edward grinst mich von der Seite an.
Wie oft habe ich mir als Kind vorgestellt als Prinzessin in einem riesigen Palast zu wohnen. Wahrscheinlich hatte jedes kleine Mädchen schon mal den Traum in einem Märchenschloss zu leben, das Klischee beeinflusst unsere Gedanken schon früh. Allein in unsere Kindheit werden wir dazu getrimmt, Schlösser, Prunk, Glanz und Vollkommenes als schön zu empfinden. Als etwas das begehrenswert ist, nachdem man streben sollte.
Jetzt befindet sich ein kleines Schloss direkt vor meinen Augen, und ich schaffe es nicht zu akzeptieren, dass so etwas Wunderbares nun mir gehören soll.
Schnell wandern meine Blicke in dem Raum weiter umher. Ein Himmelbett, ein riesen Kleiderschrank, eine Badewanne mit goldgeschmückten Rand, ... Schließlich bleiben meine Augen an der goldenen Waage und dem großen Wandspiegel hängen, die Psycho GmbH scheint an alles gedacht zu haben. Wow.
„Tara, das gehört jetzt alles dir. Fühl dich wie zu Hause, hier sind auch keine Kameras angebracht. Wir vertrauen dir. Das Haus kannst du allerdings nur in Begleitung verlassen, ach ich werde dir später alles erklären. Es gibt schon ein paar Regeln, die beachtet werden müssen, aber generell darfst du dich hier ganz frei und unbefangen fühlen. Schließlich wirst du bald perfekt, du musst anfangen dich pudelwohl zu fühlen."
Ich nehme Edwards Stimme nur dumpf wahr, noch immer blendet mich dieser schöne Raum. Ich kann mich gar nicht satt sehen.
„Du hast jetzt etwas Zeit dich um zu sehen, aber Alvaro wird dich später abholen. Zieh dir etwas Schwarzes, heute ist ein besondere Tag."
Mit diesen Worten schubst mich Edward in den Raum, und schließt leise die Tür von außen.
Ich bin allein. Mit aller Kraft atme ich einmal tief ein. Die Ereignisse überrollen mich langsam. Wie viele Eindrücke schafft ein Mensch an einem einzigen tag zu ertragen? Nicht mal die Nächte bleiben mir, um meine Gedanken zu sortieren oder wenigstens ansatzweiße zu verarbeiten. Weil mich jede Nacht der gleich Albtraum quält, und Albträume lassen nun mal nur das seelische Leiden zu.
Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mich von den Vorkommnissen überrollen zu lassen. Ich warte schon lange darauf, dass mein Gehirn endlich platzt, weil ich nicht weiß wie ich die vielen schnell aneinandergereihten Geschehnisse verarbeiten soll.
Langsam gehe ich auf den riesigen weißen Kleiderschrank zu, er ist modern und prunkvoll zugleich.
Ich soll mir also etwas Schwarzes anziehen.
Wieso schwarz? Ist das nicht die Farbe der Trauer?
Erwartungsvoll öffne ich die schwere Tür des Schrankes, und zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Minuten schaffe ich es nicht meinen Mund zu schließen. Aufgrund des Nasengibs bin ich sowieso nur fähig durch den Mund an Luft zu kommen, aber gerade bleibt mein Mund eher vor Staunen offen. Mehr als beeindruckt gleiten meine Augen über all die kostbaren Kleider. Eins ist schöner als das andere.
Plötzlich klopft es an der Tür.
Ohne groß darüber nachdenken zu können, geht diese im nächsten Moment schon auf. Und Alvaro steht mit einem breiten Grinsen in der Schwelle.
„Tara? Ich darf doch reinkommen?"
Völlig perplex schaue ich in seine intensiven Augen. Es fällt mir einfach immer wieder schwer mich von der dunkelgrünen Farbe abzuwenden.
„Na wie gefällst dir hier?" seine Grübchen fallen mir natürlich sofort wieder auf. Das er aber auch immer nach jedem Satz lächeln muss. „Ich weiß die letzten Stunden waren ziemlich nervenaufreibend, aber wir mussten prüfen ob wir dir vertrauen können. Jetzt können wir ganz sicher sein, das du dir nichts mehr antun willst. Du hättest rein theoretisch die Möglichkeit gehabt, aber ich bin froh, dass dein Ehrgeiz zum perfekten Körper dich dann doch wachgekitzelt hat. Wer schön sein will, muss leiden. Man muss gewisse Opfer bringen, und ich freue mich sehr das du das endlich verinnerlich hast."
Der Ehrgeiz zum perfekten Körper ist sicherlich nicht der Grund, warum ich es nicht getan habe.
Um mir meinen inneren Zorn aber möglichst nicht anmerken zu lassen, nicke und lächle ich abwechselnd in Alvaros Richtung. Schon ruhig bleiben.
„Das ist schön."
Jetzt kommt er in einem derat lockern Gang auf mich zu, dass ich gar nicht anders kann als meine Augen an seinem makellosen Körper entlang gleiten zu lassen. Mir ist es unbegreiflich wie die Proportionen so harmonisch miteinander wirken können.
Ich zucke leicht zusammen als er jetzt seinen muskulösen Arm um meine nicht vorhandene Taille legt.
„Alles ist gut. Bleib ruhig." Flüstert er mir in den Nacken.
Und ich kann schon wieder nicht verhindern, dass sich eine warme Gänsehaut in meinem Herzen verbreitet. Verdammt.
Alvaro schiebt mich fürsorglich zu dem großen Spiegel an der rechten Wand, auch hier ist der Rand mit goldenen Schnörkeln verziert. Es sieht wunderbar aus, die Sadisten haben genau meinen Geschmack getroffen. Oder lasse ich mich nur von der Schönheit blenden, und kann somit gar nicht erkennen ob der eigentliche Gegenstand meinem Geschmack entspricht?
„Früher stand der Spiegel für das Abbild der Seele, Tara. Merk dir diesen Satz gut, er wird dich motivieren."
Es wird langsam zur Gewohnheit, dass Alvaro auf meine Gedanken keine Rücksicht nimmt. Wieso lässt er mich nie zu Ende denken, bevor er mich immer wieder mit neuen Weisheiten konfrontiert?
Mein Spiegelbild schockiert mich zutiefst. Eine total verkrümmte, ausgelaugte Tara blickt mir entgegen. Ich erkenne mich selbst kaum wieder. Mal abgesehen von meinem unförmigen Körper, schaue ich wirklich krank aus. Das weiße Hemd, das unförmig mit Fett und blutverschmierten Flecken an meinen Schultern hängt, das Nasenpflaster, das fast mein gesamtes Gesicht bedeckt. Diese dunklen Augenringe, die gläsernen Augen.
Also als Zombie bezeichnet zu werden wäre schon ein Kompliment.
Man sieht mir deutlich an, wie sehr mich das alles hier mitnimmt. Habe ich für jeden empfunden Schmerz ein Stückchen mehr Hässlichkeit gewonnen?
Meine wahrscheinlich perfekten Brüste sind kaum zu erkennen, das unförmige Hemd überdeckt alles. Zaghaft versuche ich zu lächeln, aber wenn sich meine fetten Backen zur Seite bewegen und ich wie fettfritierter Hamster ausschaue, würde ich am liebsten kotzen. Ich mag mein Lachen generell nicht, es schaut eklig aus.
„Ja genau, betrachte dich meine Liebe. Der Spiegel gilt als Therapie zur Eitelkeit- Förderung. Er hat eine wichtige Bedeutung. Für uns alle." Alvaro betrachtet meinem Körper mit ausdrucklosen Augen.
Am liebsten würde ich den Spiegel in tausend Scherben zertreten, ich hasse diese reflektierenden Oberflächen abgrundtief.
Wenn es keine Spiegel geben würde, wenn es keinen einzigen Gegenstand geben würde, in dem man sich selbst sehen würde, was wäre wenn die Kamera nie erfunden wurde? Wäre die heutige Gesellschaft dann noch dieselbe?
„Du bist nicht Abbild Gottes Tara, du bist Abbild des Spiegels."
Kann er nicht einfachmal seine Klappe halten? Mein Gehirn ist kurz vor dem explodieren, und er erzählt mir eine schwachsinnige Weisheit nach der anderen. Wütend schaue ich ihm in die Augen.
Ein Fehler.
Es ist generell immer ein Fehler in seine Augen zu schauen, sie wecken Gefühle in mir, die ich gar nicht fühlen will. Sie ziehen mich in einen Bann, in dem ich gar nicht gefangen sein will.
„Hat dir mein Erzeuger schon erzählt wohin wir heute Abend gehen?" Alvaro zwinkert mir zu.
Yaaay immerhin ein Themenwechsel.
„Nein. Ich soll mich nur schwarz kleiden." antworte ich leise. Aber insgeheim vermute ich das Schlimmste. Ab sofort muss ich immer von dem Schlimmsten ausgehen. Ein Horrorszenario nach dem nächsten wird mich erwarten.
„Na dann zieh dir doch am besten das lange schwarze Kleid mit den Rüschen an. Das gefällt mir besonders gut. Und es müsste sogar dir passen."
Er geht zum Schrank, und nimmt sofort das besagt Kleid heraus. Fast so als wüsste er auswendig, wo sich jedes einzelne Kleidungsstück befindet.
„Na los. Zieh dich um, wir haben nicht ewig Zeit." Erwartungsvoll schaut Alvaro mich an.
„V-vor dir?"
„Ach Tara, ich habe dich schon mal nackt gesehen, weißt du nicht mehr?"
Nur noch dunkel erinnere ich mich an das Spiegelzimmer, das übersäht von diesen reflektierenden Oberflächen war. Allerdings kann ich mich noch genau darin erinnern, wie peinlich mir es war, als er wirklich ALLES von mir zu Gesicht zu bekommen hat.
„Aber gut okay, du bekommst deine Privatsphäre. Ich warte vor der Tür." Mit diesen Worten verlässt Alvaro den Raum.
Privatsphäre, das ich nicht lache.
Mir bleibt nicht viel Zeit um mir groß Gedanken zu machen, da all meine Energie und Aufmerksamkeit gilt einzig und allein dem Kleid, in das ich mich pressen muss. Es ist viel zu eng, aber ich möchte es unbedingt schaffen mich hineinzuzwängen.
Nach ein einigen anstrengenden Minuten ist es dann endlich geschafft. Vorsichtig öffne ich die Tür.
„Na endlich Tara." Alvaro und Edward scheinen beide schon sehnsüchtig auf mich zu warten.
„Vielleicht ein bisschen eng, ha? Aber wie eine Presswurst schaust du nicht aus, also geht das gerade noch so in Ordnung."
Ich bin froh überhaupt hineingekommen zu sein, und wenigstens noch ansatzweiße atmen zu können ohne, dass der Stoff reißt.
„Na dann kann's ja losgehen." Ironisch grinse ich die beiden Sadisten an.
„Allerdings. Wir sind schon spät dran, und heute ist dein Ehrentag, Tara. Da wollen wir doch nichts verpassen." Edward führt uns durch die vielen Gänge Richtung Ausgang.
Erst als wir zu dritt in dem schwarzen Ferrari sind, scheint mein Gehirn Edward Worte zu begreifen. Was für ein Ehrentag? Wenn ich Geburtstag oder eine Hochzeit hätte, wäre mir das wohl bewusst.
„Was für ein Ehrentag?" frage ich nun laut.
Edward dreht sich langsam vom Beifahrersitz zu mir um. „Dein Todestag Tara, heute wirst du beerdigt."
Ich schlucke. Mein Herz schnürt sich augenblicklich zusammen.
„Sie haben zwar keine Leiche gefunden, ist ja auch schlecht möglich." Ein schiefes Grinsen legt sich über sein Gesicht. „Aber deine Eltern, und die Angehörigen müssen versuchen mit dem Thema abzuschließen. Und da ein Augenzeuge gesehen hat, wie du dich von der Brücke gestürzt hast, haben dich deine Eltern offiziell für tot erklären lassen. Aber keine Sorge, ich denke die Beerdigung wird trotz der kurzfristigen Umstände schön dekoriert sein."
FRAGESTUNDE 2.0
1. Was ist eure Lieblingsstelle bis jetzt? (ich weiß ich habe die Frage schon mal gestellt, fände es aber trz nochmal interessant)
2. Wenn ihre eine kostenlose Schönheitsoperation bekommen würdet, welches Körperteil würdet ihr verändern?
3. Findet ihr Edward könnte für den Gesellschaftsdruck stehen?
4. Eure Lieblingsbücher? (wenns möglich ist keine 1D ff aufzählen)
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